Wechselkurse, Silbergehalt und Wertverhältnisse

Deutsches Mittelalter
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Comthur
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Wechselkurse, Silbergehalt und Wertverhältnisse

Beitrag von Comthur » Mi 12.06.24 10:22

Salier hat geschrieben:
Di 11.06.24 20:43
Münzgrundgewicht war die Kölner Mark (Gewichtsmark) zu 233,856 g Silber
Haben wir hier nicht das im 19.Jh. festgelegte Münzgewicht der Kölner Mark ? ;-)

Die aufgefundenen kölner "Probedenare" bester Erhaltung aus dem 13.Jh. wiegen 1,46g.
Hävernick hielt "für das 13.Jh." einen Münzfuß von 160 Denaren auf die Mark für gesichert, urkundlich sind 144 belegt. Also 233,6 bis 210,24 g ... Ich tendiere ebenfalls für das niedrigere Gewicht.

Nehmen wir den o.g. Brakteaten mit einem Gewicht von 0,9g und der früheren Ausprägung von 240 Denaren auf die Mark ... kommt man auf 216g.
"Leicht" geschlagen um auch im Lande zu bleiben ... . Ich würde da weniger an Profit denken als an die Ausweitung der umlaufenden Münzen im eigenen Herrschaftsbereich. Ich nenne es genial. Die Culmer Handfeste aus dem Deutschordensgebiet (1230er Jahre) unterstreicht meine Ansicht durchaus durch eine entsprechende Einwechselung - alle 10 Jahre - eben nicht 1:1. Aber das würde jetzt hier zu weit führen.

1,46g x 240 = ups ! ;-)
Es gab allerlei leichtere regionale Münzfüße und ob tatsächlich überall der Kölner Denar die Grundlage war, da würde ich lieber auf dokumentarische Quellen bauen wollen, falls vorhanden.

Ende des 13.Jh. - ab etwa 1380 - wurden die Kölner Denare etwas leichter, weswegen ich für meine Berechnung im Durchschnitt 1,35g angenommen habe. So kam ich auf die im Verhältnis von 1 : 5 urkundlich belegten preussischen Denare a 0,27g (x5 = 1,35g Rauh). Urkundlich sind auch schwächere Kurse belegt (ich entdeckte auch Dokumente mit 1:6 - 1:7), was leider im Werk von Kluge (Numismatik des Mittelalters, S.102 Z.14) nicht ganz sauber recherchiert wurde.
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Salier
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Salier » Mi 12.06.24 11:28

Comthur hat geschrieben:
Mi 12.06.24 10:22
Salier hat geschrieben:
Di 11.06.24 20:43
Münzgrundgewicht war die Kölner Mark (Gewichtsmark) zu 233,856 g Silber
Haben wir hier nicht das im 19.Jh. festgelegte Münzgewicht der Kölner Mark ? ;-)

Die aufgefundenen kölner "Probedenare" bester Erhaltung aus dem 13.Jh. wiegen 1,46g.
Hävernick hielt "für das 13.Jh." einen Münzfuß von 160 Denaren auf die Mark für gesichert, urkundlich sind 144 belegt. Also 233,6 bis 210,24 g ... Ich tendiere ebenfalls für das niedrigere Gewicht.

Nehmen wir den o.g. Brakteaten mit einem Gewicht von 0,9g und der früheren Ausprägung von 240 Denaren auf die Mark ... kommt man auf 216g.
"Leicht" geschlagen um auch im Lande zu bleiben ... . Ich würde da weniger an Profit denken als an die Ausweitung der umlaufenden Münzen im eigenen Herrschaftsbereich. Ich nenne es genial.
1,46g x 240 = ups ! ;-)
Es gab allerlei leichtere regionale Münzfüße und ob tatsächlich überall der Kölner Denar die Grundlage war, da würde ich lieber auf dokumentarische Quellen bauen wollen, falls vorhanden.
Zitat aus Brakteaten der Stauferzeit

