Trugschriften?

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Bertolt
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Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Do 12.04.12 07:08

Hallo, ich möchte nochmal das Thema „Trugschriften“ aufgreifen (hier wohl schon mehrmals besprochen) Eine Trugschrift ist ja eine Schrift auf Münzen, die keinen Sinn ergibt. Des Rätsels Lösung einiger bekannter Numismatiker: Der Stempelschneider konnte nicht lesen - und nur einzelne Buchstaben nachahmen, ohne den Sinn zu erfassen. Meine Frage zu diesem Thema: Sind Trugschriften oder ähnliches nur solche, die sich, aus unterschiedlichsten Gründen, nicht Klären lassen oder die man sich nicht erklären kann, weil wir einfach zu wenig darüber wissen? Ist überhaupt schon einmal der Beweis erbracht wurden, das es sich bei einer möglichen Trugschrift tatsächlich um eine solche handelt?
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cepasaccus
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Re: Trugschriften?

Beitrag von cepasaccus » Do 12.04.12 14:08

Trugschriften sind zum Beispiel |||O|||>| oder so aehnlich auf Sachsenpfennigen, also Gravuren, von denen man ausgeht, dass sie wie Schrift aussehen soll fuer den Stempelschneider aber keine schriftliche Bedeutung hatte. In der Regel duerfte dies durch Nachahmung geschehen. Dass der Stempelschneider nicht lesen konnte ist meiner Meinung nach aber nicht garantiert, weil er vielleicht eine Muenze kopiert hat, deren Schrift einfach nicht lesbar war, entweder weil sie schlecht gepraegt war oder weil es auch schon Trugschrift war. Oder weil er nur diese Schrift nicht lesen konnte wie es bei indischen Nachahmungen von Dukaten sein koennte. Ist die Frage was als Beweis zaehlt. Wenn auf dem Vorbild OTTO stand und dann nur noch |||O|||>| obwohl in dem Kulturkreis nur lateinische Schrift bekannt ist?
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Bertolt
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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Do 12.04.12 22:21

Hallo Cepasaccus, ja so könnte es tatsächlich sein. Gruß Bertolt
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Mo 07.05.12 18:30

Ich habe ein interessantes Buch in die Hände bekommen. Dort stellt der Autor sämtliche Zeichen und Buchstaben auf Münzen zusammen und versucht sie zu deuten. Leider bleibt er bei vielen eine Antwort schuldig, plädiert aber insgesamt dafür, dass alle Zeichen, also auch die Trugschrift, eine Bedeutung hat, die damals eindeutig war, dessen "Information" sich uns heute aber nicht mehr erschließt.
So kann sich aus einem "Omega" ein Kreis entwickeln, usw.
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Marc
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Re: Trugschriften?

Beitrag von Marc » Mo 07.05.12 20:30

Es gibt (wie bei so vielen im Leben) verschiedene Gründe warum Trugschriften entstanden.
Z. B. das durch Immobilisierung der Text immer mehr an Bedeutung verlohrt (z. B. der Name eines Königs der schon seit Jahrhunderten tot war) erwähnte cepasaccus. Hier kann es durchaus sein das der Stempelschneider lesen und schreiben konnte, jedoch hatter der Text keine Bedeutung mehr, es ging nur noch um Stil/Typus.

Aus dem Spätmittelalter sind mir auch andere bekannt:
- Beischläge. Ein Münzherr will sich an eine erfolgreiche Währung ranhängen, aber nicht als 'Münzfälscher' gelten. Also lässt er entweder den Titel des anderen Herrschers durch eine Trugschrift ersetzen oder seinen Namen so verballhornen, daß er im ersten Schein wie der des anderen Herrschers aussieht. Denn auch die analphabetische Bevölkerung erkannte noch einzele Buchstaben (insbesondere den Ersten und Letzten ect.).
- Stempelschneider beherrschte die Sprache nicht sondern eine andere (siehe Kreuzfahrerbeischläge zu islamischen Münzen oder islamische Beisschläge zu kreuzfahrer/europäische Münzen).
- Stempelschneider wollte Teile nicht schreiben. Im obengenannten Beispiel z. B. das 'Mohamet' nicht immer durch 'Michael' ersetzt wurde sondern dieser Name durch Trugschrift. Das nur 'Mohamet' ersetzt wurde zeigt aber das der kreuzfahrer Stempelschneider sehr wohl arabisch lesen und schreiben konnte und nicht nur blind koperte als er die Trugschrift einfügte.

