Kratzer auf Madonnenthalern

Deutschland vor 1871
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s69_de
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Kratzer auf Madonnenthalern

Beitrag von s69_de » Sa 16.12.06 18:56

Hallo mal wieder,
ich habe mich schon immer wieder mal darüber gewundert, bei Ebay fällt es mir sehr oft auf - eben war ich mal wieder im Netz unterwegs und da falle ich schon wieder drüber, und zwar daß die bayrischen Madonnenthaler immer wieder auf der Madonna-Seite extreme Kratzer haben (siehe zum Beispiel hier: http://www.muenzen-ritter.de/list/?VID= ... eutschland)
Das kann doch kein Zufall mehr sein. Weiss jemand was es damit auf sich hat?
Gespannt neugierige Grüße
Stephan

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg » Sa 16.12.06 19:03

Lies Dir einfach einmal diesen Thread durch

http://www.numismatikforum.de/ftopic16958.html

Grüße
Zwerg
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Beitrag von mfr » Sa 16.12.06 19:05

Zumindest bei den Angeboten von Ritter dürfte es sich nicht um kaschierte Nachprägungen sondern eher um Justierspuren handeln.

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Beitrag von s69_de » Sa 16.12.06 19:15

@Zwerg: Das ist ja kurios - unglaublich, hätte ich nicht gedacht. Aber jetzt sehe ich die Kratzer mit etwas anderen Augen... Sind sie unter diesen Umständen eigentlich weniger wertmindernd?

@Muenzenfreund: Ja, ich denke auch daß Ritter ein sehr seriöser Händler ist.

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Beitrag von s69_de » Sa 16.12.06 19:25

@Muenzenfreund nochmal: jetzt ist mir erst Dein Link mit den Justierspuren aufgefallen. Also kann das bei den Madonnenthalern beides sein!? Bzw kann man das dann erst wirklich feststellen, wenn man einen in der Hand hat und ihn nachwiegt. Ist er zu leicht, ist es Heilmittelentnahme - hat er so ziemlich sein Sollgewicht, sind es Justierspuren. Obwohl es merkwürdig wäre daß man dann ausgerechnet die Madonna justiert und nicht den König. Hatte man also vor den König mehr Respekt als vor der Madonna??? ;-)

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Beitrag von diwidat » Sa 16.12.06 20:45

"Hatte man also vor den König mehr Respekt als vor der Madonna??? "

Wohl kaum, aber was soll so ein König schon heilen?
Dann doch lieber die Seite mit dem Glauben, die hat schon immer geholfen.
Übrigens ist Silber antiseptisch (es gibt Wundverbände für schwer heilende Wunden mit Silberspuren -> Google fragen) und hat sicherlich in dem einen oder anderen Fall auch geholfen.
Zuletzt geändert von diwidat am So 17.12.06 15:03, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von Lutz12 » So 17.12.06 01:04

Die antiseptische Wirkung von Silber ist eine schon lange bewusst oder unbewusst genutzte Eigenschaft. Bei einem Besuch vor Jahren auf Malta hat mich beeindruckt, dass die dort von den Maltesern betriebenen Krankenhäuser (die im übrigen Menschen allen Glaubensrichtungen und Stände offenstanden) als Krankengeschirr nur Silber verwendeten (das war lange vor der Gesundheitsreform :wink: ), lediglich Strafgefangene bekamen nur versilbertes Geschirr.
Sicher etwas weit ausgeholt und auch nur eine Theorie von mir:
Wir haben gelernt, dass früher die Lebenserwartung der Menschen deutlich geringer war als heute, wenn man aber in die Reihen der besseren Schichten und des Adels schauen, ist festzustellen, dass die Lebenserwartung mit unserer heutigen durchaus vergleichbar ist (!). Ein Erklärungsansatz könnte (neben vielen anderen Faktoren) sein, dass durch die Verwendung von Silbergeschirr die Gefahr bakterieller Krankheiten deutlich herabgesetzt war.
Bei den Madonnentalern sprechen für mich die Fakten nicht für Justierspuren (wenn sie bei der Erhaltungsbeschreibung auch so benannt werden). Die heilende Wirkung gemischt mit dem Glauben sind wohl der Grund. Bei anderen (auch bayerischen Talern der Zeit) ist das Phänomen kaum oder nur sehr wenig zu beobachten.
Gruß Lutz12
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Beitrag von helcaraxe » So 17.12.06 01:37

Hallo Lutz!

Ich denke nicht, dass dieser Gedanke zutrifft. Nur gelöstes Silber (also Silberionen) sind antiseptisch. Silbergeschirr hat da eher keinen Einfluss.

Die erhöhte Lebensqualität hat eher mit besseren hygienischen Verhältnissen und mit besserer Ernährung zu tun - und insgesamt war sie zwar höher als die der damaligen Unterschicht, aber immer noch deutlich(!) niedriger als heute.

