Prägeauflagen im Mittelalter

Alles was von Europäern so geprägt wurde
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nikodemus7777
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Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von nikodemus7777 » Mi 15.12.10 09:38

Hab mal noch ein paar weitere Fragen; hier kann man mir bestimmt weiterhelfen.

Tja, die Fragen sind mal wieder schwierig zu formulieren, hmmm... Nun denn:

1. Man hört neuzeitlich immer wieder "Also die Euromünze XXX is was ganz seltenes weil ja "nur" 250.000 Stück geprägt wurden."
Frage: Mit welchen Auflagen hat man es im deutschen Mittelalter zu tun? Hat irgendwer von Euch schon jemals von einem konkreten Fallbeispiel gehört?

2. Welcher Dimension wäre denn im Mittelalter (ungefähr) eine sehr große und und welcher eine sehr kleine Auflage, wo lagen die damals üblichen Grenzen, sowohl nach oben, wie auch nach unten?

3. Gibt es Schätzungen, wie groß der Bestand ALLER in Sammlungen (staatlich UND privat) liegenden dt. Mittelaltermünzen ist? Aus wievielen Exemplaren das gesamte (theoretisch) verfügbare Sammelgut also eigentlich besteht?
Gibt es Schätzungen, wieviel des ursprünglichen Materials heute noch existiert? War da mal irgendwas drüber zu vernehmen?
(ich weiß natürlich, dass das fast nicht zu beantworten ist; vielleicht ist aber der eine oder andere in seiner Sammlerkarriere doch mal über entsprechende Info´s gestolpert)

4. Ein "durchschnittlicher" Sammler von Mittelaltermünzen, wieviele Exemplare hat so jemand heute üblicherweise in seiner Sammlung liegen? (also nicht die Superreichen, die sich riesige Sammlungen anschaffen können, sondern der Normalo)


Ich weiß, das is mal wieder knifflig, aber ich bin schon auf die Antworten gespannt. Danke wieder im voraus!

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Marc
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Re: Prägeauflagen Im Mittelalter

Beitrag von Marc » Mi 15.12.10 12:35

Zu 1+2) Die sogenannten Leitwährungen, Groß- und Fernhandelsmünzen welche auch außerhalb des Emissionsgebietes als marktgängiges Geld angenommen wurden, sind wohl die Massenprägung des Mittelalters. Dazu gehören z. B. der Kölner Pfennig oder der Prager Groschen. Für einige Münzstätten insbesondere des Spätmittelalters gibt es auch noch die Abrechnungen.

Die Jahresproduktion schwankt aber sehr. Bei den Prager Groschen sind z. B. in der Münzstätte Kuttenberg geprägt worden :

1482 – 3.604.608 Stück
1483 – 2.413.320 Stück
1484 – 11.252.136 Stück
1486 – 11.861.696 Stück
1487 – 11.698.176 Stück
(Zahlen aus der Arbeit von J. Haskova)

Was immerhin heiß, rechnet man die vielen Feiertage im Mittelalter ein, das ein Münzer problemlos 2000 Groschen pro Arbeitstag prägen konnte.

Mann muss allerdings bedenken diese Münzen tragen keine Jahreszahlen, so dass nicht selten die Produktion mehrerer Jahre heute als ein Typ gezählt wird. Andererseits, selbst wenn von einem Typ mehrere hundert Millionen Stück geprägt wurden, fast alle sind später wieder eingeschmolzen worden.

Nach unten gibt es wie immer keine Beschränkung. So gibt es z. B. unrentable Nominale, bei welchen mehr Silber oder Arbeitszeit anfällt als bei anderen, von diesen werden manchmal nur wenige Belegstücke geprägt, den Rest des Silbers benutzt man für das rentablere Nominal.

Zu 3) Die Masse wurde eingeschmolzen und neu verprägt. Aber wie viel Stücke es gibt weis glaub ich niemand so genau.

Zu 4) Kommt immer auf das Sammelgebiet an, weniger auf den Geldbeutel. Der Geldbeutel bestimmt ob man sich die Raritäten dazu kaufen kann, aber das Geld welches damals tagtäglich umlief musste in ausreichender Menge produziert werden. Das heißt eine Sammlung in der das täglich umlaufende Geld eines Gebietes enthalten ist, kann sich ein jeder Arbeitnehmer im laufe der Jahre leisten. Teuer werden die seltenen Stücke, welche meist wenig Einfluss auf den Geldumlauf der damaligen Zeit hatten.