Letztlich muss man sich wohl bei jeder Münze Gedanken machen warum grade Trugschrift verwendet wurde. Ich meine jedoch es waren sehr viel seltener analphabetische Stempelschneider schuld, als es die gängige Fachliteratur glauben machen will, zumindest im Spätmittelalter wo ich mich besser auskenne als im frühen.

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Di 08.05.12 08:34

Hallo QVINTVS, danke das du dieses Thema fortführst. Gib doch bitte den Titel dieses interessanten Buches preis. Die Beispiele von Marc sind meiner Meinung nach, genau zutreffend. Aber natürlich ist es im Einzelnen sehr schwer zu bewerten, was die Ursache für eine nicht lesbare Buchstabenfolge zu sein scheint. Ich versuche schon seit längerer Zeit eine Umschrift zu entschlüsseln, die kein Einzelbeispiel ist, sondern auf einer Vielzahl von Dünnpfennigen aus der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts für das Bistum Halberstadt so auftritt. Das besondere und erschwerende dabei ist, das die Machart, der Stil und vornehmlich der Stempelschnitt dieser Dünnpfennige erkennen lässt, das sie nicht aus einer Hand (Stempelschneider) stammen, sondern mehrere Graveure ihren Spuren hinterlassen haben. Es entsteht der Eindruck, dass die Münze zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Münzen über keinen eigenen Stempelschneider verfügte. Das wiederum würde bedeuten, dass Dienstleistungen (wie man heute sagen würde) von anderen Anbietern, unter Umständen einem reisenden Gewerbe dieser Art, in Anspruch genommen wurden. Daraus ergibt sich die Frage, wieso immer die gleiche Umschrift? Das eingestellte Bespiel war schon mal Thema im Forum ohne dass ich es klären konnte.
Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Di 08.05.12 16:49

Hier der Titel:

Die Symbolik der Mittelaltermünzen
1. Teil: Die einfachsten Sinnbilder
Dr. Ferdinand Friedensburg
Berlin 1913,
Weidmannsche Buchhandlung

Dito
2. und 3. Teil
Berlin 1922

@Bertolt
Die ersten drei Buchstaben interpretiert Friedensburg als "Alpha und Omega" A N Ω.

Das Buch konnte ich über die meist nicht so sehr gut bestandete Stabi Augsburg ausleihen.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Di 08.05.12 22:41

Hallo QVINTVS, ja dieses Buch kenne ich, in der Tat sehr gut, hilft aber auch nur allgemein, leider nicht im Besonderen. Mit der von mir eingestellten Umschrift haben sich vor mir schon andere Numismatiker beschäftigt. Einige sind der Meinung, zwischen dem Kreuz und dem Anfangsbuchstaben „A“ befinde sich noch ein „S“. Ich habe bei allen von mir untersuchten Münzen kein einziges „S“ vorgefunden. Lediglich Fragmente ohne nähere Zuordnungsmöglichkeit. Das Vorhandensein von Fragmenten an dieser Stelle überhaupt, lässt natürlich den Schluss zu, das sich dort tatsächlich noch ein Buchstabe „S“ befinden könnte, obwohl der vorhandene Platz dafür sehr gering ist. Die Umschrift würde dann so aussehen? Nun meine Frage, was ist es, eine Trugschrift oder könnte diese Umschrift jemand lesen?
Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Mi 09.05.12 15:08

SAN OMV HOHE PO
SANO MVE OHE RO
SAN O MVEO HERO

Habe mal ein wenig gespielt. Kenn mich mit dem alten Altdeutsch leider nicht aus. Was ich aber aus obigem Werk gelernt habe, ist die Möglichkeit, Buchstaben auch als griechische Buchstaben zu lesen. Deswegen die unterschiedlichen Lesearten.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von QVINTVS » Mi 09.05.12 15:12

SANO MV EQVEH RO - Heile mein Pferd ...

