Charakter

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Charakter

Beitrag von Peter43 » Mi 03.11.04 17:18

Hallo!

Diesen Artikel mitzuteilen, fühle ich mich genötigt, da er zeigt, wie sehr die Münzprägung auch unsere Sprache geprägt hat. Er stammt aus dem Buch von Klaus Bartels, Wie Berenike auf die Vernissage kam, WBG:
In unserem besseren oder schlechteren, stärkeren oder schwächeren 'Charakter' haben wir ein buchstäbliches und sozusagen - um der plastischen Bildlichkeit dieses 'Charakters' hier sogleich die schuldige Reverenz zu erweisen - 'prägefrisch' erhaltenes griechisches Wort vor uns; allerdings hatte dieser im Griechischen noch auf der letzten Silbe betonte charakter ursprünglich noch keinerlei Bezug auf den lobens- oder tadelnswerten menschlichen 'Charakter', sondern war ein Terminus technicus der antiken Münzprägung.
Münzen..., wie sie zuerst im späten 7.Jahrhundert v.Chr. in Lydien aufkamen und sich sogleich allenthalben in der griechischen Welt durchsetzten, wurden in der Antike zwischen zwei Prägestempeln Stück für Stück mit dem Hammer ausgeprägt. Der leicht konkave Vorderseitenstempel war in einen schweren Amboß eingelassen; darauf legte man den rohen runden 'Schrötling' und darauf wieder den leicht konvexen Rückseitenstempel; mit einem einzigen kräftigen Hammerschlag auf diesen beweglichen Prägestempel wurde die Münze dann 'geschlagen'.
Von den beiden aus Bronze oder Eisen gefertigten, mit Grabstichel und Rundbohrer 'geschnittenen' Stempeln hieß der untere akmoniskos, 'kleiner Amboß', der obere charakter, 'Stempel, Präger': Das Substantiv charakter ist abgeleitet von dem Verb charassein, 'spitzen, ritzen; stempeln, prägen', mit dem Suffix -ter, das wie sein Gegenstück -tor auf den Handelnden oder hier auf das Werkzeug deutet. So ist die Prägestätte der griechischen Münzen zugleich zur Prägestätte unseres 'Charakters' geworden, wenn es dazu auch noch einiger weiterer Hammerschläge bedurft hat. Zunächst folgt die Wortprägung hier noch der Münzprägung: Wie in der Münzwerkstätte der Prägestempel das darin eingravierte 'Bild' auf den Schrötling überträgt, so hat in der Wortwerkstätte der charakter seinen Namen auf das derart ausgeprägte 'Bild' übertragen; schon in klassischer Zeit bezeichnet das eigentlich auf das Werkzeug als den 'Präger' gemünzte Wort neben dem einprägenden 'Stempel' auch das ausgeprägte 'Münzbild'.
Hieran schließt sich eine zweite Übertragung an: Weltläufig wie die von diesem charakter und mit diesem charakter im doppelten Sinne des 'Stempels' und des 'Bildes' ausgeprägten Münzen selbst, hat das Wort seine übliche Prägestätte, die handwerkliche Münzwerkstätte, alsbald verlassen; im allgemeinen Sinne der prägenden und zumal des geprägten 'Gepräges' bezeichnet der griechische charakter fortan, ebenfalls schon seit klassischer Zeit, die 'ausgeprägte, charakteristische' Form etwa eines Buchstabens - diese Bedeutung hat sich im englische character erhalten - oder den 'ausgeprägten, charakteristischen' Schnitt eines Gesichtes.
Und unser 'Charakter'? Der vielseitig interessierte und orientierte Theophrast, der Schüler des feinen Menschenkenners Aristoteles und Lehrer des Komödiendichters Menander, ist wohl der erste gewesen, der den charakter auf die 'ausgeprägten, charakteristischen' Verhaltensmuster des Menschen bezogen hat. Seit dieser Theophrast im späten 4.Jahrhundert v.Chr. mit spitzer Feder und wenigen Strichen runde dreißig menschliche, allzumenschliche Schwächen so treffend wie komisch karikiert und die reizvolle kleine Sammlung mit dem bildhaften, kostbaren Titel 'Charakteres', 'Prägungen, Profile', geschmückt hat, verstehen wir unter dem 'Charakter' vornehmlich das gegenüber dem weiter gespannten 'Charakteristischen' enger gefaßte 'charakterliche', sittliche 'Gepräge' eines Menschen.
Aus der gleichen griechischen Münz- und Wortprägestätten wie der 'Charakter' ist auch der 'Typ' hervorgegange. Das griechische Sustantiv typos, abgeleitet von dem Verb typtein, 'schlagen', bezeichnet eigentlich den prägenden 'Schlag'; doch wie der charakter ist auch der typos schon in klassischer Zeit auf das geprägte 'Gepräge' übertragen worden. So sprechen wir wieder in anderem Sinne als von 'Charakteren' auch von Menschen-'Typen' und in einer Lehnübersetzung von einem Menschen-'Schlag'. Es macht freilich schon einen kleinen Unterschied, ob man im Hinblick zum Beispiel auf - sagen wir: eine Bundestagsfraktion von 'diesen Charakteren' oder 'diesen Typen' spricht...

Mit freundlichen Grüßen
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von richard55-47 » Mi 03.11.04 19:17

Klasse!!!
do ut des.

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mi 03.11.04 22:31

@richard55-47:

Ist leider nicht von mir!
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