Mythologisch interessante Münzen
Moderator: Homer J. Simpson
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Pyramus und Thisbe
Manchmal kommt man bei den Recherchen nach dem mythologischem Hintergrund einer Münze zu unerwarteten Ergebnissen. Das ist mir hier passiert. Aber zunächst die Münze:
Kilikien, Hierapolis-Kastabala, 2.-1.Jh. v.Chr.
AE 22, 5.33g
Av.: Kopf der Stadtgöttin (Tyche), drapiert und verschleiert, mit Mauerkrone, n.r.
Rv.: IERO / POLITWN / TWN PROC TW / PYRAMW
Flußgott Pyramos, in den Wellen n.r. schwimmend, li Arm vorgestreckt, in der re Hand
einen Adler haltend.
Ref.: BMC 3; SNG Copenhagen 144; SNG Levante 1569; SNG von Aulock 5571; SNG
France 2217; SNG BN Paris 2212-13
gut S, braune Patina mit irdenen Highlights
Mythologie:
Pyramus und Thisbe sind ein babylonisches Liebespaar. Sie bewohnten benachbarte Häuser, kannten sich seit ihrer Kindheit und hatten sich ineinander verliebt. Aber ihre Väter verboten ihnen die Heirat. Ihre Liebe allerdings konnten sie ihnen nicht verbieten. Die gemeinsame Wand ihrer Häuser hatte einen alten Riß. Da standen sie oft und gestanden sich ihre Liebe. Als ihre Sehnsucht übergroß geworden war, beschlossen sie, ihre Wärter zu täuschen, in der Dunkelheit das Haus durch die Tür zu verlassen, und sich vor der Stadt am Grab des Ninus unter einem Maulbeerbaum zu treffen. Thisbe kam als erste zu der verabredeten Stelle. Als sie noch auf Pyramus wartete, kam eine Löwin, die gerade Rinder gerissen hatte und jetzt ihren Durst an der benachbarten Quelle stillen wollte. Voll Furcht flüchtete Thisbe in die Grabhöhle, verlor dabei aber ihre Rückengewänder. Die Löwin zerfetzte diese mit blutigem Rachen, bevor sie in den Wald zurückkehrte. Als Pyramus etwas später an die Stelle kam, sah er die Löwenspuren und das blutige, zerfetzte Kleidungsstück, dachte, daß Thisbe von dem Raubtier gefressen worden sei, und klagend und voller Trauer nahm er sein Schwert und durchbohrte sich. Das Blut aus seiner Wunde sprang hoch und färbte die Maulbeeren, die vorher weiß waren, bis heute rot. Thisbe kam aus ihrer Höhle zurück an den verabredete Ort, war unsicher, weil der Baum jetzt rote Früchte trug, aber erkannte dann ihren toten Geliebten. Verzweifelt drückte sie ihn an sich, klagte und raufte sich die Haare. Dann, um wenigstens im Tode mit ihrem Geliebten vereint zu sein, stürzte sie sich in das Schwert des Pyramus, das noch von seinem Blute warm war.
Anmerkung: König Ninus von Assyrien war der Gemahl der Semiramis, die ihm nach seinem Tod ein großes Grabmahl errichten ließ.
Hintergrund:
Obwohl uns die Geschichte von Pyramus und Thisbe von Ovid überliefert wurde, gehört sie eigentlich nicht zur römischen Mythologie. Es ist eine sentimentale Romanze hellenistischen Ursprungs und spielt in Babylon. Über den Zusammenhang mit dem Fluß Pyramus in Kilikien werden wir noch hören! Zuerst ist diese Geschichte erzählt worden von Hyginus (Fabulae 242), aber schöner dann von Ovid (Metamorphosen 4), ja es ist eine seiner schönsten Geschichten, nicht so sehr durch ihre Spannung, als viel mehr durch die zahlreichen poetischen Details. In der Antike war Pyramus und Thisbe das Musterbeispiel für unglückliche Liebe. In der Spätantike wurde es vom Christentum, insbesondere von Augustinus, verurteilt wegen der positiven Hervorhebung erotischer Leidenschaft, ein Urteil, das seine spätere Verarbeitung negativ beeinflussen sollte. Benutzt wurde es u.a. aber von Shakespeare als Plot für 'Romeo und Julia' und dann noch einmal als Subplot in 'Ein Mittsommernachtstraum'. So hat Romeo und Julia heute Pyramus und Thisbe als Paradigma unglücklicher Liebe abgelöst.
Der Fluß in Kilikien:
Der Pyramos, heute Ceyhan Nehri, ist der östlichste der drei Hauptströme Kilikiens (die anderen sind der Kydnos und der Saros). Er entspringt in Kataonia und mündet im Golf von Issos (heute Iskenderun) ins Mittelmeer. Infolge seiner starker Sedimentationsablagerung hat der Pyramos sein Bett besonders in seinem zeitweise schiffbaren Unterlauf häufig verändert, so daß z.B. die Stätte der in antiken Zeiten links des Flusses liegenden Stadt Mallos heute auf seinem re. Ufer zu finden ist, und die Küstenlinie stetig ins Meer hinausgeschoben. Da das Kernland von Kilikien Hauptdurchgangsgebiet für den Verkehr zwischen Kleinasien und Syrien war, haben die kilikischen Flüsse und mit ihnen auch der Pyramos im Laufe der Geschichte mehrfach als Wasserbarriere auf diesem Weg gewirkt und in dieser Funktion bei den antiken Schriftstellern häufig Erwähnung gefunden (Pauly).
Und jetzt kommen wir zurück zur Frage: Was hat die Geschichte von Pyramus und Thisbe mit dem Fluß in Kilkien zu tun? Und die Antwort ist einfach und klar: Nichts, rein garnichts! Es ist nur eine zufällige Übereinstimmung der Namen. Interessant ist aber, daß auf diese Namensgleichheit auch andere hereingefallen sind. Dazu betrachtet bitte das nächste Mosaik.
Kunstgeschichte:
Dieses Mosaik wurde im Haus des Dionysos in Paphos auf Zypern gefunden. Es ist besonders interessant, weil es einen seltenen und erheblichen Fehler darstellt. Das Mosaik stellt augenscheinlich eine Szene aus der Geschichte von Pyramus und Thisbe dar, und zwar den Augenblick ihres schicksalshaften Treffens, das dann in ihrem Doppelselbstmord endet.
Das Problem mit diesem Mosaik besteht darin, daß der Künstler, anstatt daß er Pyramus zeigt, der Selbstmord macht, weil er dachte, Thisbe sei von einer Großkatze gefressen worden (in diesem Mosaik ist es ein Leopard), fälschlicherweise den Flußgott Pyramos abbildet mit seinem Seegrashaar und einem Cornucopiae im Arm. Wahrscheinlich kannte der Künstler die Geschichte von Pyramus und Thisbe nicht, sondern hatte ein Vorlagenbuch mit Standardmotiven, aus dem er den falschen Pyramos wählte!
Dieses Thema wurde auch in der Neuzeit von vielen Künstlern aufgegriffen. Ich erwähne hier Hans Baldung Grien (1484-1545), Albrecht Altdorfer (1480-1538), Lucas Cranach (1472-1553), Nicolas Poussin (1593-1665), Gaspard Poussin (1615-1675), Peter Paul Rubens (1577-1640), Rembrandt (1606-1669), John William Waterhouse (1849-1917)
Ausgewählt habe ich das Gemälde 'Thisbe' von John William Waterhouse (1849-1917), das nicht wie gewöhnlich die Sterbeszene zeigt, sondern Thisbe, die an der Wand steht, um mit Pyramus zu sprechen.
Quellen:
Ovid, Metamorphosen
http://www.romanum.de/main.php?show=ueb ... ramus.html
Der Kleine Pauly
Mit freundlichem Gruß
Manchmal kommt man bei den Recherchen nach dem mythologischem Hintergrund einer Münze zu unerwarteten Ergebnissen. Das ist mir hier passiert. Aber zunächst die Münze:
Kilikien, Hierapolis-Kastabala, 2.-1.Jh. v.Chr.
AE 22, 5.33g
Av.: Kopf der Stadtgöttin (Tyche), drapiert und verschleiert, mit Mauerkrone, n.r.
Rv.: IERO / POLITWN / TWN PROC TW / PYRAMW
Flußgott Pyramos, in den Wellen n.r. schwimmend, li Arm vorgestreckt, in der re Hand
einen Adler haltend.
Ref.: BMC 3; SNG Copenhagen 144; SNG Levante 1569; SNG von Aulock 5571; SNG
France 2217; SNG BN Paris 2212-13
gut S, braune Patina mit irdenen Highlights
Mythologie:
Pyramus und Thisbe sind ein babylonisches Liebespaar. Sie bewohnten benachbarte Häuser, kannten sich seit ihrer Kindheit und hatten sich ineinander verliebt. Aber ihre Väter verboten ihnen die Heirat. Ihre Liebe allerdings konnten sie ihnen nicht verbieten. Die gemeinsame Wand ihrer Häuser hatte einen alten Riß. Da standen sie oft und gestanden sich ihre Liebe. Als ihre Sehnsucht übergroß geworden war, beschlossen sie, ihre Wärter zu täuschen, in der Dunkelheit das Haus durch die Tür zu verlassen, und sich vor der Stadt am Grab des Ninus unter einem Maulbeerbaum zu treffen. Thisbe kam als erste zu der verabredeten Stelle. Als sie noch auf Pyramus wartete, kam eine Löwin, die gerade Rinder gerissen hatte und jetzt ihren Durst an der benachbarten Quelle stillen wollte. Voll Furcht flüchtete Thisbe in die Grabhöhle, verlor dabei aber ihre Rückengewänder. Die Löwin zerfetzte diese mit blutigem Rachen, bevor sie in den Wald zurückkehrte. Als Pyramus etwas später an die Stelle kam, sah er die Löwenspuren und das blutige, zerfetzte Kleidungsstück, dachte, daß Thisbe von dem Raubtier gefressen worden sei, und klagend und voller Trauer nahm er sein Schwert und durchbohrte sich. Das Blut aus seiner Wunde sprang hoch und färbte die Maulbeeren, die vorher weiß waren, bis heute rot. Thisbe kam aus ihrer Höhle zurück an den verabredete Ort, war unsicher, weil der Baum jetzt rote Früchte trug, aber erkannte dann ihren toten Geliebten. Verzweifelt drückte sie ihn an sich, klagte und raufte sich die Haare. Dann, um wenigstens im Tode mit ihrem Geliebten vereint zu sein, stürzte sie sich in das Schwert des Pyramus, das noch von seinem Blute warm war.
Anmerkung: König Ninus von Assyrien war der Gemahl der Semiramis, die ihm nach seinem Tod ein großes Grabmahl errichten ließ.
Hintergrund:
Obwohl uns die Geschichte von Pyramus und Thisbe von Ovid überliefert wurde, gehört sie eigentlich nicht zur römischen Mythologie. Es ist eine sentimentale Romanze hellenistischen Ursprungs und spielt in Babylon. Über den Zusammenhang mit dem Fluß Pyramus in Kilikien werden wir noch hören! Zuerst ist diese Geschichte erzählt worden von Hyginus (Fabulae 242), aber schöner dann von Ovid (Metamorphosen 4), ja es ist eine seiner schönsten Geschichten, nicht so sehr durch ihre Spannung, als viel mehr durch die zahlreichen poetischen Details. In der Antike war Pyramus und Thisbe das Musterbeispiel für unglückliche Liebe. In der Spätantike wurde es vom Christentum, insbesondere von Augustinus, verurteilt wegen der positiven Hervorhebung erotischer Leidenschaft, ein Urteil, das seine spätere Verarbeitung negativ beeinflussen sollte. Benutzt wurde es u.a. aber von Shakespeare als Plot für 'Romeo und Julia' und dann noch einmal als Subplot in 'Ein Mittsommernachtstraum'. So hat Romeo und Julia heute Pyramus und Thisbe als Paradigma unglücklicher Liebe abgelöst.
Der Fluß in Kilikien:
Der Pyramos, heute Ceyhan Nehri, ist der östlichste der drei Hauptströme Kilikiens (die anderen sind der Kydnos und der Saros). Er entspringt in Kataonia und mündet im Golf von Issos (heute Iskenderun) ins Mittelmeer. Infolge seiner starker Sedimentationsablagerung hat der Pyramos sein Bett besonders in seinem zeitweise schiffbaren Unterlauf häufig verändert, so daß z.B. die Stätte der in antiken Zeiten links des Flusses liegenden Stadt Mallos heute auf seinem re. Ufer zu finden ist, und die Küstenlinie stetig ins Meer hinausgeschoben. Da das Kernland von Kilikien Hauptdurchgangsgebiet für den Verkehr zwischen Kleinasien und Syrien war, haben die kilikischen Flüsse und mit ihnen auch der Pyramos im Laufe der Geschichte mehrfach als Wasserbarriere auf diesem Weg gewirkt und in dieser Funktion bei den antiken Schriftstellern häufig Erwähnung gefunden (Pauly).
Und jetzt kommen wir zurück zur Frage: Was hat die Geschichte von Pyramus und Thisbe mit dem Fluß in Kilkien zu tun? Und die Antwort ist einfach und klar: Nichts, rein garnichts! Es ist nur eine zufällige Übereinstimmung der Namen. Interessant ist aber, daß auf diese Namensgleichheit auch andere hereingefallen sind. Dazu betrachtet bitte das nächste Mosaik.
Kunstgeschichte:
Dieses Mosaik wurde im Haus des Dionysos in Paphos auf Zypern gefunden. Es ist besonders interessant, weil es einen seltenen und erheblichen Fehler darstellt. Das Mosaik stellt augenscheinlich eine Szene aus der Geschichte von Pyramus und Thisbe dar, und zwar den Augenblick ihres schicksalshaften Treffens, das dann in ihrem Doppelselbstmord endet.
Das Problem mit diesem Mosaik besteht darin, daß der Künstler, anstatt daß er Pyramus zeigt, der Selbstmord macht, weil er dachte, Thisbe sei von einer Großkatze gefressen worden (in diesem Mosaik ist es ein Leopard), fälschlicherweise den Flußgott Pyramos abbildet mit seinem Seegrashaar und einem Cornucopiae im Arm. Wahrscheinlich kannte der Künstler die Geschichte von Pyramus und Thisbe nicht, sondern hatte ein Vorlagenbuch mit Standardmotiven, aus dem er den falschen Pyramos wählte!
Dieses Thema wurde auch in der Neuzeit von vielen Künstlern aufgegriffen. Ich erwähne hier Hans Baldung Grien (1484-1545), Albrecht Altdorfer (1480-1538), Lucas Cranach (1472-1553), Nicolas Poussin (1593-1665), Gaspard Poussin (1615-1675), Peter Paul Rubens (1577-1640), Rembrandt (1606-1669), John William Waterhouse (1849-1917)
Ausgewählt habe ich das Gemälde 'Thisbe' von John William Waterhouse (1849-1917), das nicht wie gewöhnlich die Sterbeszene zeigt, sondern Thisbe, die an der Wand steht, um mit Pyramus zu sprechen.
Quellen:
Ovid, Metamorphosen
http://www.romanum.de/main.php?show=ueb ... ramus.html
Der Kleine Pauly
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Zuletzt geändert von Peter43 am Di 26.02.08 11:06, insgesamt 3-mal geändert.
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Der Genius
Besonders zur Zeit der Tetrarchen treten eine ganze Reihe von Münzen auf, die den Genius zeigen, als Genius Populi Romani, Genius Augusti, Genius Imperatori, Genius Militum usw. Deshalb wird es Zeit, etwas über diese eigenartige Gottheit zu erzählen. Doch zunächst 2 dieser Münzen:
1. Münze:
Maximinus II. Daia, 309-313
AE - Follis (AE 2), 23mm, 4.80g
London, 1.Offizin, 310-312 n.Chr.
Av.: IMP MAXIMINVS PF AVG
Büste, cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: GENIO - POP ROM
Jugendlicher Genius, mit Mauerkrone, nackt bis auf Himation über der li Schulter und
der Hüfte, hält im li Arm Cornucopiae und in der ausgestreckten Rechten Patera
im re Feld Stern
im Abschnitt PLN
Ref.: RIC VI, London 209(b); C.58
VZ
Die Mauerkrone sieht hier eher aus wie eine Brustwehr!
