Oder
Ein Plädoyer für die ehrliche Umlauferhaltung
Seit knapp zwei Jahren habe ich mich einem neuen Sammelgebiet zugewendet. Goldmünzen des Zeitalters des Imperialismus. Also bei mir der Epoche von ca. 1850 – ca. 1925 entsprechend. Die wichtigsten goldenen Belegstücke aller größeren Staaten dieser Erde der damaligen Zeit sind mein Ziel. Zumindest habe ich für mich die zeitlichen Grenzen meines Sammelgebietes so definiert.
Ich trage dabei typische Stücke der damaligen Welt zusammen. Also auch häufiger Jahrgänge häufigerer Münzen. Dabei sehen aber ganze Unzen, wie US – Double Eagles, 100-Francs oder 100-Kronen-Stücke meine Sammlung auch künftig eher seltener. Mir ist eine weltweite Typenvielfalt an gängigem Geld im Gewicht von etwa 3 – 9 Gramm Goldgehalt wichtiger, als einige wenige Großgoldmünzen, die mein Budget zu lange blockieren. Geldstücke mittlerer und kleinerer Größe, die bei Fern- und Großhandel lange dem Papiergeld vorgezogen wurden sind mein Schwerpunkt.
Lange Rede – kurzer Sinn. Meine Welt sind somit auch noch die normal erhältlichen Stücke der Lateinischen und der Skandinavischen Münzunion oder häufigere Stücke des Pfundes bzw. aus dem Kaiserreich. Solche Münzen, die man einige Euro über dem Goldpreis in den wenigen Banken, die über eine Fachabteilung verfügen genauso bekommt, wie im klassischen numismatischen Handel oder sogar bei besseren Goldankaufsstellen.
Dabei ist mir in den letzten beiden Jahren zweierlei aufgefallen:
Zum einen ist Manches noch immer zu bezahlbaren Preisen auf dem Markt, wo man es gar nicht mehr vermuten würde. Brasilianisches Kaiserreich, Costa Rica kurz nach 1850, alte Osmanen... viel mehr Originalgoldstücke aus den 60ern, 70ern und 80er Jahren des 19. Jahrhunderts weltweit sind für bezahlbares Geld zu haben, als man vermutet. Schöne Sachen mit Geschichte. 130 oder 150 Jahre altes Gold einer untergegangenen Zeit und ferner Länder. Das ist der erfreulichere Teil meines Hobbys.
Das andere Auffällige (vielleicht auch durch die Steigerung des Goldpreises zwischen 2003 und 2012 mit verursacht) ist leider deutlich weniger erfreulich, falls ich mich nicht täuschen sollte. Ich rede über eher zweifelhafte Stücke. Damit meine ich nicht ganz billigen und leicht zu identifizierende Fälschungen. Ich spreche von Stücken, die insbesondere durch ihre Toperhaltung zu bestechen suchen. Münzen, bei denen ich mir als Sammler und erfahrener Amateur zunehmend nicht sicher bin, ob sie wirklich alt sind. Geht es nur mir so? Oder wird da in den letzten Jahren mehr angeboten?
Ein typisches Beispiel: Wenn man in einer Bank z.B. nach klassischen Niederländischen 10-Gulden-Goldmünzen aus der Epoche Wilhelm III oder Wilhelmina (ca. 1875 - 1932) fragt, bekommt man in der Regel schnell mal ein Dutzend Stücke zur Auswahl hingelegt. Sie sind alle nur wenig über dem Goldpreis. Die meisten davon sind vorzüglich und besser erhalten. Man kann sich also bequem das vermeintlich „beste Stück“ nach Erhaltung und Häufigkeit des Jahrgangs aussuchen.
Allerdings ist mir bei einigen solchen Stücken nun schon öfter aufgefallen, dass manche davon vielleicht „zu gut“ sind. Bin nun ich als Sammler inzwischen zu misstrauisch? Ich kann sie ja sogar vor Ort nach wiegen. In der Regel stimmen dann auch Gewicht und Maße. Also dürfte in so einem Fall auch der Goldgehalt annähernd passen. Sind sie – wenn dann auch tatsächlich noch der Goldgehalt passt - damit automatisch echt? Wenn nicht, wäre mein materieller Schaden ja auch wiederum eher gering. Also warum die Frage?!
Den Sammlern, die ich mit dieser Frage verunsichere, sei zur teilweisen Entwarnung gesagt, dass ein Teil davon ja auch wirklich einfach nur spitze erhalten ist. Das ist selbst mir klar. Es sind Toperhaltungen bei denen alles passt ohne jede Einschränkung. Vielleicht, weil sie in einer alten Geldrolle als eiserne Reserve in einem staatlichen Safe oder einer alten Bank wirklich 100 Jahre verschlafen haben. Manchmal kommt eine ganze Menge solcher Stücke zusammen auf den Markt. Auch heute noch. So etwas kommt ja erfreulicherweise ab und an schon mal vor.
