Fälschung oder Abschlag?

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arnold_hille
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Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von arnold_hille » So 24.10.10 22:06

Hallo,

ich bräuchte einmal eine zweite Meinung. Der Münztyp auf Bild 1 entstand 1715 während einer Belagerung und wird in der Literatur als Notmünze bezeichnet. Wie bei Notgeld üblich, ist auch dieser Typ stark untergewichtig, besteht jedoch immer aus einem silberfarbenen Material.
Die letzten mir bekannten 13 Handelsvorkommen scheinen mit demselben Vorder- und Rückseitenstempel geprägt worden zu sein.
Das auf Bild 2 gezeigte Stück scheint jedoch aus Kupfer zu bestehen und von feinerem Stil zu sein.
Würden da nicht diese hellen Rückstände an Teilen des Münzbildes sein, die mir wie Reste einer Versilberung aussehen, würde ich meinen es handele sich um einen Cu-Abschlag.
Warum aber sollte jemand einen Abschlag einer Notmünze versilbern? Kann es sein, dass es sich um eine zeitgenössische Fälschung handelt die versilbert wurde? Welche Gründe bestehen für das Fälschen einer nicht seltenen Notmünze? Handelt es sich vielleicht gar nicht um Reste einer Versilberung?
Vielleicht kennt ja jemand die Antwort auf eine meiner Fragen.

Grüße
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Bild 1_(1,91g).JPG
Bild 2_(2,09g).jpg
Zuletzt geändert von arnold_hille am Mo 25.10.10 10:15, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von Numis-Student » Mo 25.10.10 10:12

Hallo Arnold,
ohne jetzt Experte für Stralsund zu sein, möchte ich ein paar Gedanken äussern:
Ist das "silberfarbene Material" wirklich stärker silberhaltig, und damit durchgehend silbern, oder ist nur die Oberfläche versilbert, oder durch Silbersud oder ähnliche Vorgänge bearbeitet, um eine durchgehend silberne Legierung vorzutäuschen ? Wie sehen stärker abgenutzte Stücke aus ?
Abschläge von der Notmünze wären denkbar als Erinnerung an die Belagerung/Notsituation. Im Wuppertal gab es zu Beginn des 19. Jahrhunderts Brotmarken in Elberfeld, davon gab es auch Edelmetall-Abschläge für den Stadtrat oder wen auch immer. Denkbar wäre also ein Cu-Abschlag, den ein Unwissender später versilbert hat.
Eine zeitgenössische Fälschung kann ich nicht zu 100 % ausschliessen, aber ich halte es eher für unwahrscheinlich. Denn ein Fälscher zu der Zeit, der nicht in der Kunst des Gravierens geübt war, würde kaum einen feineren Stil als das Original hervorbringen.
Eine moderne Fälschung wäre auch denkbar. Was kostet so ein Stück in guter Qualität ? Ich denke mal, mindestens 20 Euro, und dafür lohnt es sich doch schon längst ;)
Schöne Grüße,
MR
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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von Numis-Student » Mo 25.10.10 10:15

Eine dunkle Patina ist auszuschliessen ?
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von arnold_hille » Mo 25.10.10 21:14

Hallo Numis Student,
die Formulierung „silberfarbenes Material“ habe ich gewählt, da mir der Silbergehalt nicht bekannt ist. In der Literatur steht nichts dazu. Vielleicht gibt der „Schön“ Auskunft (liegt mir leider nicht vor). Ein stärker abgewetztes Stück findest du unten. Auch unter den abgenutzten Partien blinkt kein Kupfer hervor.
Eine starke Patina möchte ich ausschließen, da man, wenn das Stück neben eine Kupfermünze liegt, keine Unterschiede erkennen kann.
Mit den 20,- € liegst du gar nicht so verkehrt. Ich denke für solch einen geringen Gewinn macht sich niemand die Arbeit so etwas zu fälschen.
Wenn es auch von Notmünzen anderer Städte Abschläge gibt, dann ist dieser Gedanke doch nicht so abwegig. Vielleicht wurde hier eine Probenahme von einem später nicht oder nur in kleinem Umfang genutzten Stempelpaar vorgenommen.
Danke
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16Schilling1715_Gurke.jpg

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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von Numis-Student » Mo 25.10.10 23:23

arnold_hille hat geschrieben:Mit den 20,- € liegst du gar nicht so verkehrt. Ich denke für solch einen geringen Gewinn macht sich niemand die Arbeit so etwas zu fälschen.
Hallo,
ich bringe immer gerne ein Beispiel: Wenn Jemand Kursmünzen zum Bezahlen fälscht (heutige Euros), der muss größere Mengen produzieren und verbreiten. Der Absatz wird in der Regel über Verteiler organisiert, die die Münzen zu etwa 50 % des Nennwertes kaufen.

--> Das kleinste "lohnende" Nominal sind 20 Cent !

Wenn der Fälscher davon 10 CCent für sich kalkuliert, sind doch 20 Euro schon sehr gut (und man muss nicht 100 Stück dafür loswerden ;) ).

Schöne Grüße,
MR
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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von arnold_hille » Di 26.10.10 06:42

Der Vorteil beim Fälschen aktueller Münzen dürfte jedoch die großen Mengen sein, die man davon in großem Zeitraum absetzen kann ohne dass durch die Menge selbst etwas auffällt. Die Arbeit muss blos gut gemacht sein.
Bei alten Münzen fällt es jedoch ziemlich schnell auf, wenn auf einmal eine große Anzahl von vormals nicht so häufigen Stücken auf dem Markt erscheint (dafür sorgen auch Leute in Foren wie diesem hier). Einen neuen Stempel einer 20,- Münze anzufertigen und ihn nur einmal zu benutzen käme bestimmt teurer als 20,- (Energieaufwand, Material, enormer Zeitaufwand beim Anfertiegen des Stempels). Es gibt bestimmt auch keine Verteiler die sich mit so etwas die Finger schmutzig machen wollen.
Darum dürften Fälschungen solcher Art von Münzen doch eher aus der Zeit stammen in der diese im Umlauf waren, denke ich.

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Re: Fälschung oder Abschlag?

Beitrag von Numis-Student » Di 26.10.10 13:23

Hallo,
ein solcher Stempel ohne Kopf, kompliziertes Wappen etc. kann man durchaus in einigen Stunden schneiden. Für uns sind 20 Euro nicht viel, für andere Leute ist das unter Umständen schon eine gute Summe... Material (Kupfer, auch Silber) kosten nicht wirklich viel. Ein durchschnittlich ausgerüsteter Schlosser wird Materialreste sicherlich recht schnell und ohne besonderen Aufwand auswalzen und ausstanzen können. Gut, einen solchen Stempel nutzt man dann nicht einmal, sondern schon mehrfach... (eine im Monat bei ebay, eine für den Flohmarkt, eine im Jahr bei einem unwissenden Münzhändler...)

Und: Bei 115 Euro lohnt es noch mehr ;-) : http://www.ma-shops.de/olding/item.php5?id=101419

Schöne Grüße,
MR

ps: Nicht, dass wir uns missverstehen: ich halte sie auch eher für alt (entweder Abschlag oder alte Fälschung).
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