Rätselhafter As des Agrippa

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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chinamul
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Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von chinamul » Do 01.03.12 11:44

Dieser As liegt bereits seit 1995 in meiner Sammlung, gibt mir aber nach wie vor Rätsel auf, weil es ihn eigentlich überhaupt nicht geben dürfte.
agrippa gegenstempel TIAV.jpg
AGRIPPA (geb. 63 v. Chr., gest. 12 v. Chr.)
Æ As Rom 23 - 32 (unter Caligula)
Av.: M • AGRIPPA • L • F • COS • III - Kopf links mit Corona Rostrata
Rv.: (ohne Legende) S C - Neptun nach links stehend; auf der Rechten Delphin, in der Linken Dreizack Oben Gegenstempel: TI AV (AV ligiert )
RIC 58 (Gaius)
Ø 27 - 28 mm / 10,23 g
(Gekauft 1995 von Privat für DM 90)

Folgende Feststellungen können wohl als gesichert gelten:
1. Der Gegenstempel ist einer des Tiberius.
2. Dieser Münztyp wird erst unter Caligula geprägt.
3. Die Münze ist offensichtlich keine Fälschung, obwohl das Porträt stilistisch von anderen Exemplaren dieses Münztyps abweicht.

Wie also kommt ein Gegenstempel des Tiberius auf eine Münze, die gängiger Meinung zufolge erst nach seinem Tode erstmals geprägt worden ist? Wie wahrscheinlich ist es, daß unter Caligula dieser Stempel seines Vorgängers weiterverwendet worden ist?
Fragen über Fragen, und ich hoffe, daß mir jemand eine befriedigende Erklärung für die Existenz dieses Stückes liefern kann.

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von beachcomber » Do 01.03.12 15:02

na, da wird eine der ´gesicherten´feststellungen wohl keine sein. :wink:
wäre TI AV nicht auch für titus denkbar?
grüsse
frank

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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von curtislclay » Do 01.03.12 16:34

Nach BMC I, S. xxx ist TI AV ein Gegenstempel von Claudius und kommt auf folgenden Münztypen vor:

Caligula Sesterz, Inschrift im Kranz

Divus Augustus CONSENSV Dupondius und Germanicus SIGNIS RECEPTIS Dupondius, beide unter Caligula geprägt

Agrippa As, wie Chinamuls Exemplar

Claudius Sesterz, SPES PVBLICA und Inschrift im Kranz; As, CONSTANTIAE AVGVSTI und Minerva kämpfend

Nero Claudius Drusus Sesterz, von Claudius geprägt.

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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von Invictus » Do 01.03.12 16:39

Hallo chinamul,
TI AV (ligiert) ist als TIBERIUS (CLAVDIUS) AV(GVSTVS) zu lesen, dürfte somit ein Gegenstempel des Claudius (41-54 AD) sein. Dein Stück ist kein Einzelfall, siehe http://muenzclub.de/rittig/item.php5?id=100116014.
Es gibt da auch eine interessante Abhandlung:
Ulrich Werz: "Gegenstempel auf Aesprägungen der frühen römischen Kaiserzeit". Die kannst du als PDF-Datei herunterladen, schau dir da mal den Text um die Seite 616 an.
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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von raeticus » Do 01.03.12 17:02

Der Agrippa schaut schoneetwas barbarisiert aus ?

TI AV als Claudius zu lesen ist eigentlich nicht gerade logisch, auch taucht er auf unter Claudius geprägten Münzen auf. Warum sollte der seine eigenen Prägungen gestempelt haben ? Außer es wären nur barbarisierte Stücke gestempelt worden, was aber nicht der Fall zu sein scheint.

Für Beispiele siehe zB unter der alphabetischen Liste:
http://www.romancoins.info/Countermark-List.html

Wahrscheinlicher ist mE eine spätere Durchsicht zirkulierender AEs um den abgenudelten Schrott auszusortieren und andere noch zu erlauben. Es könnte parallel zu den Retro-Prägungen unter Nerva oder Traian geschehen sein ? Auch Titus könnte mE durchaus sein, oder etwas ganz anderes ?

Man sollte gerade auf diesem Gebiet sehr vorsichtig sein mit den als "sicher" postulierten Deutungen (wobei ich mit VAR gar nicht anfangen möchte)

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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von Invictus » Do 01.03.12 17:40

Soweit ich weiß, sind die Gegenstempel nicht nur dafür verwendet worden, um "illegal" herausgegebene AE-Münzen (hauptsächlich Gallien & Britannien) nachträglich zu "legalisieren". Auch die Donativa für die Legionen wurden gekennzeichnet. Ich denke mal, dass bspw. eine Claudius-Münze auch einen Claudius-Gegenstempel bekommen konnte.

Chimamul's As würde ich nicht als barbarisiert ansehen. Das Gewicht spielt zwar eine wesentliche, wenn auch nicht ausschlaggebende Rolle. Es gibt ja bei den Claudius-Asses Exemplare, die sogar deutlich über dem Durchschnittsgewicht der Reichsprägungen liegen. In der Mehrzahl sind die "Illegalen" aber untergewichtig.

Nachtrag:
Gegen Titus spricht, dass dieser Name üblicherweise nur mit "T" abgekürzt wurde. "TI" hingegen stand für Tiberius.
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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von raeticus » Do 01.03.12 19:18

Gegen die Donativ Hypothese würde ich einwenden dass die Truppe über Kleingeld wohl nicht sehr erfreut gewesen sein dürfte.....
Die wollten Gold und notfalls zumindest Silber !

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Re: Rätselhafter As des Agrippa

Beitrag von Invictus » Do 01.03.12 20:32

Ich würde hierzu folgenden Standpunkt vertreten:
Das Kupfergeld wurde zwar den Soldaten ausbezahlt, war aber sicher nicht für den dauerhaften Verbleib bei ihnen gedacht. Diese Münzen dienten wohl in erster Linie für den Warenverkehr mit den Einheimischen. Immerhin ging ein erheblicher Teil des Solds für Verpflegung, Ausrüstung etc. drauf, da blieb für den Soldaten von seinen bspw. 200 Denari Jahressold sowieso nicht viel übrig.
Ist es nicht bezeichnend, dass in Gallien/Britannien gerade dann der Höhepunkt der "illegalen" AE-Prägungen erreicht wurde, als sich Unmengen von Soldaten zwecks Invasion der britischen Insel dort aufhielten (Mitte der 40er Jahre 1. Jh.)? Die Logistik für den Feldzug hat Claudius fast ein Jahr gekostet. Das zeugt von der Größe des Aufmarsches. Mal angenommen, eine ganze Kohorte hat Ausgang und jeder lässt sich in der nächsten Kneipe mit 2 Liter Wein voll laufen. Wenns dann ans Bezahlen geht (sagen wir mal 1 As für jeden, teurer wars in der Provinz garantiert nicht), wo sollte der Wirt das ganze Wechselgeld für die ihm entgegen gehaltenen Denari hernehmen?
Außerdem betrug der Jahressold eines Legionärs unter Augustus nur 150 Denari, erst später hob ihn Vespasian auf 225, Domitian auf 300 u.s.w.

Ich denke, die Ausbezahlung in Silber wurde erst unter Domitian ausschlaggebend. Da gab's dann auch genügend in Umlauf befindliches Kleingeld. Vorher war man unweigerlich aufs Kupfergeld angewiesen, auch die Soldaten mit ihrem Sold.
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