barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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quinctilius
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barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von quinctilius » So 25.04.10 10:06

Hallo,

ich möchte hier einmal einen "barbarisierten" Lugdunum I As des Augustus aus meiner Sammlung zeigen.
Was nun als barbarisierter und was als offizieller Stil zu gelten hat, ist unklar. P. Ilisch hat in den römischen Lagern in Westfalen einen bestimmten Typ nachgewiesen, dem meine Münze perfekt entspricht (Vgl. Rom, Germanien und die Ausgrabungen von Kalkriese, 1999, S. 282 ff.):
1) Pendilien hängen herunter und sind nicht um den Hals gebogen 2) In der Münzlegende ist das A ohne Querstrich ausgeführt 3) dünner Schrötling. In einer Stichprobe aus Haltern, entsprechen 40 Münzen diesem Stil, 16 nicht. In Anreppen kommen sie auch vor (Vgl. Abb.) Aus Kalkriese kenne ich auch einige Stücke.
Beachtet das ligierte "CA" auf meinem Stück, etwas ähnliches kommt auch auf einer Münze in Anreppen vor.
Wo wurden diese Münzen hergestellt ? Meine Vermutung ist, sie wurden in den Militärlagern im rechtsrheinischen Germanien hergestellt, (Haltern ?) um den Kleingeldbedarf der dort stationierten Truppen zu decken. Wegen der isolierten Lage, entstanden diese untergewichtigen, und im Stil verwilderten Münzen.
Was meint Ihr ?

Gruß
Quinctilius
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Peter43
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Peter43 » So 25.04.10 10:22

Hallo quinctilius!

Leider kann man Dein Bild nicht vergrößern. Ich bin nämlich über die 'Pendilien' gestolpert. Wahrscheinlich meinst Du damit die Bänder im Nacken des Augustus. Aber die dienen nur zum Binden des Lorbeerkranzes. Pendilien gehören eher zu den Kaiserkronen von Byzanz.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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quinctilius
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von quinctilius » So 25.04.10 10:30

....ja genau das sind die Bänder im Nacken, hhhm Bild ist nicht vergrösserbar ? Bei mir klappts - ich lade es nochmal hoch....
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Peter43 » So 25.04.10 15:11

Jetzt gehts bei mir auch.
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Torencohaime
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mo 26.04.10 21:35

Hallo Quinctilius,

"Meine Vermutung ist, sie wurden in den Militärlagern im rechtsrheinischen Germanien hergestellt, (Haltern ?) um den Kleingeldbedarf der dort stationierten Truppen zu decken. Wegen der isolierten Lage, entstanden diese untergewichtigen, und im Stil verwilderten Münzen.
Was meint Ihr ?"

Diese Münzen sind mit Sicherheit aus einer mobilen Münzstätte. Diese muss aber nicht unbedingt im rechtsrheinischen Gebiet gelegen haben. Im übrigen kann man eine Spur barbarisierter Augustus Denare ( Vorbild RIC 350) von Hedemünden zur Saale in Richtung Naumburg rekonstruieren.

Groß Lengden - Schlotheim - Groß Ballhausen - Sachsenburg - Gorsleben - Taugwitz (10 km vor der Einmündung der Unstrut in die Saale)

Bei Großjena und Kleinjena war der Übergang (Furt). Es wurden vom LDA Sachsen-A. mehrere Funde aus der RKZ (römische Kaiserzeit) und dem FM (Frühmittelalter) gemacht.

Des weiteren wurden zwei weitere barbarisierte Augustus Denare ( gleicher Typ) bei Erfurt-Gispersleben, sowie Oesterbehringen gefunden. In der Nähe bei Oesterbehringen fand man eine germanische Siedlung der Übergangszeit (frühe RKZ), welche Brandspuren für die thüringischen Archäologen hinterließ.

Literatur: Rudolf Laser "Die römischen und frühbyzantinischen Fundmünzen auf dem Gebiet der DDR" (1980)
FMRD VII Band 4-9 (Niedersachsen und Bremen) ; bearbeitet von Frank Berger

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von quinctilius » Di 27.04.10 12:28

Hallo Michael, danke für den interessanten Input :-)
Ich hatte gestern Kontakt zu P. Ilisch. Er bedauert, dass der Befund in den westfälischen Lagern derzeit leider alleine steht, da es zu diesen augusteischen Münzimitationen in den Nachbarländern (Belgien, Niederlande, Frankreich) kaum Forschungsansätze gibt. M.E. zeigt die Massierung dieses Typs in Germanien aber schon eine gewisse Nähe zur (mobilen?) Prägestätte.
Es gibt übrigends ein Exemplar aus Kalkriese (Gewicht 3 gr. !!), dass über und über mit Dolchstichen traktiert wurde - die Soldaten scheinen also nicht gerade glücklich über diese Soldmünzen gewesen zu sein.

Gruß
Quinctilius
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Di 27.04.10 19:31

Hallo Quinctilius,

im Museum in Kalkriese liegen auch vollgewichtige Lugdunum-Asse die mit dem Dolch traktiert wurden. Es gibt aber auch Stimmen aus der Archäologie, welche Kalkriese gerade wegen der "zerstochenen" Asse für einen späteren Schauplatz halten. Warum verlängerte Augustus nach der Varuskatastrophe die Dienstzeit? Würde es dir gefallen länger dienen zu müssen als es nötig ist? Warum meuterten die Rheinlegionen sofort nach seinem Tod im Jahre 14 n.Chr. ? Warum wurden viele subaerate Denare vom Typ Caius und Lucius am Niederrhein und auch Kalkriese gefunden? Wie war es Germanicus möglich die altgedienten Soldaten so schnell ruhig zu stellen und auszuzahlen? Germanicus und aus Rom angereiste Senatoren wurden nach ihrer Ankunft am Rhein massiv bedrängt. Waren die mitgereisten Senatoren die "Praefecti aerarii militaris" (drei Senatoren, die die Prätur bekleidet hatten und die Versorgungskasse für die Veteranen verwalteten), und warum wollten die Meuterer sie töten? Bei Tacitus stehen die Antworten, wenn man richtig nachliest.

