Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
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Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Heute habe ich eine Münze von einem absoluten Außenposten des griechischen Kulturkreises bekommen. Die Kombination aus dem feinen spätarchaischen Zeus-Ammon-Kopf und dem schön ausgeprägten und zentrierten Silphion ließ mich meinen Geiz hintanstellen und gut dreihundert Euro für dieses Münzlein abdrücken. Obwohl es als Drachme eine wirklich "erwachsene" und von der Kaufkraft ernstzunehmende Münze ist, ist sie kleiner als ein Ein-Cent-Stück unserer Zeit!
Euhesperides war in der Kyrenaika (Nordafrika) die westlichste griechische Stadt, danach fing das Land der libyschen Berberstämme an. Die Gegend war immer wieder umkämpft zwischen Griechen und Barbaren (Zitat Wikipedia: Laut Thukydides konnte der Spartaner Gylippos - auf dem Weg nach Sizilien durch schlechtes Wetter in die Kyrenaika verschlagen - die Euhesperiden aus einer Belagerung durch einheimische Libyer befreien (414 v. Chr.).), und um 275 v.Chr. wurde Euhesperides aufgegeben. Neu gegründet wurde es dann unter den Ptolemaiern ca. dreißig Jahre später als "Berenike", also benannt nach der Frau des frischgebackenen Herrschers Ptolemaios III. Heute heißt es Bengasi und ist die zweitgrößte Stadt Libyens.
In "Euhesperides" steckt die Vorsilbe eu- ("gut") und die Hesperiden. "Hesperides" bedeutet "Töchter des Abends" (Hespera=Abend), und der Wohnort dieser Nymphen wurde am westlichen Ende der Welt vermutet. Euhesperides läßt sich also wohl mit "gleich bei den Hesperiden" übersetzen und gibt die Lage als äußerster westlicher Außenposten gut wieder.
Drachme, 480-435 v.Chr.
Vs. Silphionstaude
Rs. Kopf des Zeus Ammon nach rechts im Perlkreis, außerhalb des Kreises in den Ecken des Quadratum incusum Ethnikon E-(Y)-E-Σ, die letzten beiden Buchstaben retrograd
3,18 g, 15 mm, Stempelachse 12 Uhr
SNG Cop. 1300 (lt. Verkäufer), BMC 2-4 (lt. acsearch)
Viele Grüße,
Homer
Euhesperides war in der Kyrenaika (Nordafrika) die westlichste griechische Stadt, danach fing das Land der libyschen Berberstämme an. Die Gegend war immer wieder umkämpft zwischen Griechen und Barbaren (Zitat Wikipedia: Laut Thukydides konnte der Spartaner Gylippos - auf dem Weg nach Sizilien durch schlechtes Wetter in die Kyrenaika verschlagen - die Euhesperiden aus einer Belagerung durch einheimische Libyer befreien (414 v. Chr.).), und um 275 v.Chr. wurde Euhesperides aufgegeben. Neu gegründet wurde es dann unter den Ptolemaiern ca. dreißig Jahre später als "Berenike", also benannt nach der Frau des frischgebackenen Herrschers Ptolemaios III. Heute heißt es Bengasi und ist die zweitgrößte Stadt Libyens.
In "Euhesperides" steckt die Vorsilbe eu- ("gut") und die Hesperiden. "Hesperides" bedeutet "Töchter des Abends" (Hespera=Abend), und der Wohnort dieser Nymphen wurde am westlichen Ende der Welt vermutet. Euhesperides läßt sich also wohl mit "gleich bei den Hesperiden" übersetzen und gibt die Lage als äußerster westlicher Außenposten gut wieder.
Drachme, 480-435 v.Chr.
Vs. Silphionstaude
Rs. Kopf des Zeus Ammon nach rechts im Perlkreis, außerhalb des Kreises in den Ecken des Quadratum incusum Ethnikon E-(Y)-E-Σ, die letzten beiden Buchstaben retrograd
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Dazu paßt doch gut mein Artikel über die Silphiumpflanze: http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... um#p254095
Und etwas tiefer auf dieser Seite: Ergänzung zu 'Silphium'
Jochen
Und etwas tiefer auf dieser Seite: Ergänzung zu 'Silphium'
Jochen
Omnes vulnerant, ultima necat.
- Homer J. Simpson
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
@Dapsul: Danke! Ich freue mich natürlich über Glückwunsch zu einer Münze, um so mehr aus so kundigem Mund!
