Varusschlacht in Kalkriese-Gegenstempel CAESAR=Germanicus ??

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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quinctilius
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Varusschlacht in Kalkriese-Gegenstempel CAESAR=Germanicus ??

Beitrag von quinctilius » Sa 31.01.09 13:52

Die vorliegende Münze aus meiner Sammlung, ein Münzmeisteras des Nonius Quinctilianus geprägt unter Augustus 6 v. Chr., trägt einen Gegenstempel CAESAR in Ligatur. Dieser Ggst. ist wohlbekannt und tritt fast ausschließlich in Niedergermanien auf und zwar in den dortigen Militärlagern (Nimwegen, Xanten, Neuss) In Kalkriese fehlt er. Berger und Werz, die Hauptbeführworter der Varusschlacht in Kalkriese wollen den Ggst. Germanicus zuordnen. Da er in Kalkriese fehlt, muß dort die Varusschlacht stattgefunden haben, so die These (Vgl. Die Fundmünzen von Kalkriese u. die frühkaiserzeitliche Münzprägung S. 248f., s. unten die Abb.links aus der Pangerl Collection) Wer ist nun dieser mysteriöse Caesar ? Die Münzmeisterasse kamen erst in frühtiberischer Zeit massenhaft an den Rhein, soviel ist sicher. 1350 Münzen tragen diesen Gegenstempel. 11 Ggst. allerdings tauchen auf Münzen auf, die nach 18 n. Chr. geprägt wurden, als Germanicus schon gestorben war, unter anderem auf Münzen von Drusus dem Jüngeren. Um das Rätsel perfekt zu machen, gibt es massenhaft Münzmeisterasse aus Pannonien, die den Ggst. CAE (s. unten Abb.) tragen, sicher nicht von Germanicus. Also wer kommt in Frage ? Tiberius ? Germanicus ? Drusus der Jüngere ? Alle zusammen ? Wenn Tiberius, warum nicht TIBCAE o.ä. ?
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emieg1
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Beitrag von emieg1 » Sa 31.01.09 19:45

Im Buch "Münzprägung und Geldumlauf im Rheinland" von Wilhelmine Hagen (Rheinland Verlag 1968) wird der Gegenstempel CAESAR in Ligatur dem Tiberius zugeschrieben; ebenfalls in sämtlicher Internet-Literatur, die ich darüber darüber finden konnte.

Ich besitze selbst ein Stück mit diesem Gegenstempel.. siehe:

http://www.numismatikforum.de/ftopic28846-15.html

Und diese Münze ist eine echte Fundmünze aus meiner Heimatstadt Düren (gelegen in Niedergermanien :wink: )

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quinctilius
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Beitrag von quinctilius » Sa 31.01.09 20:35

ja das ist eindeutig der gleiche Typ und der Fundort passt genau.
Der Zuweisung zu Tiberius begegnen Berger und Werz mit dem Argument, dass es am Oberrhein viele Münzmeisterasse mit den Ggst. TIBIMP, TIBAUG und IMPAUC gibt. Am Niederrhein tauchen sie so gut wie nie auf. Also warum sollte sich Tiberius am Oberrhein anders bezeichnet haben als am Niederrhein ? Das der Ggst. frühtiberisch ist, ist unzweifelhaft, auf wen er sich exakt bezieht ist weiter strittig.
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Beitrag von emieg1 » Sa 31.01.09 20:43

Tja, das interessante der antiken Numismatik ist ja auch, dass einiges nicht und nie endgültig geklärt werden kann. Erschwerend kommt ja hier hinzu, dass die Bezeichung "CAESAR" einen Titel darstellt, den der jeweilig amtierende Kaiser trug.

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quinctilius
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Beitrag von quinctilius » Sa 31.01.09 21:03

genau, und eben auch "Familienangehörige" wie Germanicus oder Drusus d.J.
Münzen sind Zeitzeugen, nicht nur Objekte.

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Zwerg
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Beitrag von Zwerg » Sa 31.01.09 21:28

Darf ich einwenden, daß im 1. Jhd. "Caesar" kein Titel, sondern Namensbestandteil war.
Die Unterscheidung von "Caesar" als präsumptiver Nachfolger und "Augustus" als Herrscher kam erst im 2. Jahrhundert.

Grüße
Zwerg
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Beitrag von emieg1 » Sa 31.01.09 21:32

Zwerg, danke für den Einwand.. daran merke ich, dass ich noch sooo viel lernen muss...

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Beitrag von Iotapianus » So 01.02.09 12:21

Darf ich einwenden, daß im 1. Jhd. "Caesar" kein Titel, sondern Namensbestandteil war.
Die Unterscheidung von "Caesar" als präsumptiver Nachfolger und "Augustus" als Herrscher kam erst im 2. Jahrhundert.
Ich denke, das war früher, nämlich schon 68/69, also nach dem Sturz der Iulisch-Claudischen Dynastie. Mit Ausnahme von Vitellius verwendeten alle regierenden Kaiser (also Galba, Otho, die Flavier und Nerva) den Titel Caesar, und bereits der nur wenige Tage amtierende Thronfolger Galbas, Lucius Calpurnius Piso Frugi Licinianus, führte ausweislich Tacitus, Historien I, 19 den Caesar-Titel.

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Beitrag von Chippi » So 01.02.09 13:12

Sie wollten sich damit bloß legimitieren, in dem sie den Kaisernamen annahmen. Bei Vespasian hat der Senat auch darüber diskutiert, ob man nach Nero noch den Namen weiterführt. Man hat sich dafür entschieden und damit eine fiktive Kaiserfamilie gegründet. Die Wandlung kam erst später, da hat Zwerg recht.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von Iotapianus » So 01.02.09 13:48

Die Legitimation fand ihren Ausdruck darin, dass das zum Titel erstarrte Cognomen des Dynastiegründers, das Octavianus bei seiner Adoption übernommen hatte, jetzt zumindest fakultativ (Ausnahme Vitellius) in Ergänzung zu den beiden "Haupttiteln" des Kaisers - Imperator und Augustus - gestellt wurde und ohne diese beiden Titel den (bzw. einen) Thronanwärter markierte (so im Falle Pisos und später von Titus und Domitian).

Der einzige unter den Kaisern der Jahre 68-98, der sich in direkter persönlicher Tradition zu den Iulier-Claudiern sah, war Neros Wiedergänger Otho. Die Flavier versuchten m.W. nicht, sich selbst als Abkömmlinge von Caesar und Augustus darzustellen.

Die Situation im späten ersten Jahrhundert war nicht dieselbe wie bei der Verwendung des Namens Antoninus durch die Severer, die durch fiktive Adoptionen eine Abfolge von acht Generationen, beginnend mit Nerva, endend mit Elagabal, konstruierten. (In diese Reihe versuchte sogar Macrinus sich hineinzumogeln, indem er seinen Sohn Diadumenianus mit dem Namen Antoninus ausstattete.)

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