Engel mit Weltkugel und Kreuz mit 4 - was ist das?

Münzen des alten Byzanz

Moderator: Wurzel

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Truben
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Engel mit Weltkugel und Kreuz mit 4 - was ist das?

Beitrag von Truben » Do 08.09.05 23:00

Hallo liebe Byzantiner,

ich habe hier einige Münzen, mit deren Bestimmung ich nicht so recht vorankomme. Vielleicht hat hier jemand einen Tip?
Die Münze mit dem Engel finde ich nicht im PETZLAFF. Sie hat etwa 2,5 cm Durchmesser. VS ein jugendlicher Jesus, RS ein Engel, der eine Erdkugel mit Kreuz in seiner linken Hand hält. Das finde ich schon ein wenig ungewöhnlich, da diese Insignie doch eher den weltlichen Chefs zusteht. Wo kommt die Münze her?

Münze 2 ist sehr klein und extrem dünn. Durchmesser etwa 1,2 cm. Gewicht unter einem halben Gramm. Auf der einen Seite ein Kreuz, das sich an den Enden erweitert. Es scheint, als wären mehrer Schriftzeichen auf der wirklich nicht sehr gut erhaltenen Münzseite. Auf der anderen Seite eine 4 mit 4 Strichen. Darum ein Kreis, dahinter am Rand unentzifferbare Buchstaben. Ich habe heute Wildwinds duchstöbert. Einige ähnliche Kreuze habe ich gefunden, nicht jedoch in Kombination mit dieser 4.
Bin für jeden Hinweis dankbar.

Eine Frage ohne Bild. Ich habe hier einige Schüsselmünzen, in denen die Figuren der RS ein Kreuz auf einer Stange tragen, das zwei wagerechte Querbalken hat. Wo läßt sich dieses Kreuz und die Münzen einordnen?

Danke für Euer Interesse :)

Herzl. Gruß
Truben
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Gast
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Beitrag von Gast » Fr 09.09.05 12:44

lieber truben,

der Engel ist Petzlaff II, 2.16a2 (large module beschnitten) - s. Seite 34 oben, gut zu erkennen an dem "Militäranzug", der unterhalb der Gürtellinie fast quadratisch erscheint und den Flügeln, die die Insignien einrahmen.

Geptägt ca. 1230, wahrscheinlich in Konstantinopel unter der lateinisch/venezianischen Besatzungszeit.

(Sear 2036, DOC 16.12)


Die zweite Münze ist mit Sicherheit nicht byzantinisch. Weiß ich auch nicht.

lieben Gruß,
petzlaff

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Scheleck
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Beitrag von Scheleck » Fr 09.09.05 12:48

Hallo Truben,
bei den Münzen mit Engel könnte (dürfte) es sich um Aspron Billon Trachy's der lateinischen Herrscher ( 1204-1261) handeln. Auf der Aversseite ist das Brustbild von Christus zu sehen, auf der Reversseite ist der Erzengel Michael in militärischer Kleidung mit Kreuzglobus abgebildet. Münzstätte Constantinopel. Im DOC findest Du die Münzen auf Seite 683 ff. und Pl.50/51.
Im Sear unter Nr.2036. (Gew.: von 2,01 gr. bis 3,80 gr. Dm.: 22-31 mm.)
Zur zweiten Münze kann ich z.Zt. noch nichts sagen. Ich habe Zweifel, ob es sich um eine byzantinische Münze handelt.
Zu Deiner abschließenden Frage läßt sich sagen, dass es sich um das sogenannte Patriachenkreuz handelt. Diese Darstellung findet man auf den Münzen (Solidi, Hyperperon und Trachy's) von ab etwa Theophilus (829-842) Basilius etc. bis zu den Lateinischen Herrschern. Das Patriarchenkreuz besteht aus 2 Querarmen, wobei der obere kürzer ist als der untere, beide aber kürzer sind als der senkrechte Arm. Es diente als sogenanntes Herrschaftszeichen und deutete das Patriarchat (griechisch Vaterherrschaft) an. Näheres hierzu findest Du in der Wikipedia oder im Brockhaus.
Ich denke, das Anastasius und Petzlaff noch einiges dazu sagen können.
Gruß Scheleck
Das Auge schläft, bis es der Geist mit einer Frage weckt.

