Allgemein: Kippermünzen Spezifisch: Hirschgulden

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taler
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Allgemein: Kippermünzen Spezifisch: Hirschgulden

Beitrag von taler » Mo 09.10.17 09:47

Liebe Mitglieder,

ein spannendes Kapitel der Münzgeschichte ist (für mich) immer wieder mal die große Krise- die Kipper und Wipperzeit 1622/23.
Sehr viele Prägeherren mischten da ja wohl mit, so einige "Heckenmünzen" entstanden. Eine weitere Vielfalt an Prägungen nahm in der Geldgeschichte ihren Niederschlag.
Es gab hübsche Gestaltungen der Münzen und einfache Münzbilder- die weniger spektakulär aussahen. Alle wurden ausgebracht mit dem Ziel daraus Profit zu schlagen. Nachdem der Spuk vorbei war und zur alten Ordnung übergegangen wurde, waren die meisten (einfachen Leute) die Geprellten. Ihr erspartes Geld war sehr viel weniger wert...

Soviel als Basis, den meisten dürfte ein gewisses Grundwissen bekannt sein.

Bei mir sind aber im Laufe der Zeit immer wieder Fragen aufgekommen, die sich mir nicht immer in Gänze erschlossen haben.
Da ich meine Sammlung aus regionalen Gründen immer weiter im "württembergischen Münzwesen" ausbaue bin ich natürlich auch durch Fachliteratur und letztendlich im Originalen in Berührung mit den, wie ich finde, äußerst attraktiven Hirschgulden gekommen. (Eine gute Erhaltung stellt, trotz ihres mangelnden Feingehaltes, eine wirklich tolle Münze dar.)

Nun zu den Fragen:

Wie darf ich mir das vorstellen?
Württemberg und seine Nebenlinie Weiltingen prägen Hirschgulden und bringen diese in Umlauf.
Wer hat diese an den Mann/Frau gebracht?
Sind da Hirschgulden "Kipper und Wipper" rumgezogen, im Auftrag der Landesherren?

Waren dann alle mit Hirschgulden versorgt?
Brachte man gutes Geld in den Umlauf, war es ja wohl innerhalb kurzer Zeit weg! Gehortet oder dann wohl eingeschmolzen!? Es musste ja dann ein enormes Sümmchen an minderwertigen Münzen unterwegs gewesen sein.

(Ich habe aus Klein/ Raff die Mengenangabe von 8O 1094034 nur für Nebenlinie Weiltingen!?

Die Frage wie es in Stuttgart lief kann wohl, aufgrund mangelnder Unterlagen nicht erfasst werden. Da aber Brenz/ also Weiltingen nur eine Heckenmünze war, die nach der Kipperzeit zerstört wurde muss man in Stuttgart/ Berg und Tübingen wohl von größeren Mengen ausgehen.

Also die Leute kauften- wenn ich von einer großen Ausbreitung ausgehen darf, nun von dem Geld ihre täglichen Waren und bezahlten die Fixkosten. (Zeitraum ca. 8 Monate) Am 23.04.1623 kam es dann zur Abwertung der Stücke:

8O 8O
60 Kreuzer = 10 Kreuzer
30 Kreuzer= 5 Kreuzer

Waren dann die Hirschgulden weiterhin gültiges Zahlungsmittel im Umlauf? (Wohl schon- wie Schatzfunde von nach der Zeit belegen)

Aber wer hat die dann genommen (noch genommen)? War das wohl eher totes Kapital?

Ich habe auch schon Verordnungen gesehen die Besagen: Bring das Zeug zur Schmelze- bekomme tatsächlichen Material wert.
Konnten das die Leute, wenn wo? Kam da auch einer auf die Dörfer? Wie bekamen die das mit?


Was mich schon immer irritierte- auch bei neueren Münzen aus verschiedener Zeit: Es steht ja oft Landmünz/ Landmünze drauf. Konnte man dann nur in seiner Region damit zahlen?


Wann verschwand denn ein Hirschgulden tatsächlich aus dem Umlauf?


Abschließend stelle ich noch fest, dass es ja eine tolle Anzahl an Varianten der Hirschgulden gibt- die ja sehr toll aussehen. Für die kurze Zeit haben sich wohl alle sehr viel Mühe gegeben.