Zugegeben sehr fiktiv, aber vielleicht ergibt sich aus der Ortsgeschichte heraus ein Sinn.
Viele Grüße

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Mi 09.05.12 15:59

Hallo QVINTVS, ja das ist schon ganz gut, aber ich glaube tatsächlich, dass diese Umschrift im Zusammenhang mit der Stadt Halberstadt zu sehen ist. Sonst würde es auch keinen Sinn machen bzw. tatsächlich bedeutungslos sein. In Kenntnis der Halberstädter Geschichte dieser Zeit, würde ich in der Reihenfolge meiner Einstellung, die beiden Umschriftsvarianten wie folgt lesen:

1.
+ A (RGENDA) N (UMMUS) M (MONETARIUS) M (ONETA) V (VILLA) H (ALBERSTADENSIS) R (UDOLPHUS ) H (ALBERSTADENSIS) EP (IS) CO (PAT) V (S).

2.
+ SAN ( CTVS) M ( ARTIR ) M ( ONETA ) V ( ILLA ) H ( ALBERSTADENSIS ) R ( UDOLPHUS ) EP ( IS ) Ligatur : CO ( PAT ) V ( S ).

Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von cepasaccus » Mi 09.05.12 16:51

Klingt deutlich plausibler. Man darf eben nicht vergessen wo eine Muenze herkommt, sowohl oertlich als auch muenzgeschichtlich.

vale
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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Mi 09.05.12 22:58

Hallo QVINTVS und Cepasaccus, ich wollte mit dieser Darstellung den Versuch unternehmen, eine zunächst sinnlose bzw. starken Trugschriftcharakter tragende Umschrift dennoch zu einer möglichen Klärung zu bringen. So etwas wird z.B. durch einen der heftigsten Kritiker zu „Enträtselungsversuchen“, H. Dannenberg (Dbg. Band 1, Seite 493 – Wendenpfennige) abgelehnt, in dem er schreibt: „…. So bleibt die Bedeutung dieser Inschriften höchst zweifelhaft und jede Deutung willkürlich, ja ein Blick auf viele andere Nachmünzen und namentlich auf die vielen Varietäten ….., in denen die regelmäßigen Inschriften ……. sich auf die allerverschiedenste Weise entstellt finden, sollte von jedem Erklärungsversuche als aussichtslos abmahnen.
Was meint ihr dazu? Gruß Bertolt.
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Re: Trugschriften?

Beitrag von cepasaccus » Mi 09.05.12 23:38

Verglichen mit den Sachsenpfennigen und OIIIXX oder sowas zeigt diese Umschrift eine grosse Varianz richter Buchstaben und sogar eine moegliche Ligatur. Einem Analphabeten wuerde ich das eher nicht zutrauen. Ein Schreibkundiger koennte eine Muenze mit schlecht lesbarer umschrift kopiert haben. Oder ihm war die Bedeutung der Abkuerzung bekannt. Da ich Halberstadt nicht kenne kann ich dazu nichts sagen. Du magst ein drittel richtig gedeutet haben. Oder auch zwei. Alles glaube ich nicht. Da muesste man sich mehr mit Halberstaedter Umschriften auskennen. R.I. kann man auch nur im Kontext als ROM IMP erschliessen.

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Re: Trugschriften?

Beitrag von Bertolt » Do 10.05.12 09:04

Hallo Cepasaccus, genau so sehe ich es auch, ein Teil der Umschrift scheint tatsächlich so gemeint gewesen sein.
Das SAN zu Beginn der Umschrift als Abkürzung des Wortes SANCTVS anzusehen, ist sicherlich nachvollziehbar. Das Sanctus gehört ja zu den Liturgieelementen und bedeutet so viel wie das Wort Tersanctus, also dreimal heilig! Wir finden auf Münzen des Halberstädter Bischofs Rudolf I. im Bereich der CRVX – Varianten solche, die das Wort SANCTVS als komplette Aversumschrift anstatt des STEPHANVS aufweisen. Wenn es hier tatsächlich einen Zusammenhang über die Bedeutung der Buchstabenfolge SAN mit dem des Wortes SANCTVS geben sollte, müsste sich eine Worterklärung in irgendeiner Art und Weise auch auf die restlichen Buchstaben übertragen lassen. Das bedeutet, es ist keine Trugschrift sondern eine Schrift, deren Bedeutung sich klären lassen müsste.
Gruß Bertolt
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