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Salier
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Re: Prägeauflagen Im Mittelalter

Beitrag von Salier » Mi 15.12.10 15:01

Hallo Nikodemus,

Marc hat schon einiges gesagt, hier noch ein paar kleine Anmerkungen.
Wie Marc schon erwähnte gibt es über die tatsächlichen Prägezahlen bzw. den Münzausstoß im Mittelalter nur sehr wenige Aufzeichnungen, die hauptsächlich aus der Zeit des Spätmittelalters belegt sind.
Für die Zeit davor, vorallem für die Zeit des Fernhandels, wird Anhand der stempelvergleichenden Methode versucht etwas über die Höhe des Prägeausstoßes und des Exports zu erfahren. Das heißt man nimmt einen Münztyp und ermittelt die vorhandenen Exemplare ( Diese Methode wird bei den großen Schatzfunden im Ostseeraum eingesetzt). Nun ermittelt man wieviel Vorderseitenstempel eingesetzt wurden ( jeder Stempel wies Unterschiede auf). Die Anzahl der ermittelten Münzen wird nun durch die Anzahl der Vorderseitenstempel dividiert. Daraus ergiebt sich ein Quotient ( sogenannter Ausfuhrquotient- AQ) der das Verhältniss zwischen der Menge der Prägung und der Menge des Ausfuhranteils ergiebt.
Das bedeutet:
viele Vorderseitenstempel bei vielen Münzen = geringer Ausfuhranteil
wenige Vorderseitenstempel bei vielen Münzen= hoher Ausfuhranteil
Die Prägetätigkeit war schon enorm, unterlag aber auch Schwankungen. Wir sprechen hier von einer Zeit die keineswegs friedlich war.

Wie Marc schon erwähnte ist der größte Teil an Münzen wieder eingeschmolzen worden. Das heißt aber auch das eine Münze die in großen Mengen geprägt worden ist heute nur in wenigen Exemplaren vorhanden sein kann, was sich durch neue Funde auch wieder ändern kann. Das kann man besonders bei der Brakteatenprägung sehen. Durch die vielen Verrufungen im Jahr gibt es Emissionen die nur in wenigen Exemplaren erhalten geblieben sind und das auch nur weil ihr ehemaliger Besitzer aus irgendwelchen Gründen auch immer sie versteckt oder vergraben hat. Wie gesagt, es waren unruhige Zeiten.
Übriegens Marc, alle Stücke ,auch die heute sehr teuren, sind für den normalen Geldumlauf geprägt worden, außer es handelt sich um sogenannte Geschenkprägungen.

schöne Grüße
Salier
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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Marc » Mi 15.12.10 19:38

Salier hat geschrieben: Übriegens Marc, alle Stücke ,auch die heute sehr teuren, sind für den normalen Geldumlauf geprägt worden, außer es handelt sich um sogenannte Geschenkprägungen.
Das sehe ich anders. Es gibt einige Stücke, welche nur vom Münzmeister/Pächter geprägt wurden um Belegstücke für die Probation zu haben. Meist gibt es zu diesen Stücken dann Schreiben an Stadt bzw. Herrscher wo sich der Münzmeister/Pächter darüber beschwert das dieses Nominal sich nicht lohnen würde. Aber das sind Spezialfälle.

Eigentlich meinte ich mit 'täglich umlaufenden Geld' nicht das Raritäten nicht für den Umlauf geprägt wurden, sondern das sie sich nicht im täglichen Umlauf durchsetzten und deshalb keine Bedeutung für das tägliche Geschäft hatten. Sei es weil sie untergewichtig waren oder weil die Markteilender sie aus anderem Grund mieden. Hatte ein neuer Münztyp kein Erfolg auf dem Markt, wurde er meist schnell eingestellt, somit wenig Exemplare geprägt und somit heute meist selten und teuer. Wir müssen uns immer vor Augen halten, dass bei allem Sammlerstolz auf seltene Stücke, diese meist Erfolglos und wenig als Geld genutzt waren. Und grade die preisgünstigen Münzen deshalb so günstig sind, weil sie viel als Geld umliefen, somit viele auf uns gekommen sind. Die preisgünstigen Münzen sind deshalb häufig/meist die bedeutenden Münzen.
Genauso wie heute der Euro des Vatikans zwar teuerer ist, aber wenn man fragt welche Münze ein normaler Mensch 2010 in seinem Geldbeutel hatte und benutzte dann sind es doch eher deutsche, französische oder italienische Euros und nicht die von San Marino, Monaco oder Vatikan (auch wenn dies Umlauffähig wären). Das ist eigentlich schön, denn es bedeutet mit überschaubaren Geldaufwand kann man eine numismatisch interessante Sammlung zusammenstellen.