"Das ursprünglich gleiche Gewicht aller Pfennige
entwickelte sich seit dem 11. Jahrhundert unterschiedlich und lag in der
Stauferzeit für die einzelnen Pfennigsorten zwischen 1,46 g und 0,36 g.
Wichtigster und gleichzeitig schwerster Pfennig war der Kölner, der nicht
nur in gleichbleibender Qualität, sondern auch bis zu seinem Ende 1288 die
am meisten ausgeprägte und damit für Deutschland bedeutendste Pfennig-
sorte war. Die Mehrzahl der deutschen Pfennige war jedoch leichter und
wurde meist »pfundig« ausgebracht, d. h. aus einer Gewichtsmark von rd.
234 g wurde 1 Pfund Pfennige= 240 Stück geprägt, für die sich daraus ein
Sollgewicht von 0,97 g ergab. Nach diesem und anderen leichteren Münz-
füßen wurden alle Brakteaten geprägt."

Auf den regionalen Märkten des Herrschaftsgebietes des Münzherren gab es einen Zwangsumtausch,
d.h. Pfennige anderer Prägeherren mussten zum Handeln auf den Märkten in die Pfennige des Prägeherren umgetauscht werden dem das Gebiet gehörte und das Marktrecht zustand. Und wie Du
schon richtig bemerkt hast nicht 1:1.
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Andechser » Mi 12.06.24 15:31

Da gebe ich Salier voll und ganz Recht. Er hat das sehr schön zusammengefasst. Aber ich möchte auch noch darauf hinweisen, dass man ab spätestens dem 11. Jahrundert in den Schriftquellen immer aufpassen muss, ob von Gewichtsmark oder Zählmark bzw. Gewichtspfund oder Zählpfund gesprochen wird. Leider wird das nur selten in den Quellen konkret differenziert, so dass man es sich erschließen muss. Im Spätmittelater finden sich auch so nette Formulierungen wie "3 Pfund Pfennige auf das Pfund", was natürlich mit 3 Zählpfund, also 720 Pfennige, auf das Gewichtspfund Silber aufzulösen ist.
Dann muss man auch noch beachten, ob die Basis der Gewichtsangabe beim auszumünzenden Silber das zeitgenössische Feinsilber oder das fertig legierte Münzsilber war. Da gibt es nämlich auch gewaltige Unterschiede, die umso größer werden, je weiter man ins Spätmittelalter kommt und beides kommt in den Quellen vor.
Was die mittelalterlichen Wechselkurse zwischen unterschiedlichen Währungen betrifft, war die Grundlage bei Kursen, die keinem Zwangskurs unterlagen, das Feingewicht des enthaltenen Silbers bzw. Golds und je nachdem zu welcher Jahreszeit und an welchem Ort man von welcher Währung in eine andere Währung wechseln wollte, unterschieden sich die Kurse leicht. Diese "natürlichen" Wechselkurse passten sich auch extrem schnell an Münzverschlechterungen an, was dazu führte, dass z.B. die guthaltigen und schweren Friesacher Pfennige um 1200 im Währungsraum des Veroneser Pfennigs teilweise als Münzen im Wert von 12-16 lokalen Denaren umliefen und so den Grosso vorwegnahmen. Das Standardwerk zu mittelalterlichen Wechselkursen ist noch immer Peter Spuffords Handbook of Medieval Exchange, auch wenn es natürlich bei weitem nicht vollständig ist (hier sind die Wechselkurstabellen als Datenbank aufbereitet: https://memdb.libraries.rutgers.edu/spufford-currency).