Kalkriese kann auf keinen Fall das Varusschlachtfeld sein. Niemand von den Kalkriese-Befürwortern konnte mir eine plausible Antwort auf meine Fragen geben. Bis heute nicht !

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von beachcomber » Di 27.04.10 19:57

Torencohaime hat geschrieben:Hallo Quinctilius,

im Museum in Kalkriese liegen auch vollgewichtige Lugdunum-Asse die mit dem Dolch traktiert wurden. Es gibt aber auch Stimmen aus der Archäologie, welche Kalkriese gerade wegen der "zerstochenen" Asse für einen späteren Schauplatz halten.

Gruß Michael
wer sagt denn, dass die asses von römern mit dem dolch traktiert wurden? sehr gut denkbar sind doch akte der siegreichen germanen.
und dass auch spätere münzen gefunden wurden, ist bei streufunden kein argument gegen kalkriese. denn die können gut auch beim germanicus-feldzug oder von germanen verloren worden sein.
grüsse
frank

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von quinctilius » Di 27.04.10 22:12

die Dolchstiche werden in der Numismatik heiss diskutiert. P. Kehne datiert sie in die Zeit der Meuterei der Legionen nach dem Tod des Augustus 14 n. Chr. Ihr vorkommen in Kalkriese (ca. 50% der Asse tragen sie) würde bedeuten, dass Kalkriese später als 9 n. Chr. zu datieren ist.
Meiner Meinung nach ist dies Rätsel numismatisch nicht zu lösen. Für 9 n. Chr. spricht das Fehlen von Lugdunum II Assen und das Fehlen jeglicher Gegenstempel von Tiberius. Dagegen spricht numismatisch nichts aber die LPA (Legio Prima Augusta) Ritzung auf dem Mundblech einer Schwertscheide - selbst die Kalkrieser interpretieren die Ritzung so. Nach Tacitus mussten Soldaten der Legio I sogar einmal Caecina höchstselbst bei der Schlacht an den Pontes Longi (Kalkriese?) heraushauen. Varusschlacht oder Pontes Longi ? Vermutlich wird man es nie herausfinden.
Ich habe übrigends ein Lugdunum I As mit den Dolchstichen, werd ich demnächst mal posten.

Gruß
Quinctilius
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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mi 28.04.10 13:03

Hallo Frank,

das die Germanen die Münzen traktiert haben ist eher unwahrscheinlich. Das Münzmaterial "Bronze" an sich wäre für die Germanen allein schon wertvoll gewesen. Die aufgelesenen Münzen wären genauso eingeschmolzen geworden wie einzelne Teile der Bronzestatue in Waldgirmes. Jenaer Archäologen fanden Schlackenreste in der Nähe von Waldgirmes. Metall war viel zu wertvoll um es liegen zu lassen. In Thüringen fand man eine germanische Werkstatt welche Bronzeschrott zu Fibeln verarbeitete. Man fand sogar Halbzeuge.

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mi 28.04.10 13:09

Hallo Frank,

gerade fand ich einen Beitrag aus der heutigen FAZ dazu.

Zitat: "Danach kamen die Germanen und zerschlugen den Kaiser zu Bronzeschrott. In dieser Form wurde er weiterverarbeitet, wie Funde in den benachbarten germanischen Dörfern Dahlheim und Naunheim belegen."

Link: http://www.faz.net/s/RubEBED639C476B407 ... ezial.html

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mi 28.04.10 13:22

Hallo Quinctilius,

"Ich habe übrigends ein Lugdunum I As mit den Dolchstichen, werd ich demnächst mal posten."

Dann zeig doch mal das gute Stück, bin schon gespannt. :mrgreen:

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von quinctilius » Mi 28.04.10 14:29

werd ich machen - zusammen mit Fotos anderer Exemplare, der (bisherigen) Fundverteilung und den beiden kontroversen Interpretationen, dann können wir dies Phänomen mal hier im Forum diskutieren - wer weiss, vielleicht lösen wir das Rätsel :D
Münzen sind Zeitzeugen, nicht nur Objekte.

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mi 28.04.10 19:03

Hallo Quinctilius,

eine gute Idee. Ich habe schon mal eine Fundverteilungskarte der barbarisierten Caius-Lucius Denare angefertigt. Aus NRW liegen mir keine Fundmeldungen vor. Aus Niedersachsen 2, aus Thüringen 6 und aus Sachsen-A. 2. Das Zentrum der barbarisierten Denare lag also in Thüringen.

Gruß Michael

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Re: barbarisierte Lugdunum I Asse, Prägestätte ?

Beitrag von Torencohaime » Mi 28.04.10 19:18

Hier nun die versprochene Karte. Ich fragte mich immer warum ausgerechnet Thüringen?! Wenn man sich den Stadtkern von Mühlhausen genauer anschaut, kann man vielleicht erahnen warum. Mehr aber auch nicht.
Schau dir Mühlhausen (gezeichnet nach dem Archäologen Paul Grimm / DDR) und das Lager Anreppen (Darstellung nach Kühlborn) an.

MfG Michael
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muehlhausen.jpg
lager-anreppen.jpg
barbarisierte Augustus-Denare.jpg

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