Aber in einem stimme ich voll mit dir überein, nur weil eine Münze heute selten ist muss sie nicht damals selten gewesen sein. Lange Umlaufzeiten und großes Umlaufgebiet erhöhen die Wahrscheinlichkeiten in einen Hort zu kommen. Extrembeispiel sind da die Halbjährlichen verrufungen bei Brakteaten welche meist nur in der ausgebenden Herrschaft galten, dort aber das Hauptzahlungsmittel waren. Der Münztyp ist schon angelegt zum überprägen, normale Pfennige mussten eingeschmolzen werden, Brakteaten konnten einfach geplättet und überprägt werden. Sie liefen nur 6 Monate in meist kleinen Gebieten um, und wir finden heute ja nur Schätze welche die Besitzer nicht mehr bergen konnten (unerwarteter Tod ohne vorher den Erben bescheid sagen zu können etc.). Ewige Pfennige liefen Jahrzehnte in meist viel größeren Gebieten um, in denen sie in den Boden wandern konnten. In der Zeit des lokalen Pfennigs gab es Brakteaten welche 6 Monate fast den gesamten Markt eines kleinen Marktfleckens beherrschten, heute aber sehr selten sind. Denn kleines Umlaufgebiet bei kurzer Umlaufzeit sorgten dafür, dass fast alle Exemplare eingesammelt und umgeprägt wurden. Eine Sammlung von lokalen Pfennigen einer kleiner Herrschaft wird somit fast immer Kapitalaufwendiger sein, als die Leitwährungen zu sammeln. Leitwährungen waren dafür bedeutsamer.

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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Salier » Mi 15.12.10 21:55

Hallo Marc,

ein bisschen Differenzierter sollte man die Sache schon betrachten. Wenn man die Ende des 13. Jahrhunderts nur für den Großhandel aufkommende Goldprägung ausser acht lässt, haben wir nur zwei Leitwährungen in Europa. Vom 8. bis Anfang des 13. Jahrhunderts den Pfennig, (Denar ist das selbe und Brakteat beschreibt eigentlich nur den Zustand des Materials = dünnes Silberblech) und vom 13. bis zum Ende des Mittelalters um 1500, den Groschen. Wenn man von monetären wirtschaftlichen Geldumlauf ausgeht bleibt Pfennig Pfennig egal ob nun zwei- oder einseitig Geprägt, regional oder überregional umherlaufend. Genauso beim Groschen. Dies ist von Interesse wenn man die wirtschaftlichen Verhältnisse und weitreichenden Handelsbeziehungen im Mittelalter darstellen möchte. Im Gegensatz dazu steht der historische und kulturhistorische monetäre Gesichtspunkt. Auf der einen Seite der Sammler der sich für eine bestimmte Dynastie oder Herrscher interessiert um den historischen Kontext besser zu vertsehen und auf der anderen Seite die Sammler die ihre Münzen vorallem als Kunstwerk einer Epoche betrachten. Dies trifft vorallem auf die Sammler von Brakteaten zu die ihre Münzen als romanische Kleinkunstwerke und damit im Spiegel der Ästhetik betrachten oder vom Stil der hochromanischen Baukunst faszeniert sind. Egal von welchen Standpunkt man seine Sammlung auch aufbaut, Bedeutend sind sie beide. Der monetäre wirtschaftliche Gesichtspunkt ist eventuell kostengünstiger, da die Erhaltung eher eine untergeordnete Rolle spielt und die Sammlung im gesamthistorischen Kontext gesehen wird. Aber diese Entscheidung sollte nicht vom Geldbeutel sondern eher vom historischen Interesse gefällt werden. Wenn man Mittelaltermünzen sammelt, sollte man sich bewusst sein das man seine Sammlung nie vollständig haben wird, denn seitdem Mittelaltermünzen gesammelt werden, und das immerhin schon seit dem 16. Jahrhundert, hat es noch keine vollständige Sammlung gegeben, egal von welchem Gebiet.

schöne Grüße
Salier
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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Marc » Do 16.12.10 16:07

Was du beschreibst sind Nominale, wobei Groschen im eigentlichen Sinn kein Nominal sondern ein Pfennigvielfaches aus Silber ist (seit dem 16. Jahrhundert wird der Taler nicht mehr als Groschen angesehen, und der Begriff verengt sich auf Kleingeld).

