Chauvinistische Wissenschaft!

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Chauvinistische Wissenschaft!

Beitrag von Peter43 » Fr 09.11.07 01:09

Hallo!

Auf der Suche nach Informationen zu meinem Artikel über Byzas bin ich zufällig auf diesen Link gestoßen:
http://www.snetaca.org/view_document.ph ... nion&id=24
Überschrift: Antike Geschichte aus türkischer Sicht!
Beim Lesen mußte ich mir mehrmals die Augen reiben, um zu prüfen, ob ich wach sei! Was sagt ihr zu diesen 'wissenschaftlichen Erkenntnissen'?

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Wurzel
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Beitrag von Wurzel » Fr 09.11.07 02:14

Hallo Peter,

ich hab es nur halb gelesen, und dann mittendrin aufgehört.
Der Autor, dem Namen nach zu urteilen türkischer Herkunft, versucht zu beweisen, das die antiken Griechen eine Menge Wörter aus der Türkischen Spreche entliehen und assimiliert haben...... Hier unter anderem das Wort Byzanz / Byzantium.

Genau an dem Punkt hab ich aufgehört.

Das die klassischen Griechen Worte aus einer Sprache entlehnt haben soll, die erst ca 1000 Jahre nach der Zeitenwende eine bedeutendere Rolle spielte halte ich, für an den Haaren herbeigezogen.
Ebenso zieht der Autor die Stadtgründung durch die Griechen in zweifel und behauptet, das diese Siedlung durch einen türkischen Volksstamm gegründet wurde.

Hier spiegelt sich auch der Hass zwischen manchen Türken und Griechen wieder, der noch Heutzutage für politische wirren sorgt (Zypern)

Solche Argumentationen erinnern mich auch immer an die sogenannten Rassenlehren aus dem dritten Reich, dort wurde ähnlich haarsträubend argumentiert.

Das wissenschaftliche Niveau in dieser Arbeit suche ich vergebens.

Nächtlichen Gruß
Michael

@ Peter43

Vielen dank für deinen, wirklich lesenswerten, Beitrag über Byzaz, ich lese immer sehr gerne deine Beiträge über die mythologischen Hintergründe.

Micha
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helcaraxe
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Beitrag von helcaraxe » Fr 09.11.07 07:36

So in Unfug!

Das erinnert mich ein bisschen an den Film My Big Fat Greek Wedding, falls ihr den kennt. Da versucht eine patriotischer Grieche zu beweisen, dass alles Griechischen Ursprungs ist - auch das japanische Wort Kimono. ;-)

Die türkische Geschichtsschreibung bzw. -wahrnehmung in der türkischen Öffentlichkeit ist insgesamt sehr unwissenschaftlich und unhistorisch (gerade im Bereich Byzanz/osmanisches Reich). Was da an Ansichten herrscht, ist schon fast faschistoid.
Viele Grüße
helcaraxe
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kollboy
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Beitrag von kollboy » Fr 09.11.07 07:53

dazu faellt mir als österr der peter hammerschlag mit seiner ungarischen schöpfungsgeschichte ein, und die faengt so an:


Am Anfang war, das ist bestimmt: DER WORT - auf griechisch: Logosch
durchs Weltenmeer kommt dahergeschwimmt - das Urgetier - das Fogosch
...


:)

kollboy
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Beitrag von kollboy » Fr 09.11.07 08:16

und hier der ganze text (weiss nicht, ob ich ihn richtig erinnere):

In Anfang war - das ist bestimmt -
DER WORT. Auf griechisch: Logosch.
In Weltmeer ist herumgeschwimmt
Die Ur-Getier, das Fogosch.

Gewackelt hat das ganze Welt.
Daß Wind sie nicht davonweht,
Hat rechts und links Gott aufgestellt
Zwei dicke, schöne Honvéd.

Was hat dann Gott zuerst getan?
Den Affen, ohne Frage.
Orangutan és Délután [=Nachmittag],
Was habn gemacht die Tage.

Das Adam hat er dann gebaut,
Den alten Hendlfanger,
Was Eva hat gekriegt zu Braut
Auf eine grüne Anger.

Die Luft war kék [=blau], der Gras war zöld [=grün]
Für aller Tiere Magen
Doch dann hat auf dem Angyalföld [=Engelsfeld]
Der Kain den ... Izé erschlagen. [=Dingsda]

Da hat das liebe Gott gepfeift,
Hat sich gebäumt der Máros,
Und mit der Sintflut hat ersäuft
Das ganze Lipotváros [=Leopoldstadt].

