Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

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tüffeltofta
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Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von tüffeltofta » Fr 19.04.13 13:58

Hallo liebe Münzfreunde, ein Freund arbeitet derzeit an einem historischen Roman um 1160 in der Region Goslar. Seine Frage an mich: Mit welchem Geld war ein Reisender Richtung Italien unterwegs?

Hat jemand eine Ahnung ob es dafür Erkenntnisse gibt. Die Brakteaten waren meines Wissens nur an den jeweiligen Märkten und nur regional für eine bestimmte Zeit gültig. Hatte so ein Reisender eventuell Barrensilber (Gußkönige) und tauschte den Metallwert in örtliche Münzen um. Hat er sich eventuell ewige Pfennige (Kölner Pfennige) versorgen müssen um überall bezahlen zu können. Ich würde mich über Eure Hilfe freuen.
tüffeltofta

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welfenprinz
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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von welfenprinz » Sa 20.04.13 09:58

Hallo,
der Geldbeutel eines Reisenden wird wohl aus einem Mischwerk aller vorhandenen Geldmitteln seiner Region bestanden haben .
Neben den Reichspfenningen den Denaren, wird er auch die Brakteaten seiner Region benutzt haben .
Die Brakteaten konnten überall, auch in kleinen Mengen, zu ihrem Silberwert eingetauscht werden .
Das Barrensilber wird aber wohl nur ein kleiner Teil seiner Börse gewesen sein, lohnt meist nur bei Großgeschäften .
Schmuck und Edelmetallwaren währen auch denkbar, als nützliche Tauschgeschäfte .

Gruss Klaus
Braunschweig-Lüneburg und Stadt Hannover Münzenfreund .
Sammler u. Numismatiker

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Andechser
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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Andechser » Sa 20.04.13 10:13

Ich kann mich welfenprinz nur anschließen. Die Reiserechnungen Wolfgers von Passau, den man natürlich nicht als normalen kleinen Reisenden bezeichnen kann, lässt sich nachweisen, dass die Pfennige und das Silber, dass man mitgeführt hat, vor Ort in der nötigen Menge in den gültigen Pfennigtyp getauscht wurden. Somit dürfte sich ein buntes Sammelsurium in der Reisekiste des Reisenden befunden haben.
Die Verwendung eines allgemein akzeptierten Pfennigs, kann man eigentlich ausschließen, da es einen solchen in der Zeit des regionalen Pfennigs nicht gab. Es gab nur größere und kleinere Umlaufgebiete.

Viele Grüße
Andechser

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platinrubel
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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von platinrubel » Sa 20.04.13 11:45

es kommt natürlich auch darauf an, was der reisegrund war.
ein pilger wird, wenn er eher ärmeren bevölkerungsschichten angehörte, kleine silberpfennige der verschiedensten prägeorte bei sich gehabt haben.
ebenfalls in betracht kämen noch schillinge bzw. groschen und kreuzer.
je vermögender, desto grösser wohl auch die nominale der mitgeführten barschaft - bis hin zu den ersten ausländischen goldmünzen.
besonders als händler. eine alternative zum vermeiden des gefährlichen transportes von grossen summen bargeld wird auch der wechsel gewesen sein.

tüffeltofta
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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von tüffeltofta » Sa 20.04.13 11:55

Vielen Dank! Eure Hinweiße helfen sehr. Oft ließt mann in historischen Romanen großen Mist der schlecht recherchiert wurde. Das möchte mein Freund auch bei so einem Detail möglichst vermeiden. Ich werde ihm raten mal bei den Reiserechnungen Wolfger von Passau reinzuschauen.

Danke!

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Andechser » Sa 20.04.13 11:57

Nein, Schillinge, Groschen und Kreuzer gab es um 1160 noch nicht. Die sind nämlich eine Entwicklung des Spätmittelalters die mit dem Beginn der Grossoprägung in Norditalien begann. Was in der Zeit des regionalen Pfennigs als Schilling oder lateinisch Solidus in den Urkunden und Notizen auftaucht, ist eine reine Recheneinheit um mittelgroße Zahlungen zu vereinfachen. Allerdings gab es je nach Region noch die Unterscheidung in den Kurzen und Langen Schilling, die unterschiedlich viele Pfennige umfassten. Fest war hingegen, dass das Pfund Pfennige 240 Stück umfasste.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von platinrubel » Sa 20.04.13 12:53

Andechser hat geschrieben:Nein, Schillinge, Groschen und Kreuzer gab es um 1160 noch nicht. Die sind nämlich eine Entwicklung des Spätmittelalters die mit dem Beginn der Grossoprägung in Norditalien begann. Was in der Zeit des regionalen Pfennigs als Schilling oder lateinisch Solidus in den Urkunden und Notizen auftaucht, ist eine reine Recheneinheit um mittelgroße Zahlungen zu vereinfachen. Allerdings gab es je nach Region noch die Unterscheidung in den Kurzen und Langen Schilling, die unterschiedlich viele Pfennige umfassten. Fest war hingegen, dass das Pfund Pfennige 240 Stück umfasste.
stimmt natürlich, ich war ein wenig weiter mit der zeit. ich war bei 1360 :oops:
also bleiben nur pfennige/denare und deren teilstücke. - und die wechsel natürlich.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Pflock » Sa 20.04.13 17:22

Hallo tüffeltofta,
einen kleinen Einblick könnte auch dieser Thread bieten: http://www.numismatikforum.de/viewtopic.php?f=7&t=46983
26 thüringer Brakteaten gefunden in Niederbayern. Sieht für mich so aus, wie das versteckte Barvermögen eines Reisenden.
Gruß Pflock

