Patagone -> "schlampige" Prägung

Wie zahlten unsere Vorfahren? Was war überhaupt das Geld wert? Vormünzliche Zahlungsmittel

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Quentchen
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Patagone -> "schlampige" Prägung

Beitrag von Quentchen » So 14.12.08 18:42

Hallo,

kann mir bitte jemand erläutern, warum die Patagone der Spanisch/Österreichischen Niederlande dermassen "schlampig" geprägt wurden? Immerhin handelt es sich ja um Münzen im "Talerformat", und Taler dieser Zeit sehen in der Regel doch deutlich besser "ausgeprägt" aus ...

Auch die Philippstaler (II. / IV.) dieser Zeit sehen oft auch eher "schlampig" geprägt aus, wenn ich den bisher gesehenen Bildern trauen darf ;)

Fehlte es an der Technik - oder haben die da "Massenware" auf die Schnelle produziert?
Schöne Grüsse
Ralf
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klaupo
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Beitrag von klaupo » Mo 12.01.09 11:25

Hallo Quentchen,

zwar spät, aber die Flut der Antworten wurde wohl durch Münzverwaltungs- und -bewertungsfragen etwas gehemmt.

Schrötter deutet einen Grund für die "schlampige" Verprägung zumindest an: Es war der ungeheure Zufluß an Silber aus der neuen Welt, der rasch vermünzt werden sollte. Diese Mengen an Silber waren auch der eigentliche Grund für die Schaffung des Albertustalers / Patagon in den spanischen Niederlanden im Jahr 1612. Er hatte einen Wert von 18 Patard oder 18 Sol. Auf eine sorgfältige Verprägung konnte man auch deshalb verzichten, weil der Patagon zwar nur ein Feingewicht von 24,65 g hatte, aber als gleichwertig mit dem deutschen Reichstaler (25,98 g Feingewicht) akzeptiert wurde. Also weniger Silber, mehr Gewinn. Der vergleichsweise hohe Kurs hatte seine Ursache in den Handelsaktivitäten der Niederländer im Osten Europas, wo der Patagon im 17. Jahrhundert die Haupthandelsmünze war.

Gruß klaupo

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Beitrag von Quentchen » Mo 12.01.09 22:13

Hi klaupo,

late - but not too late ;)

Danke für die Info.

Ein bisschen was habe ich mir mittlerweile schon über einige Onlinebücher zusammengesucht, aber auch da gibt es - ausser der raschen Ausmünzung des Südamerikasilbers kene brauchbaren "Indizien" für diese doch teilweise sehr "schlampigen" Prägungen.

Jetzt bin ich ja kaum mit dem heutigen Finanzwesen vertraut :) , aber mit dem damaligen eben schon gar nicht. daher ist mir auch nicht ganz klar, warum diese Silbermengen so schnell vermünzt werden mussten, was ja nach meinem Verständnis eher inflatorische Auswirkungen haben musste ???

Ich verstehe zwar die "Wertschöpfung", wenn man das Silber zunächst gegen "Taler" kaufen musss, und dann eben aus dieser Menge Silber um einige mehr als die zuvor gezahlten "Taler" ausprägt. Aber was da die Spanier (und andere?) zu der Zeit abgezogen haben, verschliesst sich meinem "finanztechnischen Verständnis". Und auch wäre dadurch immer noch nicht diese mindere Prägequalität erklärt, denn man kann doch sicher auch "a bisserl langsamer tun", aber dafür "schöner" - oder hatte damals "schönes Geld" nicht den Effekt, bei den Leuten auch einen Eindruck von Qualität und Seriosität des jeweiligen Münztyps der "grösseren Sorte" zu hinterlassen?

Also haben die damals geprägt, was das Zeug hält ... sozusagen am Fliessband ... und rausgekommen sind lauter "Unikate" ;) (was mich irgendwie speziell an diesem Münztyp der damaligen Zeit echt fasziniert).
Schöne Grüsse
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Beitrag von Chippi » Di 13.01.09 00:28

Wichtig ist nicht das Aussehen, sondern der Edelmetallgehalt. Einzig er zählte.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von Quentchen » Di 13.01.09 18:15

