"Hacksilber" aus Terone?

Griechische Münzen des Altertums

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Homer J. Simpson
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"Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Homer J. Simpson » Do 21.02.13 12:10

Diese Münze war vor einigen Monaten auf Ebay. Als ich sie in der Seitenübersicht sah, dachte ich mir: Och nöö, nicht schon wieder so ein vergammelter Obolos... Denn durchoxydierte und zerbrochene Kleinsilbermünzen sieht man ja auf Iii-Bäh nicht so selten. Relativ versteckt fand sich dann in der Beschreibung der Hinweis, daß es sich hier tatsächlich um eine Tetradrachme handelt, bzw. den Rest einer Tetradrachme. Und das machte das Ganze gleich VIEL interessanter, da die Großsilbermünzen der makedonischen Städte größtenteils so richtig selten und teuer sind. Ich habe das Stück dann recht günstig bekommen und will es hier mal vorstellen:

Tetradrachme, Terone (?), ca. 490 v.Chr.
Vs. Amphore , rechts unten Buchstabe Φ
Rs. Viergeteiltes Quadratum incusum
23 mm, 8,80 g

Daß das Stück entzweigehackt wurde, spricht für einen Umlauf außerhalb des griechischen Kulturkreises, wo die Münzbilder - und damit die Garantien der Städte für ihre Münzen - wurscht waren und das Silber rein nach Gewicht gehandelt wurde. Im bedeutendsten archaischen Schatzfund, dem von Asyut, waren sehr viele Münzen zerteilt. Natürlich ist das schade, daß die Münze "kaputt" ist, aber man muß drei Dinge bedenken:
1. Es gehört nun mal zur Geschichte der Münze, wie z.B. auch eine antike Lochung, deshalb sind mir antik gelochte Münzen auch viel lieber als modern gestopfte.
2. Man muß davon ausgehen, daß die Münze wohl ca. zehn Jahre ganz war und nun seit 2500 Jahren das Teilstück ist, das ich nun in der Hand habe.
3. Wenn die Münze ganz wäre, wäre sie wohl ein Stück für eine Saalauktion und sicher nicht in meiner Sammlung - diese Tetradrachmen sind normalerweise gut vierstellig im Preis. Alle Tetradrachmen von Terone sind im Sear in ss mit über 2000 Pfund angesetzt - im Jahr 1978!

Die frühen Tetradrachmen von Terone teilen sich in zwei Emissionen, die erste - wahrscheinlich vor der Schlacht von Marathon - im makedonischen Standard um 14,5 g, die zweite im attischen Standard um 17 g. Ein Hackstück von 8,8 g dürfte im attischen Standard kaum mehr als die Hälfte der Münze darstellen; da mein Stück fast zwei Drittel der Münze ist, ist es wohl im makedonischen Standard ausgeprägt worden. Diese frühen Stücke tragen meist kein Ethnikon, teilweise auch wie die späteren die Buchstaben T-E. Laut Sear (Nr. 1290) gibt es auch Stücke mit Ethnikon H-E, evtl. aus einem benachbarten Ort Herakleia. Nun stellt sich die Frage (ich habe dazu leider keine brauchbaren Informationen finden können), ob auch ein Ort mit Phi als erstem oder zweitem Buchstaben in der Nähe lag, dem diese Münze zugeschrieben werden könnte, oder was dieser Buchstabe zu bedeuten hat. Auf der Gegenseite links war möglicherweise auch ein Buchstabe, aber dessen Reste sind so schwach und zweifelhaft, daß ich darüber keine Spekulationen abgeben möchte.

Über diese Münze freue ich mich sehr, weil sie erstens meine erste frühe makedonische Großsilbermünze ist, zweitens eine richtige Gechichte erzählt und drittens mit ihrer Inschrift auch noch ein Geheimnis birgt.

Viele Grüße,

Homer
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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von quinctilius » Do 21.02.13 12:49

..interessant auch, dass man auf dem Rv. noch Spuren des (oder mehrerer ?) Teilungsversuches sieht.

VG
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Homer J. Simpson
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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Homer J. Simpson » Do 21.02.13 14:56

Ja, der Meißel ist mehrmals angesetzt worden, gerade so als hätten die beiden Handelspartner gefeilscht, wieviel das halbe Schwein denn nun kosten soll. ;)

Homer
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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Altamura2 » Do 21.02.13 21:40

Interessante Münze, auch wenn sie etwas gelitten hat :wink: .

