Münzdeutung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

Colleen-123-
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Münzdeutung

Beitrag von Colleen-123- » Mo 02.08.10 13:03

Hi,
ich hoffe mir kann hier jemand helfen, nachdem ich das (gefühlt) komplette Internet schon ohne Erfolg nach einer Antwort abgesucht habe.
Und zwar interessiert es mich sehr warum auf römischen Münzen (vor allem in der römischen Kaiserzeit- aber dies trifft ja auch auf darüber hinausgehende Epochen zu) die Köpfe der Kaiser auf der Vorderseite der MÜnze immer nach Rechts blicken... Ich hätte wirklich gerne eine Begründung dafür. Hat es eine Bedeutung? Oder war es einfach nur eine immer wieder übernommene Tradition?

Vielen Dank schonmal für Gedanken machen und Antworten;)

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areich
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Re: Münzdeutung

Beitrag von areich » Mo 02.08.10 13:32

Immer stimmt nicht. Es gibt immer wieder links, ab und zu (mehr oder weniger) frontale Büsten aber die sind immer (vielleicht auch hier mit Ausnahmen, die mir jetzt nicht spontan einfallen) seltener, mal etwas mal viel seltener.

Unter Caligula, sowohl seine eigenen als auch die für Agrippa geprägten Münzen, ist das Linksportrait sogar häufiger.

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Stater
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Re: Münzdeutung

Beitrag von Stater » Mo 02.08.10 14:34

Hallo,

hier eine des Vespasian mit Blick nach links.

http://www.forumancientcoins.com/galler ... fullsize=1

Gruß

Stater

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Peter43
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Re: Münzdeutung

Beitrag von Peter43 » Mo 02.08.10 15:31

Wir müssen aber zugeben, daß Linksbüsten auf römischen Münzen deutlich seltener sind. Ich glaube nicht, daß dies Zufall ist. Den Alten war nicht alles so gleichgültig wie uns heute. Den Grund kennen wir nicht. Aber ich gebe folgendes zu bedenken:

Es ist bekannt, daß Goebbels als oberster Herr über die Filmindustrie, die Wochenschauen darauf durchgesehen haben soll, daß die deutschen Panzer immer nach re rollten und die Flugzeuge nach re flogen. Die Bewegung nach re wurde demnach als Angriff interpretiert und die Bewegung nach li als Rückzug. Vielleicht hing das auch zusammen damit, daß Rußland auf deutschen Karten re liegt.

Eine andere Erklärung bezieht sich auf die Händigkeit. Die gibt es nicht nur bei Menschen, sondern ist im ganzen Tierreich bekannt. Und da ist die Rechtshändigkeit die überwiegende Form, aller politischen Korrektheit zum Trotz. D.h. die rechte Seite ist die bevorzugte Seite.

Und dann muß man in diesem Zusammenhang noch die Schreibrichtung erwähnen. Die war zunächst beliebig, dann gab es den berühmten Bustrophedon, wo die Schreibrichtung von Zeile zu Zeile wechselte, wie beim Pflügen, bis dann eine einheitliche Schreibrichtung sich herauskristallisierte. Die ist bei uns eben von links nach rechts. Auh hier haben wir also eine bevorzugte Bewegungsrichtung nach rechts. Ob dies ein Grund für die Porträtrichtung ist, könnte man leicht überprüfen, weil es viele Schriften gibt, die von rechts nach links laufen, z.B. die semitischen Schriften oder das Japanische. Dann müßten dort die Linksporträts häufiger sein als bei uns.

Jochen
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Re: Münzdeutung

Beitrag von Dapsul » Mo 02.08.10 15:39

Womöglich kann man als rechtshändiger Stempelschneider den Kopf leichter nach links gewandt schneiden? Mir geht es zumindest beim Zeichnen so.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von *EPI* » Mo 02.08.10 16:06

Deine Argumente können gut zutreffen. Insbesondere der Raum im Osten war auf der Landkarte halt rechts.
Der Blick nach rechts ist in unserer Kultur mit nach vorne - in die Zukunft gerichtet - verbunden, links ist eher ein Blick zurück in die Vergangenheit. Eine Rechtsbewegung zeigt Dynamik. Ich denke, dass dies auch in der Werbung so ist.