Im übrigen ist die Lebenserwartung auch heute noch abhängig von Schicht und Bildungsniveau - rein statistisch gesehen natürlich.
Viele Grüße
helcaraxe
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Beitrag von Lutz12 » So 17.12.06 10:42

Hallo helcaraxe,
Der Anteil der Silberionen bei Benutzung von Silbergeschirr ist sicher sehr gering, aber vorhanden. Hygiene und Silber, da sehe ich schon einen Zusammenhang, wenn es um antiseptische Wirkung geht.
Aber wie gesagt ist nur ein Erklärungsversuch, ich jedenfalls habe mein Silberbesteck nach jahrelangem Schattendasein wieder dem Alltagsgebrauch zugeführt - Glaube oder Wissenschaft???
Lutz12
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Beitrag von helcaraxe » So 17.12.06 11:17

Eigentlich ist sich die medizinische Wissenschaft einig, dass es andere Maßnahmen waren, die die Sterblichkeit senkten, vor allem die hygienischen Maßnahmen im Zuge der Abwasserkanalisation etc.
Schau zum Beispiel mal hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Choleraepidemie_von_1892
Der Anteil von Silberionen dürfte beim Silbergeschirr so gering sein, dass die Konzentration nicht mehr ausreicht, um eine therapeutische Wirkung zu haben - sonst wäre nämlich vom Silbergeschirr nach einiger Benutzung nichts mehr übrig. Und im Gegenteil, man hat Silber ja genommen, weil es eben haltbarer war und nicht rostete (=oxidierte).
Wie dem auch sei, jedenfalls ist es sehr schön und stilvoll, von Silbergeschirr zu essen.
Viel Spaß dabei!
Viele Grüße
helcaraxe
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Beitrag von Lutz12 » So 17.12.06 12:15

helcaraxe hat geschrieben:Wie dem auch sei, jedenfalls ist es sehr schön und stilvoll, von Silbergeschirr zu essen.
Viel Spaß dabei!
Danke, "das Auge isst mit", leider ist das Geschirr aus Porzellan, nur der Löffel ist aus Silber, aber es ist schon so, Stil ist auch ein Stück Lebensqualität. Münzen, Medaillen, Kunst, Geschichte - der bewusste Umgang damit verschönt das Leben. Ich lebe mit diesen Dingen, nicht in der Vitrine zum Anschauen, sondern zum Benutzen, Anfassen, "begreifen" (deshalb mag ich auch keine PP-Stücke).
Um den Bogen zum Madonnentaler zu schlagen, der penible Münzsammler stört sich sicher an den "Justierspuren", aber genau diese machen diese Taler "lebendig".
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Beitrag von s69_de » So 17.12.06 12:34

Lutz12 hat geschrieben:Um den Bogen zum Madonnentaler zu schlagen, der penible Münzsammler stört sich sicher an den "Justierspuren", aber genau diese machen diese Taler "lebendig".
Lutz12
So ähnlich sehe ich es auch. Ich hatte früher immer geglaubt, die verkratzten Teile hätten irgendwo als Abstandsstück gedient oder in einer Werkstatt unter einen Bein der Werkbank damit er nicht so wackelt. Aber gestern sah ich sie so geballt, daß ich nicht mehr an sowas geglaubt hatte.
Zu wissen daß die Madonna auf dem Thaler aus religiösen Gründen angekratzt wurde macht sie eigentlich besonders interessant (zumindest solange sie mit Kratzern nicht total entstellt wurde)
Einen schönen Sonntag
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Beitrag von diwidat » So 17.12.06 15:31

Da haben wir doch wieder einen Münzensammler glücklich machen können.

Dass die Taler damals einzeln justiert wurden, ist eine bekannte Tatsache.
Diese Justierspuren findet man in dieser Zeit fast in allen Deutschen Ländern, nur sind sie mal mehr oder weniger auffällig. Bei den Preußen sind sie auch weit verbreitet, aber nicht so auffällig, da sie nur ein Wappen zerkratzen. Bei den Madonnen (und besonders in Süddeutschland) fällt das besonders auf, da in dieser Zeit im Glauben die Kirche noch über Staat stand.
Der Staat aber, als Herausgeber, sich den Herrscher nicht zerkratzen lassen wollte. Wenn, dann doch lieber die Rückseite, was wieder mehr für Justierspuren spricht.
Fundspuren zum Heilsilber führen nach hier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Silber#Sil ... er_Medizin
Weiterführende Literatur für Silberlöffelbenutzer ist ach hier zu finden:
Kolloidales Silber als Medizin 2005 1. Aufl. 160 S. Gb 135x220 mm AT Verlag

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Beitrag von s69_de » So 17.12.06 16:09

diwidat hat geschrieben:Da haben wir doch wieder einen Münzensammler glücklich machen können.
Jep - Mit diesem Wissen im Hintergrund hat man mit solchen Kratzern deutlich mehr Nachsicht :-)
Vielen Dank euch allen

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