legionsantoninian des gallienus

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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beachcomber
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legionsantoninian des gallienus

Beitrag von beachcomber » Sa 13.01.07 19:54

hallo,
gestern kam mit der post dieser legionsantoninian des gallienus bei mir an, den ich bei einem allseitsbekannten, aufstrebenden v-coinshändler erstanden habe :wink:
da die reinigung mit säuren bei diesen silbersud-münzen ein gefährliches spielchen ist, habe ich mich diesmal zur mechanischen reinigung mit nadeln entschlossen, welche bei silbermünzen auch nicht wirklich einfach, aber zum glück ganz gut gelungen ist.
die münze wurde wie folgt beschrieben:

Gallienus Antoninianus, 261 AD, Mediolanum.
Obv: GALLIENVS AVG, radiate and cuirassed bust right.
Rev: LEG I MIN VI P VI F, Minerva standing left, holding Victory, spear and shield.
18-23 mm, 2.86 g
RIC V, Part 1, 322 (legionary series)

Very fine, some encrustations, strong strike for issue. Rare. The Legio I Minerva Pia Fidelis was mustered by Domitian in 82 AD and was stationed in Bona (modern day Bonn, Germany). Some of her units were probably deployed elsewhere when Postumus revolted in 260, explaining her appearance on Gallienus' sole reign coins.

wenn die münze wirklich 261 geprägt sein sollte, wäre es allerdings etwas erstaunlich, dass gallienus diejenigen teile seiner truppen hochleben lassen wollte, die gerade gegen ihn, unter postumus, revoltiert hatten.
der RIC gibt allerdings die jahre 257, 258, und 259 für die prägungen dieser legionsserie an, weil er meint, dass das V, VI und VII, welches in den legenden dieser münzen auftaucht, sich auf sein fünftes, sechstes und siebtes regierungsjahr bezöge, und vor allem die in den westlichen provinzen stationierten legionen beweihräuchert werden, was gallienus ja wohl kaum getan hätte, nachdem sie unter postumus von ihm abgefallen waren.
diese erklärung macht für mich absoluten sinn. allerdings weiss man ja das band V des RIC nicht gerade auf dem neuesten stand ist, und vielleicht hat jemand mittlerweise gute argumente für eine spätere prägung gefunden.
wer klärt mich auf?
grüsse
frank
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Pscipio
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Beitrag von Pscipio » So 14.01.07 13:10

Hallo beachcomber,

so viel ich weiss, sind auch von Carausius Legionärsmünzen bekannt, die Legionen nennen, deren Hauptstützpunkte überhaupt nicht in seinem Machtbereich lagen. Dies geht wohl darauf zurück, dass im turbulenten 3. Jahrhundert viele Legionen nicht mehr in geschlossenen Verbänden zum Einsatz kamen, sondern durch die ständigen Kriege und Bürgerkriege auseinandergerissen wurden. So hat Gallienus, als er 259 oder 260 n. Chr. Gallien verliess, einen bedeutenden Teil der dort stationierten Truppen mit sich genommen - darunter können sehr wohl auch Teile der Legio I Minerva Pia Fidelis gewesen sein.

Die Datierung hängt damit zusammen, dass die Münzstätte Mediolanum nach "neueren" Erkenntnissen erst nach Gallienus' Abzug aus Gallien entstand, also 259 oder 260 n. Chr. Somit kann die RIC-Datierung der Münzen schon mal nicht stimmen. Die Datierung auf 261 n. Chr. habe ich so von Coinarchives übernommen, sie wird wohl aus dem Göbl stammen, den ich leider nicht besitze. Jedenfalls werden die Legionärsantoniniane von der moderneren Forschung als frühe Prägungen der Alleinregierung des Gallienus angeschaut (meistens 260-262 n. Chr. datiert). Nach all den Katastrophen des Jahres 260 n. Chr. befürchtete der Kaiser wohl Unruhen unter seinen Soldaten und suchte sich ihrer Treue unter anderem durch die Ausgabe solcher Münzen zu versichern.

Den RIC V sollte man bezüglich Datierungen für Gallienus und seine Söhne eigentlich überhaupt nicht mehr konsultieren - aber ich hab eben den Göbl net.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

n.......s
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Beitrag von n.......s » Mi 17.01.07 14:16

@ Beachcomber :
...kannst Du dieses Verfahren mit den Nadeln bitte mal erläutern ?