Aber einige andere Münzen, die einem an diversen Verkaufstresen vor die Lupe fallen sind auch (trotz hoher Auflage, stimmigem Gewicht und passenden Maßen) irgendwie seltsam. Die Zeichnung ist minimalst zu scharf oder anders herum minimalst zu verwaschen. Oder anders ausgedrückt: Die Prägung sieht bereits zu neu aus für ein Stück aus dem Jahr 1879 oder 1898. Der Untergrund der Münze sieht fast wie feinst schraffiert aus. Ich meine nicht alt justiert. Ich weiß, wie Justierspuren alter Münzen aussehen müssen.
In diesem Fall wirkt es anders. So, wie ein Schrötling bei modernen Massenprägungen, der modern minimal vor bearbeitet oder vor geglättet wurde. Kurz und schlecht: Man hat einfach den Eindruck, dass das Stück eher frisch aus einem modernen Prägeautomaten kommen könnte, als dass es über 100 oder 120 Jahre auf dem Buckel hat.
Bin ich zu kritisch oder zu paranoid? Sehe ich Fälschungen, wo keine sind? Ich habe dieses Phänomen in letzter Zeit an den verschiedensten Orten erlebt. Bei seriösen Verkäufern, bei Bankabteilungen, bei Sammlern. Seltener bei alteingesessenen Münzhändlern. Aber auch da sehe ich inzwischen lieber genauer hin. Zwar bin ich nur Amateur aber ich bin auch nicht doof. Meine zwei Fragen an die versammelte Sammlergemeinde sind nun: Wenn dem tatsächlich so wäre, dass derzeit immer perfektere Prägefälschungen alter Goldmünzen auf dem Markt gelangen:
1. Woher käme solch eine Ware? Die Gewinnspanne zum Beispiel bei häufigen 10 oder 20 Goldfranc - Stücken oder bei älteren britischen Goldpfunden über dem Metallwert ist minimal, selbst bei vielen stempelfrisch erhaltenen Jahrgängen. Es stünde also in so einem Fall ein erheblicher Aufwand einer sehr geringen Gewinnmarge gegenüber. Vor allem dann, wenn auch noch der Goldgehalt stimmt, ist an so etwas nicht mehr sehr viel verdient. Stünden hier Gefahr und Ärger bei Entdeckung nicht in einem zu großen Missverhältnis zum Profit?
Wer hätte 2. dann noch einen ausreichenden Vorteil? Oder machen umfangreiche Testläufe für eine zukünftig noch perfektere Prägung von Plagiaten sehr seltener Stücke und Jahrgänge einen kriminellen Sinn? Bin ich übermäßig vorsichtig oder ist vielleicht doch langsam deutlich mehr Schrott auf dem Markt, als man den Sammlern weiß machen mag?
Mein Fazit für mich und meine Sammlung aus diesen Bedenken ist mittlerweile eine Form der Verweigerungshaltung. Ich suche mir nicht mehr immer das besterhaltene Stück des zum selben Preis seltensten erhältlichen Jahrgangs heraus. Nur noch, wenn ich mir vollkommen sicher bin. Ich nehme ansonsten oftmals lieber gute bodenständige mittlere Erhaltungen. Stücke in gutem sehr schön oder ss-vz erhalten. Stücke mit Goldpatina, kleinen umlaufbedingten Kratzern und typischen minimalen Beschädigungen. Die haben dann halt wirklich nur noch den Buttogoldwert plus 10 Prozent. So what!
Ich rede nicht von dem sogenannten "Sehr schön" solch spezieller Verkäuferherzchen, die gerne jeden von ihnen angebotenen, abgeschrubbten Metallunterlegkeil mit der Kategorie sehr schön adeln würden. Ich spreche von Stücken, die einfach mal eine Geldbörse von innen gesehen haben und die dem Zweck dienten, für den sie gemacht wurden. Stücken, denen man die Echtheit deshalb ansieht, weil bestimmte Folgen von Nutzung und Alterung eben noch immer sehr schwer zu fälschen sind.
Ich habe weder vor, irgendwelche potentiell geldgierigen Erben in 30 oder 40 Jahren mit maximalen Gewinnsteigerungen auf Auktionen zu beglücken, noch meine Stücke in hässlichen tot gegradeten Plastikquadern mit US-Strichcode darauf luftdicht beerdigen zu lassen.
Deshalb kann ich es mir auch wieder leisten, Münzen in meiner Sammlung zu haben, die in ihrer Zeit durch mehrere Hände gingen. Die eine echte Aufgabe hatten und mal gebraucht wurden. Ich gebe Münzen in meine Sammlung, wenn mir der Gesamteindruck zusagt. Wenn sie mir gefallen und ich mir sicher bin, dass sie das auch sind, was außen drauf geschrieben steht. Und dazu darf auch gehören, dass man das Alter bei einem alten Stück auch mal sehen und spüren kann.
Meine Frage nun: Sehe nur ich ein Problem auf uns alle zu kommen? Oder gibt es wirklich eines und es wird vom Handel und offiziellen Publikationen unter dem Deckel gehalten um den Markt nicht zu verunsichern? Hätte gerne ihr / euer Feedback. Vielleicht stößt das ja mal eine Diskussion an. Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Beste Grüße sendet

der Goldfuchs