Kauftkraft eines Pfennigs

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cepasaccus
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Kauftkraft eines Pfennigs

Beitrag von cepasaccus » Mo 24.03.08 01:37

cepasaccus omnibus s d

Nachdem ich mir schon die mittelalterlichen Muenzen anschaue habe ich mich gefragt, was bekommt man denn so dafuer. Wenn man da im Netz schaut, dann gibt es ueberall fuer 900 folgende Informationen:

Fuer 1 Pfennig gabe es:
- 10 Huehner oder
- 1/3 kg Getreide

(z. B. bei http://www.die-wander-voegel.de/Geschichte/W.html )

Mein Gefuehl sagt mir, dass das nicht stimmen kann. Da haette sich die arme Landbevoelkerung statt von Brot und Brei staendig nur von Gefluegel ernaehrt.

Wie war es nun wirklich? Und wer hat diese Zahlen in den Umlauf gebracht?

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Schwarzschaf
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Beitrag von Schwarzschaf » Mo 24.03.08 11:48

Das ist nicht leicht zu beantworten. Ich kann dir ein Buch der Numismatischen Gesellschaft Speyer empfehlen. (ist nicht teuer)
"Löhne und Preise in 4 Jahrtausenden" - Schriftenreihe der Num.Ges. Band35 - 1994 - ISSN 0938 - 7269Autor: Heinz Voigtlaender.
mfG. RC
Weil ich nicht alles weiß, bin ich neugierig

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KarlAntonMartini
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Re: Kauftkraft eines Pfennigs

Beitrag von KarlAntonMartini » Mo 24.03.08 12:30

cepasaccus hat geschrieben:
(z. B. bei http://www.die-wander-voegel.de/Geschichte/W.html )

Auch die anderen Angaben dort sind sehr fragwürdig. Ins Netz darf halt jeder schreiben, was er will. - Eine allgemeine Preisliste für Waren im Mittelalter zu erstellen, stößt in mehrfacher Hinsicht auf Schwierigkeiten. Die Quellenlage ist dünn, es sind nur hier und da zufällige Aufzeichnungen für Löhne und Preise überliefert. Das Mittelalter umfaßt eine Periode von ca. 1000 Jahren, da ist ja viel passiert. Die Preise schwankten darüberhinaus von Jahr zu Jahr und von Region zu Region, schlechte Ernten, Hungersnöte etc. etc. Und die Währung war einem steten Wandel unterworfen, der Pfennig als wichtigste Münzsorte bis ins Hochmittelalter war regional unterschiedlich definiert. Vergleiche von einem Ort zum anderen sind deshalb nicht so einfach. Auch die Maßeinheiten für Getreide, Flüssigkeiten, Tuche etc. waren sehr unterschiedlich und von Ort zu Ort verschieden. Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von Pflock » Mo 24.03.08 13:41

In "Der Hohlpfennigfund von Mühlhausen (1990) - verborgen um 1430 - Spiegelbild des Thüringer Kleingeldumlaufs" von Thomas Arnold wird dazu folgendes gesagt:
Die Kaufkraft eines Pfennigs (oder auch Denar, Brakteat, Hohlpfennig) ist je nach Region und Zeitabschnitt stark unterschiedlich. Für Mühlhausen in Thüringen zu beginn des 15.Jh. gilt z.B.: Die gefundenen 4500 Pfennige wurden in einem Zeitraum von ca. 20 Jahren von einem Handwerker, Händler o.ä. gespart und könnten den Gegenwert eines mittelgroßen Hauses der Vorstadt wiederspiegeln. Oder der Lebensunterhalt eines 3-köpfigen Haushaltes könnte mehrere Jahre davon bestritten werden.

Hier ein kurzes Ranking aus dem Buch (teilweise wörtlich zitiert):
  • Grundnahrungsmittel (z.B. Getreide, Brot, Bier :P, Eier und Hühner) waren relativ billig und ermöglichten auch bei geringen Einkünften ein wenigstens dürfiges Überleben.
  • Steuern auf Grundstücke waren auch recht niedrig
  • Handwerksartikel aus Leder und Metall, insbesondere für Kleidung, für Reiter sowie Waffen waren teuer
  • Luxuswaren (Gewürze, hochwertige Stoffe, Schmuck, Pferde, Rüstungen, etc.) waren sehr teuer
  • Geldbußen waren "schmerzhaft" teuer
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Beitrag von cepasaccus » Mo 24.03.08 14:40

Was ich an solchen Kaufkraftsachen interessant finde ist hauptsaechlich der Gebrauch des Geldes. Bei den "mittleren" Roemern wurde Silbergeld viel fuer den Fernhandel, dagegen das Kupfergeld hauptsaechlich fuer lokale Geschaefte ("Brot kaufen") verwendet. Die kleinsten Muenzen waren auch so wenig wert, dass man damit wirklich alle Geschaefte abwickeln konnte.

