antike Stätten

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Altamura2
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 16:05

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 5/6)

Eine sehr wichtige Rolle hat für Narbo Martius der Handel über den Seeweg gespielt, obwohl die Stadt ja nicht direkt am Meer lag und auch die Aude nicht ins offene Meer mündete, sondern in eine ins Landesinnere ragende Bucht. Lange hat man nicht gewusst, wo denn der Schiffshandel abgewickelt wurde, da man keinerlei Reste eines Hafens gefunden hatte.
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07-21_Schiffsrelief.jpg
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Daher hat man 2005 ein größeres Projekt begonnen, um durch verschiedene Ausgrabungen herauszufinden, wo und wie der Warenumschlag des Seeverkehrs stattgefunden hat. Im Detail kann ich das hier gar nicht alles schildern, aber kurz lässt sich das so beschreiben:
  • Für die großen Seeschiffe waren die Aude und auch Teile der Bucht nicht tief genug, so dass umgeladen werden musste.
  • Dazu gab es am Rande der Bucht vermutlich mehrere Häfen oder Anlegestellen, an denen man das tun konnte.
  • Umgeladen wurde auf flachere Flussschiffe, die dann zumindest den Rest der Strecke auf der Aude getreidelt wurden (also vom Ufer aus gezogen).
  • Die Aude wurde durch künstlich angelegte Kais quasi in die Bucht hinein verlängert. Dort konnte man auch auf Karren umladen und Waren auf dem Landweg in die Stadt fahren.
  • Das gab es aber nicht alles gleichzeitig, da die zunehmende Verlandung der Bucht (zum heutigen Étang de Bages-Sigean) zu Ortswechseln und Baumaßnahmen zwang.
  • Von einem Flusshafen in der Stadt selbst hat man bislang nur magere Anhaltspunkte gefunden.
Die Ergebnisse dieses Projekts sind übrigens sehr schön beschrieben in Corinne Sanchez et al., "Les ports antiques de Narbonne", Sigean 2014, das man hier in vollem Umfang zum Herunterladen findet :D : https://www.ancientportsantiques.com/wp ... ez2014.pdf

Dieses Projekt hat sich nun auch in der Präsentation in Narbo Via niedergeschlagen. Mit Modellen, Karten und Multimediapräsentationen wird ein sehr anschauliches Bild vom antiken Seehandel rund um Narbonne gegeben.
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07-22_Modelle 1.jpg
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(Den Hintergrund hier kennt mancher vielleicht, er stammt aus einem Mosaik in Ostia vom Platz der Korporationen, wo auch die Navi Narbonenses vertreten waren :D .)
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07-23_Modelle 2.jpg
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Dieser Anker wurde in Port-la-Nautique gefunden und zeigt, wie groß die damaligen Handelsschiffe gewesen waren. Mit solch einem Teil kam man eben nicht die Aude hoch bis in die Stadt :| .
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07-24_Anker.jpg
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Besonders interessant ist dieser Steinhaufen. Er wurde in der Spätantike zum Ausbessern eines der in den Golf ragenden Kais verwendet und besteht offensichtlich aus Bruch von antiker Marmorarchitektur. Auch hierfür hat man also die alten Gebäude abgetragen und das Material wiederverwendet. Man findet sogar die Vermutung, dass man im damals dann christianisierten Narbonne die Spuren der alten heidnischen Religion mit Absicht tilgen wollte :? .
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07-25_Bauschutt.jpg
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Do 06.11.25 16:09

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 7: Narbonne - Museum Narbo Via (Folge 6/6)

Schließlich wären da noch die Funde aus dem Clos de la Lombarde. Neben einem schönen Mosaik ...
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07-26_Mosaik simpel.jpg
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... sind das vor allem Wandmalereien, wie es sie in Gallien wohl kein zweites Mal gibt 8O .
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07-28_Gesamtbild.jpg
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Das Bild stammt vom Ende des zweiten oder Beginn des dritten Jahrhunderts n. Chr. und zeigt in einer Art Theaterkulisse einen Genius mit Füllhorn neben einer Victoria Virtus.

Aus einem anderen Raum stammt diese Darstellung.
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07-29_Taube.jpg
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Wir haben uns zum Schluss noch die kleine Sonderausstellung über die Häfen Narbonnes angeschaut und dann aber auch langsam schlapp gemacht und zum Rückzug geblasen :| .
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07-30_Rückzug.jpg
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Wir sind dort fast sieben Stunden dringewesen und haben uns mit Eindrücken vollgepumpt. Das Museum ist dermaßen gut gemacht, wer mal zufällig in der Gegend sein sollte, darf sich das auf keinen Fall entgehen lassen.