Mit Leitwährung bezeichnet man üblicherweise eine Währung an der sich die umliegenden Münzherren orientieren und die auf fremden Märkten gern als Zahlungsmittel genommen wurden. Z. B. der Kölner Pfennig wurde Vorbild vieler Fernhandelsmünzen in Gebieten wo gar nicht mehr nach Kölner Pergament gerechnet wurde. So hat der englische Sterling oder der Witten nicht durch Zufall den Feingehalt der Kölner Pfennige von vor der Schlacht von Worringen.
Leitwährungen innerhalb des Reiches konnten somit erst in der Zeit des Regionalen Pfennigs entstehen, davor war jeder Pfennig im ganzen Reich gültig und hatte den selben Feingehalt. Als sich dann aber Hunderte Pfennigssorten ausbildeten (nach Kölner Mark, Aachener Mark, Dortmunder Mark ...) und jede ein anderen Silbergehalt hatte, bildeten sich wenige Leitwährungen, welche Händler im ganzen Reich annahmen, der Rest wurde nur in der Region als Geld genommen, außerhalb war es nur noch ein Silberbarren. Das führte dazu das die Leitwährungen meist in viel größerer Stückzahl geprägt wurden. Welche Währung Leitwährung war bestimmte kein Gesetzt sondern der Markt (die Händler) indem sie das Geld auch außerhalb der Region annahmen in der es geprägt wurde. Diese wählten bewusst Währungen welche selten oder nie verrufen wurden, was anderes machte beim mittelalterlichen Fernhandel auch wenig Sinn.

Über den kunsthistorischen Wert der Stücke kann ich wenig beitragen, ich komme von der Wirtschaftsgeschichte ;) Und da sind sehr interessante Währungen heute häufig unter den günstigsten Stücken zu finden, was für Anfänger sehr schon ist.

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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Salier » Do 16.12.10 17:48

Lieber Marc,

ich verstehe schon was Du meinst, Du hättest dich nur anders ausdrücken müssen. Das was Du eigentlich meinst ist der sogenannte Münzfuß nach dem geprägt wurde. Mark und Pfund waren ja nur Rechnungs - und Gewichtseinheiten. Du sprichtst vom Kölner Pfennig weil er über einen langen Zeitraum im gleichen Feingehalt geschlagen worden ist und meinst mit der Leitwährung auch die Münzen die in anderen Regionen auf Kölner Schlag geprägt wurden. Von diesem Standpunkt aus gesehen hast Du recht. Du darfst dabei aber nicht vergessen das auf den Märkten auch fast immer nach Gewicht bezahlt werden konnte und die Geldwaage zum Inventar eines jeden Händlers gehörte. Aber egal, wie weit wir dieses Thema auch immer vertiefen, im Endeffekt muss jeder seine Entscheidung alleine treffen wie und welche Münzen er sammeln möchte.

schöne Grüße
Salier
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Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Marc » Fr 17.12.10 06:58

Nein das meinte ich nicht. Ich meinte eine Leitwährung. Das ist ein fester Terminus Technikus und meint eine Münzsorte, nicht alle Münzsorten die nach deren Pergament geprägt sind. Der Kölner Pfennig war die Leitwährung nicht alle Pfennige die nach Kölner Fuß geprägt wurden. Ich brachte das Beispiel nur um das Umlaufgebiet von Leitwährungen wie dem Kölner Pfennig oder dem Prager Groschen zu zeigen. Bein Kölner Pfennig ist nur die Besonderheit, dass nach seinem Niedergang Münzsorten seine Stellung übernahmen ( siehe Sterling ) welche zuvor sich an ihm orientiert hatten, das ist ein Sonderfall das eine andere Währung mit gleichem Fuß die alte Leitwährung ablöst.

Der Kölner Pfennig wurde in Massen für den Fernhandel gebrauch und geprägt und selten verrufen, so das er viel in Horte wandern konnte, nicht seine Beischläge. Deshalb ist die Leitwährung heute meist günstiger zu erwerben als ihre lokalen Beischläge.