Was ich mich zum Beispiel frage ist, hat ein Bauer/Baecker wirklich Geld im taeglichen Leben benutzt? Wenn nicht weil fuer ihn ein Pfennig so viel wert war oder einfach weil es nicht genuegend gab? Oder wie war der gebrauch der grossen Muenzen? Dass es auf diese Frage noch weniger eine allgemeine Antwort gibt wie bei den Roemern ist mir klar.

Wenn 4500 d ein mittelgrosses Haus war, dann hoert sich das fuer mich danach an, dass 1 d viel zu viel fuer ein Broetchen war und deshalb fuer die taeglichen Kleingeschaefte nicht benutzt wurde. Es hoert sich aber schon so wenig an, dass der Bauer welche in die Hand bekam, wenn er seine Ernte oder ein Tier verkaufte.

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Beitrag von tournois » Mo 24.03.08 18:39

Vielleicht zu erwähnen wäre, dass Münzen auch geteilt wurden um geringere Beträge bezahlen zu können.
Da es wohl nur sehr selten Obole/Hälblinge der geltenden Münzen gab, wurden die vorhandenen Münzen auch geteilt oder geviertelt.
Desweiteren kann man davon ausgehen das man zu der Zeit den größten Teil seiner benötigten Lebensmittel und Sachen selbst anbaute und herstellte.
Dadurch bedingt herrschte wohl eher eine Naturalwirtschaft unter dem "geringeren" (Land-)Volke vor.
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Beitrag von Pflock » Mo 24.03.08 19:55

Ich habe gelesen, daß die unteren Schichten im Mittelalter recht selten Münzen in die Finger bekamen. Der Handel wurde noch viel mit Naturalien abgewickelt. Das mit den 10 Hühnern für 1 Pfennig kann ich mir schon recht gut vorstellen. Anderenorts habe ich von einem Schaf für 1 Pfennig gelesen.
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Beitrag von cepasaccus » Mo 24.03.08 20:24

Da ist etwas, das fundiert aussieht:

http://www.austrian-mint.com/junior_kaufkraft_2?l=de

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Beitrag von Numis-Student » Mi 26.03.08 07:30

Hallo,
ich hätte noch folgende Angaben zur Kaufkraft:

Preise der Karolingerzeit
1 Huhn 1/2 Pfennig
1 Pfund Wachs 1 Pfennig
30 Pfung Roggenbrot 1 Pfennig
1 Pflugschar 4 Pfennig
1 einjähriges Rind 12 Pfennig
1 fetter Ochse 60 Pfennig
1 Stück Leinenzeug 120 Pfennig
1 Pferd 156 Pfennig

und wenn mich nicht alles täuscht, sind das auch die Angaben der Münze Österreich :roll:
Auf jeden Fall haben die das aus: Wolfgang Trapp, Kleines Handbuch der Münzkunde und des Geldwesens in Deutschland, Reclam 1999, Seite 201 (ein sehr empfehlenswertes Büchlein, für 7,60 auch sehr günstig...).
Schöne Grüße,
MR

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Beitrag von Dietemann » Mo 31.03.08 12:48

Meiner Kenntnis nach gab es im Mittelalter das Kerbholz. Da wurden Kerben eingeschnitzt, je nachdem wieviel man gekauft hatte und dann wurde zu einem bestimmten Termin mit einer Münze bezahlt und die entsprechende Anzahl an Kerben ausgestrichen. Auch im Fernhandel scheint viel durch Anschreiben erledigt worden zu sein.

Das Teilen von Münzen war zumindest bei den Brakteaten nicht üblich, es ist vielmehr eine Strafmaßnahme, wenn jemand Münzen verwendet hatte, die am Markttag nicht mehr zugelassen waren (Er also seine Marktsteuer nicht entrichtet hatte). Was nicht heißt, dass die so geteilten Münzen trotzdem weiterverwendet wurden - als eine Art Hacksilber.