Ich habe mir gerade einige Taler angesehen - die sind auch sehr rechtslastig.

Ein kurzer und schneller Blick in die arabische Welt ergibt keine eindeutige Tendenz (Es war ein schneller Blick.): Richtig Peter 43, das Linksportrait wäre danach häufiger als bei uns.

Bei GB Münzen ist mir aufgefallen, dass mit jedem Herrscher ein Seitenwechsel des Portraits stattfand.
Anne: links
George I: rechts
George II: links
George III: rechts
George IV: links
Wilhelm IV: rechts
Victoria: links
etc.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von areich » Mo 02.08.10 16:30

Für mich sieht's aus als wäre Rechts eben (sicher aus einigen der genannten Gründe) normal und links was Besonderes,
so wie auch mal eine Spezialbüste, ohne daß es dafür einen besonderen, klar identifizierbaren Anlaß gegeben haben muß.
Deswegen gibt's so gut wie immer mal eine Linksbüste.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von Uncia » Mo 02.08.10 16:34

Auch in der Sprache ist "links" eher negativ belegt.
So hat sich das lat. Wort sinister für "links" im englischen u.a. in die Bedeutung "unheilvoll" gewandelt.
Auch im deutschen gibt es zahlreiche Redewendungen, die "links" in einen negativen Kontext stellen: zwei linke Hände haben; jemanden linken; linkisch sein; jemanden links liegen lassen...usw.
Das erklärt natürlich noch nicht die Bedeutung in der Antike, aber ich denke "links" könnte auch damals schon ähnlich negativ belegt gewesen sein. Vllt. ua. auch aus den schon genannten Gründen.
Ich bilde mir ein hier im Forum auch schon mal was über römische Linksporträts gelesen zu haben. Ich glaube da ging es um Drusus :?:

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Re: Münzdeutung

Beitrag von beachcomber » Mo 02.08.10 16:45

ja,ja wie sangen schon 'Ihre Kinder' (kennt die noch einer? ), "links ist link, und rechts ist recht" :wink:
grüsse
frank
p.s. auf youtube ist doch wirklich verlass, selbst sowas findet man noch!:
http://www.youtube.com/watch?v=JzqTW7X5 ... re=related
Zuletzt geändert von beachcomber am Mo 02.08.10 17:01, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von areich » Mo 02.08.10 16:53

Ich glaube nicht, daß das negativ belegt war, dann hätte es ja gar keine Linksportraits gegeben.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von Peter43 » Mo 02.08.10 16:57

Sinister heißt bereits im Lateinischen nicht nur 'links', sondern auch 'linkisch, ungeschickt, verkehrt, ungünstig, unglücklich, unheilkündend' (Stowasser)

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Re: Münzdeutung

Beitrag von nexram » Mo 02.08.10 17:00

Ich könnte mir vorstellen, dass ein nach rechts blickender Kopf in die Zukunft schaut und ein nach links blickender in die Vergangenheit.
Da die Kaiser auch in Zukunft noch Kaiser sein möchten, könnte es doch sein, dass sie gerne nach rechts blickend dargestellt worden sind.

Man schrieb ja auch von links nach rechts.

Wie ist es eigendlich bei Münzen aus Ländern, in denen man von rechts nach links schreibt?

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Re: Münzdeutung

Beitrag von Peter43 » Mo 02.08.10 17:06

Und das war bereits im Altgriechischen genauso:

aristeros (eigentlich ein Euphemismus von aristos, weil links soviel wie unglückbedeutend war): 1. links, 2. unglückverkündend, von übler Vorbedeutung, 3. linkisch, ungeschickt

Anm. Der griechische Vogelschauer blickte nach Norden, von unglücklicher Vorbedeutung ist also das westlich Erscheinende. (Gemoll)

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Re: Münzdeutung

Beitrag von didius » Mo 02.08.10 17:23

nexram hat geschrieben:Wie ist es eigendlich bei Münzen aus Ländern, in denen man von rechts nach links schreibt?
Also auf den sassanidischen Münzen blickt der Herrscher immer nach rechts, und geschrieben wurden die Legenden immer andersrum, d.h. von rechts nach links.

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Re: Münzdeutung

Beitrag von areich » Mo 02.08.10 17:38

Aber warum gab es dann von so ziemlich jedem Herrscher Linksportraits?

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