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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Salier » Fr 17.12.10 16:39

Marc, eigentlich wollte ich dieses Thema nicht weiter vertiefen, weil es für einen Anfänger oder Laien wie Nikodemus nur schwer verständlich ist. Aber deiner Definition von einer Leitwährung kann ich so nicht folgen. Der Begriff Leitwährung bezieht sich im eigentlichen Sinne auf eine für den Großhandel bedeutende Währung eines Staates wie heute z.b. Dollar, Pfund oder Euro. Für die Zeit des Mittelalters wäre das der Pfennig oder der Groschen, man spricht ja auch von der Pfennig- und Groschenzeit. Wobei der Begriff Groschen vom italienischen Grosso Denari und vom französischen Gros Tournois ( Grossos Denarius Turnosus = dicker Pfennig von Tours) stammt und nur ein vielfaches eines Pfennigs bezeichnet. Die eigentliche Leitwährung des Mittelalters ist das Silber, egal ob nun als Münze oder Hacksilber. Das eine Münzstätte mehr Münzen prägte als andere hat eher was mit der wirtschaftlich geographischen Lage zu tun und steht im engen Zusammenhang mit dem historischen Kontext. Zur Zeit der Karolinger lagen die meisten großen Münzstätten links des Rheins ( das heutige Frankreich und die Beneluxstaaten) sowie in Italien. Im Gegensatz dazu gab es nur ein paar Münzstätten rechts des Rheins. Mit dem Aufkommen der sächsischen Dynastie und der Eingliederung Lothringens ins Reich blieb diese Verteilung auch erstmal bestehen änderte sich aber später. Es war wirtschaftlicher und rentabler bestehende Münzstätten und ihr Know-how zu nutzen als neue Münzstätten einzurichten. In der Zeit des Fernhandels wo riesige Mengen an Silber gebraucht wurden änderte sich das. Es mussten neue Münzstätten her um den riesigen Bedarf zu decken. Die häufigsten Münzen dieser Zeit in den Funden sind die Otto-Adelheit-Pfennige, die metallurgischen Untersuchungen zu Folge aus dem Silber des Rammelsberges stammen. Gefolgt von Köln, Mainz, Worms, Goslar u.s.w. Demnach währen die Otto-Adelheit-Pfennige, deiner Definition zufolge, die Leitwährung dieser Zeit, und später die Prager Groschen aus der Münzstätte Kuttenberg. Numismatisch gesehen ist das aber wohl sehr umstritten. Ich würde diesen Geprägen eher eine Vorbildfuktion zuweisen. Das einzige was man sagen kann ist das einzelne Münzstätten wirtschaftlich an Bedeutung gewinnen und andere an Bedeutung verlieren ( z.b. verliert der Kölner Pfennig am Ende des Zwölften und im Laufe des dreizehnten Jahrhunderts immer mehr an Bedeutung für den überregionalen Handel). Ich stimme Dir aber zu das einzelnen Münzstätten und ihrer Gepräge eine besondere Rolle im wirtschaftlichen Leben und der regionalen Entwicklung im Mittelalter zukommt. Nur sollte man in diesem Sinne nicht unbedingt von Leitwährung sprechen.

schöne Grüße
Salier
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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von nikodemus7777 » Sa 18.12.10 06:51

Salier hat geschrieben:eigentlich wollte ich dieses Thema nicht weiter vertiefen, weil es für einen Anfänger oder Laien wie Nikodemus nur schwer verständlich ist...
Lieber Salier,
da mach Dir mal um mich keine Sorgen; das Laben hat mich hart und zäh gemacht 8O , mich verwirrt (fast!) nichts mehr :lol:

Also vertieft das mal ruhig...


LG

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Re:Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Salier » Sa 18.12.10 14:22

Hallo Nikodemus,

das ist ja erfreulich. Da sich dieses Thema aber in eine andere Richtung bewegt und nichts mehr mit deiner ursprünglichen Anfrage über Literatur und gute Websites zu tun hat, habe ich den Thread geteilt und unter einem neuen Titel wieder eingestellt.

schöne Grüße
Salier
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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Lilienpfennigfuchser » Sa 18.12.10 19:59

Hallo nicodemus!

