Die Archäologie (besser: viele Archäologen) beansprucht, das Sagen zu haben. Die Numismatik sei nur eine ihrer Hilfswissenschaften. Ich habe dieses Thema in unserem Forum schon mehrfach angesprochen. Meine Meinung ist, daß Archäologie und Numismatik nur wenig miteinander zu tun haben. Den Numismatiker interessieren die Fundumstände in der Regel nur wenig. Ihn interessiert die Münze als solche. Und die interessiert den Archäologen in der Regel wenig. Nachdem sie ihren Dienst getan hat zur Bestimmung der Zeitschicht und der Herkunft, ist sie für ihn nicht mehr wichtig. Ihn interessiert nicht der Stil oder die Attribute einer Gottheit. Ob der abgebildete Kaiser sich auf einen Speer oder das Szepter stützt, ist ihm egal.
Für mich ist die Archäologie eine Hilfswissenschaft der Numismatik. Sie verhilft uns zu unseren Objekten. Wobei man sich daran erinnern sollte, daß die Numismatik erheblich älter ist als die Archäologie.
Sollte man diesen Unterschied nicht auch thematisieren? Im amerikanischen Forum ist mir davon abgeraten worden. Wir sollten die Archäologen nicht verärgern! Was meint ihr dazu?
Jochen
Numismatik versus Archäologie
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Re: Numismatik versus Archäologie
Hallo Jochen,
ich muss mich da leider der Meinung aus dem US-Forum anschließen. Diese Diskussion ist vollkommen fruchtlos. Jede Wissenschaft macht sich die Ergebnisse anderer Wissenschaften zu Nutze und macht, wenn man den Begriff der Hilfswissenschaft benutzen will, diese damit zu einer Hilfswissenschaft. Als Beispiel sei hier die Physik genannt, die sich der Ergebnisse und Methoden der Mathematik bedient. Noch schlimmer ist es in den Geisteswissenschaften, da nahezu jede Geisteswissenschaft eine andere zu ihrer Hilfswissenschaft machen kann.
Selbst für einen einzigen Forscher kann sich das Verhältnis der Wissenschaftsdisziplinen je nach Fragestellung verschieben.
Das ändert aber alles nichts daran, dass die weit überwiegende Mehrheit der im Handel befindlichen Münzen aus Antike und Mittelalter, auch ohne überlieferten Kontext, legel gehandelt wird und auch nicht aus illegalen Aktivitäten stammt.
Viele Grüße
Andechser
ich muss mich da leider der Meinung aus dem US-Forum anschließen. Diese Diskussion ist vollkommen fruchtlos. Jede Wissenschaft macht sich die Ergebnisse anderer Wissenschaften zu Nutze und macht, wenn man den Begriff der Hilfswissenschaft benutzen will, diese damit zu einer Hilfswissenschaft. Als Beispiel sei hier die Physik genannt, die sich der Ergebnisse und Methoden der Mathematik bedient. Noch schlimmer ist es in den Geisteswissenschaften, da nahezu jede Geisteswissenschaft eine andere zu ihrer Hilfswissenschaft machen kann.
Selbst für einen einzigen Forscher kann sich das Verhältnis der Wissenschaftsdisziplinen je nach Fragestellung verschieben.
Da muss ich nun aber wirklich widersprechen. Gerade der Fundkontext ist für einen ernsthaften, wissenschaftlichen Numismatiker von enormer Bedeutung. Gerade in der mittelalterlichen Numismatik, wie auch in Teilen der Keltennumismatik, ist der Fundkontext die beste oder zum Teil die einzige Möglichkeit genauere Aussagen zum Prägeort und zur Datierung machen zu können. Deswegen werden ja auch die gemeldeten Schatzfunde in Deutschland in der Datenbank der Numismatischen Kommission gesammelt und der Forschung zur Verfügung gestellt.Peter43 hat geschrieben:Den Numismatiker interessieren die Fundumstände in der Regel nur wenig. Ihn interessiert die Münze als solche.
Das ändert aber alles nichts daran, dass die weit überwiegende Mehrheit der im Handel befindlichen Münzen aus Antike und Mittelalter, auch ohne überlieferten Kontext, legel gehandelt wird und auch nicht aus illegalen Aktivitäten stammt.
Viele Grüße
Andechser
Re: Numismatik versus Archäologie
Wieso kann man Archäologen verärgern, wenn man mit Ihnen wissenschaftlich diskutieren möchte? Eine Münze oder Medaille ist ein Dokument, welches mir Aussagen in vieler Hinsicht geben kann, je nach dem in welchem Zusammenhang ich das Objekt heran ziehe. Die Numismatik kann für sich allein betrachtet werden und auch als Hilfsdisziplin für andere Fächer. Mir ist egal welche Methodik mir bei der Lösung einer Problemstellung hilft, auf die Lösung kommt es an.Peter43 hat geschrieben:Sollte man diesen Unterschied nicht auch thematisieren? Im amerikanischen Forum ist mir davon abgeraten worden. Wir sollten die Archäologen nicht verärgern! Was meint ihr dazu?
