Wer sitzt denn da?

Münzen des alten Byzanz

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Wer sitzt denn da?

Beitrag von Wurzel » Do 24.08.06 18:12

Hallo zusammen,

wer sitzt denn da auf der Reversseite dieses Geldstückes?
Die Person scheint das "Є " so erschreckt zu haben, daß es der Person die Kerseite zuwendet. :wink:
Oder will das christliche "Є " for einem bösen heidnischen Dämonen weglaufen? 8O

Jeder ist eigeladen mitzurätseln. :D
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ghost of anastasius
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Beitrag von ghost of anastasius » Do 24.08.06 18:44

Kein Problem, drehen wir das € doch einfach mal richtig:

Anastasius :D :D :D
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Beitrag von ghost of anastasius » Do 24.08.06 19:36

diese Münze ist der Beweis, dass
a. Wikinger und Byzantiner schon im 6. Jahrhundert heftigen Kontakt hatten, :agrue:
wenn die Byzantiner sogar in Antiochia schon die Kopenhagener Meerjungfrau auf Münzen abbilden.
und

b. der Euro schon im 6. Jahrhundert bekannt war und sich heftig drehte. :multi:


:D :D :D Anastasius

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Wurzel
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Beitrag von Wurzel » Do 24.08.06 19:42

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Suuuuper!

Gruß Michael ( der vor lauter lachen Bauchweh hat )
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Truben
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Beitrag von Truben » Do 24.08.06 23:16

Die Kontakte mit den Wickingern wären garnicht so überraschend, vielleicht ein wenig zu früh. Aber wer weiß schon so genau, wann sie erstmalig durch Russland und das Schwarze Meer gekommend Konstantinopel erblickten ... :)
Was sehe ich denn da auf Euren Münzen nun wirklich?
Gruß
Truben

Gast
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Beitrag von Gast » Fr 25.08.06 07:03

Lieber Truben,

Du siehst die thronende Göttin Tyche in einem stilisierten Tempel. Wie der Name schon sagt, war Tyche die Stadtpatronin von Antiochia und wurde bereits in der römischen Zeit häufig auf Münzen dieser Prägestätte dargestellt. Die dargestellte Statue stammt aus dem 3.Jh. vor Christus und wurde durch den Bildhauer Eutychides von Sikyon geschaffen.

Ach so JUSTIN I, Pentanummion (S. 111, MIB 67)

Normal ist die Ausgabe mit dem "verkehrt herummenen Euro". Hahn kennt die Variante von Anastasius nicht, vermutet aber, dass "dieser Lapsus irgendwann korrigiert worde wäre" (Zitat). Spiegelverkehrte rückläufige Buchstaben kommen in Antiochia übrigens häufiger vor.

Lieber Anastasius - ein ganz, ganz starkes Teil :D

petzi

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Beitrag von Wurzel » Fr 25.08.06 11:47

Hallo Petzi,

genau deswegen hat mich dieses Münzlein gereizt, eine heidnische Göttin auf einer Byzantinischen Münze, wo doch sonst immer irgendein christliches Symbol darauf zu finden ist.
Von den Goldausgaben kennen wir ja die Victoria, die aber hier eher als Symbol zu verstehen ist.
Eine thronende Stadtgöttin im Tempel hat da doch eine andere Dimension. Danke für den weiteren Hinweis auf den Bildhauer.

Hier ein paar weiterführende Links:

http://www.hellenica.de/Griechenland/Mythos/Tyche.html

http://de.wikipedia.org/wiki/Tyche

Und hier ein sehr schöner Beitrag von Peter43 "Die Tyche von Antiochia " bei den Römern:
http://www.numismatikforum.de/ftopic6900-405.html


@Anastasius
Dein Teil ist echt der Hammer! Vom Euro kennen wir ja drehende Sterne, aber ein drehendes "Є" ist absolut neu :wink:

Liebe Grüße Michael
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Beitrag von Wurzel » Fr 25.08.06 13:21

Als kleine Ergänzung,

unter JUSTINIAN würde diese Münze ebenfalls geprägt, auch hier wieder mit dem verdrehten "Є ". Vergleiche Sear 240, MIBE 140

Etwas eigenwillig die Jungs aus Antiochia/Theoupolis :wink:

Interessieren würde mich, ob man diese Münze als Hinweis auf einen noch in byzantinischer Zeit fortbestehenden heidnischen Kult werten kann. Weiß dazu jemand mehr?

Liebe Grüße Michael
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Beitrag von Antinoos » Mo 03.12.07 16:29

Wurzel hat geschrieben:Interessieren würde mich, ob man diese Münze als Hinweis auf einen noch in byzantinischer Zeit fortbestehenden heidnischen Kult werten kann. Weiß dazu jemand mehr?
Ich gehe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon aus, daß diese Tyche nur die Funktion als reines Stadtwappen von Antiochia innegehabt hat. (BTW: Auf heutigen Stadtwappen der BRD gibt's ja hin und wieder auch noch Kronen, obwohl die BRD kein Königreich ist - naja: "Angie I." tut nebst ihres Heimatschutzministers SSchOIble inzwischen offenbar fast alles, damit sich das bald ändert... :roll: :evil: !)

Jedoch ist erkennbar, daß die Christen nach dem Großen Erdbeben von 526 dieses Motiv wohl retrospektiv als verdammt "verhängnisvoll" ("Böses Omen") betrachteten. Deshalb wurde es nach dieser Zeit nicht mehr geprägt und Antiochia in Theoupolis umbenannt.