Wie Erde bissel trocken war,
Hat angefangt zu reiten
Held Attila mit Hunnenschar,
Um Kultur zu verbreiten.

Erst hat gegründet Ungarland,
Dann Rom, Athen és Kréta,
Und alle Menschen, was bekannt,
Sind nachgekommen späta.

In Papyrúsch man liest seit je -
Nur leider ging verloren - ,
Daß Kleopatra Kiralyné
In Kispest war geboren.

Magyarisch war Literatur,
Von angefangen Psalter
Bis Cató, Plautusch, Terencz-ûr
Und Vogelbácsi Walther.

Auch dürfen wir vergessen nie
Dass größte Kolorierer:
Berühmter Müvész Ajtossi,
Was Schwaben rufen "Dürer". [Ajto = Tür, Ajtossi = Türer]

Jedoch der größeste Magyar
War Goethe-János, bitte.
Weil er aus Nagy-Weimárosch war,
Wo herrschte Ungarsitte.

Und hätt sich Welt beleuchtet? Nie!
Elektrisch wär erloschen,
Wenn hätten Vólta, Galványi
Kein Licht gemacht aus Froschen.

Denn jeder große Mann mit "i"
Ist ein Magyar gewesen.
Bei Górki, Gándhi, Márkonyi
Kann man das selber lesen.

Und wenn ein Stadt hat "a" und "o",
War Ungar Urbewohner:
Kálkutta, Prága, Kárthagó,
Tókio és Veróna.

Und was wär Wien? Wien wär für Katz!
Szent István hat gegründet
Auf István-tér den Stephansplatz,
Weil Mitleid hat empfindet.

Wann vier Zigeuner - schon gezähmt -
Mit Geige sich versammeln,
Man hat sie gleich nach Wien genehmt
Und hat genannt sie "Schrammeln".

Womit auf Wiener Kunst ich komm -
Wer war ihr Kindesvater?
Das war der Molnár-Liliom!
Was baute Burgtheater.

Wo leichte Kunst sich bettete,
Macht stets Magyar das Lager,
Und Operette rettete
Der ungarische Schlager.

So werden wir, baratocs kam [=mein Freundchen]
Das Wiener Erbe wahren.
Denn Kálmán, Lehár, Abrahám
Stehn Wacht wie drei Husaren!

Ungarherz muss vieles leiden,
Steht in Hintergrund bescheiden,
Aber zupft sich kleines Lied auf Zither:
EXTRA HUNGARIAM NON ESCHT VITA!

ChKy
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Beitrag von ChKy » Fr 09.11.07 09:21

Also.... Dieser Text auf der anfangs zitierten Seite ist einfach nur dämlich...

Nun sollen also die antiken Griechen und Römer und ihre Kultur (und damit eventuell die heutige westliche Welt?) eigendlich türkischer Abstammung sein *LACH KAPUTT*

Ach ja... gegen Ende des Artikels werden die niederträchtigen Griechen mit den Juden gleichgestellt, da beide Völker sich jeweils als von Gott ausgewählt erachten. Ein sehr gefährliche Aussage. Ist da auch noch Antisemetismus im Spiel? Da hat mE jemand einen gehörigen und gefährlichen Dachschaden.

Eine Verunstaltung der Geschichte und der Versuch alles Fremde in einem negativen Licht zu stellen. Eine Form von Hass auf andere Menschen die leider überall im Laufe der Geschichte vorgekommen ist :-(
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Re: Chauvinistische Wissenschaft!

Beitrag von KarlAntonMartini » Fr 09.11.07 10:02

Peter43 hat geschrieben:Hallo!

Auf der Suche nach Informationen zu meinem Artikel über Byzas bin ich zufällig auf diesen Link gestoßen:
http://www.snetaca.org/view_document.ph ... nion&id=24
Überschrift: Antike Geschichte aus türkischer Sicht!
Beim Lesen mußte ich mir mehrmals die Augen reiben, um zu prüfen, ob ich wach sei! Was sagt ihr zu diesen 'wissenschaftlichen Erkenntnissen'?

Mit freundlichem Gruß
Der Autor Polat Kaya ist nach seiner Hp *1925 und hat in Amerika Elektroingenieur gelernt, dann in der Türkei in der Stromversorgung gearbeitet. Jetzt dilettiert er auf der Grundlage von Sprachvergleichen über die Verbreitung des Türkentums weltweit. Nicht ernst zu nehmen, ich glaube nicht, daß er in der Türkei auf größere Anhängerschaft trifft. Grüße, KarlAntonMartini
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Beitrag von Theoderich » Fr 09.11.07 13:13

Kennt Ihr den Film "My big fat greek wedding"? Der Schwiegervater leitet alle englischen Begriffe aus dem Griechischen ab, der Unterhaltungswert dieser linguistischen Übungen ist ähnlich hoch wie der dieses Artikels.

