Alte Marken und Zeichen und Ihr Hintergrund

Privat ausgegebene Münzen, Notgeld und Münzersatzmittel

Moderator: KarlAntonMartini

MartinH
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Re: Alte Marken und Zeichen und Ihr Hintergrund

Beitrag von MartinH » Mi 13.08.25 13:09

An anderer Stelle in diesem Forum hatte ich über eine Fürther Almosenmarke aus dem Jahr 1770 und der zu der Zeit grassierenden Hungersnot geschrieben (viewtopic.php?f=51&t=48033&p=632849&hil ... th#p632849).

Aus gleichem Anlass verteilte der Magistrat der Stadt München diese churfürstlichen Marken 1771 (zur Zeit von Maximilian III. Joseph) kostenlos unter den Armen:
M1.jpg
28 mm, 8,59 g
Kull 196, Witt. 2231, Slg. Brett. 1960, Neumann 6190, Hasselmann 648 II, Stahl –
M2.jpg
26 mm, 7,08 g
Kull 197, Witt. 2232, Slg. Brett. 1960, Neumann 6191, Hasselmann 648 I, Stahl 664

Die nahezu gesamteuropäischen Hungerjahre 1771/72 entstanden durch zwei aufeinanderfolgende Missernten (Folge von starkem Regen). In Bayern war es eine der letzten großen Hungerkrisen. Kornpreise hatten sich mehr als verzehnfacht und neben Hunger traten vermerkt Krankheiten (Verbreitung Mutterkorn, minderwertige Nahrung) auf.

Es gibt einige numismatische Belege für die Teuerung in der Zeit, u.a. auch ein eindrucksvoller Fürther Rechenpfennig von 1772, nach dem ein Pfund Brot 12 Kreuzer kostete (https://www.ma-shops.de/koelnermuenzkab ... ?id=100740) oder eine Zinnmedaille der Sachsen-Albertinischen Linie ( https://www.ma-shops.de/loebbers/item.php?id=230816009).

Wie genau die Marken verwendet wurden, ist mir leider nicht bekannt.

Literatur:
Kink, Barbara: Ernährung; in Historisches Lexikon Bayern; https://www.historisches-lexikon-bayern ... e_Neuzeit)

Pestalozzi-Verein (Hrsg.): Bunte Bilder aus dem Sachsenland, Bd I, 1902. Kapitel 87 Die Hungersnot im sächsischen Erzgebirge in den Jahren 1771 und 1772. http://andreas-romeyke.de/BunteBilder/b ... /ch87.html

Böning, Karl: Die Auswirkungen der Hungerjahre 1770-1772 auf die letzte Großepidemie der Mutterkornseuche und die damals und in der Folgezeit veranlassten Gegenmaßnahmen. https://www.openagrar.de/servlets/MCRFi ... 72-029.pdf
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MartinH
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Re: Alte Marken und Zeichen und Ihr Hintergrund

Beitrag von MartinH » Sa 23.08.25 16:57

Nachstehende Marke war vom Auktionshaus aufgrund der 3 Kronen Schweden zugeordnet, was aber nicht korrekt ist. Es handelt sich um eine Armenmarke der Danziger Brüderschaft „Heilige 3 Könige Bank“ aus dem Jahre 1771:
Danzig.jpg
32 mm, 10,28 g
Hutten-Czapski 7881, Slg. Marienburg 8798, Dutkowski/Suchanek 722

Die Brüderschaft existiert noch heute, hat Ihren Sitz nach dem Ende des 2. Weltkrieges nach Lübeck verlegt.

Bankenbrüderschaften in Danzig
Vor über 600 Jahren bildeten Kaufleute und Schiffer in der Hansestadt Danzig eine Vereinigung, die „die gemeine Gilde“. Sie trafen sich im Artushof, um Informationen über ihre Handelsreisen auszutauschen und die Geselligkeit zu pflegen. Aus den durch landsmannschaftliche Herkunft geprägten Tischrunden (Banken) bildeten sich Ende des 15. Jahrhunderts selbständige Brüderschaften. Sitzgruppen aus langen Tischen und Bänken förderten das Zusammenwachsen der Brüderschaften. Aus den Tischrunden wurden „Bankenbrüderschaften“ oder kurz „Banken“.

Zur Namensgebung der Banken
Die meisten Banken nannten sich nach ihrem Schutzpatron, wie das dem damaligen christlichen Weltbild entsprach. Die St. Reinholds-Bank wird 1481 das erste Mal erwähnt; westfälische Kaufleute waren wohl ihre ersten Brüder. Die ehemals Lübische Bank benennt sich in ihrem Statut von 1482 nach St. Christophorus. Die Heilige Drei Könige Bank ist seit 1483 nachweisbar. Ihr Name weist auf Verbindungen zu Kaufleuten aus Köln hin. Da Köln das Zentrum der Verehrung der Heiligen Drei-König war, ist ein Einfluss bei der Wahl des Patronats wahrscheinlich. Von der vierten Bank der Banken- Brüderschaften, der „Unter (der) Marienburg“, wird 1487 berichtet. Diese Brüderschaft saß im Artushof unter dem Gemälde der Marienburg und ergänzte später ihren Namen um den Zusatz „zu unserer lieben Frauen Rosenkranz“.

Wirken der Banken
Entsprechend der mittelalterlichen Lebensart verstanden sich die Banken zunächst als religiöse Gebetsbrüderschaften. Sie richteten eigene Kapellen in Kirchen und Klöstern ein und hielten dort mit eigens angestellten Priestern Gottesdienste ab. Den Charakter von Gebetsbrüderschaften legten sie aber nach der Reformation ab. Schon bei ihrer Gründung unter dem Dach des Artushofes waren Standesinteressen und das Bedürfnis nach Informationsaustausch in den Vordergrund getreten. Ihre Aufgaben sahen sie aber weiterhin in der sozialen und religiösen Fürsorge. Die soziale Fürsorge für die Armen und in Not geratene Brüder oder deren Angehörige war über Jahrhunderte eine Hauptaufgabe, bis der Staat in die soziale Fürsorge eintrat. Die Banken förderten namhafte Künstler in ihrer Heimatstadt, indem sie den Artushof und die Kapellen ausgestalten ließen. Im 19. Jahrhundert beschäftigten die Banken Historiker, um die Geschichte der Banken und die der Stadt aufzuarbeiten.

Heutige Aufgaben sind i.W. kultureller Natur.

Literatur:
https://www.bankenbrueder.de/tl_files/u ... uebeck.pdf

Zakrezewski, Stefan: Der Tradition verbunden und der Zukunft verpflichtet : die Brüderschaften des Danziger Artushofes, Studia Germanica Gedanensia 31, 289-300, 2014.
https://bazhum.muzhp.pl/media//files/St ... 89-300.pdf
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