Beste Grüße
Andechser
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Comthur » Mi 12.06.24 17:26

Salier hat geschrieben:
Mi 12.06.24 11:28
Pfennige anderer Prägeherren
Diese wurden, wir sind immer noch im 11. / 12. .... Mitte / Ende des 13. Jh., auch gegen gewogen bzw. entsprechend dem Gewicht eingewechselt.
Die Culmer Handfeste (dat. 28.Dezember 1232[nach and. Quellen 1233]) als ältestes (Ordens-)Privileg für die Städte Culm und Thorn, schreibt vor, daß (nur) eine Münze im Lande umlaufen, von feinem Silber wie gleichbleibender Güte sein solle. Eine Erneuerung sollte - im Gegensatz zum Teils mehrfachen Zwangswechsel innerhalb eines Jahres in anderen Gebieten - nur 1 x in 10 Jahren erfolgen und zwar im Verhältnis von 12 : 14.
Der Kölner Denar sollte 5 Kulmern entsprechen. Somit bekommen wir eine Ausweitung der umlaufenden Pfennigprägungen im Lande.
Dies ist auch die Zeit der Entwicklung vom Brakteaten zum etwas leichteren aber wesentlich stabilerem Hohlpfennig im Deutschordensgebiet Preussen. Recht interessant, das innerhalb von etwa 100 Jahren Münzprägung zu beobachten.
Da die Denare "feinen Silbers" natürlich auch weiterhin gegengewogen werden konnten, bestand nicht unbedingt die Notwendigkeit, diese auch immer umzutauschen (siehe entsprechende Mischfunde). DIES änderte sich freilich spätestens mit der beginnenden, stärkeren Legierung, wo sich die Verwendung "alter" Münzen beim Gegenwiegen und mittels Zählung im Nominal ohnehin nicht mehr als mindestens gleichwertig erwies.
Im späteren 14.Jh. gab es dann die Hinweise auf die Münzstätte, wo jedem die alten Münzen nach ihrem Silbergehalt bezahlt würden. Soweit im Deutschordensstaat "Preussen".

Wer die damalige Kunstfertigkeit im Berechnen von Verhältnisgleichungen erleben möchte, dem seien die Werke von Nikolaus Kopernikus zur Münze in Preussen empfohlen. Er hat als Sachverständiger um die 1520er Jahre mehrere Traktate dazu geschrieben.
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Andechser » Mi 12.06.24 17:53

Ja, das trifft auf das Gebiet des Deutschen Ordens zu, ist aber eben nicht ungeprüft auf andere Währungsräume des 11. bis 13. Jahrunderts übertragbar. Wenn du dir mal die Währungsräume und genutzten Feingehalte der Pfennige des 11. bis 13. Jahrunderts in Mittel- und Süddeutschland ansiehst, ist das sehr augenfällig und wenn du dann noch nach Norditalien und nach Frankreich ausgreifst, dann werden die Unterschiede schon im 11. Jahrhundert unübersehbar. Da wurde nichts einfach nur gewogen und dann umgewechselt. So dumm war kein Geldwechsler der Zeit und die Geldwechsler waren meist auch die ersten, die sich über Münzverschlechterungen beschwert haben. Das von dir beschriebene Vorgehen wurde nur bei bekannt guten Pfennigen/Münzen genutzt.

Beste Grüße
Andechser
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Salier » Mi 12.06.24 18:00

Hallo Comthur,
interessante Ausführungen zum Münzwesen und Geldumlauf im DO-Gebiet. Ich muss Andechser recht geben, was für das DO-Gebiet galt, traf nur selten in anderen Gebieten zu.

Viele Grüße
Salier
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Salier » Mi 12.06.24 18:02

Dieses Thema sollte Malte mal abtrennen da es eigentlich nichts mehr mit den Schönheiten des Mittelalters zu tun hat.

Viele Grüße
Salier
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Re: Schönheiten des Mittelalters!

Beitrag von Comthur » Mi 12.06.24 18:18

@Andechser
Ist nicht übertragbar. Da muß ich Dir zustimmen. UND - kannst Du, wie auch jeder andere, gerne prüfen - viel Spaß :-)

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