Nicht nur in den USA, sondern auch bei uns geht die Preisspirale für top Erhaltungen immer höher, und manch ein betuchter Sammler und Spekulant zahlt für das numismatisch Besondere, das heißt die möglichst beste Erhaltung, schier astronomische Preise. Jetzt bei der laufenden Künker-Auktion wurde mir das wieder deutlich.
Dabei kann in Ausnahmefällen ausgerechnet die Abnutzung einer Münze das Besondere sein …
Ich habe mich in letzter Zeit näher mit den sog. Pfaffenfeindtalern des „tollen“ Christian von 1622, protestantischer „Bischof“ von Halberstadt und vor allem Abenteurer und Söldneranführer im 30-jährigen Krieg beschäftigt, der damals für seine Münzprägungen den Paderborrner Dom geplündert und das Silber erbeutet hat, und stehe hier im Kontakt mit Gerd Dethlefs, der umfangreiche Stempelstudien zu diesen Münzen veröffentlicht hat.
Ebenso wie manche andere schon damals populären Münzen wie die Wiedertäufertaler oder Sophiendukaten sind diese Spottmünzen schon wenige Jahrzehnte später im großen Umfang nachgeprägt worden. Durch Stempelstudien lassen sich Original und Nachprägung unterscheiden. Allerdings gibt es auch Nachprägungen mit original Stempeln. Diese sind beispielsweise daran erkennbar, dass Korrosionsspuren der alten Stempel auf den neu geprägten Münzen durch Nachbearbeitung, besonders Glättung kaschiert wurden. Aber nicht nur das: Während die Nachprägungen kaum Abrieb aufweisen (und entsprechend höher gehandelt werden), immerhin waren sie schon damals für Sammler bestimmt, zeigen Originale fast durchweg deutliche Umlaufspuren, da mit ihnen die damaligen Söldner bezahlt wurden und die Münzen in den Umlauf gelangten.
Daher ist es hier paradoxerweise wirklich so: Wer einigermaßen sicher gehen will, dass er ein authentisch aus dem Silber des Liborius-Schrein im Paderborner Dom geprägtes Original und damit ein echtes Stück Religionsgeschichte kauft oder ersteigert, sollte neben der Stempelwahl auf die Erhaltung achten. Aber eben genau andersherum als sonst üblich!
AS
Warum manchmal bessere Erhaltung weniger Wert bedeutet
- weidner
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Re: Warum manchmal bessere Erhaltung weniger Wert bedeutet
Seit letztem Jahr mühe ich mich stückchenweise durch einen dicken Wälzer mit dem Titel "Der dreißigjährige Krieg - Europäische Katastrophe, Deutsches Trauma" (im Übrigen sehr lesenswert - auch aus heutiger Sicht auf Kriege) . Dort findet man auf etlichen Seiten auch die Geschehnisse um und mit Christian von Braunschweig-Wolfenbüttel.
Nach der Lektüre habe ich einen ganz anderen Blick auf diese Münzen und ihren geschichtlichen Hintergrund bekommen.
Gruß
Mario
Nach der Lektüre habe ich einen ganz anderen Blick auf diese Münzen und ihren geschichtlichen Hintergrund bekommen.
Gruß
Mario
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Re: Warum manchmal bessere Erhaltung weniger Wert bedeutet
Ich ergänze mal aus eigener Sammlung:
Ein passabel erhaltener originaler Pfaffenfeindtaler von 1622, Dethlefs 1/I, gut 42 mm.
Und ein wirklich miserabel erhaltener und ehemals gehenkelter Wiedertäufertaler Geisberg 17 ex Sammlung Opitz, mit gut 49 mm von imposanter Größe, bei dem man nur spekulieren kann, welche bewegende Geschichte er hatte, aber mir als Original deutlich lieber als gut erhaltene spätere Gefälligkeitsprägungen von Kettler & Co.
Ein passabel erhaltener originaler Pfaffenfeindtaler von 1622, Dethlefs 1/I, gut 42 mm.
Und ein wirklich miserabel erhaltener und ehemals gehenkelter Wiedertäufertaler Geisberg 17 ex Sammlung Opitz, mit gut 49 mm von imposanter Größe, bei dem man nur spekulieren kann, welche bewegende Geschichte er hatte, aber mir als Original deutlich lieber als gut erhaltene spätere Gefälligkeitsprägungen von Kettler & Co.
Zuletzt geändert von antisto am Sa 02.04.22 11:38, insgesamt 1-mal geändert.
antisto
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Re: Warum manchmal bessere Erhaltung weniger Wert bedeutet
Und um das Sammlerglück an populären Originalen zu vervollkommnen, anbei mein Sophiendukat.
Es dürfte bekannt sein, dass sich hier die deutlich selteneren Prägungen von 1616 von den Nachprägungen der nächsten gut 2 1/2 Jahrhunderte leicht durch die Umschrift unterscheiden lassen: Wenn auf der Revers-Legende (hier das obere Bild) "Kindern" steht, dürfte es ein Original sein, bei "Kind" eine Nachprägung (die erstaunlicherweise gar nicht mal so viel günstiger gehandelt wird als das Original).
Glückliche Fügung, die einem selten vergönnt ist, dass ich diese Münze in durchaus akzeptabler Erhaltung einmal aus einer Grabbelkiste fast "für lau" fischte ...
AS
Es dürfte bekannt sein, dass sich hier die deutlich selteneren Prägungen von 1616 von den Nachprägungen der nächsten gut 2 1/2 Jahrhunderte leicht durch die Umschrift unterscheiden lassen: Wenn auf der Revers-Legende (hier das obere Bild) "Kindern" steht, dürfte es ein Original sein, bei "Kind" eine Nachprägung (die erstaunlicherweise gar nicht mal so viel günstiger gehandelt wird als das Original).
Glückliche Fügung, die einem selten vergönnt ist, dass ich diese Münze in durchaus akzeptabler Erhaltung einmal aus einer Grabbelkiste fast "für lau" fischte ...

AS
antisto
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