Die MA-Numismatik lässt sich, m. E. schwerer als alle anderen Münzsammelgebiete, nicht in Schubladen verpacken — so einen großen Schrank gibt es nicht.

Salier und Marc haben Dir auf Deine 4 Fragen bereits geantwortet. Diese Beiträge waren für mich sehr interessant.

Aber nun noch mein Senf zu Deinen Fragen:
Zu 1.: Prägezahlen sind mir erst ab der 2. Hälfte des 15. Jhd. bekannt. Auch wenn sie bekannt wären, würde das recht wenig über die Seltenheit aussagen. Die Gründe wurden bereits genannt.
Zu 2.: Im süddeutschen Raum hatten bestimmt der Händleinheller und der Straßburger Pfennig eine große „Auflage“. Aber es wird niemand sagen können, wie viel geprägt wurden.
Zu 3.: Es gibt m. W. keine Schätzungen. Wer sollte die Zahlen auch erfasst haben? Es soll auch Museen geben, die nicht so genau wissen , was noch im Keller liegt.
Zu 4.: Der Durchschnittsammler bei MA-Münzen muss noch geboren werden. Es gibt „einfache“ Sammler mit Münzen in der Sammlung, die ein Sammler mit großem Geldbeutel nicht erwerben kann, weil sie nicht auf dem Markt sind. Entweder sind sie so selten, oder sie liegen – u. U. zu hunderten – in einem Museum (erneut vergraben?).
Mit Beispielen möchte ich noch mal auf Deine Fragen eingehen:
Die Bodenseebrakteaten sind ein ganz, ganz kleiner Teil der mittelalterlichen Münzen. Dr. Klein und Herr Ulmer haben versucht, wirklich alle Prägungen ( es werden so 300-400 sein, ich habe sie nicht gezählt) zu erfassen. Schon nach wenigen Jahren sind einige (Fund)Stücke hinzugekommen ---.
Ein bestimmter Bodenseebrakteat war bis in die 70 er Jahre sehr selten. Ein Fund enthielt dann mehrere hundert dieses Typs. Über „Auflagezahlen“ weiß man aber dadurch immer noch nichts.
Ein Stempel war in dieser Zeit, so nimmt man an, für ca. 2-10 000 Münzen gut. Ist nun in einem Fund z. B. eine Stempelvariante das erste bekannte Stück, so kann man mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit annehmen, dass weitere (2-10 000) Stücke geprägt wurden. Vielleicht sind diese eingeschmolzen oder liegen noch im Boden .
„Wir waren nicht dabei“, ein Ausspruch von Prof. Wielandt, ehem. Leiter des Münzkabinetts in Karlsruhe, ist immer noch aktuell.

Allen schöne Weihnachten und einen guten Rutsch ins Jahr 2011!

Lilienpfennigfuchser

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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von nikodemus7777 » So 19.12.10 00:34

@Lilienpfennigfuchser:

Danke für deine Ausführungen!

Wenn es nun mehrere Stempel (oder auch "viele") für einen Münztyp gab; wie groß sind dann die Unterschiede im Münzbild? Sind das nur Feinheiten, die allein der Fachmann erkennen und richtig beurteilen kann? Oder können die Abweichungen so stark sein, dass man auch irrtümlich meinen könnte, man habe es mit verschiedenen Münzen zu tun?

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Re: Prägeauflagen im Mittelalter

Beitrag von Numis-Student » So 19.12.10 01:49

Hallo,
es gab eigentlich von jedem Münztyp (abgesehen von Raritäten und Einzelstücken) mehrere bis viele Stempel. Stempel konnten entweder frei von Hand graviert werden oder mit Teilpunzen zusammen"gebastelt" werden.
Anhand der Stellung der Buchstaben oder der Bildteile untereinander sind verschiedene Stempel gut zu erkennen (man sollte allerdings schon genau hinsehen ;)).

Hier mal ein Beispiel, wenn auch kein mittelalterliches: http://coinproject.com/siteimages/70-00101q00.jpg und http://coinproject.com/siteimages/70-16214q00.jpg . Bei diesem Typ beschäftige ich mich gerade mit den Rückseitenstempeln... Gute Vergleichspunkte sind in diesem Fall die Stellung der Hand zur Legende (zeigt auf Q/zeigt zwischen E und Q) und die Stellung des Legendenbeginns zur Standlinie.

Ich hoffe, das Beispiel hilft trotzdem etwas.
Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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