Gruß
Torsten

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Re: legionsantoninian des gallienus

Beitrag von j-u.thormann » Do 18.01.07 23:04

Das V, VI und VII auf den Legionsprägungen bezieht sich nicht auf Regierungsjahre des Gallienus, sondern es sind Treuepreisungen der genannten Legionen. Das Problem mit Postumus, den ihn unterstützenden Legionen und dem Jahr 261 hat Andreas Alföldi auch gesehen und datiert die Stücke daher ins Jahr 260. Die sechste Treuepreisung (also die auf deinem Stück) bezieht sich laut Alföldi auf den Sieg über Ingenuus.

Laut Robert Göbl bezieht sich die sechste Treuepreisung auf die grosse Alemannenschlacht des Jahres 260 bei Mailand.
Die Datierung ins Jahr 261 ist für mich nicht ganz nachvollziehbar - der Antoninian stammt aus der zweiten Emission von Mediolanum und wäre nach Göbl 260/261 zu datieren, also nicht zwingend ins Jahr 261.

Gruss,

j-u.thormann

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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Do 18.01.07 23:31

hallo j-u thormann,
vielen dank für deine aufklärung!
wenn ich das richtig sehe, gibt es für die meisten legionen VI und VII.
soll das bedeuten, dass diese alle an den gleichen siegen teilhatten, und gibt es quellen in denen diese legionen erwähnt werden?
ich habe versucht im netz etwas über das eröffnungsjahr der mailänder münzstätte zu finden, leider jedoch ohne erfolg. der RIC geht ja wohl davon aus, dass diese münzstätte schon früher als 260 eröffnet wurde, aber offensichtlich ist diese meinung überholt.
womit begründet göbl die datierung der ersten emissionen auf 260? gibt es darüber quellen, oder kann er das anders schlüssig begründen?
wie du merkst habe ich den göbl nicht, (bin leider neulich bei ebay überboten worden) und hoffe meine fragen nerven nicht!
grüsse
frank

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Beitrag von j-u.thormann » Mo 22.01.07 23:27

beachcomber hat geschrieben: wenn ich das richtig sehe, gibt es für die meisten legionen VI und VII.
soll das bedeuten, dass diese alle an den gleichen siegen teilhatten, und gibt es quellen in denen diese legionen erwähnt werden?
Alle Legionen haben sicher nicht teilgenommen, zum Teil dürften auch nicht die ganzen Legionen, sondern nur abgeordnete Abteilungen beteiligt gewesen sein. Göbl äußert sich dazu leider nicht sehr klar. Laut Alföldi werden z. B. in die sechste Treuepreisung (Sieg über Ingenuus) sogar die aufständischen Legionen mit aufgenommen, weil man sie brauchte.
ich habe versucht im netz etwas über das eröffnungsjahr der mailänder münzstätte zu finden, leider jedoch ohne erfolg. der RIC geht ja wohl davon aus, dass diese münzstätte schon früher als 260 eröffnet wurde, aber offensichtlich ist diese meinung überholt.
Keineswegs!
womit begründet göbl die datierung der ersten emissionen auf 260? gibt es darüber quellen, oder kann er das anders schlüssig begründen?
Göbl datiert den Beginn der ersten Emission in die zweite Hälfte des Jahres 258, eine wirklich überzeugende Begründung für diese Datierung liefert er leider nicht. Er sagt, daß "die Emission noch vor 260 eingestellt wurde" (meint aber offenbar einen Zeitpunkt in 260), und, da sie "keineswegs in einen ganz kurzen Zeitraum gezwängt werden" kann, 258 begonnen haben muß.
Klar ist jedenfalls, daß die zweite Emission nach dem Bekanntwerden der Gefangennahme Valerians (260) beginnt, da für ihn nicht mehr geprägt wird. Die erste Emission, in der noch für Valerian geprägt wird, muß somit in die Zeit vor dem Bekanntwerden der Gefangennahme Valerians datiert werden, da in dieser Emission noch in seinem Namen geprägt wird.

wie du merkst habe ich den göbl nicht, (bin leider neulich bei ebay überboten worden) und hoffe meine fragen nerven nicht!
Nein, die Fragen nerven nicht. :) Ich würde dir empfehlen, anstelle des Göbl zunächst folgendes Buch zu beschaffen: Andreas Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus, Darmstadt 1967.
Göbl erklärt leider recht wenig, er stützt sich aber häufig auf Alföldi, der nicht nur sehr gut und klar argumentiert, sondern (im Gegensatz zu Göbl) auch hervorragend zu lesen ist.