2. Münze:
Maximinus II. Daia, 309-313
AE - Follis (AE 2), 21.1mm, 5.05g
Alexandria, 1. Offizin 312/13
Av.: IMP C GAL VAL MAXIMINVS PF AVG
Belorbberter Kopf n.r.
Rv.: GENIO - AVGVSTI
Genius, nackt, Chlamys über der li Schulter, Modius auf dem Kopf, frontal stehend, Kopf
n.l., hält i li Arm Cornucopiae und in der ausgestreckten Rechten bärtigen Kopf des
Serapis mit Modius
im li Feld übereinander Stern / N / Palmzweig
im re Feld A
im Abschnitt ALE
Ref.: RIC VI, Alexandria 160(b); C.29
VF, hübsche Sandpatina
Mythologie:
Der Name soll von lat. gignere stamme, weil jedem bei der Zeugung diese Gottheit beigegeben oder er unter seinen Schutz genommen wird (Varro), oder er uns selbst zeugt oder mit uns selbst gezeugt wird (Apuleius).
Klar, daß die Römer versuchten, den Genius in ihre Mythologie einzuordnen. Seine Eltern sollen Juppiter und Gaea gewesen sein, die ihn geboren habe, nachdem Juppiter ihn im Schlaf gezeugt habe; weswegen er von beiderlei Geschlechte sei. Andere meinen, daß er ein Sohn der Götter und der Vater der Menschen sei. Jedenfalls glauben alle, daß die Genii - es gibt viele von ihnen! - eine mittlere Stellung zwischen den Göttern und den Menschen innehaben. Sobald ein Mensch geboren werde, würden ihm sofort ein oder auch zwei Genii beigegeben, ein weißer guter und ein schwarzer böser. Jener gebe dem Menschen alle guten Gedanken ein, dieser aber mache das Gegenteil. Je nachdem welcher Genius stärker sei, würde auch das Wesen des betreffenden Menschen geprägt. Die Genii gab es nur bei Männern. Bei Frauen waren es die Junones. Sie blieben bei dem Menschen bis zu seinem Tode, wo sie ihn den Göttern übergaben. Nach anderen habe jeder Mensch auch nur einen Genius. Sie überlieferten den Menschen dem Gericht und tadelten ihn, wenn er dort nicht die Wahrheit sagte, lobten ihn aber, wenn er er bei der Wahrheit blieb.Nach ihm wurde dann der Urteilsspruch über den Menschen gefällt, da er alle seine geheimsten Gedanken wußte. Diese Schutzgeister besaßen auch ganze Familien, Städte und Länder. Der Genius der Stadt Rom hatte ein goldenes Standbild in der VIII. Region.
Seinem Genius erwies jeder seine Ehre, insbesondere am Geburtstag, an dem er ihm Opfer darbrachte, jedoch nur aus Blumen und Wein. An diesem Tag durfte nämlich kein Tier getötet werden. Ein Schwur beim Genius des Kaisers war der unverbrüchlichste Eid, als habe man bei Juppiter selbst geschworen. Einige glaubten, daß der Genius identisch sei mit dem Animus, andere, daß er tatsächlich der Verstand des Menschen sei. Da aber auch Berge, Sümpfe, Seen, Brunnen, Täler, Haine, Wälder ihre Schutzengel gehabt haben sollen, so kann man annehmen, daß es tatsächlich ein erdichtetes Wesen war, um den Menschen in Furcht zu setzen und von Lastern abzuhalten (Hederich)
Hintergrund:
Genius ist die dem Manne innewohnende 'Macht', die sich nicht nur in der Zeugungskraft manifestiert, sondern umfassend die Persönlicheit an sich bezeichnet. Es ist weder 'Seele' noch 'Leben'. Es ist jedem eigen und erlischt mit dem Tode. Es ist also eine Art Wirkungsprinzip, das auch Kollektive wie Truppenteile, Kollegien usw. haben konnten. Es wird aber auch Örtlichkeiten, wie Provinzen oder Städten zugesprochen. Macht und Ansehen des pater familias erklären, daß das Gesinde dessen Genius verehrte und bei ihm schwur. Der Eid beim Genius des Kaisers wurde üblich im privaten und öffentlichen Bereich; Meineid war ein Majestätsverbrechen. Der Begriff des Genius Augusti war eine Gelegenheit, dem Kaiser göttliche Attribute zuzusprechen, ohne ihn direkt zum Gott zu machen!
Das Bedürfnis nach Schutz führte zur Vorstellung des Genius als Schutzgeist, wobei unklar bleibt, ob er dem Menschen immanent ist oder eine eigene Existenz hat. Später vermischen sich diese Vorstellungen mit der Seelenvorstellung, wie Grabinschriften belegen. Aus der Vorstellung des Genius als Summe der Persönlichkeit entwickelte sich der Gedanke an den Genius der Götter: Genius Iovi. Dies setzt voraus, daß die Gottheit voll personifiziert gesehen wurde.
Bedeutsam ist der Genius Populi Romani, der nicht einfach als römische Umformung der griechischen Stadttyche gesehen werden darf. Am 9. Oktober war das Fest für den Genius publicus. Die spätere Schlangengestalt war eine Vermengung mit der bekannten Inkarnations- und Seelenvorstellung. Der Genius sei zwar an den Menschen gebunden, aber nicht mit ihm identisch. Das Leben entstehe 'durch Hizutreten des Genius', der es auch fortwährend erhält. Man sieht klar, daß die Antike ihre Schwierigkeiten hatte mit der Deutung des Genius. Seine Verehrung ist aber lebendig geblieben bis zum Beginn des Christentums.
Quellen:
Der Kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
John Melville Jones, A Dictionary of Ancient Roman coins
Wikipedia
Mit freundlichem Gruß
Besonders zur Zeit der Tetrarchen treten eine ganze Reihe von Münzen auf, die den Genius zeigen, als Genius Populi Romani, Genius Augusti, Genius Imperatori, Genius Militum usw. Deshalb wird es Zeit, etwas über diese eigenartige Gottheit zu erzählen. Doch zunächst 2 dieser Münzen:
1. Münze:
Maximinus II. Daia, 309-313
AE - Follis (AE 2), 23mm, 4.80g
London, 1.Offizin, 310-312 n.Chr.
Av.: IMP MAXIMINVS PF AVG
Büste, cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: GENIO - POP ROM
Jugendlicher Genius, mit Mauerkrone, nackt bis auf Himation über der li Schulter und
der Hüfte, hält im li Arm Cornucopiae und in der ausgestreckten Rechten Patera
im re Feld Stern
im Abschnitt PLN
Ref.: RIC VI, London 209(b); C.58
VZ
Die Mauerkrone sieht hier eher aus wie eine Brustwehr!
2. Münze:
Maximinus II. Daia, 309-313
AE - Follis (AE 2), 21.1mm, 5.05g
Alexandria, 1. Offizin 312/13
Av.: IMP C GAL VAL MAXIMINVS PF AVG
Belorbberter Kopf n.r.
Rv.: GENIO - AVGVSTI
Genius, nackt, Chlamys über der li Schulter, Modius auf dem Kopf, frontal stehend, Kopf
n.l., hält i li Arm Cornucopiae und in der ausgestreckten Rechten bärtigen Kopf des
Serapis mit Modius
im li Feld übereinander Stern / N / Palmzweig
im re Feld A
im Abschnitt ALE
Ref.: RIC VI, Alexandria 160(b); C.29
VF, hübsche Sandpatina
Mythologie:
Der Name soll von lat. gignere stamme, weil jedem bei der Zeugung diese Gottheit beigegeben oder er unter seinen Schutz genommen wird (Varro), oder er uns selbst zeugt oder mit uns selbst gezeugt wird (Apuleius).
Klar, daß die Römer versuchten, den Genius in ihre Mythologie einzuordnen. Seine Eltern sollen Juppiter und Gaea gewesen sein, die ihn geboren habe, nachdem Juppiter ihn im Schlaf gezeugt habe; weswegen er von beiderlei Geschlechte sei. Andere meinen, daß er ein Sohn der Götter und der Vater der Menschen sei. Jedenfalls glauben alle, daß die Genii - es gibt viele von ihnen! - eine mittlere Stellung zwischen den Göttern und den Menschen innehaben. Sobald ein Mensch geboren werde, würden ihm sofort ein oder auch zwei Genii beigegeben, ein weißer guter und ein schwarzer böser. Jener gebe dem Menschen alle guten Gedanken ein, dieser aber mache das Gegenteil. Je nachdem welcher Genius stärker sei, würde auch das Wesen des betreffenden Menschen geprägt. Die Genii gab es nur bei Männern. Bei Frauen waren es die Junones. Sie blieben bei dem Menschen bis zu seinem Tode, wo sie ihn den Göttern übergaben. Nach anderen habe jeder Mensch auch nur einen Genius. Sie überlieferten den Menschen dem Gericht und tadelten ihn, wenn er dort nicht die Wahrheit sagte, lobten ihn aber, wenn er er bei der Wahrheit blieb.Nach ihm wurde dann der Urteilsspruch über den Menschen gefällt, da er alle seine geheimsten Gedanken wußte. Diese Schutzgeister besaßen auch ganze Familien, Städte und Länder. Der Genius der Stadt Rom hatte ein goldenes Standbild in der VIII. Region.
Seinem Genius erwies jeder seine Ehre, insbesondere am Geburtstag, an dem er ihm Opfer darbrachte, jedoch nur aus Blumen und Wein. An diesem Tag durfte nämlich kein Tier getötet werden. Ein Schwur beim Genius des Kaisers war der unverbrüchlichste Eid, als habe man bei Juppiter selbst geschworen. Einige glaubten, daß der Genius identisch sei mit dem Animus, andere, daß er tatsächlich der Verstand des Menschen sei. Da aber auch Berge, Sümpfe, Seen, Brunnen, Täler, Haine, Wälder ihre Schutzengel gehabt haben sollen, so kann man annehmen, daß es tatsächlich ein erdichtetes Wesen war, um den Menschen in Furcht zu setzen und von Lastern abzuhalten (Hederich)
Hintergrund:
Genius ist die dem Manne innewohnende 'Macht', die sich nicht nur in der Zeugungskraft manifestiert, sondern umfassend die Persönlicheit an sich bezeichnet. Es ist weder 'Seele' noch 'Leben'. Es ist jedem eigen und erlischt mit dem Tode. Es ist also eine Art Wirkungsprinzip, das auch Kollektive wie Truppenteile, Kollegien usw. haben konnten. Es wird aber auch Örtlichkeiten, wie Provinzen oder Städten zugesprochen. Macht und Ansehen des pater familias erklären, daß das Gesinde dessen Genius verehrte und bei ihm schwur. Der Eid beim Genius des Kaisers wurde üblich im privaten und öffentlichen Bereich; Meineid war ein Majestätsverbrechen. Der Begriff des Genius Augusti war eine Gelegenheit, dem Kaiser göttliche Attribute zuzusprechen, ohne ihn direkt zum Gott zu machen!
Das Bedürfnis nach Schutz führte zur Vorstellung des Genius als Schutzgeist, wobei unklar bleibt, ob er dem Menschen immanent ist oder eine eigene Existenz hat. Später vermischen sich diese Vorstellungen mit der Seelenvorstellung, wie Grabinschriften belegen. Aus der Vorstellung des Genius als Summe der Persönlichkeit entwickelte sich der Gedanke an den Genius der Götter: Genius Iovi. Dies setzt voraus, daß die Gottheit voll personifiziert gesehen wurde.
Bedeutsam ist der Genius Populi Romani, der nicht einfach als römische Umformung der griechischen Stadttyche gesehen werden darf. Am 9. Oktober war das Fest für den Genius publicus. Die spätere Schlangengestalt war eine Vermengung mit der bekannten Inkarnations- und Seelenvorstellung. Der Genius sei zwar an den Menschen gebunden, aber nicht mit ihm identisch. Das Leben entstehe 'durch Hizutreten des Genius', der es auch fortwährend erhält. Man sieht klar, daß die Antike ihre Schwierigkeiten hatte mit der Deutung des Genius. Seine Verehrung ist aber lebendig geblieben bis zum Beginn des Christentums.
Quellen:
Der Kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
John Melville Jones, A Dictionary of Ancient Roman coins
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Der Genius Cucullatus und Christophorus
Über den Genius Cucullatus haben wir in diesem Thread bereits gesprochen, und zwar im Zusammenhang mit Asklepios und seinem Begleiter Telesphoros.
Hier habe ich nun etwas gefunden, das ihn in einen größeren Zusammenhang stellt und Verbindungen zu Christophorus aufzeigt.
Der ägyptische Totengott war der hundsköpfige Anubis. Er begleitete die Toten ins Totenreich und wurde deshalb von den Griechen mit Hermes Psychopompos, dem Seelenbegleiter, gleichgesetzt und im Hellenismus mit ihm zu Hermanubis synkretisiert.
Um 450 n.Chr.beginnt im kleinasiatischen Chalcedon die Verehrung eines sonst unbekannten Märtyrers namens Christophorus. Christophorus ist griechisch und bedeutet 'Christusträger'. Neben ihm gibt es auch noch andere 'Christusträger', z.B. die schwangere Maria, Maria mit dem Christuskind auf dem Arm, Joseph von Arimathäa oder Simeon. Die östliche Legende berichtet, daß er zunächst ein menschenfressender Kynekephale (= Hundsköpfiger) gewesen sei, der erst durch die Taufe seine menschliche Gestalt und seine Sprache erhalten habe. Er wäre dann zum Missionar geworden und habe Predigten auf Samos und in Lykien gehalten. Gott habe ihn bestätigt, indem er seinen Wanderstab Blätter und Früchte haben tragen lassen. Er muß zahlreiche Torturen erleiden, stirbt dann aber durch Enthauptug.
Die Ostkirche kennt bis heute Christophorusdarstellungen mit dem hundsköpfigen Heiligen. Die Westkirche mildert sein tierisches Aussehen zur Riesengestalt und deutet die Bezeichnung canineus (= hundeartig) zu cananeus (= der aus Kana, woher auch Goliath stammte) um, und läßt ihn seine Dienste dem stärksten Herrscher auf Erden anbieten. Auf der Suche nach diesem Herrscher bittet ihn ein Knabe, er möge ihn über den Fluß tragen. Dabei wird der Knabe auf den Schultern des Riesen immer schwerer, daß der fast zusammenbricht, und gibt sich dann als Christus zu erkennen, dem stärksten Herrscher der Welt. Seitdem hat er den Namen Christophorus und dient fortan Christus. Er ist der meistdargestellte Heilige der christlichen Kirche. Schon früh taucht auf seinen Bildern ein kleines Männlein in Mönchsgestalt mit Kapuze auf, manchmal auch ein Hündchen (was im Bereich der Westkirche eine stumme Erinnung an den hundsköpfigen Ur-Heiligen sein könnte). In ihm sieht man den heiligen Cucuphatus (oder Cucufas, Cucufat, Cugat usw.). Der kam um 300 mit dem heiligen Felix von Gerona aus Nordafrika nach Barcelona, wurde der Legende nach unter Diokletian zuerst unversehrt verbrannt, dann ertränkt und starb schließlich durch Enthauptung. 845 holte Abt Fulrad sein Haupt nach St.Denis in Paris. 1079 wurden seine Gebeine in San Cugat del Valles wiederentdeckt.
Nun gab es bereits bei den Phönikiern bildliche Darstellungen eines Männlein mit Kapuze und Licht (Kerze,Lampe, Laterne), den man namenlos bei C.G.Jung als Archetypen beschrieben findet. Ebenso namenlos findet er sich auf griechischen Abbildngen in der Umgebung des Asklepios. Die Römer nannten den Kleinen 'Genius Cucullatus' (von cucullus = Kapuze). Seine Aufgabe scheint gewesen zu sein, Gestorbene mit seinem Licht ins Jenseits zu führen, falls die Heilkräfte des Asklepios versagt hatten.
Nun kam es im 6.Jahrhundert im Provinzlateinischen zu einer Lautverschiebung: ein L zwischen zwei Vokalen wurde zu F (so wie 'coiffeur', der zu 'colerare' gehört, eigentlich der Haarfärber war). So wurde aus dem 'Genius Cucullatus' der Cucufatus/Cucuphatus, und mit den schwachen Erinnerungen an den Märtyrer aus Barcelona vermischt. Andererseits: es müssen eben diese synkretisierenden Wissenschaftler doch noch sehr deutliche Vorstellungen von den alten Funktionen des anubisch-hundsköpfigen Seelenbegleiters im Christusträger und an den kapuzierten phöniko-griechischen Seelengeleiter aus der Umgebung des Asklepios gehabt haben, daß sie einerseits aus den Geleiter-und Trägerfunktionen, andererseits aus den Ähnlichkeiten im Martyrium die Zusammengehörigkeit beider Gestalten schlossen und so in unbekannter Textdeutung die Anregung für Künstler lieferten, und Christophorus und Cucuphatus zusammen darstellten.
