dieses Buch (Adrienne Mayor, "Pontisches Gift - Die Legende von Mithridates, Roms größtem Feind") hatte ich mir zwar schon zu Weihnachten schenken lassen (da braucht es immer einen sanften Hinweis, sonst wird das nichts

Interessant ist das Leben des Mithradates VI Eupator von Pontos (http://de.wikipedia.org/wiki/Mithridate ... 8Pontus%29), da er einer der letzten großen Gegner der Römischen Republik war, der diese im ersten Jahrhundert v. Chr. noch einmal ins Schwitzen brachte. In der Schule hatte ich nie etwas über ihn gehört, erst über seine Münzen habe ich bruchstückhaft etwas erfahren, daher mein Interesse an diesem Buch (trotz des etwas seltsamen Stils, der mir bei einem ersten Durchblättern im Buchladen schon aufgefallen war

Das Machwerk hat mich dann aber doch ziemlich genervt

- Mayor verfolgt einen Ansatz, bei dem sie fehlende Fakten durch viel Fantasie ersetzt und munter vor sich hin spekulierend beschreibt, wie es aus ihrer Sicht gewesen sein könnte. Das sagt sie zwar auch, kennzeichnet die fiktiven Passagen aber nicht immer sauber, weist manchmal gar erst hinten in den Anmerkungen darauf hin, dass das vorne im Buch Beschriebene eher ihrer blühenden Fantasie entspringt als auf Überlieferung oder archäologischen Fakten beruht.
- Das Buch ist zwar mit ganz vielen Literaturverweisen versehen, man hat aber keine Ahnung, welches Literaturzitat sich nun auf was bezieht. Es läuft nämlich meist so, dass am Ende eines längeren Abschnitts eine einzige Nummer in die Anmerkungen verweist und dort dann mehrere Literaturzitate stehen (die Bücher und Aufsätze werden aber nur genannt, es werden keine Stellen daraus wörtlich zitiert). Welches der genannten Werke aber welche der Aussagen im entsprechenden Abschnitt wie belegt, erfährt man leider nicht. Man müsste also die zitierte Literatur selbst in Augenschein nehmen. Bei mir hat dieses Vorgehen dann dazu geführt, dass ich irgendwann bei jeder Aussage ein ungutes Gefühl hatte, ob ich sie denn jetzt glauben sollte oder vielleicht lieber doch nicht.
- Da Mayor "folk science" als einen ihrer wissenschaftlichen Schwerpunkte bezeichnet (also wohl alles, was nach Hokuspokus aussieht), ist ihr die Neigung des Mithradates zur Giftmischerei gaaanz wichtig, und das wird dann bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit breitgetreten. Sie stilisiert Mithradates zum größten Universaltoxikologen seiner Zeit, der seine gesamte Freizeit damit verbrachte, neue Gifte und Gegengifte zu erproben (leider erfahren wir nicht wirklich, wie er das denn gemacht hat). Das scheint schon einen wahren Kern zu besitzen, der wird aber deutlich über das Glaubhafte hinaus aufgebläht.
- Die Sprache ist ebenfalls recht anstrengend, sie wird ständig auf 180 gedreht. Die Römer sind verräterisch, Kometen sind aufsehenerregend, das Festungsbauprogramm ist umfassend und kostspielig, der Preis beim Trinkwettkampf ist fabelhaft, die Kraft des Mithradates ist überlegen und seine Konstitution stählern, seine Rüstung war herrlich, und so zieht sich die Inflation der Adjektive munter durch das gesamte Buch. (Für diese Beispiele hab' ich das Buch jeweils irgendwo aufgeschlagen und bin sofort fündig geworden, ehrlich!). Ich meine mich dunkel daran zu erinnern, dass ich in der Schule mal gelernt habe, dass dies ein Zeichen von Trivialliteratur sei.


Mich wundert auch, dass ein solches Werk den Ruf einer Wissenschaftlerin nicht deutlich beschädigt (Standford ist ja nicht irgendeine Landuniversität), aber das scheint in Amerika mittlerweile etwas anders zu sein als bei uns

Insgesamt sehr schade, das Thema wäre etwas Besseres wert gewesen. Eines der Standardwerke zu Mithradates VI bleibt damit das Buch von Théodore Reinach von 1890 (hätte ich jetzt noch vor mir; vielleicht, wenn ich mich wieder etwas erholt habe

Gruß
Altamura