Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Wie zahlten unsere Vorfahren? Was war überhaupt das Geld wert? Vormünzliche Zahlungsmittel

Moderator: Locnar

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Mi 16.03.11 17:19

Hallo zusammen,

mein Name ist Marcus und ich beschäftige mich momentan mit historischen ornithologischen Themen. Dabei bin auch auf alte Listen mit Abschussprämien für verschiedene Vogelarten gestossen.
Bei folgendem Auszug aus Rheinfelden (1504) brauche ich Hilfe:

„Welicher 1 vischesser schüsst, es sye uf boumen oder wigren (Weihern), dem soll man geben 2ßd.; item von einem scharben (Kormoran) uff der statt wiger 10 d.; item von einem reigel (Reiher) uff der statt wiger 5 d.“

Sollte ich richtig recherchiert haben, dann bedeutet ßd. "Schilling Pfennig" und d. "Pfennig". Ist das korrekt?
Wichtig wäre für mich, ob Schilling Pfennig mehr oder weniger wert waren als Pfennig.

Ich bin für jede Hilfe dankbar!

Viele Grüße,
Marcus

Benutzeravatar
KarlAntonMartini
Moderator
Beiträge: 7966
Registriert: Fr 26.04.02 15:13
Wohnort: Dresden
Hat sich bedankt: 370 Mal
Danksagung erhalten: 903 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 16.03.11 17:33

Schilling ist eine Zähleinheit und bedeutet (meistens) zwölf, in Österreich jedoch 30 und in Franken zehn Stück Pfennige. Rheinfelden gehörte zu "Vorderösterreich" und welcher Schilling da zugrundegelegt wurde, kann ich leider nicht sagen. Welcher Vogel ist der "vischesser", er war offenbar der ärgste Räuber? Grüße, KarlAntonMartini
Tokens forever!

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Mi 16.03.11 17:45

Hallo KarlAntonMartini,

zunächst einmal vielen herzlichen Dank für die Antwort!

"Vischesser" ist sehr wahrscheinlich ein Überbegriff für alle fischfressenden Vogelarten, wobei nur wenige davon auch "uf boumen" zu finden sind. Es sind dies typischerweise eigentlich nur die anschliessend für den Stadtweiher namentlich genannten Kormoran und Graureiher. Beide brüten kolonieweise in Bäumen, sodaß ich denke, dass deshalb die Prämie hier höher war. Die Höhe der Prämie hing offenbar mit der Lokalität zusammen, an der geschossen wurde. Der Stadtweiher war wohl nicht so wichtig...

Viele Grüße,
Marcus

Benutzeravatar
KarlAntonMartini
Moderator
Beiträge: 7966
Registriert: Fr 26.04.02 15:13
Wohnort: Dresden
Hat sich bedankt: 370 Mal
Danksagung erhalten: 903 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 16.03.11 18:00

Das scheint mir nicht plausibel, denn so wäre die Prämierung inkonsistent. Denn das hieße:
- Reiher am Stadtweiher geschossen 5 Pfennige
- Kormoran am Stadtweiher geschossen 10 Pfennige
- jeglicher fischfressende Vogel am Baum oder am Weiher geschossen 24 (bzw. bei östterr. Schilling) sogar 60 Pfennige.
Könnte damit ein Seeadler oder ein Fischadler gemeint sein? Otter wohl nicht, denn die findet man nicht auf Bäumen. Grüße, KarlAntonMartini
Tokens forever!

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Mi 16.03.11 18:48

Ich verstehe die Zweifel und habe auch so meine Probleme mit einer eindeutigen Interpretation.
Seeadler oder Fischadler könnten evtl. gemeint sein. Allerdings heisst es in der Verordnung, dass es die Prämie für "vischesser... uf boumen oder wigren" gibt. Das bedeutet für mich "auf Bäumen oder Weihern" und somit fischfressende Schwimmvögel ("auf Weihern"), denn Adler und Fischadler halten sich nicht "auf" Weihern auf, sodern stossen nur kurz ins Wasser, um Fische zu erbeuten. Auch der Schwarzstorch scheidet meiner Meinung nach aus, da er, wenn er schon mal in Bäumen sitzt, eine extrem hohe Fluchtdistanz hat und bei der kleinsten Störung wegfliegt.
Möglich wäre natürlich, dass "Vischesser" gemeint sind, die entweder auf Bäumen oder auf Weihern zu finden sind. Darunter fielen dann einige Arten mehr, auch die Adler und z.B. der Gänsesäger und andere Tauchvögel. Aber dem steht entgegen, dass zB ein Haubentaucher, wie Sie ganz richtig ausführen, wohl kaum soviel bringen würde wie zB ein Seeadler. Deshalb ist jegliche Interpretation mit mehr oder weniger großen Zweifeln behaftet.
Deshalb denke ich, dass die Anmerkung "uf boumen" sich am ehesten auf Brutkolonien von Reihern und/oder Kormoranen bezieht.