Da nach der mittelalterlichen 'Legenda aurea' Christophorus Leben und Taufe und durch sie die lichten Qualitäten des Wassers symbolisierte, hingegen Cucuphatus die düsteren und traurigen Aspekte des Lebens und Todes, durch die er die Verschiedenen mit seiner Lampe geleitete, wurden ihm oftmals andere Wassergestalten beigegeben. Aus solch unterschiedlichen uralten Fäden wurden also diese Heiligengestalten zusammengesetzt. Und es ist irgendwie verständlich, daß Papst Paul VI. bei seiner Reform des Heiligenkalenders den Christophorus als 'Unperson' aus der Liste strich. Unverständlich allerdings, daß er den Cucuphatus, der ja nicht eben von glaubwürdigerer Realexistenz ist, in der amtlichen Liste beließ.
Übrigens sei noch erwähnt, daß sowohl Cucuphatus als auch cuculla zu einer rätselhaften indogermanischen Urwurzel gehören, zu der man auch den irischen Heros Cuchullain wird stellen müssen. Die Urwurzel cel- scheint die Bedeutung 'dunkel verborgen, versteckt' gehabt zu haben (verwandt dann mit germanisch ver-hehlen, Hel, Hölle), was für den sonst undeutbaren Cuchullain ielleicht die Herkunft aus einer Höhle, und damit eine Vebindung zu chthonischen Gottheiten nahelegen könnte (Cuchullain wird übrigens vom irischen 'cuchul' = Kapuze abgeleitet, und: im Irischen bedeuten die von cel- abgeleiteten Wörter sowohl 'ich bin versteckt' als auch 'ich bin gestorben'.
Ich habe hinzugefügt
(1) Das Bild eines AE18 des Diadumenian aus Deultum mit Telesphorus auf der Rs. (Yurukova 86)
(2) ein Bild der Cucullati von Housesteads
(3) ein Bild des Cucuphatus unbekannter Herkunft
(4) das Bild des Christophorus von Dierick Bouts (1467-1468)
Quelle:
Hanswilhelm Haefs, Handbuch des nutzlosen Wissens, Band 2
Gabriele Haefs, Christophorus und Cucuphatus - Zwei sonderbare Heilige (bisher unveröffentlicht)
Legenda Aurea
http://www.heiligenlexikon.de/Biographi ... phorus.htm
http://www.celtnet.org.uk/gods_c/cucullatus.html
Mit freundlichem Gruß
Über den Genius Cucullatus haben wir in diesem Thread bereits gesprochen, und zwar im Zusammenhang mit Asklepios und seinem Begleiter Telesphoros.
Hier habe ich nun etwas gefunden, das ihn in einen größeren Zusammenhang stellt und Verbindungen zu Christophorus aufzeigt.
Der ägyptische Totengott war der hundsköpfige Anubis. Er begleitete die Toten ins Totenreich und wurde deshalb von den Griechen mit Hermes Psychopompos, dem Seelenbegleiter, gleichgesetzt und im Hellenismus mit ihm zu Hermanubis synkretisiert.
Um 450 n.Chr.beginnt im kleinasiatischen Chalcedon die Verehrung eines sonst unbekannten Märtyrers namens Christophorus. Christophorus ist griechisch und bedeutet 'Christusträger'. Neben ihm gibt es auch noch andere 'Christusträger', z.B. die schwangere Maria, Maria mit dem Christuskind auf dem Arm, Joseph von Arimathäa oder Simeon. Die östliche Legende berichtet, daß er zunächst ein menschenfressender Kynekephale (= Hundsköpfiger) gewesen sei, der erst durch die Taufe seine menschliche Gestalt und seine Sprache erhalten habe. Er wäre dann zum Missionar geworden und habe Predigten auf Samos und in Lykien gehalten. Gott habe ihn bestätigt, indem er seinen Wanderstab Blätter und Früchte haben tragen lassen. Er muß zahlreiche Torturen erleiden, stirbt dann aber durch Enthauptug.
Die Ostkirche kennt bis heute Christophorusdarstellungen mit dem hundsköpfigen Heiligen. Die Westkirche mildert sein tierisches Aussehen zur Riesengestalt und deutet die Bezeichnung canineus (= hundeartig) zu cananeus (= der aus Kana, woher auch Goliath stammte) um, und läßt ihn seine Dienste dem stärksten Herrscher auf Erden anbieten. Auf der Suche nach diesem Herrscher bittet ihn ein Knabe, er möge ihn über den Fluß tragen. Dabei wird der Knabe auf den Schultern des Riesen immer schwerer, daß der fast zusammenbricht, und gibt sich dann als Christus zu erkennen, dem stärksten Herrscher der Welt. Seitdem hat er den Namen Christophorus und dient fortan Christus. Er ist der meistdargestellte Heilige der christlichen Kirche. Schon früh taucht auf seinen Bildern ein kleines Männlein in Mönchsgestalt mit Kapuze auf, manchmal auch ein Hündchen (was im Bereich der Westkirche eine stumme Erinnung an den hundsköpfigen Ur-Heiligen sein könnte). In ihm sieht man den heiligen Cucuphatus (oder Cucufas, Cucufat, Cugat usw.). Der kam um 300 mit dem heiligen Felix von Gerona aus Nordafrika nach Barcelona, wurde der Legende nach unter Diokletian zuerst unversehrt verbrannt, dann ertränkt und starb schließlich durch Enthauptung. 845 holte Abt Fulrad sein Haupt nach St.Denis in Paris. 1079 wurden seine Gebeine in San Cugat del Valles wiederentdeckt.
Nun gab es bereits bei den Phönikiern bildliche Darstellungen eines Männlein mit Kapuze und Licht (Kerze,Lampe, Laterne), den man namenlos bei C.G.Jung als Archetypen beschrieben findet. Ebenso namenlos findet er sich auf griechischen Abbildngen in der Umgebung des Asklepios. Die Römer nannten den Kleinen 'Genius Cucullatus' (von cucullus = Kapuze). Seine Aufgabe scheint gewesen zu sein, Gestorbene mit seinem Licht ins Jenseits zu führen, falls die Heilkräfte des Asklepios versagt hatten.
Nun kam es im 6.Jahrhundert im Provinzlateinischen zu einer Lautverschiebung: ein L zwischen zwei Vokalen wurde zu F (so wie 'coiffeur', der zu 'colerare' gehört, eigentlich der Haarfärber war). So wurde aus dem 'Genius Cucullatus' der Cucufatus/Cucuphatus, und mit den schwachen Erinnerungen an den Märtyrer aus Barcelona vermischt. Andererseits: es müssen eben diese synkretisierenden Wissenschaftler doch noch sehr deutliche Vorstellungen von den alten Funktionen des anubisch-hundsköpfigen Seelenbegleiters im Christusträger und an den kapuzierten phöniko-griechischen Seelengeleiter aus der Umgebung des Asklepios gehabt haben, daß sie einerseits aus den Geleiter-und Trägerfunktionen, andererseits aus den Ähnlichkeiten im Martyrium die Zusammengehörigkeit beider Gestalten schlossen und so in unbekannter Textdeutung die Anregung für Künstler lieferten, und Christophorus und Cucuphatus zusammen darstellten.
Da nach der mittelalterlichen 'Legenda aurea' Christophorus Leben und Taufe und durch sie die lichten Qualitäten des Wassers symbolisierte, hingegen Cucuphatus die düsteren und traurigen Aspekte des Lebens und Todes, durch die er die Verschiedenen mit seiner Lampe geleitete, wurden ihm oftmals andere Wassergestalten beigegeben. Aus solch unterschiedlichen uralten Fäden wurden also diese Heiligengestalten zusammengesetzt. Und es ist irgendwie verständlich, daß Papst Paul VI. bei seiner Reform des Heiligenkalenders den Christophorus als 'Unperson' aus der Liste strich. Unverständlich allerdings, daß er den Cucuphatus, der ja nicht eben von glaubwürdigerer Realexistenz ist, in der amtlichen Liste beließ.
Übrigens sei noch erwähnt, daß sowohl Cucuphatus als auch cuculla zu einer rätselhaften indogermanischen Urwurzel gehören, zu der man auch den irischen Heros Cuchullain wird stellen müssen. Die Urwurzel cel- scheint die Bedeutung 'dunkel verborgen, versteckt' gehabt zu haben (verwandt dann mit germanisch ver-hehlen, Hel, Hölle), was für den sonst undeutbaren Cuchullain ielleicht die Herkunft aus einer Höhle, und damit eine Vebindung zu chthonischen Gottheiten nahelegen könnte (Cuchullain wird übrigens vom irischen 'cuchul' = Kapuze abgeleitet, und: im Irischen bedeuten die von cel- abgeleiteten Wörter sowohl 'ich bin versteckt' als auch 'ich bin gestorben'.
Ich habe hinzugefügt
(1) Das Bild eines AE18 des Diadumenian aus Deultum mit Telesphorus auf der Rs. (Yurukova 86)
(2) ein Bild der Cucullati von Housesteads
(3) ein Bild des Cucuphatus unbekannter Herkunft
(4) das Bild des Christophorus von Dierick Bouts (1467-1468)
Quelle:
Hanswilhelm Haefs, Handbuch des nutzlosen Wissens, Band 2
Gabriele Haefs, Christophorus und Cucuphatus - Zwei sonderbare Heilige (bisher unveröffentlicht)
Legenda Aurea
http://www.heiligenlexikon.de/Biographi ... phorus.htm
http://www.celtnet.org.uk/gods_c/cucullatus.html
Mit freundlichem Gruß
Zuletzt geändert von Peter43 am So 13.04.08 20:30, insgesamt 1-mal geändert.
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Hestia
Wir wollen hier über die griechische Göttin Hestia sprechen, nicht über die römische Vesta, obwohl sie in enger Beziehung zueinander stehen.
Hestia finden wir nur selten auf Münzen. Das gilt auch für die bildende Kunst und die Vasenmalerei und steht in auffallendem Gegensatz zu der Bedeutung, die sie im antiken Alltag besaß. Ich habe hier 2 Typen, die Pick beide mit einem Fragezeichen versehen hat. Auf beiden Münzen hält Hestia eine lange Fackel, hat aber im Gegensatz zu Demeter keine Getreideähren, sondern eine Patera in de anderen Hand
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Septimius Severus, 193-211
AE 16, 2.8g
Av.: AV KAI L CE - CEVHROC
Kopf, belorbeert, n.r.
Rv.: NIKOPOLIT - PROC ICT
Weibliche Figur mit langem Gewand [und Schleier] l. stehend, in der Rechten
Schale, die Linke auf Fackel gestützt (Hestia?)
Ref.: AMNG I/1, 1352 (wie das Ex. aus Bukarest!)
fast SS, hübsche grüne Patina
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Diadumenian, 217-218
AE 26, 14.19g
geprägt unter dem consularischen Legaten Marcus Claudius Agrippa
Av.: KM OPPEL ANTWNI DIADOVMENIANO - C
bloßer Kopf .r.
Rv.: VP AGRIPPA NI - KOPOLITWN PR / [OC ICT]
Weibliche Figur in langem Gewand und Mantel n.l. stehend, in der vorgestreckten
Rechten Schale, die Linke auf die Fackel gestützt (Hestia?)
Ref.: AMNG I/1, 1794 (2 Ex., Paris und Sofia), pl.XIV, 20 (Rs. stempelgleich)
selten, fast SS, hübsche glänzende Patina
Anm.: Paris Mionnet S.2, 161, 608 (die Fackel verkannt)
Mythologie:
Hestia war die Göttin des Herdes, oder besser noch, des brennenden Feuers auf dem Herd. Sie wurde als eine der 12 großen Gottheiten angesehen und als eine Tochter des Kronos und der Rhea. Entsprechend der Überlieferung war sie die erstgeborene Tochter der Rhea und wurde deshalb als erstes der Kinder von Kronos verschlungen (Hesiod Theog.). Wie auch Artemis und Athena war sie eine jungfräuliche Göttin, und als Apollo und Poseidon um ihre Hand anhielten, schwor sie bei Zeus, ewig Jungfrau zu bleiben (Homer Hymn. in Ven.), und wegen dieser Eigenschaft werden ihr als Opfer Kühe gebracht, die nicht älter als ein Jahr alt sind. Auf einem Fest der Götter wollte der lüsterne Gott Priapos die schlafende Hestia vergewaltigen. Das Geschrei eines Esels bewirkte, daß Hestia aufwachte und fliehen konnte. Aus Wut wurde das Tier von Priapos erschlagen. Die Beziehung zwischen Hestia, Apollo und Poseidon, die in der Mythe erwähnt wird, wird bestätigt im Tenpel von Delphi, wo die drei Gottheiten zusammen verehrt werden, und auch in Olympia erscheinen Hestia und Poseidon zusammen (Pausan. v.26). Weil der Herd das heilige Zentrum des häuslichen Lebens war, war Hestia die Göttin des häuslichen Lebens und die Geberin alles häuslichen Glücks und Segens, und in diesem Sinn glaubte man, daß sie im inneren Teil jedes Hauses wohnte und auch die Kunst des Hausbaus erfunden habe. In diesem Zusammenhang erschien sie oft zusammen mit Hermes, der in gleicher Weise ein deus penetralis war, da er die Werke des Menschen beschützte. Da der Herd eines Hauses gleichzeitig der Altar war, auf dem den Hausgöttern (hestiovchoi oder ephestioi) geopfert wurde, wurde Hestia betrachtet als Vorsitzende bei allen Opfern und als Göttin des heiligen Herdfeuers hatte sie Anspruch an allen Opfer in den Tempeln. Deshalb wurde immer, wenn ein Opfer gebracht wurde, sie als erste angerufen und der erste Teil aller Opfer gehörte ihr. Heilige Eide wurden bei der Göttin des Herdes geschworen und der Herd selbst war das geheiligte Asylon an dem Verfolgte die Bewohner des Hauses um ihren Schutz anflehen konnten. Eine Stadt war dann nur eine Ausweitung der Familie und hatte deshalb auch einen Herd als Symbol einer harmonischen Gemeinschaft ihrer Bürger und zur öffentlichen Verehrung. Der öffentliche Herd stand gewöhnlich im Prytaneion der Stadt, wo die Göttin ihr eigenes Heiligtum hatte (den Thalamos), unter dem Namen Prutanitis, mit einer Statue und dem heiligen Herd. Dort opferten ihr die Prytanen, wenn sie ihr Amt antraten, und dort beschützte Hestia die Schutzflehenden. Da dieser öffentliche Herd das heilige Asylon der Stadt war, empfing die Polis gewöhnlich hier ihre Gäste und auswärtigen Gesandtschaften, und die Prytanen spielten die Rolle der Gastgeber. Wenn eine Kolonie ausgeschickt wurde, nahmen die Emigranten das brennende Feuer des Herdes mit sich mit in ihre neue Heimat. Wenn dieses Feuer einmal erlosch, war es nicht erlaubt, es auf gewöhnliche Art wieder zu entzünden, sondern nur entweder durch Reibung oder mithilfe eines Brennglases durch die Sonne. Mystische Spekulationen in späterer Zeit führten zur Vorstellung eines heiligen Feuers nicht nur im Mittelpunkt der Erde, sondern auch im Zentrum des Universums, und vermischten Hestia mit vielen anderen Gottheiten wie Kybele, Gaia, Demeter, Persephone oder Artemis. Es gab in Griechenland nur wenige Tempel speziell für Hestia, da tatsächlich jedes Prytaneion ein Heiligtum der Göttin war, und da von jedem Opfer , für welche Gottheit auch immer, ein Teil ihr gehörte. Es gab jedoch einen Hestiatempel in Hermione, der aber kein Kultbild enthielt, sondern nur einen Altar (Pausan. ii.35). Ihre Opfergaben bestanden jeweils aus dem Ersten von Früchten, Wasser, Öl, Wein, und einjährigen Kühen.