Als Literatur dazu gibt es Nicholas Hardwick, “The Coinage of Terone from the Fifth to the Fourth Centuries B.C.” in Richard Ashton and Silvia Hurter (eds.) Studies in Greek Numismatics in Memory of Martin Jessop Price London: Spink, 1998: 119-134, pl. 29.

Dort wird erwähnt, dass es auch Münzen dieses Typs mit der Beschriftung ZIΓ und ΠO gibt. Hardwick zieht daraus den Schluss, dass es sich hier um die Kürzel von Magistratennamen handelt, also das HE auch nicht für eine andere Prägestätte steht.

Hardwick zitiert dafür einen Artikel von S. Fried, “The Decadrachm Hoard: an Introduction,” in I. Carradice (ed.), Coinage & Administration in the Athenian and Persian Empires, Ninth Oxford Symposium on Coinage and Monetary History (BAR 343; Oxford 1987), p. 4, pl. 2.15 (den ich aber nicht kenne, im Unterschied zu dem Hardwick-Artikel). Dort wird das O aus der ΠO-Münze angeblich auch als Θ gesehen, was dann wieder vielleicht das auf Homers Münze sein könnte. Ich weiß aber nicht, ob es eine solche Form des Θ in dieser Zeit wirklich gegeben hat. Ein Θ würde aber das unschöne Phänomen beseitigen, dass das Φ liegen würde oder doch zumindest starke Schlagseite hätte :? .

Eine Variante mit ΠO inklusive einer Zusammenfassung des Hardwick-Artikels sieht man hier: http://www.noble.com.au/mobile/lot?id=33551 , dieselbe Münze dann nochmal hier: http://www.kythera-family.net/download/ ... n04web.pdf (auf dem Titelblatt und auf Seite 37).

Gruß

Altamura

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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Homer J. Simpson » Do 21.02.13 22:51

Danke für den interessanten Hinweis - ich habe das Foto gleich mal frech geklaut, da ein Bild doch mehr sagt als ein Link.
Man sieht, daß das Stück deutlich später, weniger archaisch, zivilisierter ist als meine sicher sehr frühe Münze; die Buchstaben sind im Relief höher und feiner geformt, die Amphore ebenso, der Münzgrund ist glatter. Dazu paßt das Gewicht von 17,585 g (auch für attischen Münzfuß recht schwer!). Selbst wenn also die Buchstaben mit meinen übereinstimmten, müßte die Münze aus Deinem Link eher vom gleichnamigen Sohn des Magistraten geprägt worden sein ;).

Wie man den einen gut sichtbaren Buchstaben interpretiert, hängt jetzt davon ab, wie man eine imaginäre Schriftzeile ziehen würde - ich habe mal zwei Möglichkeiten einer solchen Zeile plus einen (hypothetischen) Buchstaben auf der Gegenseite, nur zur Verdeutlichung, ins Bild eingezeichnet. Vom Phi weiß ich (bzw. meine zu wissen), daß es immer einen durchgehenden Strich hat; bei einem Theta würde ich eher einen Punkt im Zentrum erwarten. Aber natürlich fehlen mir die Vergleichsmöglichkeiten, da die Buchstabenformen nach Zeit und Region deutlich variierten.

Viele Grüße,

Homer
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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Altamura2 » Fr 22.02.13 21:06

Homer J. Simpson hat geschrieben:... Man sieht, daß das Stück deutlich später, weniger archaisch, zivilisierter ist als meine sicher sehr frühe Münze; die Buchstaben sind im Relief höher und feiner geformt, die Amphore ebenso, der Münzgrund ist glatter. Dazu paßt das Gewicht von 17,585 g (auch für attischen Münzfuß recht schwer!). Selbst wenn also die Buchstaben mit meinen übereinstimmten, müßte die Münze aus Deinem Link eher vom gleichnamigen Sohn des Magistraten geprägt worden sein ;). ...
Ich hab' nicht behauptet, dass das Beispiel im Alter Deiner Münze entspricht. Ich wollte damit eigentlich nur illustrieren, dass die Herakleia-Theorie vom Tisch ist. Hat vielleicht nicht ganz geklappt :? .
Stilistisch liegen die Münzen in meinen Augen aber auch nicht soo weit auseinander. Die eine ist halt deutlich besser erhalten als die andere :wink: .

Bezüglich der Prägezeit unterscheiden sich die frühen Exemplare nach makedonischem Standard ebenfalls nicht sehr stark von den anderen (nach Hardwick sind die gemäß Euböischem Standard geprägt, der 17,4 g beträgt).
Die leichteren ordnet Hardwick 500-490 ein (bei Hardwick Gruppe I), die anderen teilt er in zwei verschiedene Gruppen ein, 490-480 (Gruppe II) und 490-460 (Gruppe III).
In Gruppen II und III befindet sich fast immer ein Perlkreis um die Amphore, in Gruppe I nicht (es gibt aber noch weitere Unterscheidungsmerkmale).

