Passiergewicht für einen Testone, woher stammt es?

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Moderator: Lutz12

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Passiergewicht für einen Testone, woher stammt es?

Beitrag von Privateer » Di 20.05.08 23:48

Servus,

dieses Passiergewicht für einen Testone hat sich kürzlich zu meiner Sammlung dazugesellt. Es wiegt 8,9 Gramm, was wohl die damalige Untergrenze für einen Testone war um noch "passieren" zu dürfen.

Das Wappen dürfte vermutlich päpstlich sein, was auf eine Verwendung im Kirchenstaat schließen lässt. Nun meinen Frage dazu:

Lässt sich das Stück zeitlich irgendwie eingrenzen?

Im Internet finde ich nichts, wohl auch weil ich nicht weiss, was Passiergewicht auf Italienisch heisst. Also auch damit wär mir schon geholfen.

Vielen Dank schonmal im Voraus.
Dateianhänge
peso de testoni.jpg
Gruß Privateer

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KarlAntonMartini
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Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 21.05.08 11:04

Das Wappen ist dasjenige von Papst Innozenz XI. (1676-1689) aus der Familie Odescalchi. Grüße, KarlAntonMartini
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Der Verteidiger des christlichen Abendlandes

Beitrag von Privateer » Mi 21.05.08 11:26

@KAM

Vielen Dank, jetzt hab ich ihn gefunden.

http://de.wikipedia.org/wiki/Innozenz_XI.

In dieser Zeit wogen die Testoni nur noch etwa 9,1 Gramm statt früher 9,65 Gramm.

http://www.coinarchives.com/w/lotviewer ... 43&Lot=133

Mal eine Testone aus der Zeit als Beispiel. Super, so alt hätte ich das Passiergewicht gar nicht geschätzt.
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Beitrag von johndoe » Mi 21.05.08 13:37

Hallo,

für alle, denen es so geht mir und die nicht wussten, was ein Testone oder ein Passiergewicht ist/war, sich aber dafür interessieren und zu faul zum selber suchen sind.

http://www.numispedia.de/Testone

http://www.numispedia.de/Passiergewicht

So, wieder was dazu gelernt.

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Beitrag von klaupo » Mi 21.05.08 15:15

... und dann wäre da noch die Frage zu klären ... und woher stammt es? Ich wage mal die ketzerische Behauptung, das Gewicht stammt nicht aus dem Kirchenstaat! Warum? Das M.S. im Revers ist laut Schickeysen / Pallmann das Signum des Stempelschneiders Maximilian Soldan (geb. 1658 - gest. 1740), und der arbeitete in Florenz. Die Stempelschneider in päpstlichen Diensten kamen aber zur Zeit von Innozenz XI. aus der Familie Hamerani.

Und so macht das Ganze ja auch Sinn: die skizzenhafte Darstellung des Wappens auf dem Gewicht im Gegensatz zur aufwendigen Gestaltung auf der zu prüfenden Währung, dem päpstlichen Testone. Geprüft wurde ja in der Regel Fremdwährung, um sie ins Land zu lassen ... passieren zu lassen. Die Herren im Großherzogtum Toskana waren aber die Medici, und die waren von Haus aus Banker.

Herkunft würde ich also meinen: Florenz, Bezug: der Testone aus dem Kirchenstaat.

Gruß klaupo

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Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 21.05.08 16:20

Das M.S. hatte ich auch im Forrer nachgeschaut, da käme auch nur der Soldani in betracht. Aber der scheint ein hochkünstlerischer, adeliger Medailleur gewesen zu sein, der fürs Stempelschneiden, so ers brauchte, denn die meisten seiner Werke sind Gußmedaillen, einen gewissen Gian Battista Gugliemada beschäftigte. Forrer schreibt: " 1686 we find him again in Florence where for the next fifty-four years of his life he was engaged in the execution of numerous medals, bas-reliefs, small figures in gold, silver and bronze of exquisite workmanship. " Von relativ banalen Alltagsgegenständen, wie Münzgewichten steht da nichts. Möglich wäre freilich, daß er dafür eine Werkstatt unterhielt. - Die Passiergewichte dienten doch der Prüfung, ob die Münze noch das zulässige Passiergewicht hatte, da mußte man sich auch um den eigenen Geldumlauf kümmern. Also es spricht einiges für die Florenz-Theorie, aber gewiß ists nicht. Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von Privateer » Mi 21.05.08 19:05

Wirklich erstaunlich, was Ihr beiden da zutage gefördert habt. Hut ab!

Wenn ich die Lebensdaten des Herrn Soldani so anschaue, war er zu Zeiten von Papst Innozenz XI. noch ziemlich jung. 1686 war der Mann gerade mal 30 Jahre alt, als er (laut Forrer wieder?) nach Florenz kam. 1689 verstarb Innozenz XI., also kann das Passiergewicht spätestens in diesem Jahr entstanden sein. Vielleicht hat sich der Künstler zu Anfang seiner Karriere noch mit bescheideneren "Werken" beschäftigt.

http://en.wikipedia.org/wiki/Massimiliano_Soldani_Benzi

Hier steht auch, dass er in den Florenzer Uffizien eine Werkstatt unterhielt, aus welcher das Passiergewicht durchaus stammen kann. Auch wenn er es vielleicht nicht selbst war, ein Produkt aus seiner Werkstatt würde wohl auch seine Initialen tragen.

Ein wenig spekulativ zwar, aber nicht unmöglich.
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Beitrag von slowfood » Do 22.05.08 16:30

Hallo,

wunderbar hergeleitet und begründet, das ist auch exakt die richtige Zeit, aber regional trotz alledem anscheinend falsch zugeordnet.
Das ist doch ein Gewicht aus dem Kirchenstaat.

Jedenfalls laut "I pesi monetari di monete Italiane" von P. Borzone, S.46 und Tafel XVIII. Die Prägung MS ist auf den beiden abgebildeten Exemplaren allerdings nicht zu sehen.

Andere abgebildete Münzgewichte für den Testone sehen ganz anders aus, ich werde aber mal zur Ergänzung einen italienischen Kollegen fragen.
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Beitrag von slowfood » Fr 23.05.08 16:58

Hallo,

mein italienischer Bekannter, der aktuell beste Experte für italienische Münzwaagen und -gewichte bestätigt, dass es sich um ein Münzgewicht des Kirchenstaates für den Silbertestone handeln müsste.
Das M.S. bleibt rätselhaft, besagten Soldan kennt er nicht. Zur Markierung der Gewichte meint er: "I have not found any
mention of him in the Roman mintmasters' lists or in the list of the
engraver's signs. The marks on a Roman weight were generally those of the
current President of the Mint, only seldom those of the maker. In any case
they were incuse on the reverse and not part of the die like the MS."

Gruß

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Beitrag von Privateer » Fr 23.05.08 21:18

@slowfood

Vielen Dank für Deine Infos. Hält Dein Bekannter das Stück für echt?
Gruß Privateer

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Beitrag von slowfood » Fr 23.05.08 21:34

Hallo,

ja, eindeutig.

Ich habe mal versucht zu verstehen, welche Bücher im Verlaufe der Diskussion zitiert wurden, und die sind tatsächlich dann leicht zu identifizieren. Für unsere Diskussionen über Münzgewichte habe ich die noch nie zitiert gesehen, obwohl es sicher (und gerade in Italien) Überschneidungen gegeben hat, was die Herstellung von Münzen und Münzgewichten angeht. Das ist allerdings von Land zu Land oder besser Fürstentum zu Fürstentum (oder was auch immer) sehr verschieden.

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