Hintergrund:
Ethymologisch hängt 'Hestia' mit 'Vesta' zusammen, was längere Zeit abgelehnt worden war, jetzt aber wieder verteidigt wird, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß im Kult des deifizierten Herdes einmal das Moment des heiligen Mittelpunkts, welches Hestia am delphischen Omphalos in die Nähe der Gaia rückt und die religiöse Grundidee der häuslichen Rechts- und Schutzsphäre bildet, besondere Beachtung fordert. Zum anderen, mit Rücksicht auf die skythische Tabiti, das des nie verlöschenden, reinigenden, lebensspendenden Feuers, welches sowohl die Jungfräulichkeit der Vestalis, als auch die Phallossymbolik des Herdes einschließt. Die Bedeutsamkeit beider Momente läßt die präskythische Tabiti als 'Königin' und 'Große Göttin' neben Zeus Papaios treten; die griechische Mythologie zählt Hestia entsprechend als Tochter des Kronos und ewig jungfräuliche Schwester des Zeus zu den Urgöttern und konzediert ihr ständigen Himmelssitz, althergebrachte Ehen und den Opferprimat. Die Projektion des häuslichen Herdkults auf den Staatshaushalt sichert der Hestia den Platz im Prytaneion, so etwa in Olympia oder Milet, und im Buleuterion. Die damit gegebene Verankerung im Schwur- und Fluchwesen erklärt ihre Stellung unter den theoi histores des Ephebeneides von Acharnai.
(wird fortgesetzt)
Wir wollen hier über die griechische Göttin Hestia sprechen, nicht über die römische Vesta, obwohl sie in enger Beziehung zueinander stehen.
Hestia finden wir nur selten auf Münzen. Das gilt auch für die bildende Kunst und die Vasenmalerei und steht in auffallendem Gegensatz zu der Bedeutung, die sie im antiken Alltag besaß. Ich habe hier 2 Typen, die Pick beide mit einem Fragezeichen versehen hat. Auf beiden Münzen hält Hestia eine lange Fackel, hat aber im Gegensatz zu Demeter keine Getreideähren, sondern eine Patera in de anderen Hand
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Septimius Severus, 193-211
AE 16, 2.8g
Av.: AV KAI L CE - CEVHROC
Kopf, belorbeert, n.r.
Rv.: NIKOPOLIT - PROC ICT
Weibliche Figur mit langem Gewand [und Schleier] l. stehend, in der Rechten
Schale, die Linke auf Fackel gestützt (Hestia?)
Ref.: AMNG I/1, 1352 (wie das Ex. aus Bukarest!)
fast SS, hübsche grüne Patina
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Diadumenian, 217-218
AE 26, 14.19g
geprägt unter dem consularischen Legaten Marcus Claudius Agrippa
Av.: KM OPPEL ANTWNI DIADOVMENIANO - C
bloßer Kopf .r.
Rv.: VP AGRIPPA NI - KOPOLITWN PR / [OC ICT]
Weibliche Figur in langem Gewand und Mantel n.l. stehend, in der vorgestreckten
Rechten Schale, die Linke auf die Fackel gestützt (Hestia?)
Ref.: AMNG I/1, 1794 (2 Ex., Paris und Sofia), pl.XIV, 20 (Rs. stempelgleich)
selten, fast SS, hübsche glänzende Patina
Anm.: Paris Mionnet S.2, 161, 608 (die Fackel verkannt)
Mythologie:
Hestia war die Göttin des Herdes, oder besser noch, des brennenden Feuers auf dem Herd. Sie wurde als eine der 12 großen Gottheiten angesehen und als eine Tochter des Kronos und der Rhea. Entsprechend der Überlieferung war sie die erstgeborene Tochter der Rhea und wurde deshalb als erstes der Kinder von Kronos verschlungen (Hesiod Theog.). Wie auch Artemis und Athena war sie eine jungfräuliche Göttin, und als Apollo und Poseidon um ihre Hand anhielten, schwor sie bei Zeus, ewig Jungfrau zu bleiben (Homer Hymn. in Ven.), und wegen dieser Eigenschaft werden ihr als Opfer Kühe gebracht, die nicht älter als ein Jahr alt sind. Auf einem Fest der Götter wollte der lüsterne Gott Priapos die schlafende Hestia vergewaltigen. Das Geschrei eines Esels bewirkte, daß Hestia aufwachte und fliehen konnte. Aus Wut wurde das Tier von Priapos erschlagen. Die Beziehung zwischen Hestia, Apollo und Poseidon, die in der Mythe erwähnt wird, wird bestätigt im Tenpel von Delphi, wo die drei Gottheiten zusammen verehrt werden, und auch in Olympia erscheinen Hestia und Poseidon zusammen (Pausan. v.26). Weil der Herd das heilige Zentrum des häuslichen Lebens war, war Hestia die Göttin des häuslichen Lebens und die Geberin alles häuslichen Glücks und Segens, und in diesem Sinn glaubte man, daß sie im inneren Teil jedes Hauses wohnte und auch die Kunst des Hausbaus erfunden habe. In diesem Zusammenhang erschien sie oft zusammen mit Hermes, der in gleicher Weise ein deus penetralis war, da er die Werke des Menschen beschützte. Da der Herd eines Hauses gleichzeitig der Altar war, auf dem den Hausgöttern (hestiovchoi oder ephestioi) geopfert wurde, wurde Hestia betrachtet als Vorsitzende bei allen Opfern und als Göttin des heiligen Herdfeuers hatte sie Anspruch an allen Opfer in den Tempeln. Deshalb wurde immer, wenn ein Opfer gebracht wurde, sie als erste angerufen und der erste Teil aller Opfer gehörte ihr. Heilige Eide wurden bei der Göttin des Herdes geschworen und der Herd selbst war das geheiligte Asylon an dem Verfolgte die Bewohner des Hauses um ihren Schutz anflehen konnten. Eine Stadt war dann nur eine Ausweitung der Familie und hatte deshalb auch einen Herd als Symbol einer harmonischen Gemeinschaft ihrer Bürger und zur öffentlichen Verehrung. Der öffentliche Herd stand gewöhnlich im Prytaneion der Stadt, wo die Göttin ihr eigenes Heiligtum hatte (den Thalamos), unter dem Namen Prutanitis, mit einer Statue und dem heiligen Herd. Dort opferten ihr die Prytanen, wenn sie ihr Amt antraten, und dort beschützte Hestia die Schutzflehenden. Da dieser öffentliche Herd das heilige Asylon der Stadt war, empfing die Polis gewöhnlich hier ihre Gäste und auswärtigen Gesandtschaften, und die Prytanen spielten die Rolle der Gastgeber. Wenn eine Kolonie ausgeschickt wurde, nahmen die Emigranten das brennende Feuer des Herdes mit sich mit in ihre neue Heimat. Wenn dieses Feuer einmal erlosch, war es nicht erlaubt, es auf gewöhnliche Art wieder zu entzünden, sondern nur entweder durch Reibung oder mithilfe eines Brennglases durch die Sonne. Mystische Spekulationen in späterer Zeit führten zur Vorstellung eines heiligen Feuers nicht nur im Mittelpunkt der Erde, sondern auch im Zentrum des Universums, und vermischten Hestia mit vielen anderen Gottheiten wie Kybele, Gaia, Demeter, Persephone oder Artemis. Es gab in Griechenland nur wenige Tempel speziell für Hestia, da tatsächlich jedes Prytaneion ein Heiligtum der Göttin war, und da von jedem Opfer , für welche Gottheit auch immer, ein Teil ihr gehörte. Es gab jedoch einen Hestiatempel in Hermione, der aber kein Kultbild enthielt, sondern nur einen Altar (Pausan. ii.35). Ihre Opfergaben bestanden jeweils aus dem Ersten von Früchten, Wasser, Öl, Wein, und einjährigen Kühen.
Hintergrund:
Ethymologisch hängt 'Hestia' mit 'Vesta' zusammen, was längere Zeit abgelehnt worden war, jetzt aber wieder verteidigt wird, nicht zuletzt im Hinblick darauf, daß im Kult des deifizierten Herdes einmal das Moment des heiligen Mittelpunkts, welches Hestia am delphischen Omphalos in die Nähe der Gaia rückt und die religiöse Grundidee der häuslichen Rechts- und Schutzsphäre bildet, besondere Beachtung fordert. Zum anderen, mit Rücksicht auf die skythische Tabiti, das des nie verlöschenden, reinigenden, lebensspendenden Feuers, welches sowohl die Jungfräulichkeit der Vestalis, als auch die Phallossymbolik des Herdes einschließt. Die Bedeutsamkeit beider Momente läßt die präskythische Tabiti als 'Königin' und 'Große Göttin' neben Zeus Papaios treten; die griechische Mythologie zählt Hestia entsprechend als Tochter des Kronos und ewig jungfräuliche Schwester des Zeus zu den Urgöttern und konzediert ihr ständigen Himmelssitz, althergebrachte Ehen und den Opferprimat. Die Projektion des häuslichen Herdkults auf den Staatshaushalt sichert der Hestia den Platz im Prytaneion, so etwa in Olympia oder Milet, und im Buleuterion. Die damit gegebene Verankerung im Schwur- und Fluchwesen erklärt ihre Stellung unter den theoi histores des Ephebeneides von Acharnai.
(wird fortgesetzt)
Zuletzt geändert von Peter43 am Sa 10.05.08 13:56, insgesamt 1-mal geändert.
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(Fortsetzung:)
Kunstgeschichte:
Dem reinen und keuschen Wesen der Göttin entsprechend, konnte ihre künstlerische Darstellung nur den Ausdruck der strengsten Sittlichkeit an sich tragen. Man pflegte sie sitzend oder ruhig dastehend mit ernstem Gesichtsausdruck und stets völlig bekleidet darzustellen. Im ganzen gab es im Altertum nur wenige Statuen der Hestia, die berühmteste war die des Skopas. In erhaltenen Statuen ist Hestia noch nicht sicher nachgewiesen; man bezieht auf sie gewöhnlich die „Hestia Giustiniani“ im Museo Torlani in Rom, eine weibliche Gewandstatue strengen Stils, etwa aus der Zeit der Giebelfiguren des Zeustempels zu Olympia und diesen formenverwandt.
Das hinzugefügte Bild ist das Photo eines Abgusses der Statue im Ashmolean Museum in Oxford.
Auch auf Vasenbildern findet sich Hestia nur selten, aber auf der Außenseite dieser Attischen rot-figurigen Kylix der archaischen Periode (500 v.Chr.), die zeigt, wie Herakles den Olymp betritt, ist sie Teil einer Gruppe von Göttern, die den Helden begrüßt. Hestia, verschleiert, sitzt hier und hat einen Arm um Amphitrite gelegt, einer Tochter des Okeanos, die dann Gattin des Poseidon wurde, zu ihrer Rechten Hermes, zu ihrer Linken eine der Horen (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: Antikensammlung).
Quellen:
(1) Der kleine Pauly
(2) Meyers Enzyklopädisches Lexikon
(3) Smith, Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology.
Mit freundlichem Gruß
Kunstgeschichte:
Dem reinen und keuschen Wesen der Göttin entsprechend, konnte ihre künstlerische Darstellung nur den Ausdruck der strengsten Sittlichkeit an sich tragen. Man pflegte sie sitzend oder ruhig dastehend mit ernstem Gesichtsausdruck und stets völlig bekleidet darzustellen. Im ganzen gab es im Altertum nur wenige Statuen der Hestia, die berühmteste war die des Skopas. In erhaltenen Statuen ist Hestia noch nicht sicher nachgewiesen; man bezieht auf sie gewöhnlich die „Hestia Giustiniani“ im Museo Torlani in Rom, eine weibliche Gewandstatue strengen Stils, etwa aus der Zeit der Giebelfiguren des Zeustempels zu Olympia und diesen formenverwandt.
Das hinzugefügte Bild ist das Photo eines Abgusses der Statue im Ashmolean Museum in Oxford.
Auch auf Vasenbildern findet sich Hestia nur selten, aber auf der Außenseite dieser Attischen rot-figurigen Kylix der archaischen Periode (500 v.Chr.), die zeigt, wie Herakles den Olymp betritt, ist sie Teil einer Gruppe von Göttern, die den Helden begrüßt. Hestia, verschleiert, sitzt hier und hat einen Arm um Amphitrite gelegt, einer Tochter des Okeanos, die dann Gattin des Poseidon wurde, zu ihrer Rechten Hermes, zu ihrer Linken eine der Horen (Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz: Antikensammlung).
Quellen:
(1) Der kleine Pauly
(2) Meyers Enzyklopädisches Lexikon
(3) Smith, Dictionary of Greek and Roman Biography and Mythology.
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Vesta
Klar, daß nach einem Beitrag über Hestia einer über Vesta kommen muß!
Zunächst 2 Münzen:
(1) Gaius Caligula, 37-41
AE - As, 11.34g, 30mm
Rom, 37/38
Av.: C CAESAR AVG GERMANICVS PON M TR POT
bloßer Kopf, n.l.
Rv.: VESTA
drapierte, verschleierte und diademierte Vesta sitzt auf Thron mit hoher
Rückenlehne n.l., hält in der ausgestreckten Rechten Patera und in der li
Szepter.
zwischen großem S - C
Ref.: RIC I, 38; C.27; BMC 46
fast VZ, braune Patina
(2) Lucilla, ermordet 182, Frau des Lucius Verus, Tochter des Marcus Aurelius und
der Faustina, Schwester des Commodus
AR - Denar, 3.29g, 17mm
Rom
Av.: LVCILLAE AVG ANTONINI AVG F
Büste, drapiert und diademiert, n.r.
Rv.: VES - TA
Vesta, verhüllt, drapiert, steht n.l., opfert aus einem Simpulum
in der re. Hand über einem dekorierten und brennendem Altar;
hält in der li Hand Palladium über der re Schulter.
Ref.: RIC III, 788; C.92; BMC 325
getönt, knapp VZ
Pedigree:
ex Auktion Dr.Brandt, 3/03, Lot 86
Vesta ist die römische Göttin des Herdfeuers. Sie ist eine der ältesten römischen Gottheiten, wahrscheinlich sabinischen Ursprungs, und ihr Kult geht zurück auf das 7Jh. v.Chr. Als ihre Eltern gelten Saturn und Ops oder sie selbst ist die Tochter des Saturn. Aber eine richtige Mythologie gibt es von ihr nicht. Die Überlieferung sagt, daß ihr Kult von Numa Pompilius eingeführt worden sei. Der Kult der Vesta, ein wichtiger Staatskult, lag in den Händen von 6 Vestalinnen. Deren Pflicht war, das auf dem Forum Romanum brennende Staatsfeuer zu hüten und es niemals ausgehen zu lassen. Vesta gilt auch als Erfinderin der Häuser. Jeweils am Neujahrstag wurde das neu zu entzündende Herdfeuer des römischen Hauses mit einer Fackel vom Vesta-Tempel überbracht. Die Vestalinnen waren hoch geachtet. Sie hüteten im Atrium Vestae des Vesta-Rundtempels das heilige Feuer. Wenn es ausging, wurden sie durch Auspeitschen bestraft. Es war ihnen nicht gestattet, Wasser aus der Leitung zu verwenden. Stattdessen schöpften sie ihr Wasser aus der Quelle der Nymphe Juturna neben ihrem Wohnhaus. Die Vestalinnen wurden als junge Mädchen auf der Straße - auch gegen ihren Willen - ergriffen und zu Priesterinnen gemacht. Für 30 Jahre mußten sie sich zur Keuschheit verpflichten.
Die erste der Vestalinnen soll Rhea Silva gewesen sein, die Mutter von Romulus und Remus. Als sie trotz des Verbots schwanger geworden war, gab sie vor, von dem Gott Mars vergewaltigt worden zu sein. Was aus ihr wurde, läßt sich nicht mehr sicher klären, sie soll zum Ertrinken in den Tiber geworfen worden sein. Später sollen sie in solchen Fällen an der Porta Collina in einer unterirdischen Kammer lebendig begraben worden sein. Wegen ihres bekannten Pflichtbewußtseins waren sie auch die Hüter des Palladiums, eines der höchsten Heiligtümer de Römer, das Aeneas aus Troja mitgebracht hatte. Es gab eigenartigerweise weder eine Statue noch eine Abbildung der Vesta in ihrem Tempel. Später - 12 v.Chr.- hat Augustus eine Statue von ihr in seinem Haus auf dem Palatin aufstellen lassen. Ein anderer Rundtempel gegenüber der hübschen kleinen Kirche St.Maria in Cosmedin (mit der Bocca della Verita) wird fälscherweise oft als Vestatempel bezeichnet, ist aber wohl ein Tempel des Herculec Victor.
