Abundantia mit Haken

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Abundantia mit Haken

Beitrag von Peter43 » Do 12.03.09 13:12

Hallo!

Dieses Thema wurde kürzlich im amerikanischen Forum diskutiert, aber ohne zu einem völlig überzeugenden Ergebnis zu gelangen. Deshalb möchte ich es auch hier vorstellen.

Es gibt eine Reihe von Denaren des Hadrian, auf der Abundantia/Annona dargestellt wird mit einem eigenartigen Objekt in der re Hand. Wenn man sich mal die Mühe macht, diese Münzen in verschiedenen Quellen nachzuschlagen, auch bei CoinArchives u.a., dann erfährt man, daß dieses Objekt verschieden bezeichnet wird. Gefunden habe ich u.a.
- Haken (am häufigsten)
- Acrostolium
- Patera (wohl bei undeutlicher Darstellung)
- Mohn(!)
Der Grund für diese verschiedenen Interpretationen kann sein, daß die Darstellung sehr uneinheitlich ist. Es kann aber auch sein, daß tatsächlich verschiedene Objekte gezeigt werden.

Zur Interpretation muß man natürlich die dargestellte Figur heranziehen. Abundantia/Annona hat Beziehungen zu Schiffen, die z.B. die Getreideversorgung aus Ägypten sicherten (deshalb ihr Fuß auf einem Schiffsvorderteil), und dann natürlich zum Getreide selbst, was durch den Modius mit Getreideähren ausgedrückt ist. So scheint es vernünftig, die Bedeutung dieses Hakens in Zusammenhang mit Getreide und Schiffen zu suchen. Die Interpretation als Lituus ist wohl eher abwegig.

Deshalb konzentrierten sich die Erklärungsversuche auf einen (a) Bootshaken, auf einen (b) Haken, zum Zusammenfassen von Getreidehalmen, um sie so besser mit einer Sichel schneiden zu können, oder eben auf (c) eine Art von Sichel direkt.

Ich habe 3 verschiedene Münzen abgebildet, die die Vielzahl der Darstellungen zeigen soillen und hoffe auf weitere Erklärungsversuche.

Mit freundlichem Gruß
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Do 12.03.09 21:32

Heute abend hat sich Curtis im amerikanischen Forum mit einem abschließenden Beitrag gemeldet:

As far as I can see, no solid evidence exists for the identification of this "hook", so the best conclusion would have to be that we don't know what it represents.

Strack, Hadrian (1933), does not discuss the hook held by Hadrian's standing or seated Annona, and admits his ignorance by calling it "?" in his descriptions of the types, nos. 165-6. Asia's attribute he calls an acrostolium, no. 299, following Cohen, but without any discussion in his text.

Mattingly, BMC III (1936): Annona holds a pruning-hook, the sign "of culture of plants and perhaps particularly of the vine" (p. cxxxv). Asia holds "acrostolium (or hook)", without further discussion (p. cxliii).

Toynbee, Hadrianic School (1934), p. 50: Asia holds a pruning hook, which refers to viniculture in Asia, the same attribute that Annona holds in the two earlier types of Hadrian.

J.C. Balty, Asia II, Lex. Iconogr. Myth. Class. II.1 (1984), p. 859: despite Toynbee's argument, the identification of Asia's attribute as a pruning hook with reference to the province's wine production is uncertain.

H. Pavis d'Escurac, Annona, LIMC I.1 (1981): no mention of Hadrian's two types with the uncertain attribute!

Mit freundlichem Gruß
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Re: Abundantia mit Haken

Beitrag von drakenumi1 » Do 12.03.09 23:08

Peter43 hat geschrieben: Der Grund für diese verschiedenen Interpretationen kann sein, daß die Darstellung sehr uneinheitlich ist. Es kann aber auch sein, daß tatsächlich verschiedene Objekte gezeigt werden.

An die Möglichkeit verschiedener Objekte würde ich erst zuallerletzt denken. Schließlich sind wohl stets schlanke und unterschiedlich gewundene Objekte dargestellt, und wenn, was sehr gut möglich, bei den Graveuren das wahre Aussehen davon unbekannt war, führte die doch befohlene Abbildung eben zu recht unterschiedlichen Lösungen. Was blieb auch anderes übrig?
Interessant finde ich auch die unterschiedliche Funktion bzw. Darstellung des modius. Einerseits gefüllt mit Getreide, neben dem Fuß positioniert, andererseits wohl umgedreht, als Stütze für den Fuß. An eine prora möchte ich hier nicht glauben.