Ohne eine Mittagspause im sehr guten Museumsrestaurant hätten wird das aber nicht durchgehalten :D . Da gab es richtig gutes Essen zu fairen Preisen (für ein Museumsbistro vielleicht nicht ganz so billig), was man auch daran gemerkt hat, dass wir die meisten Esser drinnen in den Ausstellungsräumen gar nicht angetroffen hatten 8) .

(Eine einzige Enttäuschung war aber der Museumskatalog "Narbo Via - Le Guide", was ich aber erst zu Hause festgestellt habe :( . Nerviger Sprachschwulst, ständige Wiederholungen und wenig bis keine Details zu den Objekten - einen Journalisten, der nebenher auch gruselige Kriminalromane schreibt ("Les murmures de l'Apocalypse", "Le fantôme des vignes"), sollte man sowas für ein derart bedeutendes Museum eben nicht machen lassen :| .)
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07-31_Museum nachmittags.jpg
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Irgendwann am Tag war auch das Wetter wieder besser geworden, so dass wir angenehm müde, im Kopf immer noch das Museum vor Augen, im Schein der Spätnachmittagssonne wieder in unsere Unterkunft gefahren sind :D .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 08.11.25 09:46

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - Teil 8: Amphoralis - Stadt (einzige Folge)

Die westlichste antike Stätte auf unserer Reise, das Museum Amphoralis, liegt etwa zehn Kilometer nordwestlich von Narbonne in Sallèles-d’Aude. Nachdem man Narbo Via gesehen hat, wirkt es zugegebenermaßen etwas mager :? , beleuchtet aber einen ganz anderen Aspekt der Wirtschaftsgeschichte der Antike.
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08-01_Museum.jpg
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Bereits in den 30-er Jahren ist Einwohnern dort aufgefallen, dass an manchen Stellen in den Weinbergen recht viele Keramikscherben liegen. Als 1968 auf einem Feld die alten Reben ausgerissen wurden, kamen plötzlich ganz viele Bruchstücke ans Licht, so dass man 1976 archäologische Untersuchungen begann. Es stellte sich heraus, dass an dieser Stelle eine Art Manufaktur bestand, in der in schon fast industrieller Manier Amphoren, Alltagsgeschirr, Ziegel und ähnliche Töpferwaren produziert wurden.

Neben unzähligen Scherben fand man schließlich auch Überreste von großen Brennöfen, aber auch Anlagen zur Lehmaufbereitung, Reste von weiteren Wirtschaftsgebäuden und ein kleines Wohnviertel, in dem die Arbeiter mit ihren Familien gelebt haben. Von den Wirtschafts- und Wohngebäuden kann man nichts mehr sehen, da diese vorwiegend aus Holz und Lehm gebaut waren :? .
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08-02_Brennofen 1.jpg
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Von den Brennöfen sind aber letztlich auch nur die unterirdisch gelegenen Heizkammern (oder wie immer das heißen möge) zu sehen, von den eigentlichen überirdischen Brennkammern ist nichts mehr erhalten. An einem Modell wird gezeigt, wie solch ein Brennofen mal ausgesehen hat.
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08-03_Modell.jpg
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Die ersten Öfen wurden etwa 10 v. Chr. errichtet, zu Beginn des vierten Jahrhunderts n. Chr. wurde die Anlage verlassen. Über 300 Jahre lang wurde also an diesem Ort getöpfert, wobei die Anlage immer wieder erweitert und umgestaltet wurde.
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08-04_Brennofen 2.jpg
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Das Hauptprodukt waren Amphoren der Sorte Gauloise 4, die über die meiste Zeit des Bestehens der Anlage hergestellt wurden (andernorts aber auch) und die man in fast der gesamten römischen Welt gefunden hat. Ein solches Gefäß war etwa 60 Zentimeter hoch, fasste 30 bis 35 Liter und wog ungefähr 10 Kilogramm. (Bei einer Flasche mit 0,75 Litern Wein haben wir heute oft ein Leergewicht von 700 Gramm, direkt vergleichen kann man das aber vielleicht nicht :? . Einschenken oder umfüllen wird damals aber etwas anstrengender gewesen sein :D .)
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08-05_Gauloise 4.jpg
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Es ist zugegebenermaßen etwas schwer, sich im Gewirr der im Gelände verteilten Reste ein Bild zu machen. Insgesamt hat man 17 solcher Brennöfen gefunden, die aber nie gleichzeitig in Betrieb waren (meist waren es drei bis sechs).
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08-06_Brennofen 3.jpg
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Hier (und in vielen inzwischen entdeckten ähnlichen Töpfereien) wurde also über Jahrhunderte hinweg in harter Kärrnerarbeit dazu beigetragen, eine der Grundlagen für den florierenden Weinbau und -handel in der Gallia Narbonensis zu schaffen.

