Durch die hippologische Brille gesehen

Asiaten und was sonst noch der Antike zuzuordnen ist

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SAXOCOINS
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Durch die hippologische Brille gesehen

Beitrag von SAXOCOINS » Mi 06.05.09 21:23

Servus Leute,

hab als Wehrpflichtiger 15 Monate bei den Mulitreibern (Gebirgsjäger) gedient, bin später noch etwas geritten und habe mich auch sonst noch gelegentlich mit Pferdesport beschäftigt.

Seitdem ich auch noch Gefallen an antiken Münzen fand, fallen mir bei deren Pferdedarstellungen viele interessante und vielleicht auch historisch wichtige Details auf.
Meine Beobachtungen an einer sehr reizvollen Reitszene, die ich im Netz fand, möchte ich hier einmal darlegen.

Besonders spannend ist folgende Löwen-Jagdszene des indischen Königs Puragupta:

http://www.sixbid.com/nav.php?p=viewlot&sid=138&lot=739


Zunächst fällt der Sattel auf. Während die alten Europäer anfangs nur Decken und Tierhäute mit einem Bauch-Sattelgurt verwendeten, hat der Inder hier schon einen richtigen modernen Sattel mit Hinterzwiesel (das ist der rahmenförmige "Bock" hinter seinem Gesäß).
Die Satteldecke, es ist wohl schon eine Art Schabracke, ist prachtvoll mit Zierrat besetzt. Im Fall eines indischen Königs dürfte der nicht wie üblich aus Silber, sondern mindestens aus Gold oder gar Edelsteinen bestanden haben.
Sehr schön ist auch der ebenfalls reich besetzte Schweifriemen zu sehen, der zur Stabilisierung des Sattels gedient haben dürfte.
Auch die Mähne ist mit wertvollem Schmuck besetzt oder wenigstens zu schönen Zöpfen zusammengeflochten worden.

Im typisch asiatischen "leichten Stil" ist der Reiter halb aufgerichtet, beinah schon stehend, gerade dabei, die Großkatze abzustechen.
Dieser sogenannte "Leichte Sitz", der in Europa nicht geübt wurde, ist überhaupt nur möglich durch die Verwendung von Steigbügeln. Der Querstrich in der Höhe seines Schienbeines dürfte so einen Steigbügel dann auch andeuten.
Die Steigbügel wurden erst kurz zuvor vermutlich von den Awaren erfunden und waren in Europa bis 955, der Schlacht auf dem Lechfeld, bei uns relativ unbekannt. Die militärischen Erfolge der Hunnen, Awaren und Magyaren in Europa dürften zu einem guten Teil auch auf die Verwendung von Steigbügeln zurück zu führen sein.
Hochinteressant, daß der König Puragupta so früh, um 480 schon, dieses damalige High-Tech-Gerät verwendete, obwohl es nicht in Indien erfunden wurde.

Mit dieser Ausrüstung war der König also den Europäern viele Jahre voraus.

Sehr detailreich ist auch, daß sowohl die Zügel, als auch eine Art Scheuklappen zu sehen sind. Diese dürften bei der Großkatzenjagd wohl auch mehr als notwendig gewesen sein. Deswegen sind die Ohren des Tieres auch panikartig nach hinten angelegt - Eine herrliche Darstellung.

Am stilistisch gelungensten fällt aber die Dynamisierung des Pferdes aus.
Dann selbst das hartgesottenste Streitroß nimmt die Konfrontation mit einem Löwen nicht emotionslos hin. Üblicherweise geht ein Gaul hoch und stellt sich auf die Hinterbeine.

Hier aber nicht. Warum ?

Beim vorderen Aufbäumen hätten wohl die Proportionen der Münze nicht mehr gestimmt. Für den halb stehenden Reiter im "leichten Stil" wär auch nach oben hin kein Platz mehr gewesen.

Die Lösung des Stempelschneiders besteht nun darin, das Pferd nach hinten und nach oben zur Mitte ( 9h ) der Münze hin austreten zu lassen. Das tun die auch gelegentlich, wie ich selbst oft genug erleben durfte.
Ein geübter Reiter kann ein Pferd zwingen vorn am Boden zu bleiben und anders wäre es auch nicht möglich, daß der Reiter die Katze mit dem Schwert erlegt.

Durch diesen Geniestreich, nur den Hintern des Pferdes zu heben, ist es möglich die Jagdszene in ihrer gesamten Dynamik optimal in das runde Medium der Münze einzupassen.

Man könnte auch noch einiges zur Rasse des Pferdes sagen, aber damit käme man nur in das Gebiet der Vermutungen.

Zwei Ungereimtheiten der Darstellung kann man auch noch ausmachen:
1. Bei der Raubtierjagd wären die Pferde mit Sicherheit gepanzert gewesen, entweder mit Metallteilen oder wenigstens mit einer Art Lederschürze.
2. Daß man Großkatzen mit einer Kurzwaffe, wie dem Schwert, erlegt, ist äußerst ungewöhnlich. Für so etwas hatte man Distanzwaffen, wie Speere, Pfeil und Bogen.

Aber wahrscheinlich sollte der gute Puragupta als ganz besonderer Heros dargestellt werden. Seine Vorgänger jagten jedenfalls noch ganz realistisch mit Pfeil und Bogen.

Nun, das sind die Beobachtungen, die ein Pferdefreund an einer Münze so machen kann.

Wenn jemand interessante Münzen mit Pferdedarstellungen und Fragen dazu hat, kann er sie ja hier einstellen und vielleicht kann man für die ein oder andere hippologische Frage noch eine Antwort finden.

Saxo

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KarlAntonMartini
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Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 06.05.09 23:26

Das ist ein Beitrag, der auch über die Antike hinaus spannend ist, ich werde mal in den nächsten Tagen ein paar engl. Token mit Pferdethemen einstellen...
Tokens forever!

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Beitrag von Afrasi » Mi 06.05.09 23:42

Moin!

Herzlichen Dank für diesen interessanten Beitrag! Spontan fallen mir die keltischen Pferdedarstellungen ein, bei denen ich äußerst gerne mal die Meinung von einem Pferdekenner dazu wüsste. Es kommen dort ja auch die Sporne zur Reiterabwehr vor. Auch in Carthago und Numidien taucht das Pferd ja oft auf. Als "Afrikaner" muss ich zudem natürlich unbedingt auf das tansanische 10-Senti-Stück hinweisen. Über weitere Beiträge dieser Art würde ich mich sehr freuen.

Tschüß, Afrasi
Ich könnte mich über Vieles aufregen, aber zum Glück bin ich nicht verpflichtet dazu. :-)

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