Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Keltische Münzen

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antisto
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Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von antisto » Fr 03.06.16 22:17

Liebe Forumsmitglieder!
Außerordentlich ansprechend finde ich persönlich die Regenbogenschüsselchen mit dem Triskeles, die vielfach den Ubiern zugeschrieben werden.
Allerdings kann ich beim besten Willen nicht verstehen, wie diese Münzen als Zahlungsmittel in Gebrauch waren.
Wenn ich das recht übersehe, war auch bei den Kelten der Edelmetallgehalt bei Münzen recht stabil, und der Wert richtete sich bei Ag und Av Münzen nach dem Metallgehalt. Das trifft auch für die Schüsselchen der Vindeliker zu, die einen konstant hohen Goldgehalt aufweisen.
Einzig die Dreiwirbel-Statere scheinen hier eine Ausnahme zu bilden, so dass sich hier der Edelmetallgehalt im Zuge der Wanderbewegung von Süd nach Nord kontinuierlich verschlechterte. So hatten die ersten, die südlich von Marburg gefunden wurden, einen Goldgehalt von teils über 70%, die letzten aus dem Raum Bochum einen Silbergehalt von unter 20% und einen Goldgehalt gegen Null. Dazwischen war der Übergang von Gold über Elektron über Silber bis Potin fließend.
Zwar sind diese Unterschiede auch (meist) optisch zu erkennen (es gibt hier auch Weißgoldschüsselchen), aber ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie bei dieser völlig verschiedenen Metallwertigkeit der Tauschwert und damit der Handel funktionierte.
Über aufschlussreiche Diskussionsbeiträge würde ich mich freuen.
AS
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LordLindsey
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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von LordLindsey » Mi 08.06.16 16:38

Hallo Anisto,

Es ist heute sehr umstritten, ob die Regenbogensvhüsselchen überhaupt eine Zahlungsfunktion hatten. Michael Nick setzt sich hiermit in seinem Werk auseinander.

Nick geht davon aus, dass erst die silbernen quinare oder spätestens die kleinbronzen eine zahlungsmittelfunktion im Sinne des römischen geldsystems hatten. Bei den Regenbogenschüsselchen geht er eher von einem Opfergabe oder tributzahlungsfunktion aus. Die religiöse Funktion könnte auch die zahlreichen vergoldeten Stücke erklären.

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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von antisto » Mi 08.06.16 23:38

Hallo LordLindsey!
Danke für deine Antwort.
Ohne dass ich das Werk von Nick kenne, scheint mir diese Erklärung plausibel, weil sie genau diese Aporie erklärt.
In diesem Zusammenhang noch zwei Fragen:
Die Triskeles-Schüsselchen des Bochumer Fundes legen vom Erscheinungsbild die Vermutung nahe, dass hier die Münzbilder nicht geprägt, sondern gegossen wurden (flaue Ausprägung, keinerlei "Stempel"drehung). Lässt sich das bestätigen?
Die meisten dieser Münzen haben Beizeichen. In einer Abhandlung zu Münzen des Bochumer Heimatmuseums fand ich online den Hinweis auf die Beizeichen "O" bei Münzen mit geringem Silbergehalt und von "A" bei Münzen von höherem Silbergehalt.
Wenn damit eine Wertigkeit der Münzen im Sinne des Gebrauchs als Zahlungsmittel ausscheidet, welche Bedeutung haben diese Beizeichen mutmaßlich sonst? Signaturen?
Und weiter: Mir scheint, dass es noch weitere Beizeichen dieser Münzen gibt. Existiert irgendwo eine Systematik, vielleicht sogar mit Zuordnungen zu Fundorten?
Bin neugierig auf hilfreiche Kommentare!
AS
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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von docisam » Do 09.06.16 22:59

Hallo Antisto & LordLindsey,
der Edelmetallgehalt der Dreiwirbel-Statere wurde in einem Zeitraum von ca. 80 Jahren gesenkt, in denen Caesar und seine Nachfolger die Welt der Kelten in Trümmer legten. Insofern finde ich es nicht erstaunlich, dass der Feingehalt der Münzen in den Keller ging. Ich meine, dass Gewicht und Edelmetallgehalt genau festgelegt waren. Zumindest in der Anfangsphase, als es noch darauf ankam. Mit den Stateren hat man vielleicht nicht gerade seine Radieschen auf dem Markt gakauft. Aber auch für Tribut- oder Soldzahlungen war es praktisch, das Edelmetall in geanau abgemessenen Portionen zu haben.