Gast
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Beitrag von Gast » Fr 09.09.05 12:55

Noch einmal zur zweiten Münze:

die Legende ist kreisförmig und mit einem inneren Stabkreis vom Feld getrennt. So etwas gibt es nicht in Byzanz., sondern eher im "westeuropäischen Mittelalter" bis hin zur Neuzeit.

Ich vermute die Herkunft im westlichen Mittelmeerraum (Spanien/Portugal????). Das Kreuz erinnert an französische Einflüsse. Muß mal schauen, ob ich irgendetwas finde.

petzi

Truben
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Beitrag von Truben » Fr 09.09.05 13:54

Plötzlich sind so viele Antworten im Sekundentakt da :D - nutzt Ihr die Mittagspause für das Forum?
Erst einmal herzlichen Dank für die Antworten. Asche auf mein Haupt, daß ich die Engelmünze nicht im Petzlaff gefunden habe. Der Autor weiß schon, daß ich meine Probleme mit Teil 2 habe, was eindeutig an mir liegt. Weiß jemand, warum Gabriel den Kreuzglobus trägt? Das ist doch eigentlich ein Zeichen der weltlichen Macht. Außerdem meine ich, daß die Münze teilweise doppelt geaschlagen wurde. Oder bilde ich mir das nur ein?
Die zweite Münze war in einem Lot ungereinigeter Römer, die nach deren Prägestätten wohl aus Südosteuropa stammen. Aber wie ein Römer sieht diese Münze nun wirklich nicht aus. Das Kreuz meinte ich bei einigen späten Byzantinern gefunden zu haben, z.B. hier:
http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb2481.t.html
Nur da sind auf der anderen Seite immer Herrscher abgebildet und keine IIII. Bis wann schrieb man die vier so und nicht IV?
Herzlichen Dank und Gruß
Truben

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Beitrag von Gast » Fr 09.09.05 14:10

lieber truben,

die "IV" schreibt man erst seit Anfang des 19.Jh. in dieser Form, genauso wie die "IX" etc.

Man bezeichnet dies als die Subtraktionsmethode im Gegensatz zur vom Altertum bis in die frühe Neuzeit vorherrschende Additionsmethode, die dann entsprechend "IIII", "VIIII", etc.

Wenn Du zum Beispiel Münzen des fanzösischen Sonnenkaisers "Louis quatorze" betrachtest, wirst Du immer feststellen, daß da nicht LUDOVICUS XIV, sondern stets LUDOVICUS XIIII angegeben ist.

Die IIII-Münze könnte auch aus dem nordostadriatischen Raum stammen und durch die Venezianer und die Franzosen beeinflusst sein. Leider fehlt mir die entsprechende Literatur.

Ich hatte heute schon eine rege Diskussion mit scheleck zu genau dieser Deiner Münze. Wir haben auch die Möglichkeit "Ungarn" in Betracht gezogen - hierzu habe ich zwar Literatur, aber bisher noch keine Zeit reinzuschauen.

Sekundentakt ist halt stressig.

Übrigens: Doppelschläge, besser Überprägungen kommen gerade bei dem häufigen Engel recht häufig vor.

Die Münze ist übrigens ganz toll erhalten :D

lieben Gruß - petzlaff

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Beitrag von Chippi » Fr 09.09.05 19:59

Hallo,

die IIII ist eine Wertzahl, 4 klar und ist wohl der (frühen) europäischen Neuzeit zu zuordnen. Auf jeden Fall nicht römisch!

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von mumde » Sa 10.09.05 00:24

Zur unteren Münze:
In Ungarn gibt es im 15. Jh. solche Denare: Doppelkreuz, an den Seiten je ein Buchstabe (das sind Münzmeisterzeichen), Umschrift MON(ETA) und dann der Name des betreffenden Königs. Rückseite Wappenschild mit vier horizontalen Streifen (die hier gezeigte Münze um 90 Grad nach rechts drehen), Umschrift R(EGIS) UNGARIE E(T) C(ETERA). Es gibt diese Münzen von verschiedenen Königen, und die Umschriften unterscheiden sich entsprechend. Die Münzmeister-Buchstaben an den Seiten des Kreuzes sehen mir wie n-S aus, da könnte es ein Denar von Ladislaus V., 1453-1457, sein, Huszár 664, aber die Umschriften sind zu undeutlich, als daß ich das konkret behaupten möchte.
Gruß mumde

