ich habe hier einen kleinen Brakteat, der für mich etwas rätselhaft ist:
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Gewicht 0,42g, Durchmesser 17-17,5mm.
Wegen des gringen Durchmessers könnte man ihn auch einen Hohlpfennig nennen.
Abgebildet ist ein nach links schreitender Löwe mit erhobener Tatze in einem Perlrand.
Ich habe diesen Pfennig in der mir zur Verfügung stehenden Literatur nicht gefunden und bin mir nicht sicher, ob es sich bei dieser Münze um eine städtische Prägung Lüneburgs oder eine herzogliche Prägung, z.B. Ottos des Strengen (1277-1330), handelt.
Für eine Prägung der Stadt spricht der geringe Durchmesser, aber den gibt es auch bei herzoglichen Prägungen um 1300.
Für eine herzogliche Prägung spricht der Perlrand, der bei städtischen Prägungen Lüneburgs sonst nicht vorkommt, jedoch bei mehreren Münzen von Otto dem Strengen ebenfalls vorhanden ist. Z.B. bei Berger (= Kestner Museum) Nummern 526, 544, 545.
Siehe z.B. hier:
http://www.coinarchives.com/w/lotviewer ... 5&Lot=2340
http://www.coinarchives.com/w/lotviewer ... 0&Lot=1830
http://www.coinarchives.com/w/lotviewer ... 6&Lot=1694
Das Gewicht würde sowohl zu den Münzen Herzog Ottos des Strengen passen, wie auch zu den städtischen Pfennigen Lüneburgs im 14. Jahrhundert.
Jesse (Der Wendische Münzverein) erwähnt zwar keine lüneburger Prägungen mit Perlrand, kennt aber Prägungen mit Perlrand aus Lübeck (Nr.180, "2. Hälfte 13.Jahrhundert") und aus dem Bistum Verden (Nr.265, keine Angabe der Prägezeit). Bei Nr.265 verweis Jesse auf die Sammlung Friedensburg.
In der Sammlung Friedensburg (Adolph E. Cahn, Auktion Nr.52/1924) findet man Jesse Nr.265 als Los Nr.613 und ein ähnliches Stück, ebenfalls mit Perlrand als Los Nr.612. Bei beiden Münzen handelt es sich um Beischläge zu Hamburger Hohlpfennigen mit abweichenden Beizeichen (Kreuz, bzw. Kopf im Tor) und Perlrand. Beide Münzen werden bei Friedensburg dem Bistum Verden unter Bischof Konrad von Braunschweig (1269-1300) zugewiesen. Bei Nr.612 wird auf "Engelke, Blätter für Münzfreunde Tafel 205, 8" verwiesen und bei Nr.613 steht "Unediert", es ist also kein Literaturzitat bekannt.
Konrad I. von Braunschweig-Lüneburg, dem bei Friedensburg die beiden Münzen mit Perlrand zugewiesen wurden, war ein Onkel Ottos des Strengen und von 1269 bis 1300 Bischof von Verden. Das wäre ein kleines Indiz dafür, daß es sich bei dem Löwenpfennig mit Perlrand ebenfalls um eine welfische Prägung handeln könnte, zumal auch auf anderen welfischen Prägungen dieser Zeit ein Perlrand zu finden ist.
Bei Welter (Die Münzen der Welfen) gibt es diesen kleinen Löwenbrakteat mit Perlrand anscheinend nicht. Leider sind nicht alle Münzen abgebildet.
Berger 526 (dort Otto der Strenge) wird bei Welter Johann von Lüneburg (1267-1277) zugeordnet (Welter 237b).
Welter führt unter den Nr.274 einen Hohlpfennig mit Perlenrand und nach rechts springendem Löwen auf. Diese Münze wird als Hälbling Albrecht II. dem Fetten während seiner Alleinregierung in Göttingen (1286-1318) zugeordnet.
Die Darstellung des Löwen auf meinem Brakteaten paßt recht gut zu der Abbildung der Nr.241a (Johann, Lüneburg) bei Welter, aber Welter 241a hat keinen Perlrand.
Im Fund von Clötze (siehe Archiv für Brakteatenkunde Bd.III), in dem diverse Typen der städtischen lüneburger Hohlpfennige enthalten waren, kam dieser Brakteat nicht vor. Er enthielt aber auch keine Hohlpfennige mit Perlenrand aus anderen Münzstätten.
Das sind die - leider etwas mageren - Ergebnisse meiner bisherigen Nachforschungen.
Lüneburg erhielt 1293 von Herzog Otto dem Strengen das Recht, eigene Münzen zu prägen und hat dieses Recht auch sehr bald ausgeübt, vermutlich noch im gleichen Jahr. Es käme also eine frühe Prägung der Stadt in Frage, bei der sich Lüneburg an dem Pfennig mit Perlrand aus Lübeck (Jesse 180) orientierte. Da sich Lüneburg mit seinen eigenen Prägungen immer an den aktuellen Münzen der Nachbarstädte Hamburg und Lübeck orientierte (später per Vertrag), müßte Jesse 180 aber ganz am Ende des 13. Jahrhunderts geprägt worden sein, um als Vorbild für das Lüneburger Stück in Frage zu kommen. Eine genauere zeitliche Einordnung als "2. Hälfte 13. Jahrhundert" bei Jesse wäre bei der Lübecker Münze deshalb sehr hilfreich. Vielleicht gibt es auch noch eine Hamburger Prägung mit Perlrand, die als Vorbild für eine städtische Münze Lüneburgs in Frage kommt, aber das ist mir nicht bekannt.
Allerdings halte ich derzeit eine herzogliche Prägung für wahrscheinlicher als eine städtische Prägung.
Als Prägeherren kämen dann Otto der Strenge (1277-1300) [Zuweisung der Löwenpfennige mit Perlrand bei Berger], Johann (1267-1277) [Zuweisung der Pfennige mit Perlrand bei Welter] oder Albrecht der Fette während seiner Alleinregierung (1286-1318) [vgl. Welter 274] in Frage.
Von diesen drei Regenten sehe ich Otto den Strengen als am wahrscheinlichsten an.
Leider hatte ich bisher noch keine Gelegeneheit "Die Münzen der Stadt Lüneburg" von M. Bahrfeldt (Berliner Münzblätter Nr.53) zu lesen. Ich weiß deshalb nicht, ob er meinen Brakteaten der Stadt Lüneburg zugeordnet hat.
Was haltet ihr von meinem hier vorgestellten Brakteaten bzw. Hohlpfennig?
Kennt jemand von euch ein Vorkommen dieser Münze in der Literatur, z.B. in einem Fund o.ä.?
Und hat jemand "Die Münzen der Stadt Lüneburg" von M. Bahrfeldt? Dann würde mich sehr interessieren, ob Bahrfeldt meinen Pfennig mit Perlrand den städtischen Münzen zugeordnet hat, und falls ja, wie er dies begründet hat.
Ich würde mich über Hinweise, die meine eigenen Nachforschungen ergänzen, jedenfalls sehr freuen.
Und entschuldigt bitte den langen Roman, den ich hier geschrieben habe.

Viele Grüße
Peter