Das Hauptfest der Vesta waren die Vestalia am 7. Juni. 394 n.Chr. wurde ihr Kult von Theodosius I. verboten.
Hintergrund:
Vesta war ursprünglich wohl eine sabinische Göttin, deren Namen wir nicht mehr kennen (Varro, Dion. Hal.). Trotz ihrer Namensgleicheit mit der griechischen Hestia und einer ähnlichen Funktion hat sie mit ihr etymologisch und sachlich nichts zu tun. Neben iher Herdfunktion wurde sie gleichgesetzt mit Terra. Eine Vesta des Einzelhauses - wie bei den Penaten - gab es nicht. Verbunden aber war sie shon mit ihnen, ebenfalls mit Diana, Janus und Vulcanus. An ihrem Fest am 9. Juni wurde der penus Vestae ihres Tempels geöffnet und der stercus zum Clivus Capitolinus gebracht und in den Tiber geworfe. Das waren wohl die verderbliche Überreste des Vorrats aus Roßblut, Kalbsasche und Bohnenstroh. Ihr Tempel war tabu. Nur der Pontifex maximus hat einmal das Palladium aus dem brennenden Tempel gerettet. Der Tempel stand zwar auf dem Forum Romanum, aber außerhalb des palatinischen Pomeriums. Das ewige Feuer muß außerhalb des Tempelinneren gebrannt haben, weil jährlich zu Neujahr von dort ds Feuer zu den Einzelhäusern geholt wurde.
Die Vestalinnen wurden als Kinder vom Pontifex maximus gegriffen und mußten, Amata genannt, bestimmte Vorraussetzungen erfüllen. Als Vestalinnen waren sie hochgeehrt. So wurden vor ihnen die Fasces gesenkt, wenn sie auf der Straße Liktoren begegneten. Sie standen außerhalb des Gesetzes.
Pales:
Beschäfttgt man sich mit Vesta, stößt man unweigerlich auf Pales. Pales war eine alte italische Göttin der Herden und Hirten. Ihr Fest - die Parilia - wurde zu ihren Ehren am 21. April gefeiert. Dabei wurde sie angerufen, weiterhin Schutz für Herden und Hirten zu gewähren. Die Hirten baten um Vergebung für versehentliche Übertretungen heiliger Plätze, die ihre Heren beim Weiden begangen haben könnten, und sprangen dreimal über Feuer aus Heu und Stroh (Ovid, Fasti, iv. 731-805). Dieses Fest galt auch als Geburtstagsfeier Roms, weil Rom an diesem Tag gegründet worden sein sollte. Pales spielte nur eine untergeordnete Rolle im römischen Pantheon und selbst sein Geschlecht ist unsicher. Da Pales im lateinischen auch Mehrzahl ist, wird manchmal von zwei Gottheiten gesprochen: Von einem männlichen Pales, der Ähnlichkeit mit Pan hatte, und der weiblichen Pales, die mit Vesta und Anna Perenna assoziiert wurde. So gab es ein zweites Fest am 7. Juli, das den Palibus duobus (den beiden Pales) gewidmet war. Marcus Atilius Regulus baute der Pales einen Tempel in Rom nach seinem Sieg über die Salentiner 267 n.Chr. Es wird allgemein angenommen, daß dieser Tempel auf dem Palatin stand, aber - da es ein Siegesdenkmal war, kann er auch am Weg der Trimphalprozession gestanden haben, entweder auf dem Marsfeld oder dem Aventin. Es kann als sicher gelten, daß die Bezeichnung Palatin mit Pales zusammenhängt.
Hinzugefügt habe ich ein Bild der Reste des Vestatempels auf dem Forum Romanum und das Bild einer Gipsstatue der Vesta aus den Staatlichen Museen in Berlin aus dem 2Jh. n.Chr. Es zeigt Vesta in Begleitung des Eselgottes Pales und mit Schlangen, die ihre Fruchtbarkeitsfunktion symbolisieren. Pales wird hier als Esel dargestellt, weil der Esel der Vesta heilig war. Der Sage nach hat er durch sein Geschrei verhindert, daß sie durch einen Satyr vergewaltigt wurde. Dabei handelt es sich aber eher um die Übernahme einer griechischen Sage um Hestia.
Quellen:
Der kleine Pauly
John Melville Jones, A Dictionary of Ancient Roman Coins
http://www.1911encyclopedia.org/Vesta
http://en.wikipedia.org/wiki/Vesta_%28mythology%29
http://www.religioromana.net/dii_consentes/vesta.htm
Mit freundlichem Guß
Klar, daß nach einem Beitrag über Hestia einer über Vesta kommen muß!
Zunächst 2 Münzen:
(1) Gaius Caligula, 37-41
AE - As, 11.34g, 30mm
Rom, 37/38
Av.: C CAESAR AVG GERMANICVS PON M TR POT
bloßer Kopf, n.l.
Rv.: VESTA
drapierte, verschleierte und diademierte Vesta sitzt auf Thron mit hoher
Rückenlehne n.l., hält in der ausgestreckten Rechten Patera und in der li
Szepter.
zwischen großem S - C
Ref.: RIC I, 38; C.27; BMC 46
fast VZ, braune Patina
(2) Lucilla, ermordet 182, Frau des Lucius Verus, Tochter des Marcus Aurelius und
der Faustina, Schwester des Commodus
AR - Denar, 3.29g, 17mm
Rom
Av.: LVCILLAE AVG ANTONINI AVG F
Büste, drapiert und diademiert, n.r.
Rv.: VES - TA
Vesta, verhüllt, drapiert, steht n.l., opfert aus einem Simpulum
in der re. Hand über einem dekorierten und brennendem Altar;
hält in der li Hand Palladium über der re Schulter.
Ref.: RIC III, 788; C.92; BMC 325
getönt, knapp VZ
Pedigree:
ex Auktion Dr.Brandt, 3/03, Lot 86
Vesta ist die römische Göttin des Herdfeuers. Sie ist eine der ältesten römischen Gottheiten, wahrscheinlich sabinischen Ursprungs, und ihr Kult geht zurück auf das 7Jh. v.Chr. Als ihre Eltern gelten Saturn und Ops oder sie selbst ist die Tochter des Saturn. Aber eine richtige Mythologie gibt es von ihr nicht. Die Überlieferung sagt, daß ihr Kult von Numa Pompilius eingeführt worden sei. Der Kult der Vesta, ein wichtiger Staatskult, lag in den Händen von 6 Vestalinnen. Deren Pflicht war, das auf dem Forum Romanum brennende Staatsfeuer zu hüten und es niemals ausgehen zu lassen. Vesta gilt auch als Erfinderin der Häuser. Jeweils am Neujahrstag wurde das neu zu entzündende Herdfeuer des römischen Hauses mit einer Fackel vom Vesta-Tempel überbracht. Die Vestalinnen waren hoch geachtet. Sie hüteten im Atrium Vestae des Vesta-Rundtempels das heilige Feuer. Wenn es ausging, wurden sie durch Auspeitschen bestraft. Es war ihnen nicht gestattet, Wasser aus der Leitung zu verwenden. Stattdessen schöpften sie ihr Wasser aus der Quelle der Nymphe Juturna neben ihrem Wohnhaus. Die Vestalinnen wurden als junge Mädchen auf der Straße - auch gegen ihren Willen - ergriffen und zu Priesterinnen gemacht. Für 30 Jahre mußten sie sich zur Keuschheit verpflichten.
Die erste der Vestalinnen soll Rhea Silva gewesen sein, die Mutter von Romulus und Remus. Als sie trotz des Verbots schwanger geworden war, gab sie vor, von dem Gott Mars vergewaltigt worden zu sein. Was aus ihr wurde, läßt sich nicht mehr sicher klären, sie soll zum Ertrinken in den Tiber geworfen worden sein. Später sollen sie in solchen Fällen an der Porta Collina in einer unterirdischen Kammer lebendig begraben worden sein. Wegen ihres bekannten Pflichtbewußtseins waren sie auch die Hüter des Palladiums, eines der höchsten Heiligtümer de Römer, das Aeneas aus Troja mitgebracht hatte. Es gab eigenartigerweise weder eine Statue noch eine Abbildung der Vesta in ihrem Tempel. Später - 12 v.Chr.- hat Augustus eine Statue von ihr in seinem Haus auf dem Palatin aufstellen lassen. Ein anderer Rundtempel gegenüber der hübschen kleinen Kirche St.Maria in Cosmedin (mit der Bocca della Verita) wird fälscherweise oft als Vestatempel bezeichnet, ist aber wohl ein Tempel des Herculec Victor.
Das Hauptfest der Vesta waren die Vestalia am 7. Juni. 394 n.Chr. wurde ihr Kult von Theodosius I. verboten.
Hintergrund:
Vesta war ursprünglich wohl eine sabinische Göttin, deren Namen wir nicht mehr kennen (Varro, Dion. Hal.). Trotz ihrer Namensgleicheit mit der griechischen Hestia und einer ähnlichen Funktion hat sie mit ihr etymologisch und sachlich nichts zu tun. Neben iher Herdfunktion wurde sie gleichgesetzt mit Terra. Eine Vesta des Einzelhauses - wie bei den Penaten - gab es nicht. Verbunden aber war sie shon mit ihnen, ebenfalls mit Diana, Janus und Vulcanus. An ihrem Fest am 9. Juni wurde der penus Vestae ihres Tempels geöffnet und der stercus zum Clivus Capitolinus gebracht und in den Tiber geworfe. Das waren wohl die verderbliche Überreste des Vorrats aus Roßblut, Kalbsasche und Bohnenstroh. Ihr Tempel war tabu. Nur der Pontifex maximus hat einmal das Palladium aus dem brennenden Tempel gerettet. Der Tempel stand zwar auf dem Forum Romanum, aber außerhalb des palatinischen Pomeriums. Das ewige Feuer muß außerhalb des Tempelinneren gebrannt haben, weil jährlich zu Neujahr von dort ds Feuer zu den Einzelhäusern geholt wurde.
Die Vestalinnen wurden als Kinder vom Pontifex maximus gegriffen und mußten, Amata genannt, bestimmte Vorraussetzungen erfüllen. Als Vestalinnen waren sie hochgeehrt. So wurden vor ihnen die Fasces gesenkt, wenn sie auf der Straße Liktoren begegneten. Sie standen außerhalb des Gesetzes.
Pales:
Beschäfttgt man sich mit Vesta, stößt man unweigerlich auf Pales. Pales war eine alte italische Göttin der Herden und Hirten. Ihr Fest - die Parilia - wurde zu ihren Ehren am 21. April gefeiert. Dabei wurde sie angerufen, weiterhin Schutz für Herden und Hirten zu gewähren. Die Hirten baten um Vergebung für versehentliche Übertretungen heiliger Plätze, die ihre Heren beim Weiden begangen haben könnten, und sprangen dreimal über Feuer aus Heu und Stroh (Ovid, Fasti, iv. 731-805). Dieses Fest galt auch als Geburtstagsfeier Roms, weil Rom an diesem Tag gegründet worden sein sollte. Pales spielte nur eine untergeordnete Rolle im römischen Pantheon und selbst sein Geschlecht ist unsicher. Da Pales im lateinischen auch Mehrzahl ist, wird manchmal von zwei Gottheiten gesprochen: Von einem männlichen Pales, der Ähnlichkeit mit Pan hatte, und der weiblichen Pales, die mit Vesta und Anna Perenna assoziiert wurde. So gab es ein zweites Fest am 7. Juli, das den Palibus duobus (den beiden Pales) gewidmet war. Marcus Atilius Regulus baute der Pales einen Tempel in Rom nach seinem Sieg über die Salentiner 267 n.Chr. Es wird allgemein angenommen, daß dieser Tempel auf dem Palatin stand, aber - da es ein Siegesdenkmal war, kann er auch am Weg der Trimphalprozession gestanden haben, entweder auf dem Marsfeld oder dem Aventin. Es kann als sicher gelten, daß die Bezeichnung Palatin mit Pales zusammenhängt.
Hinzugefügt habe ich ein Bild der Reste des Vestatempels auf dem Forum Romanum und das Bild einer Gipsstatue der Vesta aus den Staatlichen Museen in Berlin aus dem 2Jh. n.Chr. Es zeigt Vesta in Begleitung des Eselgottes Pales und mit Schlangen, die ihre Fruchtbarkeitsfunktion symbolisieren. Pales wird hier als Esel dargestellt, weil der Esel der Vesta heilig war. Der Sage nach hat er durch sein Geschrei verhindert, daß sie durch einen Satyr vergewaltigt wurde. Dabei handelt es sich aber eher um die Übernahme einer griechischen Sage um Hestia.
Quellen:
Der kleine Pauly
John Melville Jones, A Dictionary of Ancient Roman Coins
http://www.1911encyclopedia.org/Vesta
http://en.wikipedia.org/wiki/Vesta_%28mythology%29
http://www.religioromana.net/dii_consentes/vesta.htm
Mit freundlichem Guß
Zuletzt geändert von Peter43 am Do 20.11.08 23:59, insgesamt 1-mal geändert.
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Ariadne
Ariadne kennen wohl die meisten durch den berühmten Ariadnefaden, mit dem Theseus aus dem Labyrinth des Minotauros herausfand. Aber wie immer bei griechischen Mythen ist die Geschichte viel komplizierter und tiefergehend, als es beim ersten Blick den Anschein hat. Doch zunächst die Münze. Leider ist sie stark abgenützt. Damit man Details besser sehen kann, habe ich sie etwas aufgehellt.
Nach dem Beitrag von Curtis Clay muß ich die Münze neu beschreiben:
Lydien, Maionia, Septimius Severus, 193-211
AE 35, 22.57g
Av.: AV [KAI] L CE - P CEVHR[OC] PE[R - TIN]
Büste. drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: [EPI IOVLIAN - OV TAAB(??) ARXONTOC]
Dionysos, in langer Kleidung, mit Thyrsos im li Arm, lehnt n.r. in
einer Biga, die von zwei Kentauren gezogen wird; der hintere scheint
eine Fackel zu halten, der vordere, der sich n.l. zu Dionysos
umblickt, hält wohl eine Flöte; über ihm eine weitere Fackel.
im Abschnitt [MAIONWN]
S+, Oberflächen leicht porös
BMC 43, Taf. XIV.7 (nur Rs., stempelgleich); Lanz 32, April 1985, 633 (stempelgleich)
Es handelt sich bei der Figur in der Biga demnach nicht um Ariadne (leider!), wie ich anfangs annahm, sondern um Dionysos. Trotzdem soll der Artikel über Ariadne hier stehen bleiben.
Mythologie:
Aradne war die Tochter des Minos, Königs von Kreta, und der Pasiphae, der Tochter des Helios, und die Halbschwester des Minotauros. Als Theseus mit den Athenern, die dem Minotauros jährlich vorgeworfen werden sollten, nach Kreta kam, verliebte sich Ariadne in ihn. Bei einem heimlichen Treffen gab sie dem Theseus en Wollknäuel, das sie einmal von dem erfinderischen Daidalos bekommen hatte. Das Ende des Wollfadens sollte er am Eingang zum Labyrinth anbinden, den Faden dann mit sich mitlaufen lassen, sodaß er, nachdem er den Minotauros getötet hatte, den Faden wieder aufwickelnd aus dem Labyrinth herausfinden könnte. Er selbst aber sollte sie mit nach Athen nehmen und mit ihr die Ehe eingehen. Theseus gelang es, das Untier zu töten und aus dem Labyrinth herauszukommen. Dann segelte er mit Ariadne fort. Doch als sie an der Insel Dias - oder Naxos, wie andere sagen - vorbeikamen, hielt Artemis sie fest, oder Dionysos entführte sie, weil er sich wegen ihrer Schönheit in sie verliebt hatte. Es heißt auch, er sei dem Theseus im Traum erschienen und habe ihm alles Böse angedroht, wenn er ihm nicht die Ariadne überlasse. Aus Furcht habe Theseus daraufhin die Insel verlassen, Dionysos aber habe sie nachts auf den Berg Arios entführt. In Trauer versunken über den Verlust der Ariadne habe Theseus vergessen, bei seiner Ankunft in Athen die schwarzen Segel von seinem Sciff zu nehmen, weswegen sich sein Vater Aigeus vom Felsen ins Meer stürzte, welches dann nach ihm das Aigaeische Meer genannt wurde.
