Völlig ratlos!

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Völlig ratlos!

Beitrag von Peter43 » Mi 30.07.08 20:54

Hallo!

Als Mythologiefan muß ich mich heute an das Forum um Hilfe wenden. Es geht dabei um eine der merkwürdigsten Münzen, die ich kenne.

Thrakien, Philippopolis, Julia Domna, +217
AE 25, 6.67g
Av.: IOVLIA. - DOM CEBACT
Büste, drapiert, n.r., Haare hinten zu breitem, flachen Knoten
gebunden
Rev.: FILIPP - OPOLITWN
Artemis in kurzem Chiton, der die re Schulter freiläßt, und in
Stiefeln, n.r. stehend, stützt die r. Hand auf umgekehrten Speer
und hält im li Arm den kleinen Dionysos, der eine Hand nach ihr
ausstreckt; zu ihrer rechten Hirsch n.r. stehend.
Ref.: Varbanov (engl.) 1386 var. (hat angeblich IOVLIA DOMA CEB!);
ein anderes Ex. in Lanz 112, Lot 642 (stempelgleich, stark abgenützt)
Sehr selten, SS, dunkelgrüne Patina

Das Problem dieser Münze findet sich auf der Rs. Es handelt sich augenscheinlich um Artemis mit dem Hirsch. Aber ich kenne keine Mythe, in der Artemis mit dem kleinen Dionysos verknüpft ist.

Diese Art der Darstellung ist in der Antike bekannt. Es gibt sie von Herakles mit dem kleinen Telephos, Tyche mit dem kleinen Pluton oder Amaltheia mit dem kleinen Zeus. Von Dionysos gibt es die berühmte Statue, bei der er auf dem Arm des Hermes sitzt. Aber es gibt keine Artemis mit Dionysos! Vielleicht ist es ja auch nicht Dionysos, sondern ein anderes kleines Kind?

Jegliche Information ist heiß ersehnt!

Mit freundlichem Gruß
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philippopolis_domna_Varbanov1386var.jpg
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Beitrag von helcaraxe » Mi 30.07.08 21:18

Ich bin ja nun sicher nicht der große Mythologe, aber vielleicht ein Beispiel für die ja nicht seltene Idiosynkrasie auf römischen Provinzbronzen?
Viele Grüße
helcaraxe
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Beitrag von justus » Mi 30.07.08 21:34

Hallo Peter43,

ich weiß nicht, ob dir das weiter hilft?

Ovid erzählt von einer griechischen Sage, nach der Artemis Wasser über diejenigen gießt, deren Gestalt sie ändern möchte (Ovid., metam. V 543; III 189).

Diese Sage steht im Zusammenhang mit dem Thema vom Knaben oder Mädchen, welche von Artemis die Kunst erlernen, sich zu verwandeln und sich dann, in Gestalt von Tieren (Hirschkuh, Pferd etc.) verkaufen, später aber wieder in Menschen zurückverwandeln und entweichen.

mfg

Jürgen
mit freundlichem Gruß

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Beitrag von Peter43 » Mi 30.07.08 21:36

Hallo Helcaraxe!

Gut möglich, daß du recht hast. Wahrscheinlich ist es so. Aber diese Erklärung wollte ich mir aufheben für den Fall, daß es tatsächlich keine andere Möglichkeit gibt. :(

Hallo Jürgen!

Danke für den Hinweis. Die Metamorphosen habe ich, ehrlich gesagt, noch nie ganz von vorne nach hinten durchgelesen. Ich werde mich mal in diese Geschichte vertiefen.

Mit freundlichem Gruß
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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Mi 30.07.08 23:20

Grübel, grübel und studier...

Bist Du sicher, daß das Artemis ist? Zu der würden doch eher Pfeil und Bogen passen als ein Speer - und ein Knäblein auf dem Arm der jungfräulichen Göttin wäre auch ein seltener Schnappschuß. Könnte es sich evtl. bei dem Kind um Zeus handeln, mit der Ziege Amalthea und einer der Nymphen, die ihn aufzogen? Nur so 'ne Idee (ich weiß, 'ne Nymphe mit Chiton und Speer ist auch seltsam...).

Homer
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Beitrag von Oktavenspringer » Do 31.07.08 08:57

Lanz beschreibt ein solches Stück, welches er im November 2002 bei einer Auktion verkauft hat, ebenfalls mit Artemis und Dionysosknabe, was aber nichts heißen will. Aber woher hat Lanz die Information, dass es sich um Artemis/Dionysos handeln soll? Eine Referenz ist bei ihm nicht mit angegeben.

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 43&Lot=642

Dein Stück ist aber wesentlich besser erhalten!

Freundlichst
OS :wink:

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Beitrag von Peter43 » Do 31.07.08 09:33

Hallo OS!

Ja, das Stück von Lanz kenne ich und habe es auch in meiner Referenz angegeben. Die Frage ist nürlich, wie Lanz (aber auch Varbanov!) auf Dionysos kommen.

Hallo Rupert!

Ja, die Kleidung ist das Problem. Es ist ganz offensichtlich eine typische Jagdkleidung und da kommt fast ausschließlich Artemis in Frage. Amaltheia hat immer ein langes Gewand, ebenso die Nymphen. Mit freier Schulter wären noch die Amazonen möglich. Aber das waren ja Kriegerinnen mit einem typischen Schild.

Falls es nicht Dionysos sein sollte, wer käme dann noch in Frage als Kleinkind? Zeus natürlich, Eros (sollte aber wohl Fügel haben), der junge Apollo (wurde von seiner erstgeborenen Schwester Artemis entbunden(!), aber das war wohl nie ein Motiv der darstellenden Kunst), Herakles, dessen Sohn Telephos, Pluton (Tyche Euposia, aber auch Eirene), wer noch?

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Gofono3 » Do 31.07.08 15:32

Also, die Zusammenstellung ist in der Tat extrem ungewöhnlich der LIMC führt nicht eine Darstellung auf in der Artemis gemeinsam mit einem Kind wiedergegeben wird.

Ich würde daher denken, was auch zu Thrakien besser passt, dass es sich um Bendis (die ja bildlich mit Artemis gleichgesetzt wurde) und ihren Sohn Orpheus handelt. Beide stammen aus Thrakien und zumindest Orpheus erscheint auch auf Prägungen aus Philippopolis.

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 22&Lot=790

Eine "Mutter-Sohn" Darstellung macht sich auch irgendwie besser auf der Rückseite einer Kaiserin wie Julia Domna.

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Beitrag von Peter43 » Do 31.07.08 23:26

Das ist ja interessant! Vielen Dank. Dem werde ich mal nachgehen.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Peter43 » Sa 02.08.08 13:23

Hallo Gofono!

Ich habe die Ergebnsse meiner Recherchen jetzt im Mythologiethread eingestellt unter 'Artemis mit Kind'.

Vielen Dank noch einmal für den Hinweis!
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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Do 07.08.08 18:46

Hochinteressant und sehr plausibel!

Und dann soll noch mal einer sagen, daß Numismatik in Amateurhänden nichts zu suchen hat!

Homer
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Beitrag von Peter43 » Do 07.08.08 20:51

Danke Rupert!

Und hier ist eine E-Mail von Pat Lawence:
Congratulations on your research and/or that of your friends.
Considering what else may be found on Philippopolis coins and the
importance of the city, I find this conclusion extremely attractive.
And your coin, of course, is one of the most enchanting Philippopolis
ones. Pat L.


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