Viele Grüße,
Marcus

Benutzeravatar
leodux
Beiträge: 1424
Registriert: Mi 08.05.02 23:36
Wohnort: Niedersachsen
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von leodux » Mi 16.03.11 19:02

Hi,

vielleicht handelt es sich um die gleichen Vögel (Reiher und Kormorane), aber es wurde ein Unterschied zwischen Vögeln gemacht, die am Stadtweiher (städtische Fischzucht = Fischfresser besonders "schädlich" = hohe Prämie) oder außerhalb des Stadtweihers (Fischfresser dort nicht ganz so schädlich = deshalb weniger Prämie) geschossen wurden.

Viele Grüße
Peter

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Mi 16.03.11 19:27

Hallo Peter,

die Quelle besagt aber, dass die Prämie auf dem Stadtweiher mit 10 d. bzw. 5 d. wesentlich niedriger war als auf den "Bäumen und Weihern", also außerhalb des Stadtweihers, dort nämlich 2 ßd., oder habe ich da was falsch verstanden? Andersherum erschiene es mir auch logischer...
Leider habe ich aus der Quelle nur diesen Abschnitt, wie er oben steht. Vielleicht finde ich noch heraus, ob noch weitere Arten namentlich und mit Prämie erwähnt werden. Der Text stammt übrigens aus dem "Schweizerischen Idiotikon", das online abrufbar ist:
http://www.idiotikon.ch/Register/

Viele Grüße,
Marcus

PS: VIelen Dank für die rege Bearbeitung meiner Fragen!
Zuletzt geändert von m@rcus am Mi 16.03.11 19:30, insgesamt 1-mal geändert.

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Mi 16.03.11 19:29

Noch eine kleine Berichtigung: In meinem vorletzten Beitrag bitte ich, statt Schwimmvögel Wasservögel zu lesen, sonst passt's nicht.

Marcus

Benutzeravatar
leodux
Beiträge: 1424
Registriert: Mi 08.05.02 23:36
Wohnort: Niedersachsen
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 1 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von leodux » Mi 16.03.11 20:34

Hallo Marcus,
ich war jetzt davon ausgegangen, dass die Prämie zwei Pfennig und nicht zwei Schilling waren. Sorry, wenn es wirklich 2 Schillinge waren, dann ergibt das, was ich geschrieben hatte, wirklich keinen Sinn.

Waren vielleicht 2 Schilling die Grundprämie für einen abgeschossenen Fischfresser und wenn der Vogel am Stadtweiher geschossen wurde, gab es noch eine Zusatzprämie?

Viele Grüße
Peter

Benutzeravatar
ischbierra
Beiträge: 5343
Registriert: Fr 11.12.09 00:39
Wohnort: Dresden
Hat sich bedankt: 2679 Mal
Danksagung erhalten: 4307 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von ischbierra » Mi 16.03.11 20:49

Wenn die Abschußprämie für einen Reiher 5 Pfennig und einen Kormoran 10 Pfennig beträgt und für einen "vischesser" außerhalb der Stadt mehr als das Doppelte , nämlich 2 Schilling, müssen es Tiere sein, die sehr viel Fisch vertilgen, irgendweilche kleinen Haubentaucher kommen also nicht in frage. Die oben schon genannte Vermutung, es könne sich um verschiedene Tiere mit großen Vertilgungspotential handeln, ist also plausibel. In frage kommen dann wohl Fischadler und Otter.
Gruß ischbierra

Benutzeravatar
KarlAntonMartini
Moderator
Beiträge: 7966
Registriert: Fr 26.04.02 15:13
Wohnort: Dresden
Hat sich bedankt: 370 Mal
Danksagung erhalten: 903 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von KarlAntonMartini » Mi 16.03.11 22:23