Ariadne wird von manchen unter die gottlosen Personen gezählt, weil sie ihren Halbbruder und ihre Söhne getötet habe. Einige sagen auch, daß Theseus sie heimlich verlassen habe, als sie im Schlaf lag, weil er glaubte, in Athen würde man ihm Vorwürfe machen, wenn er sie mitbringe. Als Ariadne sah, daß sie verlassen worden war, erhängte sie sich. Nach anderen fand Dionysos sie halbbedeckt am Strand schlafend und verliebte sich auf der Stelle in sie. Es gibt eine Anzahl von antiken Gemälden, die diese Entdeckung und die dann folgende Vermählung zeigen. Dionysos soll 6 Kinder mit ihr gehabt haben: Oenopion, Thoas, Staphylos, Latramis, Euanthes und Tauropolis. Dionysos habe sie so geliebt, daß er nach ihrem Tode ihre Krone unter die Sterne versetzt hätte. Diese Krone hatte einst Hephaistos der Aphrodite geschmiedet, die sie dann der Ariadne gegeben habe.
Es wird auch erzählt, daß Ariadne von einigen Schiffern auf Naxos ausgesetzt worden sei, wo sie dann Onaros, einen Dionysospriester, geheiratet habe. Sie wollen auch beweisen, daß Theseus unschuldig sei und sie nicht absichtlich verlassen habe, weil später Deukalion, der Sohn des Minos, ihm seine Tochter zur Frau gegeben habe. Aber sie soll auch bereits von Theseus schwanger gewesen sein und, weil sie sich übel aufgeführt habe, auf Kypros ausgesetzt worden sein, wo sie bei der Geburt gestorben sei. Als Theseus wieder zurückgekommen sei, sei er über ihren Tod so unglücklich gewesen, daß er ihr zur Ehren zwei Statuen aufstellen ließ, eine aus Silber, die andere aus Erz.
Hintergrund:
Ariadne war ursprünglich eine minoische Vegetationsgottheit und wohl identisch mi der labyrinthoio potnia, die in Kulttänzen geehrt wurde. Homer erwähnt ihren von Daidalos geschaffenen Tanzplatz. Ihr Name ist die kretische Form von Ariagne (= 'überaus heilig'), auf Kreta hieß sie auch Aridela (= 'überaus hell'); beides Beinamen, die ihren eigentlichen Namen verschweigen. Auf Kypros wurde sie als Aphrodite Ariadne verehrt. Ihre Verbindung mit Dionysos ist kretisches Erbe; ihr Grab in Argos lag im Tempel des kretischen Dionysos (Paus. 2, 20, 4). Hesiod kennt sie als Gemahlin des Dionysos. Ihre Beziehungen zu Theseus sind aber schon der Odyssees bekannt. Sie ließ sich von Theseus aus Kreta entführen, starb aber schon auf Dia (einer kleinen Insel bei Knossos, gewöhnlich mit Naxos gleichgesetzt) 'nach dem Zeugnis des Dionysos', wohl zur Strafe für ihre Untreue.
Ein Märchenmotiv ist die Erzählung von der Königstochter zu einem Fremden, dem sie ein Wollknäuel gibt, mit dessen Hilfe er aus dem Labyrinth herausfindet. Die Sage von dem Wollknäuel führt man auf das gewirr von Gängen in dem verfallenden Palast von Knossos zurück. Nach Epimenides ab Ariadne dem Theseus einen Strahlenkranz, dessen Licht ihn rettete; das paßt zu der Überleferung, daß der Kampf mit dem Minotaurus in einer Höhle stattgefunden habe. Diese Strahlenkrone war ein Brautgeschenk des Donysos und wurde später als corona borealis an den Himmel versetzt.
Daß Theseus Ariadne auf Naxos verließ, wird nicht von Anfang an auf Treulosigkeit zurückgeführt. Pausanias erwähnt Darstellungen, in denen Dionysos Ariadne raubt. In der hellenistischen und römischen Literatur aber und in der bildenden Kunst ist die schlafend verlassene Ariadne ein beliebtes Motiv: Catull 64, 50ff; Ovid her. 10, ebenso ihre Versetzung an den Himmel. Plutarch, der Theseus, 17-22 viel Material über Ariadne gibt, erwähnt die Unterscheidung einer älteren, Gemahlin des Dionysos, und einer jüngere, von Theseus entführten. In Wirklichkeit spegelt der Wechsel von Freude und Trauer das Wesen der Vegetationsgottheit wider. Es könnte auch ein Vorgang der Religionsgeschichte vorliegen, die Verdrängung eines Kults durch einen anderen. Hauptstätte des Ariadnekults ist Naxos, daneben Athen (das Freudenfest der Oschophorien mit einzelnen Trauergebräuchen), Delos (Kranichtanz des Theseus; dieser hat ein altes Bild der Aphrodite, das Ariadne ihm gegeben, dorthin gebracht), Amathus auf Kyros (ein Fest mit seltsamen Gebräuchen, z.B. Männerkindbett, zur Erinnerung an die Landung des Theseus mit der schwangeren Ariadne, die dort in den Wehen starb). In Italien wurde sie als Libera, Gattin des Liber, verehrt.
Kunstgeschichte:
Es gibt aus der hellenistischen Zeit eine Reihe von Darstellungen des Ariadnethemas. Dabei war am beliebtesten natürlich die Auffindung der schlafenden Ariadne durch Dionysos. Diese Darstellung findet sich auf Wandgemälden, Mosaiken und auf Gemmen. Es gibt auch Gemmen mit dem Bild von ihrer Hochzeit. Ein Bild zeigt Dionysos zurückgelehnt auf einem Wagen, neben ihm Ariadne, die ihn mit einem Schirm schützt, beide bekränzt mit Weinlaub oder Epheu. Der Wagen aber wird gezogen von 2 Kentauren, von denen der eine auf einer Lyra, der andere auf 2 Flöten spielt. Zwischen ihnen und dem Dionysos fliegt ein Eros. Vor dem Wagen gehen ein Bachant mit Thyrsos, eine Bacchantin mit Handpauke, ein Faun mit 2 Flöten und ein Satyr mit einem Weinkrug.
Ein anderes wundervolles Bild zeigt Dionysos und Ariadne auf einem Wagen sitzend, der von Kentauren gezogen wird und ein prächtiges Gefolge bei sich hat. An der Spitze des Zuges gehen Personen beiderlei Geschlechts, die auf Flöten und Zimbeln spielen. Dann kommt ein Elefant, der als Opfertier bekränzt ist, und die Eroberung Indiens andeutet. Dahinter reitet Silen auf einem Esel. Begleitet werden sie von Faunen, Satyrn und Nymphen, die Thyrsen, Weintrauben, Weinreben und Trinkgefäße halten.
Dieses Motiv wurde oft verwendet zur Darstellung auf Sarkophagen. Als heilige Hochzeit zeigt sie die Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttliche, eine tröstliche Vorstellung.
Dieses Thema wurde dann in der Renaissance wieder aufgenommen. Es gibt Bilder u.a. von Annibale Caracci und Tizian. Ariadne findet sich auch auf Bildern von Giorgio de Chirico, z.B. 'Die schweigende Statue', 1913.
Hinzugefügt habe ich
(1) das Bild einer schwarzfigurigen Halsamphore, die Ariadne und Dionysos auf einer Kline zeigen. Sie stammt aus der Zeit von 510-500 v.Chr.
(2) Einen Ausschnitt aus dem Deckengemälde von Annibale Caracci 'Der Triumph des Bacchus und der Aiadne' im Palazzo Farnese in Rom aus dem Jahr 1597-1600.
Quellen:
Catull, Carmina 64, 50-201
Ovid, Metamorphse 8, 169-182
Der kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen
Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie
Mit freundlichem Gruß
Ariadne kennen wohl die meisten durch den berühmten Ariadnefaden, mit dem Theseus aus dem Labyrinth des Minotauros herausfand. Aber wie immer bei griechischen Mythen ist die Geschichte viel komplizierter und tiefergehend, als es beim ersten Blick den Anschein hat. Doch zunächst die Münze. Leider ist sie stark abgenützt. Damit man Details besser sehen kann, habe ich sie etwas aufgehellt.
Nach dem Beitrag von Curtis Clay muß ich die Münze neu beschreiben:
Lydien, Maionia, Septimius Severus, 193-211
AE 35, 22.57g
Av.: AV [KAI] L CE - P CEVHR[OC] PE[R - TIN]
Büste. drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: [EPI IOVLIAN - OV TAAB(??) ARXONTOC]
Dionysos, in langer Kleidung, mit Thyrsos im li Arm, lehnt n.r. in
einer Biga, die von zwei Kentauren gezogen wird; der hintere scheint
eine Fackel zu halten, der vordere, der sich n.l. zu Dionysos
umblickt, hält wohl eine Flöte; über ihm eine weitere Fackel.
im Abschnitt [MAIONWN]
S+, Oberflächen leicht porös
BMC 43, Taf. XIV.7 (nur Rs., stempelgleich); Lanz 32, April 1985, 633 (stempelgleich)
Es handelt sich bei der Figur in der Biga demnach nicht um Ariadne (leider!), wie ich anfangs annahm, sondern um Dionysos. Trotzdem soll der Artikel über Ariadne hier stehen bleiben.
Mythologie:
Aradne war die Tochter des Minos, Königs von Kreta, und der Pasiphae, der Tochter des Helios, und die Halbschwester des Minotauros. Als Theseus mit den Athenern, die dem Minotauros jährlich vorgeworfen werden sollten, nach Kreta kam, verliebte sich Ariadne in ihn. Bei einem heimlichen Treffen gab sie dem Theseus en Wollknäuel, das sie einmal von dem erfinderischen Daidalos bekommen hatte. Das Ende des Wollfadens sollte er am Eingang zum Labyrinth anbinden, den Faden dann mit sich mitlaufen lassen, sodaß er, nachdem er den Minotauros getötet hatte, den Faden wieder aufwickelnd aus dem Labyrinth herausfinden könnte. Er selbst aber sollte sie mit nach Athen nehmen und mit ihr die Ehe eingehen. Theseus gelang es, das Untier zu töten und aus dem Labyrinth herauszukommen. Dann segelte er mit Ariadne fort. Doch als sie an der Insel Dias - oder Naxos, wie andere sagen - vorbeikamen, hielt Artemis sie fest, oder Dionysos entführte sie, weil er sich wegen ihrer Schönheit in sie verliebt hatte. Es heißt auch, er sei dem Theseus im Traum erschienen und habe ihm alles Böse angedroht, wenn er ihm nicht die Ariadne überlasse. Aus Furcht habe Theseus daraufhin die Insel verlassen, Dionysos aber habe sie nachts auf den Berg Arios entführt. In Trauer versunken über den Verlust der Ariadne habe Theseus vergessen, bei seiner Ankunft in Athen die schwarzen Segel von seinem Sciff zu nehmen, weswegen sich sein Vater Aigeus vom Felsen ins Meer stürzte, welches dann nach ihm das Aigaeische Meer genannt wurde.
Ariadne wird von manchen unter die gottlosen Personen gezählt, weil sie ihren Halbbruder und ihre Söhne getötet habe. Einige sagen auch, daß Theseus sie heimlich verlassen habe, als sie im Schlaf lag, weil er glaubte, in Athen würde man ihm Vorwürfe machen, wenn er sie mitbringe. Als Ariadne sah, daß sie verlassen worden war, erhängte sie sich. Nach anderen fand Dionysos sie halbbedeckt am Strand schlafend und verliebte sich auf der Stelle in sie. Es gibt eine Anzahl von antiken Gemälden, die diese Entdeckung und die dann folgende Vermählung zeigen. Dionysos soll 6 Kinder mit ihr gehabt haben: Oenopion, Thoas, Staphylos, Latramis, Euanthes und Tauropolis. Dionysos habe sie so geliebt, daß er nach ihrem Tode ihre Krone unter die Sterne versetzt hätte. Diese Krone hatte einst Hephaistos der Aphrodite geschmiedet, die sie dann der Ariadne gegeben habe.
Es wird auch erzählt, daß Ariadne von einigen Schiffern auf Naxos ausgesetzt worden sei, wo sie dann Onaros, einen Dionysospriester, geheiratet habe. Sie wollen auch beweisen, daß Theseus unschuldig sei und sie nicht absichtlich verlassen habe, weil später Deukalion, der Sohn des Minos, ihm seine Tochter zur Frau gegeben habe. Aber sie soll auch bereits von Theseus schwanger gewesen sein und, weil sie sich übel aufgeführt habe, auf Kypros ausgesetzt worden sein, wo sie bei der Geburt gestorben sei. Als Theseus wieder zurückgekommen sei, sei er über ihren Tod so unglücklich gewesen, daß er ihr zur Ehren zwei Statuen aufstellen ließ, eine aus Silber, die andere aus Erz.
Hintergrund:
Ariadne war ursprünglich eine minoische Vegetationsgottheit und wohl identisch mi der labyrinthoio potnia, die in Kulttänzen geehrt wurde. Homer erwähnt ihren von Daidalos geschaffenen Tanzplatz. Ihr Name ist die kretische Form von Ariagne (= 'überaus heilig'), auf Kreta hieß sie auch Aridela (= 'überaus hell'); beides Beinamen, die ihren eigentlichen Namen verschweigen. Auf Kypros wurde sie als Aphrodite Ariadne verehrt. Ihre Verbindung mit Dionysos ist kretisches Erbe; ihr Grab in Argos lag im Tempel des kretischen Dionysos (Paus. 2, 20, 4). Hesiod kennt sie als Gemahlin des Dionysos. Ihre Beziehungen zu Theseus sind aber schon der Odyssees bekannt. Sie ließ sich von Theseus aus Kreta entführen, starb aber schon auf Dia (einer kleinen Insel bei Knossos, gewöhnlich mit Naxos gleichgesetzt) 'nach dem Zeugnis des Dionysos', wohl zur Strafe für ihre Untreue.
Ein Märchenmotiv ist die Erzählung von der Königstochter zu einem Fremden, dem sie ein Wollknäuel gibt, mit dessen Hilfe er aus dem Labyrinth herausfindet. Die Sage von dem Wollknäuel führt man auf das gewirr von Gängen in dem verfallenden Palast von Knossos zurück. Nach Epimenides ab Ariadne dem Theseus einen Strahlenkranz, dessen Licht ihn rettete; das paßt zu der Überleferung, daß der Kampf mit dem Minotaurus in einer Höhle stattgefunden habe. Diese Strahlenkrone war ein Brautgeschenk des Donysos und wurde später als corona borealis an den Himmel versetzt.
Daß Theseus Ariadne auf Naxos verließ, wird nicht von Anfang an auf Treulosigkeit zurückgeführt. Pausanias erwähnt Darstellungen, in denen Dionysos Ariadne raubt. In der hellenistischen und römischen Literatur aber und in der bildenden Kunst ist die schlafend verlassene Ariadne ein beliebtes Motiv: Catull 64, 50ff; Ovid her. 10, ebenso ihre Versetzung an den Himmel. Plutarch, der Theseus, 17-22 viel Material über Ariadne gibt, erwähnt die Unterscheidung einer älteren, Gemahlin des Dionysos, und einer jüngere, von Theseus entführten. In Wirklichkeit spegelt der Wechsel von Freude und Trauer das Wesen der Vegetationsgottheit wider. Es könnte auch ein Vorgang der Religionsgeschichte vorliegen, die Verdrängung eines Kults durch einen anderen. Hauptstätte des Ariadnekults ist Naxos, daneben Athen (das Freudenfest der Oschophorien mit einzelnen Trauergebräuchen), Delos (Kranichtanz des Theseus; dieser hat ein altes Bild der Aphrodite, das Ariadne ihm gegeben, dorthin gebracht), Amathus auf Kyros (ein Fest mit seltsamen Gebräuchen, z.B. Männerkindbett, zur Erinnerung an die Landung des Theseus mit der schwangeren Ariadne, die dort in den Wehen starb). In Italien wurde sie als Libera, Gattin des Liber, verehrt.