In der Zeit des Bestehens dieser Anlage hat Rom über 50 Kaiser kommen und gehen sehen (je nachdem wie man zählt, kommt man auch auf mehr), während die Menschen in Sallèles-d’Aude in sturer Beharrlichkeit Gauloise 4 produziert haben, damit man im Reich auch überall vernünftigen Stoff in den Becher bekam. Irgendwie ist das beruhigend, dass ungeachtet von politischen Strömungen und Wirren gewisse Basisfunktionen im Leben einfach weiterlaufen :D .
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Re: antike Stätten

Beitrag von Altamura2 » Sa 08.11.25 09:51

Kleiner Bericht aus dem Languedoc - letzter Teil (8): Abschluss (einzige Folge)

Das war nun unsere Ausbeute an antiken Stätten aus den zwei Wochen im Languedoc. Ist vielleicht ein bisschen lang geworden 8) , es gab aber auch viel anzuschauen :D .

Wir haben jedoch nicht nur Antikes gesehen, auf das ich mich hier beschränkt habe, auch aus den Zeiten danach hat das Languedoc viel zu bieten, viel mehr, als wir zu Anfang dachten.
Ebenfalls überrascht waren wir darüber, dass wir uns die ganzen zwei Wochen fast nur in einem Umkreis von 35 Kilometern Luftlinie um unser Domizil bewegt haben und selbst dort nicht alles Sehenswerte besuchen konnten. Weiter entfernt liegende Ziele, die wir ursprünglich auf der Pfanne hatten (Carcassonne, Perpignan, Montpellier, usw.), sind jetzt erstmal verschoben, man braucht ja einen Grund, diese Gegend mal wieder zu bereisen :D .

Zwei "nichtantike" Programmpunkte, die uns besonders beindruckt und besonderen Spaß gemacht haben, will ich aber noch kurz anreißen. Wer mal in die Gegend kommt, sollte sich das in keinem Fall entgehen lassen.
  • In Agde steht am Ufer des Orb auf der anderen Seite der Stadt das Château Laurens:
    https://www.capdagde.com/otca-experienc ... s-in-agde/
    https://www.youtube.com/watch?v=RamX6Lnzyzg (auf YouTube findet man noch viel mehr darüber)
    Kurzfassung: Ein 24jähriger Medizinstudent erbt vom Erbonkel ein Riesenvermögen und baut sich um 1900 sein Traumhaus aus Jugendstil und Orientalismus, das er später aus Geldmangel verkaufen muss. Nach Jahren der Vernachlässigung wird es kurz vor dem endgültigen Verfall von der Stadt erworben, restauriert und 2023 als Museum eröffnet.
  • In der Markthalle in Narbonne kann man "Chez Bebelle" sehr gut und sehr interessant essen:
    https://www.chez-bebelle.fr/narbonne/
    https://www.youtube.com/watch?v=fZgIsikquXw (auch hier noch mehr auf YouTube)
    Kurzfassung: Ein ehemaliger Rugby-Profi eröffnet eine Art Restaurant für Fleischgerichte, in dem man neben den üblichen Steaks auch bei uns eher Selteneres wie Pferdesteak, gebratene Blutwurst und Innereienspieß bekommt. Durch eine gestraffte Speisekarte und ebensolche Organisation (die Zutaten werden dem Chef nach Anforderung per Megafon von umliegenden Marktständen zugeworfen 8O ) läuft da alles recht zügig und macht Spaß beim Zusehen (und schmecken tut's sowieso :D ).
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Kachelbild_final_klein.jpg
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Ihr merkt, uns hat es dort unten ausnahmslos gut gefallen, klar, dass wir da wieder mal hin wollen :D .

Gruß

Altamura
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