Münzen mit HE gibt es sowohl in Gruppe I als auch III, Hardwick schreibt dazu: "... but it could have been struck by the same magistrate, holding office on two occasions."
Muss also auch bei Deiner Münze nicht der Vater gewesen sein :wink: .

Im übrigen müsste ein ΠO ja nicht denselben bezeichen wie ein ΠΘ, das könnten zwei verschiedene Magistraten gewesen sein.
... Wie man den einen gut sichtbaren Buchstaben interpretiert, hängt jetzt davon ab, wie man eine imaginäre Schriftzeile ziehen würde - ich habe mal zwei Möglichkeiten einer solchen Zeile plus einen (hypothetischen) Buchstaben auf der Gegenseite, nur zur Verdeutlichung, ins Bild eingezeichnet. ...
Angesichts der Positionierung der Buchstaben auf den TE und HE-Münzen würde ich hier eher für Θ plädieren. Derart gekippt, wie es für ein Φ nötig wäre, sind die sonst nicht.
... bei einem Theta würde ich eher einen Punkt im Zentrum erwarten. ...
Das Theta gibt es schon auch in der Form mit Querstrich (http://en.wikipedia.org/wiki/Theta), ich weiß aber eben nicht, ob auch zur richtigen Zeit am richtigen Ort.
Das hier: http://commons.wikimedia.org/wiki/File: ... ianten.png spräche beispielsweise eher dagegen :? .

Gruß

Altamura

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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Homer J. Simpson » Fr 22.02.13 21:43

Hi Altamura,

1. Keine Angst, ich hatte Dich schon nicht so mistverstanden, daß Du die Münzen stilistisch-zeitlich gleichsetzen würdest. Wobei Du natürlich damit recht hast, daß sich natürlich an so einem Amphorenunterteil nicht so wahnsinnig viel Stil ändern kann ;)
2. In jedem Fall gehört meine Münze zur frühesten Gruppe (leicht, kein Perlkreis, roher Stempelschnitt, auch auf der Rückseite).
3. Ein Theta oder Phi (danke übrigens für den Link mit der Tabelle, an das Einfachste - Wikipedia - hatte ich nicht gedacht) habe ich bisher auf den Münzen von Terone noch nicht beschrieben gesehen. Das spricht m.E. dafür, daß es doch einige Varianten gab und die Münzprägung damit keine so kleine war, aber prozentual sehr wenig erhalten geblieben ist. Als große und guthaltige Silbermünzen sind sie vielleicht schnell abgeflossen und gehackt oder umgeschmolzen worden.
4. Wenn zwei Magistrate mit He... anfangen, müssen sie natürlich auch gar nicht miteinander verwandt sein. Sie können ja z.B. Hermogenes und Herakleitos geheißen haben, sofern sie nicht gar nichtgriechisch-makedonische Namen hatten.
5. Daß meine Münze kein Stück für Erhaltungsgourmets ist, ist sonnenklar. Für Seltenheitsgourmets aber schon, und ich bin ja ein berüchtigter Raritätenjäger.
6. Letztlich ist es bei den Münzen wie bei den Menschen: es gibt verführerische Schönheiten, die manche Sünde wert und oft eben sünd-teuer sind, und heruntergekommene Existenzen, die sich über ein warmes Obdach freuen. Und einer so spannenden, alten und seltenen Münze gebe ich gerne ein Zuhause, zumal wenn sie für nicht mal fünfzig Euro mit zu mir kommt! ;)

Viele Grüße,

Homer
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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Dapsul » Fr 22.02.13 23:56

Gut gemacht, dem Stück ein Zuhause zu geben, zumal es dort, wo es geprägt wurde, die besten Fischrestaurants Nordgriechenlands gibt!

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Re: "Hacksilber" aus Terone?

Beitrag von Iulia » Sa 23.02.13 10:52

Ja, Teroni liegt sehr hübsch!
http://www.muenzenwoche.de/de/Archiv/8?&id=725&type=n

Hier mal noch so ein gehacktes Exemplar aus dem Zagazig Fund. Ob vielleicht Dein Stück, Homer ebenfalls aus Ägypten stammt? Wäre zur Zeit ja gut denkbar.
http://www.smb.museum/ikmk/object.php?id=18200923
(Hoffe, dieser permalink bleibt jetzt)
Gruß
Iulia

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