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Marc » Sa 20.04.13 21:18

Ein reisender wird sich mit den unter Fernkaufleuten üblichen Leitwährungen eingedeckt haben. Diese Leitwährungen waren damals was heute meist der Dollar ist, jeder Wechsler(Bank) kennt den Kurs der regionalen Währung zur Leitwährung, und häufig nehmen Fernhändler diese sogar in Zahlung. Das wäre für Goslar der Kölner Pfennig. Sein Einzugsgebiet als Leitwährung reichte von England über Skandinavien und dem Ostseegebiet über Sachen bis nach Böhmen, aber nicht weit in den Westen, im Süden etwas geschwächt durch den Heller). Dann währen auch noch königliche Gepräge interessant insbesondere der Aachner Pfennig, der (meist) wie der Heller nach dem leichten Füß ausgeprägt war, welcher in Süddeutschland geläufiger war (Aachener Pfennige waren auch sehr viele in der Kreuzzugskasse von Friedrich I.). Bis ca. 1300 währen auch gestempelte Silberbarren möglich. Aber südlich von Tirol wären beide Pfennigstypen nicht mehr geläufig, Italien hatte seine eigene Leitwährung.

Das ist so, wie wenn du ein Bündel Dollarscheine mitnimmst um eine Weltreise zu machen, vor Ort wechselst du es in lokale Währeng, kannst aber sicher sein 99% der Wechsler nehmen Dollar an. Kommst du mit einer regionalen Währung bekommst du meist schlechtere Umtauschraten.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Andechser » Sa 20.04.13 21:34

Marc, hat die Heller Prägung nicht erst deutlich später eingesetzt? Um 1160 herum stehen wir ja noch recht am Anfang des regionalen Pfennigs und haben doch neben den Pfennigen nur den Obol als Hälbling, oder liege ich da jetzt vollkommen daneben?

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Marc » Sa 20.04.13 22:17

Ich muss zugeben das 12. Jahrundert ist etwas früh für mich, ich kenne mich besser ab dem 13. aus. Habe schnell mal nachgeschaut ohne es richtig durchzulesen. Die königliche Münze Aachen (Aachner Pfennig) schwankt in der zweiten Hälfte des 12. Jahrunderts zwischen dem leichten und schweren Pfennig, mit deutlichen Schwerpunkt auf dem leichten Fuß. Zur königlichen Münze schwäbisch Hall (Heller) hab ich kaum Literatur, da der schwere Fuß mit dem Groschen (mein Sammelgebiert) sich fast überall durchsetzt und der Heller so zum Halbpfennig wird. Eh hat der Heller nie die Bedeutung des Kölner Pfennig erreicht, er wird später häufig einfach als halber Kölner Pfennig gerechnet (Ich glaube aber nicht schon so früh, da war der Häller-Fuß noch eigenständig). Heller gelangten zudem kaum bis nach Goslar, so das sich der reisende wenn er königliche Pfennige nach leichtem Fuß haben wollte wohl eher auf die zumindest in Westfalen im ausreichenen Maße umlaufenden Aachener zurückgegriffen hätte. Ausserdem weis ich das selbst in Tirol noch der kölner Fuß bekannt war, somit zumindest Geldwechsler bis Meran Kölner Pfennige annehmen sollten (und zwar als Geld nicht als Altsilber was einen schlechteren Kurs bedeuten würde).

Beim Roman sollte man nur beachten, wenn man die Benutzung von Geld beschreibt, das der schwere Fuß fast immer auf die Mark (=144 Pfennige) gerechnet wurden, die leichten fast immer aufs Pfund (=240 Pfennige) (Ausnahme England). Es ist also wichtig ob die lokale Währung des Gebietes in dem sich grad der Reisende befindet sich am schweren oder leichten Pfennig orientiert, oder ob er sich in einem Mischgebiet z. B. der Reichsstadt Aachen aufhällt die beide Rechnungen kennt.
Zuletzt geändert von Marc am Sa 20.04.13 22:31, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Andechser » Sa 20.04.13 22:30

Mark und Pfund als Zähleinheiten der Pfennige waren in der Zeit und auch in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts vom Münzfuß unabhängig. Für den Friesacher Pfennig habe ich Rechnungen nach Pfund (240 Pfennige) und Mark (160 Pfennige). Allerdings muss man in dieser Zeit klar zwischen dem Zählpfund bzw. der Zählmark und dem Gewichtspfund bzw. der Gewichtsmark trennen. Zählpfund und Gewichtspfund hatten in dieser Zeit außer dem Namen nichts gemein.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Marc » Sa 20.04.13 22:35

Also mein Dozent hat da was anderes behauptet (leichter Füß aufs Pfund schwerer auf die Mark). Ist zwar schon was her, aber der war bevor er Dozent wurde Archivar und hatte unzählige Dokumente deshalb bearbeitet. Ich kenn die Mischung nur aus den Grenzgebieten der beiden Währungsräume wie eben das erwähnte Aachen.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Andechser » Sa 20.04.13 22:38

Also ich hab für die Mitte des 13. Jahrhunderts Belege für Franken, Altbayern, Salzburg, Kärnten, Ungarn, Tirol, Burgund und Südtirol ausgewertet und in allen Gebieten herrschte die Rechnung nach dem Pfund vor und die Rechnung nach der Mark war die große Ausnahme.

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Re: Geld eines Reisenden um 1160 in der Reg. Goslar

Beitrag von Marc » Sa 20.04.13 22:45

Das ist interessant, ich habe die Aussage nie hinterfragt. Das werde ich mal für Mittel- und Westdeutschland verifizieren. Das wird aber etwas dauern, bin grad mit Böhmen im 14. Jahrhundert beschäftigt.

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