@Jochen: Gute Ergänzung! Da paßt es ja, daß ich mich nicht über das Silphion verbreitet habe; der Artikel wäre sonst arg lang geworden, und bei Dir ist ja alles hervorragend zusammengefaßt. Lustig fand ich, daß Dein Artikel damals angestoßen wurde durch meine erste Münze mit Silphionpflanze und so eine Verbindung zwischen meinen beiden Silphionmünzen hergestellt ist.
Viele Grüße,
Homer
@Jochen: Gute Ergänzung! Da paßt es ja, daß ich mich nicht über das Silphion verbreitet habe; der Artikel wäre sonst arg lang geworden, und bei Dir ist ja alles hervorragend zusammengefaßt. Lustig fand ich, daß Dein Artikel damals angestoßen wurde durch meine erste Münze mit Silphionpflanze und so eine Verbindung zwischen meinen beiden Silphionmünzen hergestellt ist.
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Das ist mir da leider nicht gelungenHomer J. Simpson hat geschrieben:... ließ mich meinen Geiz hintanstellen ...

Die Geschichten um das verschwundene Silphion und die Suche danach geben diesen Münzen aus der Kyrenaika in meinen Augen so etwas Sagenumwobenes, geradezu Indiana-Jones-haftes, das sie umso interessanter macht

Gruß
Altamura
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Das ist eine tolle Münze, gratuliere! Bei Gylippos handelt es sich übrigens um jenen spartanischen Offizier, den Syrakus mit der Abwehr der grossen athenischen Invasion von 415-413 beauftragte - die daraus resultierende vernichtende Niederlage der Athener stellte den Wendepunkt des peloponnesischen Krieges und den Anfang vom Ende der athenischen Grossmacht dar.
Nata vimpi curmi da.
- Homer J. Simpson
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
...womit eine tolle historische Brücke (wenn auch einige Jahrzehnte nach dieser Münze) zu meinem kleinen "Schwerpünktchen" Syrakus geschlagen ist! Danke für den Tip, hab's inzwischen im Kleinen Pauly nachgelesen (wo leider Euhesperides gar nicht und zu Gylippos nichts über Nordafrika drinsteht!!).
@Altamura: Sehr gut ausgedrückt! Das "Indiana-Jones-Mäßige" trifft genau das, was ich auch jedesmal bei diesen Silphionmünzen fühle. In irgendeinem Grab in der Wüste Libyens müssen doch noch ein paar Samen liegen!?!
Daß es kein Fehler war, auf die Münze so hoch zu bieten, sehe ich auch daran, daß der Zweitbieter auf Ebay ein erfahrener Vcoins-Händler war. Und der muß ja auch für den Wiederverkauf einen entsprechenden Aufschlag mit einrechnen.
Viele Grüße,
Homer
@Altamura: Sehr gut ausgedrückt! Das "Indiana-Jones-Mäßige" trifft genau das, was ich auch jedesmal bei diesen Silphionmünzen fühle. In irgendeinem Grab in der Wüste Libyens müssen doch noch ein paar Samen liegen!?!
Daß es kein Fehler war, auf die Münze so hoch zu bieten, sehe ich auch daran, daß der Zweitbieter auf Ebay ein erfahrener Vcoins-Händler war. Und der muß ja auch für den Wiederverkauf einen entsprechenden Aufschlag mit einrechnen.
Viele Grüße,
Homer
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Wie viel hast du denn dafür bezahlt?
Übrigens gibt es zu dem Hilferuf von Syrakus nach Sparta spätere Parallelen - als die Römer im 1. Punischen Krieg 255 in Afrika landeten, holten die Karthager, ernüchtert durch die schlechten Leistungen ihrer eigenen Generäle, den spartanischen Feldherren Xanthippos zu Hilfe. Dieser restrukturierte die karthagische Armee und besiegte den Consul Regulus, worauf sich die Römer nach Sizilien zurück ziehen mussten. Xanthippos hingegen zog sich nach "getaner Arbeit" wieder ins "Privatleben" zurück. Ein anderer, bekannterer Fall stellt Timoleon dar, ein Korinther, den Syrakus 345 oder 344 v. Chr. gegen die karthagische Bedrohung und zur Widerherstellung der inneren Ordnung zu Hilfe rief. Dass Korinth die Mutterstadt von Syrakus war, ist dabei natürlich kein Zufall. Die politische Einflussnahme einer Mutterstadt (die allerdings im Falle des Timoleon ihrem Mitbürger nur wenig Unterstützung gewährte) in eine ihrer Kolonien bildet in der griechischen Geschichte die Ausnahme, der Fall bezeugt jedoch die oftmals engen kulturellen Bindungen.