Trotz allen Amüsements bleibt ein erhebliches Unwohlsein übrig, wenn der Autor denn letztendlich seine Ressentiments gegen Griechen und Juden doch nicht verbergen kann.

Aber es wird so viel Schwachsinn in dieser Welt verbreitet (z.B. die Theorie, das das Mittelalter nicht statt gefunden hätte), da ist dieser Herr noch eher Durchschnitt.

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Beitrag von Peter43 » Fr 09.11.07 13:25

Einige Anmerkungen zu den Türken

Ich habe mich jetzt notgedrungen etwas über die Geschichte der Türken informiert, über die ich ehrlich gesagt bisher nur einen allgemeinen Überblick hatte. Hier eine kurze Zusammenfassung:

Die Türken, wie die Aserbeidschaner, Turkmenen, Kirgisen, Usbeken u.a., ein Turkvolk, gehören zu den Altaivölker im westlichen Sibirien. Auch gegen sie bauten die Chinesen die große Mauer. Ob die Hunnen ebenfalls zu den Turkvölkern gehörten, ist nicht klar. Jedenfalls drangen die Turkvölker nach Westen in das Machtvakuum, das die Hunnen hinterließen. Das erste Reich der Turkvölker war das Reich der Göktürken 552-745 n.Chr., in loser Zusammenschluß von Turkvölkern zwischen der chinesischen Mauer und dem kaspischen Meer. Hier kam auch zum ersten Mal der Name Türke auf.
744 ersetzten die Uiguren das Reich der Göktürken. Zwischen dem 7. und dem 11.Jh. n.Chr errichteten die Chasaren (Protobulgaren) ihr Reich in Südrußland.
Turkvölker waren auch die Seldschucken, und die Mamelucken, die fast 300 Jahre lang Ägypten beherrschten, waren ursprünglich türkische Militärsklaven, bis sie von den Osmanen unterworfen wurden. Die Osmanen waren westtürkische Oghusen, saßen ursprünglich in der Mongolei, wanderten aber dann unter der Herrschaft der Seldschuckensultane nach Anatolien ein. Das fand aber nicht in der Antike, sondern erst im 11.Jh. n.Chr. statt!

Was in diesem türkischen Internetartikel steht ist absoluter bull-shit und widerspricht jeder wissenschaftlichen Erkenntnis. Thrakien hat mit den Türken nichts zu tun, wie dort behauptet wird. Thrakisch ist keine Turksprache, sondern eine indoeuropäische Sprache, wie z.B. auch Moesisch. In der Bronzezeit war die bedeutendste Kultur in Kleinasien die der indoeuropäischen Hethiter bis ca.1200 v.Chr. Aber Hethiter gab es noch bis 700 v.Chr. im östlichen Anatolien. Die nächste Hochkultur begründeten die Phryger, eines der sog. Seevölker. Um 700 v.Chr. wurde das Phrygerreich durch die Kimmerier zerstört, die sich im westl. Kleinasien niederließen. Anschließend erschienen auch die Lydier an der ägäischen Küste. Ihr letzter König war Krösus. Er wurde 546 v.Chr. vom Perserkönig Kyros dem Großen gestürzt. Phryger, Lydier, Lykier waren alles indoeuropäische Völker , d.h. sie sprachen indoeuropäische Sprachen, die z.T. mit dem Luwischen und Hethitischen verwandt waren. Auch die Kimmerer waren ein indoeuropäisches Reitervolk. Nach ihm ist der kimmerische Bosporus, die Straße von Kertsch, benannt.

Also nichts von Türken oder Turkvölkern! Es fehlt nur noch, daß auch Toni Turek, unser Fußballgott von 1954, ein Türke gewesen sein soll!