Gruß Dietemann

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Beitrag von Pflock » Mo 31.03.08 18:53

Zum Thema geteilte Brakteaten, hatte wir schon mal einen kleinen Thread: http://www.numismatikforum.de/ftopic217 ... t=brakteat
Gruß Pflock

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Beitrag von payler » Mo 31.03.08 19:48

Erik Eybel (Von der Eule zum Euro) schreibt:

Preise und Taglohn im 14. Jahrhundert:

10 Eier - 1 Pfennig
1 Huhn - 2 Pfennige
1 Prager Groschen - 12 Pfennige
1 Stück Samt für einen Mantel 45 Dukaten = 6.400 Pfennige
Tagelohn eines Handwerkers - 6 - 12 Pfennige
Tagelohn eines Erntehelfers - 2 Pfennige = 20 Eier

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Susat
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Beitrag von Susat » Di 01.04.08 09:46

payler
da wäre freilich interessant wann genau im 14. Jhd. (es war 100 Jahre lang in dem viel passierte, wie pest, wetterkapriolen, kriege und wer weiß was sonst noch) Außerdem für welche stadt oder wenigstens für welches gebiet sind die angaben? Hier einige Daten aus Soest:
1329 ein schwein 36 Pf
1338 kostet ein großer Hof 130 und ein Gut 250 Mark
1358 ein gutes Pferd 15 Mark
1364 ein Schwein 36 Pf und 50 Eier
1376 Jahrespacht eines Ladens 29 Pf
1408 Jahreslohn Büchsenmacher 10 Rheinische Gulden
Nun muß man berücksichtigen das in Westfalen von 1312-1378 die Inflation herrschte. 1315/16 große Dürre, 1349, 1358, 1370 die ersten drei großen Pestwellen, 1391 wurde das ganze Ackerland niedergebrand, 1403 entsteht eine so große Teuerung das ALLE Bürger verarmt sind. Mit dieser kleinen Aufzählung, was alles die Kosten beeinflussen kann, will ich zeigen das man generell garnichts über die Preisentwicklung im Mittelalter sagen kann. Da wird jeder für sein Gebiet die passenden Archivalien quälen müssen. Diese dann zu bündeln das wäre spannend und im pc Zeitalter doch auch irgendwann machbar :-)
mit freundlichen Grüßen aus der alten Hansestadt Soest, susat

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Beitrag von payler » Di 01.04.08 16:48

Hallo Susat!

Geht bei der Aufstellung leider nicht hervor!

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Beitrag von Schwarzschaf » Di 01.04.08 17:35

Ich glaube, man muß die Preise im Kontext zum Verdienst sehen.
Zb.1660 Köln: pro TAG

Dachdeckermeister 26 Albus
Dachdeckergehilfe 20 Albus
Dachdeckerlehrling 14 Albus
Steinmetzmeister 28 Albus
Steinmetzgeselle 24 Albus
Steinmetzlehrling 16 Albus

es Kostete:
1 Mischbrot (7 Pfund) 5 Alb. 4 Heller
1 Pfund Schweinefleisch 4 Alb.
1 Pfund Rindfleisch 3 Alb.
1 Pfund Ochsenfleisch 4 Alb. 6 Heller
1 Pfund Hammelfleisch 4 Alb. 6 Heller
1 Huhn 14 Alb.
1 Pfund Schinken 11 Alb.

Raum Hamburg - Lübeck - Schleswig Holstein

1650: pro TAG
ein Zimmermeister 18 Schillinge
ein Zimmergeselle 16 Schillinge
ein Maurermeister 16 Schillinge
ein Maurergeselle 14 Schillinge
ein Kuhhirt im JAHR 3 Taler
eine Magd im JAHR 2 Taler
ein Gutsverwalter im JAHR 100 TAler und Deputat

Es kostste:
1 Pfund Butter 30 Pf. = 2,5 S
20 Eier 15 Pf. = 1.25 S
1 Huhn 18 Pf. = 1,5 S
1 Gans 72 Pf. = 6.- S
1 Schwein 4 M = 2 RTL.
1 Pferd 30 M = 15 Rtl
1 Paar Stiefel 7 M
1 Paar Schuhe 11 S

Das sind natürlich nur Momentaufnahmen, aber man sieht deutlich, ohne gleichzeitiges Einkommen zu kennen ist es sehr schwierig sich ein korrektes Bild zu machen.
Auszug aus : Löhne und Preise in 4 Jahrtausenden - Numismatische Ges. Speyer Band 35
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