Kunstgeschichte:
Es gibt aus der hellenistischen Zeit eine Reihe von Darstellungen des Ariadnethemas. Dabei war am beliebtesten natürlich die Auffindung der schlafenden Ariadne durch Dionysos. Diese Darstellung findet sich auf Wandgemälden, Mosaiken und auf Gemmen. Es gibt auch Gemmen mit dem Bild von ihrer Hochzeit. Ein Bild zeigt Dionysos zurückgelehnt auf einem Wagen, neben ihm Ariadne, die ihn mit einem Schirm schützt, beide bekränzt mit Weinlaub oder Epheu. Der Wagen aber wird gezogen von 2 Kentauren, von denen der eine auf einer Lyra, der andere auf 2 Flöten spielt. Zwischen ihnen und dem Dionysos fliegt ein Eros. Vor dem Wagen gehen ein Bachant mit Thyrsos, eine Bacchantin mit Handpauke, ein Faun mit 2 Flöten und ein Satyr mit einem Weinkrug.
Ein anderes wundervolles Bild zeigt Dionysos und Ariadne auf einem Wagen sitzend, der von Kentauren gezogen wird und ein prächtiges Gefolge bei sich hat. An der Spitze des Zuges gehen Personen beiderlei Geschlechts, die auf Flöten und Zimbeln spielen. Dann kommt ein Elefant, der als Opfertier bekränzt ist, und die Eroberung Indiens andeutet. Dahinter reitet Silen auf einem Esel. Begleitet werden sie von Faunen, Satyrn und Nymphen, die Thyrsen, Weintrauben, Weinreben und Trinkgefäße halten.
Dieses Motiv wurde oft verwendet zur Darstellung auf Sarkophagen. Als heilige Hochzeit zeigt sie die Vereinigung des Menschlichen mit dem Göttliche, eine tröstliche Vorstellung.
Dieses Thema wurde dann in der Renaissance wieder aufgenommen. Es gibt Bilder u.a. von Annibale Caracci und Tizian. Ariadne findet sich auch auf Bildern von Giorgio de Chirico, z.B. 'Die schweigende Statue', 1913.
Hinzugefügt habe ich
(1) das Bild einer schwarzfigurigen Halsamphore, die Ariadne und Dionysos auf einer Kline zeigen. Sie stammt aus der Zeit von 510-500 v.Chr.
(2) Einen Ausschnitt aus dem Deckengemälde von Annibale Caracci 'Der Triumph des Bacchus und der Aiadne' im Palazzo Farnese in Rom aus dem Jahr 1597-1600.
Quellen:
Catull, Carmina 64, 50-201
Ovid, Metamorphse 8, 169-182
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Peter43,
Nicht von Tarsos, sondern von Maionia in Lydien stammt deine schöne Münze, BMC 43, Taf. XIV.7 (nur Rs., stempelgleich mit deinem Exemplar), Lanz 32, April 1985, 633 (stempelgleich mit deinem Exemplar).
Hier die Legenden nach diesen beiden Stücken:
AV KAI L CE - P CEVHROC PER - TIN
EPI IOVLIAN - OV TAAB[??] ARXONTOC, im Abschnitt MAIONWN.
Beide Beschreibungen sehen im Wagen nicht Ariadne, sondern Dionysos mit Thyrsos.
Nicht von Tarsos, sondern von Maionia in Lydien stammt deine schöne Münze, BMC 43, Taf. XIV.7 (nur Rs., stempelgleich mit deinem Exemplar), Lanz 32, April 1985, 633 (stempelgleich mit deinem Exemplar).
Hier die Legenden nach diesen beiden Stücken:
AV KAI L CE - P CEVHROC PER - TIN
EPI IOVLIAN - OV TAAB[??] ARXONTOC, im Abschnitt MAIONWN.
Beide Beschreibungen sehen im Wagen nicht Ariadne, sondern Dionysos mit Thyrsos.
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Hallo Peter43!
Nachdem ich nun endlich diesen wundervollen Thread durch habe, muss ich dir einmal ein wahrlich dickes Lob aussprechen!!
Die Mühen die du dir damit gemacht hast (und auch hoffentlich noch weiter machen wirst) sind bewundernswert, genau wie dein akribisches Recherchieren der (in meinen Augen) oft verflixt schwierigen mythologischen und geschichtlichen Zusammenhänge sowie der Zusatzinformationen in Form von Kunstgegenständen und Landschaftsfotos. Gekrönt wird all dies dann noch mit fantastischen Münzen... Numismatikerherz, was willst du mehr!
Leider kann ich hier nichts Sinnvolles beitragen, außer mein Interesse an dieser Thematik und Respekt deinem Wissen gegenüber zu bekunden und ich denke, so wird es vielen anderen Forumsmitgliedern hier auch gehen.
Natürlich gilt all das Gesagte auch für die anderen Kollegen, die an diesem Thread großartig mitgearbeitet haben; ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, dass ich in erster Linie dem "Chefmythologen" meinen Dank ausspreche.
In Würdigung deiner Arbeit (ich möchte nicht wissen, wieviele Stunden du daran jedesmal gesessen hast) und Vorfreude in Hinblick auf neue interessante Themen, kann ich nur sagen: Bitte weiter so!!!
Liebe Grüße
Pixxer
Nachdem ich nun endlich diesen wundervollen Thread durch habe, muss ich dir einmal ein wahrlich dickes Lob aussprechen!!
Die Mühen die du dir damit gemacht hast (und auch hoffentlich noch weiter machen wirst) sind bewundernswert, genau wie dein akribisches Recherchieren der (in meinen Augen) oft verflixt schwierigen mythologischen und geschichtlichen Zusammenhänge sowie der Zusatzinformationen in Form von Kunstgegenständen und Landschaftsfotos. Gekrönt wird all dies dann noch mit fantastischen Münzen... Numismatikerherz, was willst du mehr!
Leider kann ich hier nichts Sinnvolles beitragen, außer mein Interesse an dieser Thematik und Respekt deinem Wissen gegenüber zu bekunden und ich denke, so wird es vielen anderen Forumsmitgliedern hier auch gehen.
Natürlich gilt all das Gesagte auch für die anderen Kollegen, die an diesem Thread großartig mitgearbeitet haben; ich hoffe ihr nehmt es mir nicht übel, dass ich in erster Linie dem "Chefmythologen" meinen Dank ausspreche.
In Würdigung deiner Arbeit (ich möchte nicht wissen, wieviele Stunden du daran jedesmal gesessen hast) und Vorfreude in Hinblick auf neue interessante Themen, kann ich nur sagen: Bitte weiter so!!!
Liebe Grüße
Pixxer
- Peter43
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Hallo Pixxer!
Das ist aber nett von Dir. Natürlich werde ich weitermachen. Einige Themen habe ich noch. Aber langsam gehen mir die interessanten Münzen aus. Ich möchte nämlich nur Münzen aus meiner Sammlung zeigen. Aber der Markt für Münzen mit mythologischen Themen scheint leergefegt zu sein. Und alle Motive eignen sich nicht für längere Artikel, weil es darüber nicht genug Literatur gibt.
Also noch etwas Geduld!
Den selben Thread gibt es übrigens auch im amerikanischen Forum unter http://www.forumancientcoins.com/board/ ... ic=25089.0
Mit freundlichem Gruß
Das ist aber nett von Dir. Natürlich werde ich weitermachen. Einige Themen habe ich noch. Aber langsam gehen mir die interessanten Münzen aus. Ich möchte nämlich nur Münzen aus meiner Sammlung zeigen. Aber der Markt für Münzen mit mythologischen Themen scheint leergefegt zu sein. Und alle Motive eignen sich nicht für längere Artikel, weil es darüber nicht genug Literatur gibt.
Also noch etwas Geduld!
Den selben Thread gibt es übrigens auch im amerikanischen Forum unter http://www.forumancientcoins.com/board/ ... ic=25089.0
Mit freundlichem Gruß
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Artemis mit Kind
Ich hatte diese merkwürdige Münze bereits einmal vorgestellt und um Hilfe gebeten. Nach dem Hinweis von Gofono auf Bendis glaube ich, daß es diese Münze verdient, hier vorgestellt zu werden.
Thrakien, Philippopolis, Julia Domna, +217
AE 25, 6.67g
Av.: IOVLIA. - DOM CEBACT
Büste, drapiert, n.r., Haare hinten zu breitem, flachen Knoten gebunden
Rev.: FILIPP - OPOLITWN
Artemis in kurzem Chiton, der die re Schulter freiläßt, und in
Stiefeln, n.r. stehend, stützt die r. Hand auf umgekehrten Speer
und hält im li Arm den kleinen Dionysos, der eine Hand nach ihr
ausstreckt; zu ihrer rechten Seite Hirsch n.r. stehend.
Ref.: Varbanov (engl.) 1386 var. (hat angeblich IOVLIA DOMA CEB!);
ein anderes Ex. in Lanz 112, Lot 642 (stempelgleich, stark abgenützt)
Sehr selten, SS, dunkelgrüne Patina
Das Problem mit dieser Münze ist die Darstellung auf der Rs. Ich kenne keine Verbindung zwischen Artemis und einem kleinen Kind und nach einer Information von Gofono wird auch im LIMC keine Darstellung der Artemis mit einem Kind erwähnt. Man muß sich fragen, ob es sich tatsächlich um Artemis handelt und ob das Kind tatsächich Dionysos ist.
Hier sind die Ergebnisse meiner Recherchen. Ich hoffe auf kritische Kommentare!
(1) Artemis als Mutter des Cupido/Eros
Augenscheinlich ist die weibliche Figur Artemis in ihrer typischen Jagdkleidung, den Stiefen und dem Hirsch an ihrer Seite, nur daß es eben keine bekannte Mythe gibt, die Artemis mit dem keinen Dionysos verbindet. Aber nun habe ich nicht nur eine andere Mythe gefunden, in der Artemis mit einem Kind verbunden ist, sie selbst ist sogar die jungfräuliche Mutter dieses Kindes! Ich kann natürlich jetzt nicht sagen, ob dies tatsächlich die Lösung des Rätsels ist, denn dieses Kind ist Cupido!
Meine Quelle ist Cicero, De Natura Deorum, lib III, c.58. Dort schreibt Cicero von drei verschiedenen Dianen (Diana = Artemis!) und zählt ihre Eltern auf. Es gibt nach ihm also 3 verschiedene Mythologien von Diana. Die Eltern der ersten Diana sind Jupiter und Proserpina, der zweiten Jupiter und Latona und der dritten Upis und Glauke.
Und Cicero kennt auch drei verschiedene Cupidos. Der erste Cupido war der Sohn des ersten Merkur und der ersten Diana, der zweite der Sohn des zweiten Merkur und der zweiten Venus und der dritte der Sohn von Mars und Venus.
Und Bingo! Hier haben wir das Kind unserer jungfräulichen Göttin! Und wären Diana und Cupido nicht eine schöne Ergänzung zur Julia Domna auf der Vs.? Leider gibt es einen Einwand: dem Cupido fehlen seine Flügel. Andrerseits, wo sind die Attribute, die aus dem Kind den Dionysos machen?
(2) Artemis/Bendis als Mutter des Orpheus
Gofonos hatte mich hingewiesen auf die thrakische Artemis, die Göttin Bendis. Sie wurde auch mit Hekate und Persephone gleichgesetzt. Ihr Name stammt laut Kretschmer von idg. bhendh- = 'binden', deshalb gedeutet als Zygia. Aber ihre Ikonographie weist sie zweifellos als eine Jagdgöttin aus: Ihr Epitheton dolonchos wird erhellt durch die bithynische Münze des Nikomedes I., die sie mit Doppellanze und Speer zeigt. Der mit ihr verbundene Gott Deoptes könnte dem thrakischen Reitergott Heros verwandt sein, zu dem auch Bendis in einem besonderen Verhältnis stand, wie wir noch sehen werden. Man wollte ihn in dem neben Bendis auf dem Piraeus-Relief erscheinenden Asklepios erkennen. Der Bendis-Kult wurde von dort ansässigen Thrakern um 430 v.Chr. in Athen eingeführt und aus politischen Gründen staatlich gefördert, wie u.a. aus den Steinfragmenten von Munychia hervorgeht. Ihr dortiges Sanctum und das Fest der Bendideia, am 20. Tag des Monats Thorgeion mit Prozession, Pannychis und Fackellauf gefeiert, unterstanden der Aufsicht eines thrakischen Orgeonenkollegiums. Die offizielle Protektion dieses Fremdkultes mit seinem angeblich orgiastischen Gepräge weckte ein entsprechendes Echo in der attischen Komödie (Strab. 10, 471).
Nun gibt es auch die Vorstellung, daß der thrakische Reitergott Hero der jungfräulich geborene Sohn der Bendis gewesen sein soll. Hier finden wir also schon genau die Vorstellung, die später im Christentum eine solch wichtige Rolle spielen sollte. Und dann gibt es eine weitere Vorstellung, nämlich daß Orpheus selbst, der berühmte Sänger und mythische König des Rhodopengebirges ein Sohn der jungfräulichen Bendis gewesen sein soll!
Und jetzt haben wir alle benötigten Zutaten beisammen: Philippopolis (das heutige Plovdiv in Bulgarien) lag in der Mitte Thrakiens und kannte sicherlich den Bendiskult. Sollte die abgebildete Figur tatsächlich Bendis, die thrakische Artemis sein, dann würde das auch den fehlenden Bogen und die fehlenden Pfeile erklären. Ihr Attribut war nämlich der Speer. Und Orpheus kennen wir von mehreren Münzen aus Philippopolis. Philippopolis war sozusagen die Stadt des Orpheus. Bendis/Artemis und ihr jungfräulich geborener Sohn Orpheus wären eine wunderbare Erklärung für diese merkwürdige Rs. und würden ebenfalls eine hübsche Ergänzung zur Julia Domna auf der Vs. sein.
Ich persönlich votiere für diese zweite Erklärung!
Quellen:
Der Kleine Pauly
Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
Cicero, De Natura Deorum, Reclam
Mit freundlichem Gruß
Ich hatte diese merkwürdige Münze bereits einmal vorgestellt und um Hilfe gebeten. Nach dem Hinweis von Gofono auf Bendis glaube ich, daß es diese Münze verdient, hier vorgestellt zu werden.
Thrakien, Philippopolis, Julia Domna, +217
AE 25, 6.67g
Av.: IOVLIA. - DOM CEBACT
Büste, drapiert, n.r., Haare hinten zu breitem, flachen Knoten gebunden
Rev.: FILIPP - OPOLITWN
Artemis in kurzem Chiton, der die re Schulter freiläßt, und in
Stiefeln, n.r. stehend, stützt die r. Hand auf umgekehrten Speer
und hält im li Arm den kleinen Dionysos, der eine Hand nach ihr
ausstreckt; zu ihrer rechten Seite Hirsch n.r. stehend.
Ref.: Varbanov (engl.) 1386 var. (hat angeblich IOVLIA DOMA CEB!);
ein anderes Ex. in Lanz 112, Lot 642 (stempelgleich, stark abgenützt)
Sehr selten, SS, dunkelgrüne Patina
Das Problem mit dieser Münze ist die Darstellung auf der Rs. Ich kenne keine Verbindung zwischen Artemis und einem kleinen Kind und nach einer Information von Gofono wird auch im LIMC keine Darstellung der Artemis mit einem Kind erwähnt. Man muß sich fragen, ob es sich tatsächlich um Artemis handelt und ob das Kind tatsächich Dionysos ist.
Hier sind die Ergebnisse meiner Recherchen. Ich hoffe auf kritische Kommentare!
(1) Artemis als Mutter des Cupido/Eros
Augenscheinlich ist die weibliche Figur Artemis in ihrer typischen Jagdkleidung, den Stiefen und dem Hirsch an ihrer Seite, nur daß es eben keine bekannte Mythe gibt, die Artemis mit dem keinen Dionysos verbindet. Aber nun habe ich nicht nur eine andere Mythe gefunden, in der Artemis mit einem Kind verbunden ist, sie selbst ist sogar die jungfräuliche Mutter dieses Kindes! Ich kann natürlich jetzt nicht sagen, ob dies tatsächlich die Lösung des Rätsels ist, denn dieses Kind ist Cupido!
Meine Quelle ist Cicero, De Natura Deorum, lib III, c.58. Dort schreibt Cicero von drei verschiedenen Dianen (Diana = Artemis!) und zählt ihre Eltern auf. Es gibt nach ihm also 3 verschiedene Mythologien von Diana. Die Eltern der ersten Diana sind Jupiter und Proserpina, der zweiten Jupiter und Latona und der dritten Upis und Glauke.
Und Cicero kennt auch drei verschiedene Cupidos. Der erste Cupido war der Sohn des ersten Merkur und der ersten Diana, der zweite der Sohn des zweiten Merkur und der zweiten Venus und der dritte der Sohn von Mars und Venus.
