Provinzialwährungen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Pollio
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Provinzialwährungen

Beitrag von Pollio » Di 16.05.06 09:01

Hallo Gemeinde,

ich habe bisher immer nur die römische Reichswährung gesammelt, aber neulich habe ich meine erste Provinzialmünze bekommen (aus Markianopolis, Septimius Severus + Julia Domna auf dem Avers, Kybele auf dem Revers). Dazu hätte ich eine Frage - ich glaube, das Thema ist hier noch nicht diskutiert worden, und ich hab auch per google nichts brauchbares gefunden.

Also: Wie verhielten sich die Provinzialmünzen zu denen der Reichswährung? Mein Stück z.B. ist ungefähr so groß und so schwer wie ein As, wurde das mit den gleichzeitigen Assen 1:1 verrechnet? Gab es feste Wechselkurse? Oder gehörten die Provinzialmünzen zu quasi unabhängigen Währungen mit schwankendem Kurs in der Reichswährung? Und wie verhielten sie sich untereinander? Es gab ja zeitweilig eine Riesenmenge von Städten, die ihre eigenen Münzen prägten - ist bekannt, wie man da gewährleistet hat, daß es zu keinen Abwertungswettläufen kam?

Das sind jetzt gleich ein paar Fragen, fällt mir auf. Vielleicht gehört das Thema sowieso eher in die Kategorie Münzgeschichte/Numismatik, aber ich wäre froh über jede Antwort (auch über Literaturhinweise). Weiß jemand darüber bescheid?

Vielen Dank schonmal und viele Grüße,
Pollio

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Pscipio
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Beitrag von Pscipio » Di 16.05.06 11:41

Das Thema, welches du ansprichst, ist ein sehr schwieriges. Deine Fragen lassen sich, wenn überhaupt, nur für einzelne Städte schlüssig beantworten; ansonsten müssen wohl einige allgemeine Aussagen wohl ausreichen. Die Prägungen einer Stadt waren normalerweise nur im umliegenden Gebiet gültig, obwohl sie, jedenfalls bei wichtigeren Städten, wohl auch in etwas weiter entfernten Gegenden akzeptiert wurden oder allenfalls umgetauscht werden konnten. Das Umtauschverhältnis zwischen provinzialen und andersartigen provinzialen bzw. zwischen provinzialen und reichsrömischen Münzen war aber sehr unterschiedlich.

Zwei Beispiele:

Ruzicka beschreibt das Münzsystem von Pautalia in Thrakien als eingeteilt in "Einer" bis "Fünfer"-Münzen. Diese Einteilung nimmt er anhand des Gewichts sowie anhand des Vergleiches der Pautalia-Münzen mit anderen thrakischen und moesischen Münzsystemen vor (z.B. die Markianopolis-Münzen mit einem "E" oder "Є" im Feld, welches als Wertzeichen "5" interpretiert wird - siehe 1. Foto).

Bellinger, in seiner Abhandlung über Münzen aus Alexandria Troas, setzt das Münzsystem dieser Stadt in Kleinasien in Relation zur reichsrömischen Prägung. Dies scheint sowohl aufgrund der Tatsache, dass es sich bei jener Siedlung um eine latinische Kolonie handelt (vgl. mit anderen "Kolonien" wie Antiochia in Pisidien), wie auch aufgrund des Gewichtssystems Sinn zu ergeben. Seine Unterteilung nennt sowohl den As wie auch den Semis und den Quadrans als mögliche Werte der Alexandrinischen Münzen (siehe 2. Foto, As des Commodus).

Dies kann nur eine kurze Einführung in die Materie sein; oftmals wissen wir aber schlicht nicht, in welchem Verhältnis die Provinzialmünzen zu reichsrömischen Prägungen sowie untereinander standen.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Pollio » Di 16.05.06 12:28

Hallo PScipio,

vielen Dank für die ausführliche Antwort! Gibt es denn eigentlich halbwegs zugängliche Literatur zu dem Thema? Über Google hab ich z.B. von Ruzicka nur einen Aufsatz von 1914 gefunden, in einer numismatischen Zeitschrift, an die ich auf keinen Fall herankomme. Und die Moushmov-Seite, zu der es bei Wildwinds einen link gibt, ist zum Identifizieren nützlich, bietet aber keine Hintergrundinformationen...