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Beitrag von j-u.thormann » Mo 22.01.07 23:30

beachcomber hat geschrieben: wenn ich das richtig sehe, gibt es für die meisten legionen VI und VII.
soll das bedeuten, dass diese alle an den gleichen siegen teilhatten, und gibt es quellen in denen diese legionen erwähnt werden?
Alle Legionen haben sicher nicht teilgenommen, zum Teil dürften auch nicht die ganzen Legionen, sondern nur abgeordnete Abteilungen beteiligt gewesen sein. Göbl äußert sich dazu leider nicht sehr klar. Laut Alföldi werden z. B. in die sechste Treuepreisung (Sieg über Ingenuus) sogar die aufständischen Legionen mit aufgenommen, weil man sie brauchte.
ich habe versucht im netz etwas über das eröffnungsjahr der mailänder münzstätte zu finden, leider jedoch ohne erfolg. der RIC geht ja wohl davon aus, dass diese münzstätte schon früher als 260 eröffnet wurde, aber offensichtlich ist diese meinung überholt.
Keineswegs!
womit begründet göbl die datierung der ersten emissionen auf 260? gibt es darüber quellen, oder kann er das anders schlüssig begründen?
Göbl datiert den Beginn der ersten Emission in die zweite Hälfte des Jahres 258, eine wirklich überzeugende Begründung für diese Datierung liefert er leider nicht. Er sagt, daß "die Emission noch vor 260 eingestellt wurde" (meint aber offenbar einen Zeitpunkt in 260), und, da sie "keineswegs in einen ganz kurzen Zeitraum gezwängt werden" kann, 258 begonnen haben muß.
Klar ist jedenfalls, daß die zweite Emission nach dem Bekanntwerden der Gefangennahme Valerians (260) beginnt, da für ihn nicht mehr geprägt wird. Die erste Emission, in der noch für Valerian geprägt wird, muß somit in die Zeit vor dem Bekanntwerden der Gefangennahme Valerians datiert werden, da in dieser Emission noch in seinem Namen geprägt wird.

wie du merkst habe ich den göbl nicht, (bin leider neulich bei ebay überboten worden) und hoffe meine fragen nerven nicht!
Nein, die Fragen nerven nicht. :) Ich würde dir empfehlen, anstelle des Göbl zunächst folgendes Buch zu beschaffen: Andreas Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus, Darmstadt 1967.
Göbl erklärt leider recht wenig, er stützt sich aber häufig auf Alföldi, der nicht nur sehr gut und klar argumentiert, sondern (im Gegensatz zu Göbl) auch hervorragend zu lesen ist.

Gruss,

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Beitrag von beachcomber » Di 23.01.07 00:27

hallo j-u thormann,
danke für deine ausführungen!
heute kam mit der post andreas alföldi's "the victories of the emperor gallienus", ein reprint aus der 'numismatic chronicle' von 1977.
das heftchen werde ich mir jetzt mal zu gemüte führen, und vielleicht bin ich ja dann schlauer :)
grüsse
frank
p.s. ich hab's zweimal, ich muss mich wohl vertan haben, als ich es bei einem vcoins-händler bestellt habe, wenn es also sonst noch jemand haben möchte, schreibt mir 'ne pn!
p.p.s 62 seiten, 10 tafeln mit ca 150 abbildungen von münzen des gallienus

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Beitrag von curtislclay » Di 23.01.07 05:04

Datum des ursprünglichen Aufsatzes von Alföldi, Num. Chron. 1929, nicht 1977.

Eine DEUTSCHE ÜBERSETZUNG dieses Artikels findet man übrigens in dem oben von j-u.thormann empfohlenen Sammelwerk, Andreas Alföldi, Studien zur Geschichte der Weltkrise des 3. Jahrhunderts nach Christus, Darmstadt 1967.

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