Und Bingo! Hier haben wir das Kind unserer jungfräulichen Göttin! Und wären Diana und Cupido nicht eine schöne Ergänzung zur Julia Domna auf der Vs.? Leider gibt es einen Einwand: dem Cupido fehlen seine Flügel. Andrerseits, wo sind die Attribute, die aus dem Kind den Dionysos machen?
(2) Artemis/Bendis als Mutter des Orpheus
Gofonos hatte mich hingewiesen auf die thrakische Artemis, die Göttin Bendis. Sie wurde auch mit Hekate und Persephone gleichgesetzt. Ihr Name stammt laut Kretschmer von idg. bhendh- = 'binden', deshalb gedeutet als Zygia. Aber ihre Ikonographie weist sie zweifellos als eine Jagdgöttin aus: Ihr Epitheton dolonchos wird erhellt durch die bithynische Münze des Nikomedes I., die sie mit Doppellanze und Speer zeigt. Der mit ihr verbundene Gott Deoptes könnte dem thrakischen Reitergott Heros verwandt sein, zu dem auch Bendis in einem besonderen Verhältnis stand, wie wir noch sehen werden. Man wollte ihn in dem neben Bendis auf dem Piraeus-Relief erscheinenden Asklepios erkennen. Der Bendis-Kult wurde von dort ansässigen Thrakern um 430 v.Chr. in Athen eingeführt und aus politischen Gründen staatlich gefördert, wie u.a. aus den Steinfragmenten von Munychia hervorgeht. Ihr dortiges Sanctum und das Fest der Bendideia, am 20. Tag des Monats Thorgeion mit Prozession, Pannychis und Fackellauf gefeiert, unterstanden der Aufsicht eines thrakischen Orgeonenkollegiums. Die offizielle Protektion dieses Fremdkultes mit seinem angeblich orgiastischen Gepräge weckte ein entsprechendes Echo in der attischen Komödie (Strab. 10, 471).
Nun gibt es auch die Vorstellung, daß der thrakische Reitergott Hero der jungfräulich geborene Sohn der Bendis gewesen sein soll. Hier finden wir also schon genau die Vorstellung, die später im Christentum eine solch wichtige Rolle spielen sollte. Und dann gibt es eine weitere Vorstellung, nämlich daß Orpheus selbst, der berühmte Sänger und mythische König des Rhodopengebirges ein Sohn der jungfräulichen Bendis gewesen sein soll!
Und jetzt haben wir alle benötigten Zutaten beisammen: Philippopolis (das heutige Plovdiv in Bulgarien) lag in der Mitte Thrakiens und kannte sicherlich den Bendiskult. Sollte die abgebildete Figur tatsächlich Bendis, die thrakische Artemis sein, dann würde das auch den fehlenden Bogen und die fehlenden Pfeile erklären. Ihr Attribut war nämlich der Speer. Und Orpheus kennen wir von mehreren Münzen aus Philippopolis. Philippopolis war sozusagen die Stadt des Orpheus. Bendis/Artemis und ihr jungfräulich geborener Sohn Orpheus wären eine wunderbare Erklärung für diese merkwürdige Rs. und würden ebenfalls eine hübsche Ergänzung zur Julia Domna auf der Vs. sein.
Ich persönlich votiere für diese zweite Erklärung!
Quellen:
Der Kleine Pauly
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Cicero, De Natura Deorum, Reclam
Mit freundlichem Gruß
Zuletzt geändert von Peter43 am Di 05.08.08 17:32, insgesamt 5-mal geändert.
Omnes vulnerant, ultima necat.
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Die 12. Aufgabe des Herakles - Gefangennahme des Höllenhundes Kerberos
Großbronze
Septimius Severus
Herakleia Pontika in Bithynien
Vs. Drapierte Panzerbüste Septimius Severus mit Lorbeerkranz n.r.,
Umschrift: AV K L CîP CîVHPOC
Rs. Herakles,Keule und Löwenfell im linken Arm,mit der rechten Hand den widerstrebenden Kerberos hinter sich herziehend n.r., Umschrift:HPAKLHAC îN PONTW
30mm 17,23g
Ref.
SNG von Aulock 378 (Vs. stempelgleich,Rs. anderer Typus), zur Rs. vgl. 397 (Macrinus)
SNG Cop.-;SNG Tübingen-;SNG Lewis-
äußerst selten
Mythologie
Die letzte und schwerste Aufgabe des Herakles war den Hund Kerberos aus der Unterwelt zu holen.
Statt den verhassten Nebenbuhler zu vernichten, hatten die bisher ihm von Eurystheus aufgetragenen Arbeiten den Herakles nur verherrlicht. Das letzte Abenteuer aber sollte er in einer Region bestehen, wohin ihn - so hoffte der arglistige König - seine Heldenkraft nicht begleiten würde; ein Kampf mit den finsteren Mächten der Unterwelt stand ihm bevor: er sollte Kerberos, den Höllenhund, aus dem Hades heraufbringen. Dies Untier hatte drei Hundsköpfe mit grässlichen Rachen, aus denen unaufhörlich giftiger Geifer träufte, ein Drachenschwanz hing ihm vom Leibe herunter, und das Haar der Köpfe und des Rückens bildeten zischende, geringelte Schlangen.
Herakles ging, um sich für dieses Abenteuer vorzubereiten in die Stadt Eleusis im attischen Gebiet. Um in die eleusischen Mysterien eingefürht zu werden, musste er aber vorher von einem Athener adoptiert werden, da diese Mysterien nur Athenern vorbehalten waren. Es wurde ihm deshalb eine Adoption durch einen gewissen Pylios vorgeschlagen, der diese auch dann vornahm. Die eleusischen Myterien sind eine Geheimlehre über göttliche Dinge der Ober- und Unterwelt, die von kundigen Priestern gehegt wurde. Herakles ließ sich von Musaios, dem Sohn des Orpheus, in die dortigen Geheimnisse einweihen, nachdem er an heiliger Stätte von einem Mord an Zentauren entsündigt worden war. Doch Eumolpos, Gründer dieser Mysterien, wollte Herakles nicht in die großen Mysterien einweihen, da er ihn trotz Adoption noch immer für einen Fremden sah. Da aber die Eleuser die Bitte Herakles nicht abschlagen wollten, gründeten sie seinetwegen die kleineren Mysterien.
So gereinigt und vorbereitet stieg Herakles vom lakonischen Tainaron in die Unterwelt hinab. Ihn führten Athene und Hermes. Charon, vom finsteren Blick des Herakles eingeschüchert, führte ihn über den Fluss Styx. Zur Strafe für diese Tat wurde Charon dann später von Hades für ein ganzes Jahr in Ketten gelegt. Als Herakles an Land stieg, ergriffen alle Geister die Flucht, mit Ausnahme der Gorgo Medusa und des Meleagers. Als Herakles Medusa erblickte, wollte er einen Schwertstreich führen, aber Hermes fiel ihm in den Arm und belehrte ihn, dass die Seele der Abgeschiedenen leere Schattenbilder und vom Schwerte nicht verwundbar seien. Mit der Seele Meleagers dagegen unterhielt sich der Halbgott freundlich und empfing von ihm sehnsüchtige Grüße für die Oberwelt an seine geliebte Schwester Deianeira. Am Ende bot Herakles an, diese zu heiraten.
Ganz nahe zu den Pforten des Hades gekommen, erblickte er seine Freunde Theseus und Peirithoos, der letzte hatte sich in der Unterwelt, vom andern begleitet, als Freier der Persephone eingefunden, und beide waren wegen dieses frechen Unterfangens von Pluto an grausame Stühle, gefesselt worden; Herakles gelang Theseus loszureissen, doch musste er Peirithoos zurücklassen, da die Erde unter seinen Füssen zu beben begann.
Als nächstes fand Herakles auch Askalaphos, der einst verraten hatte, dass Persephone von den Rückkehr verwehrenden Granatäpfeln des Hades gegessen. Herakles wälzte den Stein ab, den Demeter in Verzweiflung über den Verlust ihrer Tochter auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden des Pluto und schlachtete eines der Rinder, um die Geister mit einer Gabe warmen Blutes zu besänftigen; dies wollte der Hirte dieser Rinder, Menoitios, nicht gestatten und forderte deswegen den Helden zum Ringkampfe auf. Herakles aber faßte ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen. In diesem Augenblick kam Persephone aus ihrem Palast, begrüßte Herakles wie einen Bruder und setzte sich für das Leben des Menoitios ein.
Als Herakles den Kerberos verlangte, antwortete ihm Hades, der an der Seite seiner Gemahlin stand:" Er soll dein sein, aber nur unter der Bedingung, dass du desselben mächtig werden kannst, ohne die Waffen zu gebrauchen, die du bei dir führst.
So ging der Held, einzig mit seinem Brustharnisch bedeckt und mit dem Löwenfell umhangen, aus, das Untier zu fangen. Er fand Kerberos an den Toren des Acheron angekettet und fasste ihn entschlossen an der Kehle. Der stachelige Schwanz des Kerberos holte zum Schlag aus, aber Herakles war mit seinem Löwenfell gut geschützt und lockerte erst seinen Griff, als Kerberos schon am Ersticken war und sich ergab.
Mit Hilfe Athenes überquerte er wieder sicher den Styx. Teils zog, teils trug er Kerberos vom Abgrund in der Nähe Troizen hinauf.
Nun kam er mit Kerberos wieder nach Mykene und zeigte Eurystheus diesen.
Jetzt verzweifelte der König daran, jemals Herakles loszuwerden, ergab sich in sein Schicksal und entließ den Helden, der den Höllenhund zurück in die Unterwelt brachte. Eurystheus brachte dem Herakles vom gemeinsamen Erbe ihres Grossvaters Elektryon Opfer dar; er bot ihm aber nur einen Anteil wie für einen Sklaven an, während er die besten Stücke für seine Verwandten zurücklegte. Herakles zeigte seinen berechtigten Ärger, indem er drei der Söhne des Eurystheus tötete: Perimedes, Eurybios Eurypylos.
Grüße
Großbronze
Septimius Severus
Herakleia Pontika in Bithynien
Vs. Drapierte Panzerbüste Septimius Severus mit Lorbeerkranz n.r.,
Umschrift: AV K L CîP CîVHPOC
Rs. Herakles,Keule und Löwenfell im linken Arm,mit der rechten Hand den widerstrebenden Kerberos hinter sich herziehend n.r., Umschrift:HPAKLHAC îN PONTW
30mm 17,23g
Ref.
SNG von Aulock 378 (Vs. stempelgleich,Rs. anderer Typus), zur Rs. vgl. 397 (Macrinus)
SNG Cop.-;SNG Tübingen-;SNG Lewis-
äußerst selten
Mythologie
Die letzte und schwerste Aufgabe des Herakles war den Hund Kerberos aus der Unterwelt zu holen.
Statt den verhassten Nebenbuhler zu vernichten, hatten die bisher ihm von Eurystheus aufgetragenen Arbeiten den Herakles nur verherrlicht. Das letzte Abenteuer aber sollte er in einer Region bestehen, wohin ihn - so hoffte der arglistige König - seine Heldenkraft nicht begleiten würde; ein Kampf mit den finsteren Mächten der Unterwelt stand ihm bevor: er sollte Kerberos, den Höllenhund, aus dem Hades heraufbringen. Dies Untier hatte drei Hundsköpfe mit grässlichen Rachen, aus denen unaufhörlich giftiger Geifer träufte, ein Drachenschwanz hing ihm vom Leibe herunter, und das Haar der Köpfe und des Rückens bildeten zischende, geringelte Schlangen.
Herakles ging, um sich für dieses Abenteuer vorzubereiten in die Stadt Eleusis im attischen Gebiet. Um in die eleusischen Mysterien eingefürht zu werden, musste er aber vorher von einem Athener adoptiert werden, da diese Mysterien nur Athenern vorbehalten waren. Es wurde ihm deshalb eine Adoption durch einen gewissen Pylios vorgeschlagen, der diese auch dann vornahm. Die eleusischen Myterien sind eine Geheimlehre über göttliche Dinge der Ober- und Unterwelt, die von kundigen Priestern gehegt wurde. Herakles ließ sich von Musaios, dem Sohn des Orpheus, in die dortigen Geheimnisse einweihen, nachdem er an heiliger Stätte von einem Mord an Zentauren entsündigt worden war. Doch Eumolpos, Gründer dieser Mysterien, wollte Herakles nicht in die großen Mysterien einweihen, da er ihn trotz Adoption noch immer für einen Fremden sah. Da aber die Eleuser die Bitte Herakles nicht abschlagen wollten, gründeten sie seinetwegen die kleineren Mysterien.
So gereinigt und vorbereitet stieg Herakles vom lakonischen Tainaron in die Unterwelt hinab. Ihn führten Athene und Hermes. Charon, vom finsteren Blick des Herakles eingeschüchert, führte ihn über den Fluss Styx. Zur Strafe für diese Tat wurde Charon dann später von Hades für ein ganzes Jahr in Ketten gelegt. Als Herakles an Land stieg, ergriffen alle Geister die Flucht, mit Ausnahme der Gorgo Medusa und des Meleagers. Als Herakles Medusa erblickte, wollte er einen Schwertstreich führen, aber Hermes fiel ihm in den Arm und belehrte ihn, dass die Seele der Abgeschiedenen leere Schattenbilder und vom Schwerte nicht verwundbar seien. Mit der Seele Meleagers dagegen unterhielt sich der Halbgott freundlich und empfing von ihm sehnsüchtige Grüße für die Oberwelt an seine geliebte Schwester Deianeira. Am Ende bot Herakles an, diese zu heiraten.
Ganz nahe zu den Pforten des Hades gekommen, erblickte er seine Freunde Theseus und Peirithoos, der letzte hatte sich in der Unterwelt, vom andern begleitet, als Freier der Persephone eingefunden, und beide waren wegen dieses frechen Unterfangens von Pluto an grausame Stühle, gefesselt worden; Herakles gelang Theseus loszureissen, doch musste er Peirithoos zurücklassen, da die Erde unter seinen Füssen zu beben begann.
Als nächstes fand Herakles auch Askalaphos, der einst verraten hatte, dass Persephone von den Rückkehr verwehrenden Granatäpfeln des Hades gegessen. Herakles wälzte den Stein ab, den Demeter in Verzweiflung über den Verlust ihrer Tochter auf ihn gewälzt hatte. Dann fiel er unter die Herden des Pluto und schlachtete eines der Rinder, um die Geister mit einer Gabe warmen Blutes zu besänftigen; dies wollte der Hirte dieser Rinder, Menoitios, nicht gestatten und forderte deswegen den Helden zum Ringkampfe auf. Herakles aber faßte ihn mitten um den Leib, zerbrach ihm die Rippen. In diesem Augenblick kam Persephone aus ihrem Palast, begrüßte Herakles wie einen Bruder und setzte sich für das Leben des Menoitios ein.
Als Herakles den Kerberos verlangte, antwortete ihm Hades, der an der Seite seiner Gemahlin stand:" Er soll dein sein, aber nur unter der Bedingung, dass du desselben mächtig werden kannst, ohne die Waffen zu gebrauchen, die du bei dir führst.
So ging der Held, einzig mit seinem Brustharnisch bedeckt und mit dem Löwenfell umhangen, aus, das Untier zu fangen. Er fand Kerberos an den Toren des Acheron angekettet und fasste ihn entschlossen an der Kehle. Der stachelige Schwanz des Kerberos holte zum Schlag aus, aber Herakles war mit seinem Löwenfell gut geschützt und lockerte erst seinen Griff, als Kerberos schon am Ersticken war und sich ergab.
Mit Hilfe Athenes überquerte er wieder sicher den Styx. Teils zog, teils trug er Kerberos vom Abgrund in der Nähe Troizen hinauf.
Nun kam er mit Kerberos wieder nach Mykene und zeigte Eurystheus diesen.
Jetzt verzweifelte der König daran, jemals Herakles loszuwerden, ergab sich in sein Schicksal und entließ den Helden, der den Höllenhund zurück in die Unterwelt brachte. Eurystheus brachte dem Herakles vom gemeinsamen Erbe ihres Grossvaters Elektryon Opfer dar; er bot ihm aber nur einen Anteil wie für einen Sklaven an, während er die besten Stücke für seine Verwandten zurücklegte. Herakles zeigte seinen berechtigten Ärger, indem er drei der Söhne des Eurystheus tötete: Perimedes, Eurybios Eurypylos.
Grüße
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