Interessant übrigens auch eine Einschätzung von Seaby zum "Haken":
".... RIC 146 note a variety with corn-ears instead of hook, but this is possibly a misdescription of the same coin. The goddes is describet as Ceres. ...."

Anschließend nichts Neues, aber meins :wink: :

Grüße von

drakenumi1
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Denar Hadrianus C. 379a Rv. COS III. Abundantia l. sitzd. vor modius..jpg
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Beitrag von chinamul » Fr 13.03.09 10:29

Dieses Problem erinnert mich stark an unsere Diskussionen über die Keule bzw. den Köcher, den Hercules auf einigen Stücken über dem Kopf schwingt, an das Parazonium (oder was es sonst sein könnte) auf anderen Münzen und schließlich an das Gebilde, das die Nemesis auf den Münzen des Balkanraumes bisweilen in der Linken hält, ebenso wie die "Zimtstangen" in der Hand der Arabia. Auch der "Abacus", bisweilen auch als Tessera bezeichnet, in der Hand der Liberalitas wurde ja erst nach langem Hin und Her einigermaßen überzeugend als "Geldzumessungsautomat" identifiziert.
Wirklich schlüssige Antworten auf alle diese Fragen sind aber wohl am ehesten von größeren und damit deutlicheren Reliefs und möglicherweise, wenn auch wenig wahrscheinlich, von schriftlichen Zeugnissen zu erwarten, nicht aber von den Münzen selbst.

Gruß

chinamul
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Beitrag von drakenumi1 » Fr 13.03.09 12:47

Dieser Fragenkomplex beschäftigt mich nun schon ziemlich. Bei Deinen aufgelisteten Möglichkeiten fällt auf, daß "Haken" keine eigentliche Erklärung für den Verwendungszweck darstellt, sondern eher von seiner Form herrührt. Insofern bleibt doch als reale Möglichkeit nur das
acrostolium
übrig, eventuell noch ein animalisches Objekt (solche Variante las ich bei 2 versch. Autoren im net), und ich ergänze mal: Tintenfischarme, ohne eine Ahnung zu haben, welche Bedeutung, außer der Ernährung, diese evtl. darüber hinaus noch hatten.
"Acrostolium" gefällt mir deshalb so ausnehmend gut, weil es wohl eine Verzierung am Schiffsvorderteil war, und Verzierungen immer mit einer großen Vielfalt der Form einherkommen. Man denke vergleichsweise an die Vielfalt barocker bzw. Rokoko - Elemente.
Nimmt man zu Deinen 3 Beispielbildern noch die Form des acr. bei dem NEP RED - Denar des Vespasian hinzu (s. unten), in 3-geschwänzter Ausführung, also wieder völlig anders, als unter Hadrian, kommt man zwangsweise zu der Auffassung, es muß sich um ein Objekt mit sich vielfach ändernder Gestalt handeln. Und das erfüllen m.E. sehr gut das
acrostolium und z.B.
Tintenfischarme.
Bevor Euer nachsichtiges Geschmunzel über meine "Verirrungen" noch größer wird, mache ich hier erst mal Schluß und erwarte Eure Reaktionen.

Es grüßt Euch

drakenumi1
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img23657.jpg
img23656.jpg
Zuletzt geändert von drakenumi1 am Fr 13.03.09 14:53, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von emieg1 » Fr 13.03.09 13:48

Ich hatte mich bisher nicht getraut, die These des Schiffvorderteils aufzustellen, aber ich bin gestern abend über verschiedene Galeeren "gestolpert", die bugseits ein Gebilde darstellen, die einem Haken doch sehr ähnlich sehen.

Ob dieses Vorderteil nun eine Verzierung darstellt, oder/und vielleicht ein Schutz bzw. eine Ramm-Vorrichtung???