Gruss, Pscipio
Übrigens gibt es zu dem Hilferuf von Syrakus nach Sparta spätere Parallelen - als die Römer im 1. Punischen Krieg 255 in Afrika landeten, holten die Karthager, ernüchtert durch die schlechten Leistungen ihrer eigenen Generäle, den spartanischen Feldherren Xanthippos zu Hilfe. Dieser restrukturierte die karthagische Armee und besiegte den Consul Regulus, worauf sich die Römer nach Sizilien zurück ziehen mussten. Xanthippos hingegen zog sich nach "getaner Arbeit" wieder ins "Privatleben" zurück. Ein anderer, bekannterer Fall stellt Timoleon dar, ein Korinther, den Syrakus 345 oder 344 v. Chr. gegen die karthagische Bedrohung und zur Widerherstellung der inneren Ordnung zu Hilfe rief. Dass Korinth die Mutterstadt von Syrakus war, ist dabei natürlich kein Zufall. Die politische Einflussnahme einer Mutterstadt (die allerdings im Falle des Timoleon ihrem Mitbürger nur wenig Unterstützung gewährte) in eine ihrer Kolonien bildet in der griechischen Geschichte die Ausnahme, der Fall bezeugt jedoch die oftmals engen kulturellen Bindungen.
Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Es gibt überhaupt noch mehr Verbindungen zwischen der Kyrenaika und Sparta. So sollen laut Pausanias (3,14,3) und Isokrates (Phil. 5) Spartaner an der Gründung Kyrenes beteiligt gewesen sein. Man gibt sich immer vorschnell mit der Lehrbuchphrase zufrieden, Tarent sei die einzige spartanische Kolonie gewesen. Was ist etwa mit Lyttos, Gortyn, Melos, Selge, Kythera, Herakleia Trachinia, Kroton, Lokroi Epizephyrioi, die alle irgendwo als spartanische Kolonien überliefert sind? Der Spartanerkönig Agesilaos soll während seines Ägyptenfeldzuges 360/59 in Kyrene gestorben sein (Paus. 3,10,1). Ich sammle solche Stellen und mache vielleicht irgendwann mal etwas damit.
Das Silphion habe ich mal in der Kyrenaika gesucht und nicht gefunden.
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
301 Euro plus Porto von Dionysos aus Hamburg, was ich wirklich vernünftig finde. Dieses Stück: http://www.acsearch.info/record.html?id=23406 hat natürlich die schönere Rückseite (Vorderseite finde ich gar nicht mal so), hat aber auch ca. 15x so viel gekostet.Pscipio hat geschrieben:Wie viel hast du denn dafür bezahlt?
@Dapsul: Bestimmt interessant! Nicht umsonst ist Kyrene auf den Münzen immer KYPA (=Kyranaion, dorisch!) abgekürzt, und der kyrenäische Königsname Arkesilaos ähnelt dem spartanischen Agesilaos evtl. auch nicht nur aus Zufall.
Viele Grüße,
Homer
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Da bin ich gespannt drauf! Man vergisst auch rasch, wie nah die Kyrenaika Griechenland generell und insbesondere der Peloponnes liegt - per Schiff dürften das kaum mehr als 2-3 Tagesreisen gewesen sein.Dapsul hat geschrieben:Es gibt überhaupt noch mehr Verbindungen zwischen der Kyrenaika und Sparta. So sollen laut Pausanias (3,14,3) und Isokrates (Phil. 5) Spartaner an der Gründung Kyrenes beteiligt gewesen sein. Man gibt sich immer vorschnell mit der Lehrbuchphrase zufrieden, Tarent sei die einzige spartanische Kolonie gewesen. Was ist etwa mit Lyttos, Gortyn, Melos, Selge, Kythera, Herakleia Trachinia, Kroton, Lokroi Epizephyrioi, die alle irgendwo als spartanische Kolonien überliefert sind? Der Spartanerkönig Agesilaos soll während seines Ägyptenfeldzuges 360/59 in Kyrene gestorben sein (Paus. 3,10,1). Ich sammle solche Stellen und mache vielleicht irgendwann mal etwas damit.
Den Preis der Münze finde ich völlig in Ordnung.
Nata vimpi curmi da.
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Re: Sie verlassen jetzt den griechischen Kulturkreis!
Als ich 2003 in Libyen war, bekam man nirgendwo ein Mobilfunknetz zu fassen - außer auf der Akropolis von Kyrene, bis dahin schaffte es ein griechisches.
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