Hi Chippi,

jo, dass meinte ich ja mit
... bei den Leuten auch einen Eindruck von Qualität und Seriosität des jeweiligen Münztyps der "grösseren Sorte" zu hinterlassen?
Kann mir nicht vorstellen, dass damals jedermann "Gehalt" (Korn) so ohne weiteres messen konnte ... und da dachte ich mir, wirkt doch eine "sauber" ausgeprägte Münze eventuell viel "vertrauenswürdiger" ...
Aber wie es die Geschichte lehrte, ist das wohl eine Fehlannahme von mir, denn diese Patagone "gingen ja weg wie die warmen Semmeln" ... kreuz und quer durch die Lande :)
Schöne Grüsse
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Beitrag von payler » Di 13.01.09 19:26

Das sich der interessierte Leser dieses Threads auch vorstellen kann über welche Münzen gesprochen wird, möchte ich folgenden Link hinzufügen:

http://www.coinarchives.com/w/results.p ... ch=Patagon

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Beitrag von Quentchen » Di 13.01.09 22:24

Hi payler,

gute Idee!

Wobei ich speziell die aus dem 17. Jhdt. meine ... und da etwa die von 1612 bis 1665 oder a bisserl mehr ;)

btw: Welche Literatur käme denn da in Frage, um mal etwas mehr über die "Teile" zu erfahren ... Prägezzahl, Varianten, Prägestätten, Münzmeister (wenn die sowas hatten ;) ) ... und sonst noch so über Land und Leute der damaligen Zeit in den Südlichen Niederlanden. Da taucht immer wieder Delmonte als Zitierwerk/Katalog auf ... aber den gibts nur in maximal Englisch und ist "unmöglich" teuer ...

Noch was: Glaubt ihr, dass diese Tulpomanie so um 1630 etwas mit der dortigen "Silberflut" zu tun haben könnte?
Schöne Grüsse
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Beitrag von Chippi » Di 13.01.09 23:22

Nein, die Tulpe ist ursprüngliche eine exotisch-asiatische Pflanze, zu deren Ehren man auch Palastfeste veranstaltete. Deshalb wollte jeder Adlige diese Pflanze, weshjalb der Preis stieg. Andere wollten wiederum daraus Gewinn ziehen und legten teilweise Geld zusammen, um Samen zu kaufen und wiederum daraus gezüchtete Samen wieder zu verkaufen. Die Preise stiegen weiter und jeder wollte dort mitmachen...
...bis dann plötzlich jeder Tulpen hatte, eine richtige Schwemme. Den Rest kannst du dir denken...

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von klaupo » Di 13.01.09 23:44

Naja, man kann diese Geschichte mit der Tulpenschwemme auch anders erzählen. Da gibt es z.B. den Schelmenroman von Otto Rombach, Adrian der Tulpendieb. Darin ist u.a. dazu folgendes zu lesen:
Bis ins kleinste Dorf war bald die Sucht gedrungen, mit Tulpen, Tulpenzwiebeln oder -samen nach Profit zu jagen. In jeder Kneipe tat sich ein Komparitium auf, ein Händlertisch, fast einem Wettbüro vergleichbar, einer zügellosen Börse, wo sich die Spekulanten trafen. Nach ausgeklügelten Systemen, mit kleinen Täfelchen und wunderlichen Rechenkünsten ging der Handel vor sich, der mit Fressereien und Kneipereien beschlossen wurde, bis ein neuer Händler auftrat und das Spiel von vorn begann.
Das Spekulationsfieber griff bald auf andere Objekte über und die Wirtschaft boomte. Aber 1637 passierte dann etwas, was heutzutage nie passieren könnte: Ein Preissturz setzte ein, eine Verkaufspanik folgte und ein Konkurs jagte den nächsten. Aus der Tulpenkrise war eine allgemeine Wirtschaftskrise geworden. Was lernt uns das??? :roll:

Das Tulpenfieber wurde damals auch in der Kunst thematisiert. Ein unbekannter niederländischer Künstler stellte die Aufwiegung von Tulpenzwiebeln in Gold dar.