Der Grimm gibt leider nichts her. Man müßte wohl aus Büchern über Ornithologie des 16. und 17. Jahrhunderts nach Vogelnamen forschen. - Bei dieser Gelegenheit möchte ich auf ein sehr lesenswertes Buch hinweisen: http://smoel.wordpress.com/2008/07/21/o ... altenburg/
Grüße, KarlAntonMartini
Tokens forever!

klaupo
Beiträge: 3654
Registriert: Mi 28.05.03 23:13
Wohnort: NRW
Hat sich bedankt: 11 Mal
Danksagung erhalten: 282 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von klaupo » Mi 16.03.11 22:50

Der "vischesser" ist sicher ein Tabu-Name für jagdbares Wild, das man nicht mit seinem gängigen Namen ansprach, um es nicht zu alarmieren. (Im Russischen heißt der Bär aus dem gleichen Grund heute noch "Honigfresser"). In der Region Basel galt in früheren Zeiten der Biber als Fischfresser und damit schädlich. "uf boumen" oder "wigren" besagt ja nicht, daß er ein Klettertier ist, wenn er sich auf seiner Biberburg im Wasser bewegt. Auf Stadtweihern war er vermutlich nicht zu finden und daher schwieriger zu erjagen. Deshalb auch die höhere Prämie. Ein wenig spekulativ, aber sicher nicht ganz abwegig.

Gruß klaupo

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Do 17.03.11 06:45

Hallo zusammen,

es stimmt, es könnte auch ein Fischotter oder Biber sein, da ja nur "vischesser" dasteht und nicht explizit gesagt wird, dass nur Vögel gemeint sind. Hilfreich wäre vermutlich der gesamte Text, der aber online wohl nicht verfügbar ist. Ich werde aber bei Gelegenheit ein Buch per Fernleihe ordern, in dem mehr zu erfahren sein könnte.
Nochmals besten Dank für die Hilfe!
Einen hätte ich noch, aus dem Jahre 1510:

"Als dann die scharben den fischen merklichen schaden tuond, ist beschlossen, das mh. von den dryen stetten (Bern, Freiburg im Üechtland, Solothurn) einem jeden der iren von einem scharben zuo vachen geben sölten zwen plaphart, also das dem scharben das haupt abgeschlagen soll werden, für den die bezahlung beschechen were."

Diese Belohnung ist recht hoch, oder? Soweit ich recherchieren konnte, ist der "plaphart" mehr wert als ein Schilling, richtig?

Viele Grüße,
Marcus

Benutzeravatar
KarlAntonMartini
Moderator
Beiträge: 7966
Registriert: Fr 26.04.02 15:13
Wohnort: Dresden
Hat sich bedankt: 370 Mal
Danksagung erhalten: 903 Mal

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von KarlAntonMartini » Do 17.03.11 11:01

Der Plappart war eine Münze, die in der Schweiz und Vorderösterreich gängig war. Er galt 12 Stebler, das waren die Basler Pfennige mit dem Stab. Es war also ein "kleiner Schilling". Da die Stebler einen halben Rappen galten, also 6 Rappen einen Plappart ergaben, wird der Plapart auch als Halbgroschen bezeichnet. So jedenfalls im Bereich des Rappenmünzbundes im 15. Jahrhundert. Im Bereich des Schwäbischen Münzbundes entsprach nach 1501 ein Plappart 21 Heller.
Tokens forever!

m@rcus
Beiträge: 9
Registriert: Mi 16.03.11 17:07
Hat sich bedankt: 0
Danksagung erhalten: 0

Re: Bitte um Hilfe bei der Bewertung von alten Wertangaben

Beitrag von m@rcus » Do 17.03.11 16:49

Hallo KarlAntonMartini...

... und danke für die Antwort.
Interessant wären für meine Zwecke irgendwelche Aufstellungen, aus denen ich ersehen kann, was zB ein Brot kostete und im Vergleich damit 10 bzw. 5 Pfennige in Rheinfelden 1504 für einen "Marktwert" bedeuteten. Gibt es so etwas denn?

Viele Grüße,
Marcus

Antworten
  • Vergleichbare Themen
    Antworten
    Zugriffe
    Letzter Beitrag

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast