Eine Lanze für die Kunstmedaille - Emilio Greco

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klaupo
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Eine Lanze für die Kunstmedaille - Emilio Greco

Beitrag von klaupo » Sa 06.11.04 23:52

Hallo zusammen,

die moderne Medaille - so mein Eindruck - fristet in diesem Forum eher ein Schattendasein, zu unrecht, wie ich meine. Da bei mir einige Stücke zusammengekommen sind, möchte ich hier kurz einen Künstler vorstellen, der sich neben der Plastik auch mit der Gestaltung von Medaillen - und Münzen - befaßt hat - Emilio Greco (1913 - 1995). Die biographischen Angaben, die ich gefunden habe, sind ziemlich spärlich:

Geboren in Catania, Sizilien. Aufgewachsen in bescheidenen Verhältnissen verdient er sich früh seinen Lebensunterhalt als Gehilfe bei der Restaurierung und Kopie antiker Skulpturen. Vor diesem Hintergrund steht seine Entwicklung als Bildhauer. 1946 folgt die erste eigene Ausstellung in Rom. Zehn Jahre später erhält er auf der 28. Biennale in Venedig für seine „Bagnante“ den 1. Preis für Bildhauerei. Für seine Skulpturen bevorzugt er weibliche Akte und Bildnisbüsten in gegenständlichem Stil, rhythmisch bewegt, teilweise von geheimnisvoll melancholischem Ausdruck. Als Professor für Bildhauerei an der Akademie der Schönen Künste in Rom wird ihm die präsidiale Goldmedaille für seine Arbeit auf den Gebieten Erziehung, Kultur und Kunst verliehen. Werke von Greco befinden sich in den Sammlungen zahlreicher internationaler Museen und Galerien. Ein eigenes Museum, das Greco-Museum, liegt bei Orvieto in der Vorstadt von Rom.

Bei den abgebildeten Stücken handelt es sich vermutlich um Auftragsarbeiten. Interessant sind die eindeutig erkennbaren stilistischen Parallelen in der Gestaltung. Das 500 Lire-Stück aus San Marino und die Jubiläumsmedaille aus Pisa dürften bei der Darstellung der jungen Frau auf einen gemeinsamen Entwurf zurückgreifen, ebenso wie die Schriftseite der Straordinarie auf die Pazifikreise von Paul VI stilistisch mit der Wappenseite der Torre-Pendente Medaille korrespondiert. Von diesem Stück habe ich keine Abbildung im Netz finden können, gehe aber davon aus, daß sie auch in Silber geprägt wurde.

Bei der Vatikan-Medaille ist die Textgestaltung ein wenig undurchsichtig. Ich habe die Textfolge so zusammengefügt: PAULUS VI EPISCOPOS CONVENTURUS INSULAS / PHILIPPINAS ET AUSTRALASIAM AD CHRISTUM VERITATIS / PACISQUE MAGISTRUM NUNTIANDUM PETIT

Also ausnahmsweise mal nicht die Frage "Was ist das?", eher schon "Was heißt das?" und ein kurzer Exkurs "Wer war das?" :wink:

Gruß klaupo
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Beitrag von Lutz12 » So 07.11.04 01:12

Es gab auch schon im 19./Anfang 20. Jh. Kritiken an künstlerisch anspruchlosen Medaillen, es ist kein Phänomen der heutigen Zeit. Es gibt ja auch nicht DIE Medaille der Neuzeit, sondern leider eine Reihe geschmackloser Massenmedaillen mit oftmals zeitlosen immer wieder aufgewärmten Motiven, die vordergründig nur dem Kommerz dienen. Das schadet dem Ruf der Medaille ganz erheblich, viele abwertende Kommentare von Sammlern bis hin zu versehentlich gemachten Äußerungen, dass Medaillen nichts mit Numismatik zu tun haben und der Allgemeinerkenntnis, dass Medaillen nur Metallwert haben. In Deutschland ist für mich auch eine verhängnissvolle Entwicklung zu Nebensächlichkeiten eingetreten. In der Werbung spielt die größte Rolle: das "edle" Metall, aufwendig vergoldet, höchste Prägequalität "PP", streng limitierte Auflage, Wertsteigerung so gut wie garantiert usw. Die Motivauswahl ist Stiefkind. Eine schöne Bronze-Medaille muß man lange suchen. Übrigens unsere Nachbarländer Österreich und Belgien haben da einiges zu bieten.
Daneben gibt es auch in Deutschland einige künstlerisch sehr interessant gestaltete Medaillen, die es sich wirklich lohnt gesammelt zu werden, man muss halt suchen. Als langjähriger Numismatiker bin ich auch erst im fortgeschrittenen Sammel-Alter zur Medaille gekommen. Kunst ist immer auch ein wenig Geschmack und über den kann man bekanntlich trefflich streiten. Deine 2. hier gezeigte Medaille finde ich ausgesprochen gut gelungen.
Gruß Lutz12
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Beitrag von chinamul » So 07.11.04 14:45

Hallo klaupo!

Deine Lesung scheint so zu stimmen, wenn auch das P.M. (Pontifex Maximus = Papst) nach Paulus VI wie auch die Datierung fehlt.
Der Text bedeutet, daß Papst Paul VI zu den Philippinen und nach Australasien unterwegs ist, um sich mit den dortigen Bischöfen zu treffen und (gemeinsam mit ihnen?) von Christus, dem Herrn von Wahrheit und Frieden, zu künden. (datiert 1970)
Es geht dabei offensichtlich um Missionierung.

Gruß

chinamul
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Beitrag von klaupo » So 07.11.04 19:05

Hallo chinamul,

ich bedaure die Nachlässigkeit bei der Textübertragung der Vatikanmedaille - sie blieb ja dennoch übersetzbar, besten Dank! Der Text bezieht sich also wohl auf die Panozeanische Bischofskonferenz in Sydney am 1. Dezember 1970 im Rahmen der päpstlichen Ozeanienreise.

Mir ging es hier in erster Linie darum einmal aufzuzeigen, daß auch Medaillen der Gegenwart Kunst sein können, und Lutz12 hat ja bereits ausführlich dargelegt, wodurch dieser Bereich in Verruf gekommen ist. Ferner wollte ich mal darauf aufmerksam machen, daß die Gestaltung von Münzen und Medaillen oft in denselben Händen liegt. Daß ich das Thema an Emilio Greco festmachte, ist zum einen sicher eine Frage des persönlichen Geschmacks (den ja u.a. auch die Jury bei der Auswahl unserer Euro-Sonderprägungen offenbart) und zum anderen eine Frage des verfügbaren Materials.

Gruß klaupo

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