Gruß Pollio

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Beitrag von Pscipio » Di 16.05.06 12:33

Pollio hat geschrieben:Gibt es denn eigentlich halbwegs zugängliche Literatur zu dem Thema?
Kommt drauf an, zu welchem Thema du Literatur suchst. Es gibt für Provinzmünzen bekanntlicherweise nichts, was mit dem RIC vergleichbar wäre (kann es auch gar nicht geben). Willst du wirklich in die Tiefe gehen, musst du dich auf einzelne Prägestätten konzentrieren.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Pollio » Mi 17.05.06 08:39

Hallo Pscipio,

tja, ich weiß nicht... Ich hab ja bisher nur eine einzige Provinzialmünze aus Markianopolis. Also wärs vielleicht sinnvoll, mit irgend etwas über den Balkan anzufangen: Moesien, Thrakien, diese Provinzen.

Gruß Pollio

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Beitrag von Pscipio » Mi 17.05.06 09:37

Für diesen Raum müsste man an erster Stelle nennen: B. Pick, Die Antiken Münzen Nord-Griechenlands, Berlin 1898-1914. Dieses schon sehr betagte Werk ist immer noch das beste, was es für diese Region gibt. Das Problem ist aber a.) das Alter, b.) dass es aufgrund des Ausbruches des 1. Weltkrieges unvollendet geblieben ist (d.h. es deckt nicht das gesamte Gebiet ab) und c.) der Preis von fast 500 Euro.

Moderner und etwas günstiger ist I. Varbanov, Greek Imperial Coins, Vol. 1 (Dacia, Moesia Superior, Moesia Inferior) und Vol. 2 (Abdera-Pautalia). Dieses ursprünglich bulgarische Werk ist erst kürzlich in englischer Übersetzung erschienen und kostet 145 $ pro Band bzw. 280 $ für die Gesamtausgabe: http://www.vcoins.com/ancient/ancientco ... tegory=141 Es erhält allerdings deutlich weniger gute Kritiken als der AMNG.

Ausser dem veralteten und wenig nützlichen Moushmov (online: http://www.ancientcoinart.com/moushmov.html ) gibt es dann noch einzelne Monographien, wie z.B. die beiden Werke von Ruzicka zu Pautalia (als Kopie: http://www.vcoins.com/ancient/bpmurphy/ ... 90&large=0 ) und Serdika (letzteres ist allerdings sehr selten und daher teuer) und andere.

Ich persönlich besitze den Ruzicka zu Pautalia, den Josifovski zu Stobi und den Lindgren II (H. C. Lindgren, Ancient Greek Bronze Coins: European Mints, from the Lindgren Collection, San Mateo 1989). Leider kann ich mir den AMNG nicht leisten und bin deshalb stark auf websites wie Coinarchives angewiesen. Mit etwas Erfahrung in der Handhabung können diese Seiten aber eine nützliche Hilfe darstellen, wenngleich sie natürlich viele Fehler aufweisen.

Du siehst schon, bei Provinzialprägungen ist es oftmals etwas schwieriger, an die wichtige Literatur zu kommen (so sie denn überhaupt existiert) als bei imperialen Münzen. Zu einigen Prägestätten gibt es bis heute keine wissenschaftlichen Untersuchungen, so dass der interessierte Sammler sehr viel mehr auf sich allein gestellt ist, als dies bei reichsrömischen Prägungen normalerweise der Fall ist. Das mag sich abschreckend anhören, kann aber auch durchaus reizvoll sein. Der Einstieg in die Materie ist zwar oft schwierig und bedarf wohl der Hilfe erfahrener Sammler (war und ist jedenfalls bei mir so), aber das sollte für den Interessierten nicht Hindernis, sondern Ansporn sein. Als "Lohn" für seine Mühen wird man sich bald in einem unglaublich weiten Feld an verschiedenartigsten Prägungen, Stilen und Münzmotiven bewegen - für mich, der ich vormals an wenige zentralisierte Prägestätten gewöhnt war, ist es das reinste Paradies, denn es gibt kaum eine Region oder Stadt, die keine interessanten Prägungen hervor gebracht hat.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Peter43 » Mi 17.05.06 11:58

Die 5 Bände AMNG kosten bei VanderDussen €430.-. Bei Bestellung bei meinem Händler -10% Rabatt. Dazu kommt dann noch das Porto. Das schluckt allerdings wieder den Rabatt.

Mfg
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Beitrag von Pollio » Mi 17.05.06 16:24

Hallo Pscipio,

was für eine Liste, danke! Muß mal sehen, vielleicht kann ich mal in der Berliner Staatsbibliothek gucken, die sollten eigentlich das eine oder andere haben, finde ich...

Ich habe den Eindruck, daß die Provinzialmünzen jedenfalls ein faszinierendes Gebiet sind, einmal wegen der Darstellungen, aber dann interessiere ich mich immer auch für die geld- und wirtschaftsgeschichtliche Seite der Sache.

Nochmal Danke!
Gruß Pollio

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