Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

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Invictus
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Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von Invictus » So 14.08.11 11:56

Hallo zusammen,
bei den Beschreibungen der LIBERALITAS-Szene auf Großbronzen (togatus steigt Leiter zu einem Podium hinauf, darauf die personifizierte Liberaltas, daneben der Kaiser auf curullischem Stuhl sitzend) des 2. und 3. Jh. ist immer nur von dem hinter dem Kaiser stehenden "Offizier" die Rede.
Aber soll das wirklich ein Offizier sein? Was hat die Präsens eines Militärs bei einer zivilen Geldspoende für einen Sinn?

Ist es vielleicht ein senatorischer Verwaltungsbeamter - entweder der praefectus militaris (hoher Finanzbeamter) oder der praefectus urbi (Stadtpräfekt, Inhaber der Polizeigewalt und Vertrteter der Gerichtsbarkeit)? Die militärische Kleidung könnte auf den Stadtpräfekten hindeuten.

Das es sich bei dem Offizier um einen siegreichen Herrführer oder den praefectus praetoriae handeln könnte, darf wohl ausgeschlossen werden.
Beispiel: die 4. Liberalitas des Commodus fand anläßlich der Errettung des Kaisers vor der Verschwörung des Jahres 181 statt, da fehlt jeder militärische Hintergrund und dennoch ist wider der "Offizier" auf der Plattform zu sehen.

Eure Meinung hierzu würde mich interessieren!!!
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richard55-47
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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von richard55-47 » So 14.08.11 16:37

Da fällt mir nur spontan ein: Leibwache


oder Ehrengardist.
do ut des.

Tullius Tiro
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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von Tullius Tiro » So 14.08.11 20:16

Weshalb schließt Du den Praefectus Praetorio aus? Ich denke zwar nicht, dass der Kaiser seine Münze so einfach mit einem bestimmten Mann teilt, doch würde ich es nicht von vorne herein ausschließen.

Falls es sich nicht um einen normalen Gardisten handelt, würde der Kommandant der Leibwache, Stellvertreter und höchster Vertrauter des Kaisers sinnvoll sein. Die Figur scheint auf mehreren Münzen dem Kaiser die Hand in den Rücken zu legen, was sich wohl ein einfacher Soldat nicht erlauben durfte. Auch das, falls beabsichtigt, könnte auf die Rolle des Prätorianerpräfekten hindeuten. Auch er hat Gerichtsbarkeit. Sein Kollege in der Stadtpräfektur ist rangniedriger, keiner der Finanzbeamten (wie der a rationibus) sind Militärs.

Ansonsten könnte es einfach ein Symbol sein, dass der Kaiser unter speziellem Schutz steht. Auch scheint es einige Münzbeschreibungen zu geben, nach denen der "Offizier" ein Zepter in der Hand hält. Somit könnte es sich vielleicht um eine weitere Personifizierung handeln – neben Liberalitas - obwohl mir im Moment nicht einfällt, um welche genau es sich handeln sollte. Der Genius des Kaisers wird ja ansonsten anders abgebildet.

Es wäre allerdings interessant eine Evolution hier festzustellen. Wann taucht dieser „Offizier“ zum ersten Male auf? Antoninus Pius (http://www.acsearch.info/record.html?id=376) ist die früheste Münze, die ich nach einem kurzen Search finden konnte. Bei Nero (http://www.acsearch.info/record.html?id=91046) findet sich allerdings Minerva in ähnlicher Position wieder, falls richtig identifiziert. Ansonsten scheinen frühere Kaiser von Togati umgeben zu sein (abgesehen von den Empfängern), die auch des Öfteren die Gaben statt des Kaisers verteilen. Weshalb gerade Minerva hier vorkommt...?

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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von Zwerg » So 14.08.11 21:13

Man sollte diese Münzbeschreinungen nicht unbedingt "wörtlich" nehmen.

Es behauptet ja auch niemand, daß neben dem Kaiser die Liberalitas gestanden hat, der Bürger ist sicherlich nicht eine Sprossenleiter hochgeklettert, die Person hinter dem Kaiser stand wohl kaum auf einem Bein - und der Kaiser hat bestimmt nicht jeden Bürger einzeln persönlich ausgezahlt.

Es ist einfach eine "Liberalitas-Szene"

Grüße
Zwerg
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Invictus
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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von Invictus » So 14.08.11 21:44

Danke für eure Antworten.

Den praefectus praetoriae hab ich deswegen ausgeschlossen, weil es bspw. unter der Herrschaft des Antoninus Pius immer zwei Präfekten gab - auf den Pius-Münzen ist aber nur ein Offizier zu sehen. Zwar hat sich das bei nachfolgenden Kaisern geändert, aber bei Pius ist halt immer nur ein Offizier dargestellt. Soweit ich das überblickt habe, ist ab diesem Kaiser auch erstmals der im Hintergrund stehende Offizier aufgetaucht. Elagabalus ließ sich m.W. ertmals allein auf einem podium darstellen, die nachfolgenden Kaiser nahmen aber wieder das alte Bild auf.

Die Congiarien hielt man ja immer in Rom ab. Soweit ich weiß, ist die bei Nero dargestellte Minerva auf alle Fälle ein geographischer Hinweis, wo dieses Massenspektakel statt fand: vor einem Standbild/Tempel der Minerva. Das diese Göttin zugleich die Schutzherrin für diese Spenden gewesen sein könnte ist nicht auszuschließen.

Was trägt der Offizier eigentlich? Langzepter oder Speer/Lanze?
Das Langzepter kann doch als Symbol der kaiserlichen Allmacht angesehen werden. Und das gibt der Kaiser einfach so aus der Hand, damit es ein anderer (wenn auch nur stellvertretend) trägt? Wohl eher unwahrscheinlich, da würde der Kaiser ja seine eigene Autorität untergraben. Außerdem hatte er ja mindestens eine Hand frei, um es auch im Sitzen zu halten.
Und ein mit Speer bewaffneter Prätorianer? Hätte das Schwert des Leibwächters nicht vollkommen zum Schutz des Kaisers genügt?

Vielleicht hat Zwerg recht: man sollte nicht nach Schatten suchen wo kein Licht ist.
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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von curtislclay » Mo 15.08.11 04:03

Wie Dressel in seinem Buch über die römischen Medaillone in Berlin bemerkt hat, tragen diese "Offiziere", die den Kaiser auch z.B in Adlocutiotypen begleiten, Fasces (gebundene Stäbchen) im linken Arm und sind deshalb als Liktore aufzufassen.

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Invictus
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Re: Der Offizier im Hintergrund - LIBERALITAS

Beitrag von Invictus » Mo 15.08.11 06:12

Vielen Dank für deinen Hinweis, curtislclay! :D
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