Interessant auch, daß es dieses Motiv nur auf dem kleinsten Nominal gibt. Da kann man im Zusammenhang mit Deiner Frage sicher und zurecht viel spekulieren; vielleicht sollte das Motiv wirklich auch(!) zur "Ruhigstellung" der letzten Reste von "Heiden" dienen - wer weiß? Beweisbar ist das aber m.E. nicht.

Im übrigen: Das Stück von Anastasius ist traumhaft schön. Auf meinen - nunmehr seit gestern zwei :) - Belegstücken sieht man den Orontes zu Füßen der Tyche nicht annähernd so gut (eher gar nicht - man muß ihn erahnen)... Respekt!

Ach so - nicht nur der Ingenieur macht sich gern ein Bild ;) : http://de.wikipedia.org/wiki/Bild:Tyche ... nv2672.jpg

-Antinoos
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Beitrag von petzlaff » Mo 03.12.07 16:39

Die Stadt ANTIOCHIA hat ihren Namen von der Gottheit TYCHE, deswegen denke ich, dass die Abbildung der Stadtpatronin kaum aus "heidnischem" Revisionismus heraus entstanden ist, sondern wirklich eine Art Stadtwappen darstellt.

Ähnlich wie der Bär von Berlin, der Bier trinkende Mönch von München, der Mühlstein von Hameln (man vergebe mir, wenn ich auf meinen Wohnort Bezug nehme) etc. etc.
Liebe Grüsse

petzlaff

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Beitrag von Peter43 » Fr 16.05.08 19:36

Ich habe gerade diesen interessanten Thread gelesen. Eine Anmerkung nur zum letzten Beitrag: Die Stadt Antiochia wurde gegründet von Seleukos I. Nikator (einem General Alexander des Großen) und nach Antiochos, einem seiner Söhne benannt. Ich habe zwar keine genaue Etymologie dieses Namens gefunden, aber er hängt sicherlich mit ANTI, ANTIOS (was den Sinn von 'gegen, dagegen' hat) zusammen als mit Tyche.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von dionysus » Sa 17.05.08 17:26

Zum Thema Tyche von Antiochia gibt es noch einen interessanten Aufsatz über den ich vor kurzem im Netz gestolpert bin:

Meyer, Marion; "Neue Bilder - Zur Verwendung und zum Verständnis von bildlichen Darstellungen in der Levante" in: "Hellenismus: Beiträge zur Akkulturation und politischen Ordnung im Hellenismus." Hrsg. Bernd Funck, 1996 Mohr Siebeck. ISBN 3161465261. pp. 243ff.

Der Aufsatz ist bis auf zwei Seiten bei Google-Books einsehbar und auch in dieser fragmentarischen Form noch wirklich lesenswert.

Mit lieben Grüßen
Maico
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bleib im Dunkeln unerfahren,
mag von Tag zu Tage leben. - Goethe -

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Re: Wer sitzt denn da?

Beitrag von Posa » Do 14.10.10 22:15

Das ist zwar ein Beitrag/Thema aus der Mottenkiste, aber wenn es neue Theorien gibt....

Die Etymologie "Antiochias" (sh. Peter43s Artikel) leitet sich von ἀντί (anti) + ἔχω (ekhō) her. ἔχω bedeutet alles Mögliche: haben, halten, tragen,... aber auch standhalten, sich behaupten, gesinnt sein, womit "Antiochia" zumindest theoretisch im Sinne von "Widerporstshausen" oder "Querulantingen" verstanden werden kann/konnte. Immerhin das "dagegenstehende" Epsilon und dir regelmäßigen retrograden Legenden könnten damit durchaus zusammenhängen.
Meines Quellen-Wissens nach standen die Einwohner Antiochias zu keiner Zeit in einem wirklichen Querulantenruf. An Selbstbewusstsein dürfte es den Bewohnern der Metropole aber kaum gefehlt haben.

Gruß Posa

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Re: Wer sitzt denn da?

Beitrag von Wurzel » Fr 15.10.10 19:23

Hallo Posa,

danke für das Ausgraben dieses erheiternden Threads. Ich musste wieder lachen, als ich das mit den "drehenden Euros" gelesen habe.

Den wirklichen und wahren Hintergrund zu der Tyche in einem sehr christlich geprägten Byzanz werden wir wohl nie zur Gänze ergründen können. Da uns einfach die Informationen dazu fehlen. Manche Dinge kann man halt nur begreifen wenn man in der entsprechenden Kultur lebt.
Beispiele gibt es da ja auch aus unserer Zeit genug, man muss da nur die aktuelle Debatte zur Integration und den Umgang mit dem Islam betrachten, die Ängste und Sorgen sind sicherlich auf beiden Seiten durch die Unkenntnis über den jeweils anderen begründet.

Dummerweise ist das "miteinander reden" aus der Mode gekommen und durch pauschalisieren, Polemik und Stimmungsmache auf allen Seiten ersetzt worden. (ich weiß das ist überspitzt formuliert)
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Re: Wer sitzt denn da?

Beitrag von Posa » Sa 16.10.10 16:36

Wenn man bedenkt, wieviel umgedeutetes Heidentum sich noch in unserem Alltag befindet, verwundert es mich eher, dass die Byzantiner immer nach außen so clean christlich erscheinen. Da scheint eine Menge Disziplin dahinter zu stecken.

Was du da jenseits der Byzantinistik anstößt, gräbt mir bisweilen auch so manche Falte auf die Stirn...

Gruß Posa

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