Wieweit der Patagon damit zu tun hatte, weiß ich nicht, ich hab das nur einfach mal kombiniert. Ein paar Provinzen, die man auf den Typen unterscheiden kann, habe ich mal in der Numispedia genannt: http://www.numispedia.de/Patagon

Gruß klaupo

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Beitrag von Quentchen » Mi 14.01.09 14:46

Hi allerseits,

auch wenn es a bisserl vom eigentlichen Thema abschweift ... :)

Es gibt über die Tulpenspekulation ein sehr gutes und fundiertes Buch von Mike Dash, in dem die Entwicklung der Tulpenvorliebe und deren Werdegang zum heissen Spekulationsobjekt mit allen Handelspraktiken, bis zum Zusammenbruch des Marktes detailiert und kurzweilig erzählt wird

Tulpenwahn - Die verrückteste Spekulation der Geschichte

Daraus mal ein Zitat:
>>> Natürlich schnellten auch die Preise, die für eine einzige Zwiebel der berühmtesten aller Tulpen, der "Semper Augustus", verlangt wurden, in die Höhe - von 5.500 Gulden die Zwiebel im Jahre 1633 zu erstaunlichen 10.000 Gulden im ersten Monat des Jahres 1637. Diese unvorstellbare Summe reichte aus, um eine mehrköpfige holländische Familie das halbe Leben lang mit Essen, Kleidung und Unterkunft zu versorgen, oder eines der grössten Stadthäuser Amsterdams an der vornehmsten Gracht komplett mit Remise und Garten in bar zu erwerben - und dies zu einer zeit, als sonst nirgendwo auf der Welt die Häuser so teuer waren wie in dieser Stadt. <<<

Richtig ab geht der Handel mit den Zwiebeln aber dann (Herbst 1635), als so 'ne Art "Optionsschein" auf noch in der Erde steckende und wachsende Zwiebeln zum Handel kamen. Wenn ich mich recht entsinne, wurden sogar später "Stückelungen" gehandelt (müsste ich nochmal das Buch durchsuchen - auch wegen eines eventuellen Zusammenhangs mit der "Silberflut" (billiges Geld - wie wir es im Zusammenhang mit aktuellen Crashs der heutigen Zeit kennen).
Schöne Grüsse
Ralf
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Beitrag von ganimed1976 » Sa 06.02.10 13:19

Hallo,

Habe auch zum Thema Tulpenzwiebeln so einiges gelesen. Ungeheuerlich was da für Geldbeträge für eine solch unscheinbare Knolle ausgegeben wurden.

Was ich mich dabei immer frage ist: Was tat dann der Bisitzer der Tulpenzwiebel letztendlich mit dieser? Pflanzte er sie sich in den Garten seines Palais und erfreute sich an ihrem Anblick, bis sie dann eines Tages welk und mit herabhängendem Kopf in selbigem Garten ihr schmähliches Ende fand? Oder versuchte man sie zu züchten und zu vermehren, um dann eines morgens festzustellen dass der gemeine Maulwurf sie des nächtens verspeißt hatte, und all die Müh und all das viele Geld waren somit für die Katz.

Man muss sich diese gigantischen Beträge mal vor Augen führen.....da wurden teilweise bereitwillig bis zu 13.000 Gulden für eine einzige Tulpenzwiebel berappt. Wir reden hier von Goldmengen im 2 stelligen Kilogramm bereich.

Hier mal ein kleiner Auszug aus dem Buch von Mike Dash. Darin wird erläutert was man für beispielsweise 3.000 Gulden um 1637 alles so hätte kaufen können:

Acht fette Schweine; 240 Gulden
Vier fette Ochsen; 480 Gulden
Zwölf fette Schafe; 120 Gulden
Vierundzwanzig Tonnen Weizen; 448 Gulden
Achtundvierzig Tonnen Roggen; 558 Gulden
Zwei große Fässer Wein; 70 Gulden
Vier Fasser Bier zu je acht Gulden; 32 Gulden
Zweitausend Kilo Butter; 192 Gulden
Fünfhundert Kilo Käse; 120 Gulden
Ein silberner Kelch 60 Gulden
Ein Ballen Stoff; 80 Gulden
Ein Bett mit Matraze und Bettzeug; 100 Gulden
Ein Schiff; 500 Gulden

Wer Spitzenknollen für ca. 13.000 Gulden verkauft hatte, musste sich also nicht unbedingt Sorgen um seinen Lebenserhalt machen.

Ich werde beim nächsten mal, wenn ich mal wieder an einem Tulpenbeet vorbeikomme, bedächtig an die Preise von damals denken und mich fragen, an welchem Vermögen ich im Jahre 1637 hier wohl vorübergeschlendert wäre ;)

Gruß,

Olli
"Wenn wir Männer ohne Frauen wären, dann würden die Götter mit uns Umgang pflegen."

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