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von Pscipio » Fr 09.11.07 13:45

Wenn sich Geschichtswissenschaft bedingungslos in den Dienst einer Ideologie stellt, kommt dabei selten etwas sinnvolles heraus. Ähnliches sieht man oft bei der kommunistischen Geschichtsforschung, in der oft sozialistische Ideen wie die des Klassenkampfes auf frühere Zeiten übertragen wurden. Dem kann man entgegenhalten, dass jeder Historiker von seinem Umfeld und seinen Lebenserfahrungen geprägt ist und dies in seine Arbeiten mit einfliesst, auch einem Mommsen ist es so ergangen. Absolute Objektivität gibt es nicht, denn Geschichtsforschung ist eben auch (und vor allem!), Interpretation. Aber obiger Text geht darüber natürlich weit hinaus, das ist keine Wissenschaft, sondern steht auf einer Stufe mit von Däniken und anderem Humbug.
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von El Che » Fr 09.11.07 15:29

Wenn sich Geschichtswissenschaft bedingungslos in den Dienst einer Ideologie stellt, kommt dabei selten etwas sinnvolles heraus. Ähnliches sieht man oft bei der kommunistischen Geschichtsforschung, in der oft sozialistische Ideen wie die des Klassenkampfes auf frühere Zeiten übertragen wurden.
Hier muss ich doch leicht widersprechen - ich möchte allerdings bitte keine politische Diskussion darüber führen, sondern lediglich eine fachliche Anmerkung machen.
Es ist nicht einfach so, dass die "kommunistische Geschichtsforschung" sich im Nachhinein mit der Uminterpretation der Geschichte befasst hat - wie das hier offensichtlich der Fall ist - sondern, dass die Theorien, auf die sich die politischen Bewegungen des Sozialismus und Kommunismus beriefen im Ursprung eine historische Theorie war, d.h. versuchte, Geschichte zu erklären - eben als Kampf um die materiellen Grundlagen ("Klassenkampf") - also die Produktionsmittel - und nicht beispielsweise als "Kampf der Ideen" (aufklärerisches Geschichtsbild) .
Die Grundlage dieser Geschichtstheorie - die materialistische Theorie - ist heute immer noch die wohl wirkmächtigste - auch hier im Forum. Fragen wie: "Überleg mal, du bist römischer Legionär im 3. Jhdt. und bekommst Münzen aus schlechtem Metall ausgezahlt, würdest du nicht den Kaiser erschlagen?" argumentieren genau auf dieser Basis und jede moderne ökonomische Theorie tut es - oft sehr zum Leidwesen der modernern Strömungen der Historiographie wie die Mentalitätshistoriker etc.

Liebe Grüße,
Uli

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Beitrag von Pscipio » Fr 09.11.07 15:59

Das ist richtig, wobei ich die kommunistische Geschichtsforschung ja auch nicht mit dem Blödsinn über die Türken gleichgesetzt habe (siehe letzter Satz). Aber sie hat teilweise durchaus versucht, die Geschichte im Nachhinein umzuinterpretieren; so war sie lange Zeit bemüht, in lange zurückliegenden sozialen Erhebungen wie z.b. antiken Sklavenaufständen erste proletarische Revolutionen hinein zu interpretieren. Man mag darin bloss eine Übertragung der eigenen Geschichtstheorie auf die Forschung sehen, ziemlich naheliegend (jedenfalls für mich) ist aber auch der Gedanke, das eigene System und Gedankengut rechtfertigen zu wollen, indem man die Ursprünge desselben so weit wie möglich in die Geschichte zurück verlegt - und damit haben wir bereits eine Manipulation. Aber Geschichte und Geschichtsforschung sind schon immer manipuliert worden, keineswegs nur im Osten. Wenn eine Schweizer Partei, die eine EU-ablehnende Haltung vertritt, diese damit begründet, schon die ersten Eidgenossen hätten nichts von äusseren Einfluss wissen wollen, so ist das nicht sinnvoller, als wenn die Gegenparteien behaupten, Wilhelm Tell wäre in heutiger Zeit gewiss ein überzeugter Europäer geworden und deshalb müsse man der EU beitreten. Oder Karl der Grosse sei der Vater Europas. Das wollte ich damit sagen, und nicht, dass das "kommunistische" Geschichtsverständnis grundsätzlich falsch und ein anderes (meines?) grundsätzlich richtig sei. Für mich bleibt aber die kommunistische Geschichtsforschung ein Paradebeispiel dafür, wie eine Ideologie die Forschung, die Methoden und Ansätze, beeinflussen kann, denn für mich negative Beispiele dafür erlebe ich bei meinen Studien leider regelmässig.

Aber wer weiss, vielleicht behauptet man in hundert Jahren das gleiche von mir? :)

Viele Grüsse
Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von beachcomber » So 11.11.07 23:09

Aber wer weiss, vielleicht behauptet man in hundert Jahren das gleiche von mir?

Viele Grüsse
Pscipio
na, da hast dir ja wohl noch einiges vorgenommen :)

grüsse
frank

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