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Beitrag von Scheleck » Sa 10.09.05 02:08

Hallo Mumde, Hallo Truben,
den Ausführungen von Mumde bezüglich der Prägungen Ungarns im 15. Jahrhundert kann ich mich anschließen. Ich habe diesbezüglich in dem Werk von Artur Pohl "Münzzeichen und Münzmeisterzeichen auf ungarischen Münzen des Mittelalters 1300 - 1540 " seinen Hinweis nachvollziehen können. Danach sind die 4 Streifen nicht als Wertzahl 4 zu verstehen, sondern als Wappendarstellung bzw. Teil eines ungarischen Wappens, das häufig als gespaltenes Wappen dargestellt ist. Allerdings sind die Um- und Inschriften auf den Avers- und Reversseiten der Münze auf den Abbildungen nicht nachvollziehbar. Bei dem Kreuz auf der Reversseite handelt es sich meiner Ansicht nach nicht um ein Doppelkreuz sondern um ein sogenanntes Ankerkreuz, da die Enden der Kreuzarme in sogenannte Ankerhaken enden.
Demnach handelt es sich wahrscheinlich wie Mumde schon richtig beschrieb, um einen ungarischen Denar des 15. Jahrhunderts. Die Münzmeisterzeichen in den Winkeln des Kreuzes sind leider nicht eindeutig erkennbar, sodass eine sichere und genaue Zuschreibung meines Erachtens nach nicht möglich ist.
Gruß Scheleck
Das Auge schläft, bis es der Geist mit einer Frage weckt.

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Beitrag von Truben » So 11.09.05 00:13

Herzlichen Dank an alle, die versuchten das Rätsel um die IIII zu lösen. Ich freue mich auch, daß sich Petzi mal wieder gemeldet hat. Ich habe von einem Sammler ungarischer Münzen die folgende Skizze gemailt bekommen, die denen ohne Spezialliteratur zeigen kann, was von Mumde gemeint ist.
In der Zwischenzeit habe ich unter dem Stereomikroskop noch etwas weiter gearbeitet und meine, daß einige Details nun besser zu sehen sind. Das grünliche Bild ist unter Infrarot aufgenommen, da sieht man manchmal besser. Dieses IR - Bild habe ich dann noch mal farbkorrigiert.

Ich habe einiges an Hand dieser Münze gelernt. Dafür danke ich Euch.

Warum Gabriel mit der Weltkugel gezeigt wird habe ich aber immer noch nicht verstanden. :?

Gruß
Truben
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Gast
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Beitrag von Gast » So 11.09.05 07:30

@truben,

sorry - das mit der Weltkugel (Reichsapfel) habe wir dank des Ungarn völlig verdrängt.

Sie symbolisiert die weltliche Macht des Kaisers als Stellvertreter Christi.unter dem Schutz der Kirche. Bei spätbyzantinischen Münzen findet sich häufig statt des römisch-katholischen Kreuzes auch das griechisch-orthodoxe Patriarchenkreuz mit 2 Querbalken, um klarzstellen, daß die byzantinische Weltmacht sich nicht unter dem geistlichen Schutz des Papstes, sondern der inzwischen selbständigen orthodoxen Kirche sieht.

Die Kugel symbolisiert übrigens die ganze Welt. Das ist besonders deswegen interessant, da ja zu der damaligen Zeit sicher noch der eine oder andere davon überzeugt war, die Erde sei flach wie eine Scheibe.

Erstmals erscheint der Reichsapfel auf den Solidi des römschen Kaisers THEODOSIUS II, hiewr allerdings ohne Kreuz. JUSTINIAN I war der erste, der der Weltkugel das Kreuz hinzufügte. Nach Grierson gehört der Reichsapfel nicht zu den damals real existierenden Kaiserinsignien (wie z.B. die Akakia oder das Labarum), sondern ist als reine bildliche Symbolik zu betrachten.

Gruß - petzlaff

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