Jedenfalls würde diese These zu Abudantia auch ganz gut passen :)

Beispiele.. guckst du hier:

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 36&Lot=339

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 7&Lot=2768

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 50&Lot=283

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Beitrag von drakenumi1 » Fr 13.03.09 15:30

Von der Form her stellen diese in reality riesig großen Gebilde des Schiffskörpers oberhalb der Köpfe der Ruderer tatsächlich recht gut Haken dar. Dann müßten die Objekte, welche die Gottheiten in der Hand halten, Mini-Ausführungen sein, Nachbildungen. Aber die Formen auf den Münzen, auch auf früheren Prägungen sind so unterschiedlich, bis hin zu der 3-schwänzigen Type unter Vesp./Titus (s. Bild oben), daß ich mich nicht getrauen würde, sie alle unter diese eine Kategorie "bauliche Eigenart einer Galeere" einzuordnen.
Ich denke eher an eine viel kleinere Verzierung, evtl. geschnitzt/gebogen, mehrfach möglicherweise in Form eines Streifens am Schiffskörper, angeordnet, etwa wie der Teil eines Galions (Vorbau an ma.Schiffen), Vorläufer einer Galionsfigur, evtl. je nach Schiff unterschiedlich bzw. charakteristisch.... (Heute gibt man Schiffen einen Namen, aber wer konnte damals schon lesen?!).

Grüße von

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Beitrag von Peter43 » Fr 13.03.09 15:52

Acrostolium hat schon etwas für sich. Auch gerade weil es mit der Funktion der dargestellten Figur einen engen Zusammenhang gibt.

Und natürlich sollte es etwas sein, was der unbefangene Römer ohne lange zu überlegen erkennen und verstehen konnte.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von emieg1 » Fr 13.03.09 16:03

Acrostolium ist eine denkbare Möglichkeit, aber natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss.

Das Grössenverhältnis darf man wohl ohne weiteres ausser acht lassen. Ist es einer Gottheit möglich, ihren Fuß (mal eben) auf ein Schiffsvorderteil zu platzieren, wird es ihr wohl ebenfalls möglich sein, ein solches bzw. einen Teil dessen in ihre Hand zu nehmen, oder?! :wink:

In diesem Sinne wünsche ich einen guten Start ins Wochenende.

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Beitrag von drakenumi1 » Fr 13.03.09 18:49

Peter43 hat geschrieben:
Und natürlich sollte es etwas sein, was der unbefangene Römer ohne lange zu überlegen erkennen und verstehen konnte.
Und das sollte doch der Ausgangspunkt für alle Überlegungen sein. Aber bei der Vielzahl so unterschiedlicher Formen sind wohl alle unsere Überlegungen bisher in eine falsche Richtung gegangen (außer meiner flexiblenTintenfischarm-Theorie :lol: ).
Hier endet wohl gegenwärtig unser römisches Fischerlatein, denkt

bestens grüßend

drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Di 17.03.09 15:59

nummis durensis hat geschrieben:Acrostolium ist eine denkbare Möglichkeit, aber natürlich nicht der Weisheit letzter Schluss.


Acrostolium - das rätselhafte Gebilde ?

Eben, eine denkbare Möglichkeit für einen speziellen Verwendungszweck (als "Schiffszier"), ohne zu wissen, ob es überhaupt eine gewisse Grundform dieses Objektes gegeben hat, sondern es höchstens eine immer gleiche Stelle am Schiff für die Anbringung gab.
Ist man so mutig, und listet noch die vielerlei Formen von "Haken", also alles, was als Winkel mit weniger als 90 Grad daherkommt, oder nur oder zusätzlich noch spiralförmig oder in Wellenform, auf, sieht sich einem sehr umfangreichen Sortiment gegenüber, das mehr einem einzelnen oder Bündel von sich windenden Würmern oder Enden eines Geweihes gleicht (aber Neptun mit Geweih scheint wohl doch zu weit hergeholt :( ).
Dem in Sachen Neptuns Reich ungeübt gegenüberstehenden Durchschnittsrömer wird es wenig Aussage vermittelt haben, wenn er nicht in Küsten- oder Flussnähe zu Hause war.
Nur zur Ergänzung hier noch die "zweischwänzige" Ausführung in Neptuns Faust, im Kontrast zu Vespasians Neptun mit der "dreischwänzigen" (s. oben").
Ist schon alleine ganz interessant, mal einige verschiedene Formen hier vorgestellt zu sehen, meint

drakenumi1
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Hadr. Denar C 304; RIC 156; Neptun m. acrostolium.JPG
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