Jochen
Ich bin Naturwissenschaftler und Numismatiker! Ich bin einem Archäologen wissenschaftlich bei der Lösung eines wissenschaftlichen Problems mindestens gleichwertig. Also, wenn ein Archäologe eine Grundlage sieht mit mir wissenschaftlich zu diskutieren, so kann er dies gerne tun. Warum sollte dieser (diese) dann verärgert reagieren? Würde in mir nur den Eindruck der Unwissenschaftlichkeit erwecken. Aber dies ist nur Hypothese, denn mir hat sich noch nie ein Archäologe/in vorgestellt. Und auch die Archäologen sind von anderen Berufsgruppen der Gesellschaft abhängig wie ich es bin.
cogito ergo sum
Re: Numismatik versus Archäologie
Ich kann Andechser nur beipflichten: In der keltischen Numismatik können nur Numismatiker erfolgreich sein, die auch archäologisch denken. Und Archäologen, die nicht mit Numismatikern zusammenarbeiten, vernachlässigen einen wichtigen Teil ihrer Quellen. Einige Forscher - und zwar mit die erfolgreichsten - sind Numismatiker und Archäologen in einer Person:
http://oxford.academia.edu/PhilipdeJersey
http://independent.academia.edu/LouisPolDelestr%C3%A9e (hat über neolithische Scheibenbeile gearbeitet)
http://cnrs.academia.edu/MichelFEUGERE
Eine sehr schöne Synthese ist z.B. auch dieses Buch:
https://www.academia.edu/3371390/Monnai ... e_av._J.-C
Es gab und gibt auch noch archäologisch denkende Numismatiker, die zugleich auch Sammler waren und sind, wie Derek Allen, oder Frau Simone Scheers, die sich hoffentlich guter Gesundheit erfreut.
Schaut mal das Kapitel über den Schatzfund von Fraire an (z.B. Nrn. 40, 96, 98 der Fundliste) in folgendem Buch:
N. Roymans / G. Creemers / S. Scheers, Late Iron Age Gold Hoards from the Low Countries and the Caesarian Conquest of Northern Gaul (Amsterdam 2012).
https://books.google.de/books?id=lIJiKn ... 22&f=false
Wenn man das Buch liest (das sehr schön gemacht und in jeglicher Hinsicht sehr zu empfehlen ist) hat man ohnehin den Eindruck, als ob in den Niederlanden Archäologen, Numismatiker und Sucher / Sammler einigermaßen entspannt und respektvoll miteinander umgingen. Anscheinend zu allerseitigem Nutzen.
Viele Grüße,
Docisam
http://oxford.academia.edu/PhilipdeJersey
http://independent.academia.edu/LouisPolDelestr%C3%A9e (hat über neolithische Scheibenbeile gearbeitet)
http://cnrs.academia.edu/MichelFEUGERE
Eine sehr schöne Synthese ist z.B. auch dieses Buch:
https://www.academia.edu/3371390/Monnai ... e_av._J.-C
Es gab und gibt auch noch archäologisch denkende Numismatiker, die zugleich auch Sammler waren und sind, wie Derek Allen, oder Frau Simone Scheers, die sich hoffentlich guter Gesundheit erfreut.
Schaut mal das Kapitel über den Schatzfund von Fraire an (z.B. Nrn. 40, 96, 98 der Fundliste) in folgendem Buch:
N. Roymans / G. Creemers / S. Scheers, Late Iron Age Gold Hoards from the Low Countries and the Caesarian Conquest of Northern Gaul (Amsterdam 2012).
https://books.google.de/books?id=lIJiKn ... 22&f=false
Wenn man das Buch liest (das sehr schön gemacht und in jeglicher Hinsicht sehr zu empfehlen ist) hat man ohnehin den Eindruck, als ob in den Niederlanden Archäologen, Numismatiker und Sucher / Sammler einigermaßen entspannt und respektvoll miteinander umgingen. Anscheinend zu allerseitigem Nutzen.
Viele Grüße,
Docisam
Re: Numismatik versus Archäologie
Zur Abwechslung mal was angenehmens... zwei aktuelle Beispiele, wie man Münzen mit ihrem Fundkontext präsentieren kann:
1. Citta dell'Acqua - Roma
2. Palazzo Altemps (Museo Nazionale Romano), Sonderausstellung Evan Gorga, Il Collezionista
1. Citta dell'Acqua - Roma
2. Palazzo Altemps (Museo Nazionale Romano), Sonderausstellung Evan Gorga, Il Collezionista
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Re: Numismatik versus Archäologie
Man möchte hoffen das in 20-30-40-50 Jahren (je kürzer je besser) Numismatiker und Archaeologen schaudernd auf unser 2. Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts zurückblicken werden, und während dann wieder guter Zusammenarbeit unserer Zeit gedenken werden, als Hardliner und Dogmatiker im Westen wie im Osten sowohl die jahrhunderte alte fruchtbare Kooperation zwischen Forschung und Sammlern zerstören wollten, als auch die Fundorte selbst mit Dynamit dem Erdboden gleich gemacht wurden. Wie es scheint hat leider jede Generation ihre Bürde zu tragen, wir sind auch dran...
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