Ihr vielleicht auch? Wenn euch was einfällt, wenn ihr euch beteiligen wollt würde ich mich sehr freuen.
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Muppetshow
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Re: Allgemein: Kippermünzen Spezifisch: Hirschgulden

Beitrag von Muppetshow » Mo 09.10.17 13:15

Hallo taler,

Zwar kenne ich mich weder mit württembergischer Münzgeschichte noch mit süddeutschen Kippermünzen aus, kann aber zu den Verhältnissen im Raum Hildesheim / Braunschweig etwas sagen, was sicherlich in einem gewissen Rhamen übertragbar ist.

Hier wurden die kupfernen Kippermünzen außer Kurs gesetzt und wurden nie eingewechselt. Die silberhaltigen Kipper-Groschen hingegen wurden im Umlauf belassen. Zwar wurde an den öffentlichen Kassen die Annahme verweigert und sie konnten nicht in gutes Geld getauscht werden, wurden auf den Märkten aber mit vermindertem Kurs weiter angenommen. Allerdings verweigerten einige Städte und auch einige Zünfte die Annahme gänzlih. Es ist davon auszugehen, dass die Kippermünzen von Händlern und Juden im Laufe der Zeit unter Wert aufgekauft worden sind um sie einzuschmelzen. Über die Bewertung der Kippermünzen in gutem Geld scheint es in den Jahren nach der Kipperzeit viel Streit gegeben zu haben, da der Kurantwert der Münzen zwischen Händler und Kunde wohl immer individuell ausgehandelt werden musste.
So sind in Hortfunden der Zeit nur selten Kippermünzen enthalten, außer Landbevölkerung und den ärmsten Stadtbewohnern hüteten sich die Menschen augenscheinlich vor dem schlechten Geld.

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Re: Allgemein: Kippermünzen Spezifisch: Hirschgulden

Beitrag von jabberwocky666 » Di 10.10.17 01:57

Hier ein Fund von mir, der Dir gefallen könnte - lagen beide zusammen. Leider sind die Bilder von der Hirschseite zu groß und ich weiß nicht, wie ich die auf die Schnelle kleiner bekomme. Ist jedenfalls 1 x Stuttgart Berg und 1 x Stolberg
Hirschgulden1.jpg

taler
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Re: Allgemein: Kippermünzen Spezifisch: Hirschgulden

Beitrag von taler » Di 10.10.17 14:48

@ muppetshow

danke für die erhellenden Ansichten aus Niedersachsen. So könnte es (teilweise) wohl auch in Württemberg gewesen sein.
Also: Devalierung auf 10 Kreuzer oder 5 Kreuzer. Wahrscheinlich wollte die halt keiner mehr und es war nur noch ein Nennwert/ Fix Wert. Wenn man eh vermögend war und einen großen Barbestand hatte, spielte er wohl keine große Rolle, im Sinne von Vermögen. Er war halt da, übriggeblieben. (So hatten die Verbergenden der verschiedenen Funde wohl alle Hirschgulden im Bestand: Fund von Tamm, Fund von Schorndorf...) Alle wurden Aufgrund der Ereignisse im Dreißigjährigen Krieg versteckt- also waren 10 Jahre +++ danach die Gulden noch in den Barschaften (also auch im Verkehr?). Die Leute die verbergen konnten/ mussten hatten anscheinend soviel, dass sie das einfach so hatten? Es lag dann halt wohl rum, quasi als Schmelzwert- für den schlechtesten Fall.

(So wie manche alte DM bei uns wohl einfach übrigblieb- mit wohl noch geringerem Schmelzwert als ein Hirschgulden. Ohne, dass die Leute nach Euroeinführung wohl an einen Schmelzwert denken mussten/ müssen. Es hat ja andere Gründe warum die DM halt nicht eingewechselt wurde.... Wobei, man könnte ja noch. :D )

Das Geld im Umlauf wurde eventuell schon von Händlern aufgekauft, wie du beschreibst, und verschwand nach und nach.

@jabberwocky666
das gerade die beiden Hirsche vereint lagen! Die wollten wohl einen Revierkampf austragen?
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