Eine schöne Zusammenstellung findet sich bei:
Johannes Heinrichs, Ubische Quinare im Lippegebiet: ein Modell, in: J. Metzler, D. Wigg-Wolf (Hgg.), Die Kelten und Rom. Actes Table Ronde, Fond de Gras, Titelberg/Luxembourg 1998 (SFMA 19), Mainz 2005, 183 - 228. - Und dort im 'Anhang 2: Regenbogenschüsselchen der Nordgruppe (Typologische Übersicht)':
Heinrichs kl.jpg
Ansonsten möchte ich noch meinen Dreiwirbel-Stater vorstellen, der eher geprägt als gegossen ist - auch wenn der Zahn der Zeit etwas an ihm genagt hat und die Oberfläche ein wenig löchrig ist:
Münz Zentrum 160 202.jpg
Billon, 4,22 g.

http://www.numismatik-cafe.at/viewtopic ... erg#p36868

Die Legierung der Münze ist sehr schlecht durchmischt, was sehr gut damit zusammenhängen kann, dass man die Münzen in einer Notsituation und unter Zeitdruck prägte.

Viele Grüße,
Docisam

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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von Numis-Student » Fr 10.06.16 09:46

docisam hat geschrieben:Hallo Antisto & LordLindsey,
der Edelmetallgehalt der Dreiwirbel-Statere wurde in einem Zeitraum von ca. 80 Jahren gesenkt,
Ein Antoninian von Caracalla um 211 sieht auch etwas silbriger aus als ein Antoninian des Gallienus, Quintillus oder Claudius II, und das war auch nur eine Zeitspanne von etwa 50 Jahren !

Und zusätzlich sollte man sich vor Augen halten, dass man die Kelten nicht mit einem straff organisierten, zentralistisch gelenkten Römerreich vergleichen kann... Also die Währungsräume wesentlich kleinräumiger waren; die Bochumer waren sicher in Süddeutschland nicht in Umlauf, die luxemburger und hessischen ebenfalls wohl kaum. Da wäre es interessant, mal Karten mit Fundvorkommen zu sehen (und daraus Umlaufgebiete zu rekonstruieren).

Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von antisto » Fr 10.06.16 10:22

Danke für eure interessanten Beiträge.
Hilfreich ist auch der Artikel von Heinrichs in https://books.google.de/books?id=VWUjAA ... &q&f=false
S. 266ff. Leider (aber auch verständlicherweise) lässt die Leseprobe einige Seiten aus, und es fehlen auch die Tabellen, die natürlich besonders interessant wären.
AS
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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von antisto » Sa 11.06.16 23:26

Noch eine Rückfrage zu der typologischen Übersicht:
In einer Abhandlung zu Münzen des Bochumer Heimatmuseums habe ich gelesen, dass die meisten Münzen des Bochumer Fundes ein Beizeichen hätten, entweder ein O oder ein A, die anderen hätten kein Beizeichen.
Diese typologische Übersicht subsumiert unter Bochum verschiedenste Beizeichen, die meist aus Strichen und Punkten bestehen.
Wie löst sich der Widerspruch auf?
AS
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Re: Regenbogenschüsselchen als Zahlungsmittel?

Beitrag von GustavG » Di 26.07.16 08:13

könnte mir vorstellen dass dies auch der besseren Archivierung / Verwaltung der eigenen Goldbestände diente.

Ich denke wenn damit Zahlungen geleistet wurden, dann eher großvolumige Themen, bin nicht der Historiker,
aber vielleicht als Entschädigung für einen anderen Stamm, oder zur Bestechung / als Schutzgeld?!

Aus den Schüsselchen wurden womöglich auch Schmuckgegenstände hergestellt, da diese ja konstantes Gewicht und konstante Feinheit hatten?

Aussagen ohne Gewähr ^^

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