Fehlprägungen oder Verprägungen?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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drakenumi1
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Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von drakenumi1 » Fr 02.12.16 23:13

Unterscheidet man inhaltlich zwischen diesen beiden Begriffen?
Mich haben schon immer Münzen besonders interessiert, bei denen das Prägebild in Details andere, als die "üblichen" und registrierten Darstellungen enthält, z.B. bemerkenswerte Einzelheiten fehlen oder hinzugekommen sind oder auch nur erheblich variiert wurden, ohne daß dies in den Standard-Registrierwerken Erwähnung fand. Sicherlich gibt es Veröffentlichungen über solche bewußt oder auch nur versehentlich realisierten Kuriositäten, die mir jedoch nicht bekannt oder zugänglich sind, - kurzum, ich habe keine Vorstellungen um das Interesse der Sammlerschaft an solcherlei Münzen, nicht zuzletzt auch an deren realen Handelspreisen. Sicherlich bewegen diese sich nur unwesentlich neben denen der "üblichen" Prägungen.
In der Vergangenheit einiger Jahrzehnte Sammelei habe ich mit Freude eine ganze Reihe solcher Typen zusammengetragen und ich würde mich über Eure Gedanken zu diesem Thema, - natürlich auch über ein paar Bildchen Eurer Kuriosa gerne erfreuen.
Logisch, daß ich beginne,
-mit einem Antoninian des Probus (das Detailbild zeigt die Normalform der Prägung):

Grüße von

drake
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Ant. Probus RIC 878G var. text.jpg
RIC_0878G,B.jpg
RIC_0878G,B.jpg (14.48 KiB) 1855 mal betrachtet
Ant. Probus RIC 878G var. Av. IMP C M AVR PROBVS AVG..jpg
Ant. Probus RIC 878G var. Rv. VIRTVS PROBI AVG - KAB.Prob. reitet Gefang. nieder..jpg
Man kann, was man will, und wenn man sagt, man kann nicht, dann will man auch nicht.
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Peter43
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von Peter43 » Fr 02.12.16 23:22

Ein schönes Beispiel! Aber ich halte es weder für eine Fehlprägung oder Verprägung sondern für eine interessante Variante, die ich auch gerne in meiner Sammlung hätte. Ich glaube, daß dies der Freiheit des Stempelsschneiders zu schulden ist.

Ich habe mehrere solche Beispiele in meiner Sammlung. Ein eindrucksvolles Beispiel aus meiner Nikopolissammlung ist dieses:

Septimius Severus, 193-211
AE 17, 2.24g, 17.38mm, 180°
Av.: AV - C - CEVHROC
Belorbeerte Kopf n.r.
Rv.: NIKOP - OLI PROC
Dionysos, nackt, n. li. stehend, hält Trinkhorn in der re. Hand und stützt sich mit der Linken auf gebänderten Thyrsos.
Ref.: a) nicht in AMNG
b) nicht in Varbanov (engl.)
c) Hristova/Hoeft/Jekov (2015) No. 8.14.8.23 corr. (diese Münze, schreibt aber AV L C)
sehr selten, etwas korrodiert

Das ungewöhnliche Objekt in der re. Hand des Dionysos ist sicher kein Kantharos und kein Weintraubenbündel. Wir haben es im amerikanischen Forum diskutiert und alle haben meiner Interpretation zugestimmt, daß es am ehesten ein Trinkhorn ist. Allerdings sehr ungewöhnlich für Dionysos!

Dazu ein Kommentar von Pat Lawrence: The head of Septimius looks like the work of that surviver from Commodus's worst dies who did anonymous Septimius in the time of Auspex (and, of course, possibly later—though we have no signed ones as evidence—since a change of governor might not entail getting rid of a reliable engraver who could make usable dies). We know from his Apollo Sauroktonos that he sometimes put into hands shapes that might be ivy or snake or whatever.

Mit freundlichem Gruß
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nikopolis_sept_severus_AMNG1378var(rev).jpg
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areich
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von areich » Sa 03.12.16 09:10

Ich würde auch nicht unbedingt zwischen den beiden Begriffen unterscheiden aber meiner Meinung nach bezihen sie sich eben nur auf Dinge, die direkt beim Prägen der Münze passiert sind, also Dezentrierungen, diverse Doppelschlagvarianten mit oder ohne Drehungen, 'brockages', clashed dies etc. Hier hat ja alles ordnungsgemäß funktioniert, nur der Stempelschneider hat, ob erlaubt oder nicht, etwas anders gemacht.

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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von drakenumi1 » Sa 03.12.16 12:16

areich hat geschrieben: ...... der Stempelschneider hat, ob erlaubt oder nicht, etwas anders gemacht.......
.....und alleine darauf wollte ich hinaus: Es wird wohl seitens der Aufsichtskräfte großzügig gestattet worden sein. der rückseitig dargestellten Person einen (von uns nicht deutbaren) Gegenstand in die Hand gegeben zu haben, aber wie verhält sich das, wenn der Kaisername Volusianus zu "BOLVSIANVS" verunstaltet wird, wie neulich auf einem bei ebay angebotenen Anton. zu sehen, oder statt PON MAX auf einem Vespas. "ION MAX"? Da waren doch wohl Analphabeten reihensweise an der Arbeit, oder die Kontrolle hat total versagt. Nun, wir haben wohl keine Vorstellung davon, ob solche Fehler als lapsus ohne Konsequenzen behandelt wurden, oder ob es Reglementierungen gab oder sogar die Zerstörung des Werkzeuges und der bereits geprägten Münzen angeordnet wurde.
Insofern denke ich an eine namentliche Unterscheidung in 2 Gruppen, - die gewollten bzw. gestatteten "Fehler" und die ungewollten, wobei letztere wohl die weitaus interessanteren darstellen, weil sie trotzdem als Münzen den Weg in den Zahlungsverkehr fanden.
Die Vielzahl der möglichen technologischen Mängel bei dem Prozeß der Prägung wollte ich also hier nicht gemeint haben, sondern lediglich die durch den Stempelgraveur beeinflußbaren.

drake
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Denar Vespasianus C. 362 var.; RIC(neu) 1476 var. Av. IMP CAESAR VESPASIANVS AVG.jpg
Denar Vespasianus C. 362 var.; RIC(neu) 1476 var. Rv. ION MAX TRP COS V. Geflügelter Merkurstab..jpg
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von Homer J. Simpson » So 04.12.16 21:51

Ein Bolusianus-Antoninian? Schade, den habe ich nicht gesehen, hast Du ein Bild davon? Da hätte ich recht hoch darauf geboten, weil das Beispiele sind, wie die Sprache gesprochen wurde. Wahrscheinlich war das ein östlicher Antoninian, oder? Die Russen schreiben ja heute noch das W mit dem Buchstaben B, und wahrscheinlich wurde das damals schon so gesprochen. Auch der ION MAX-Denar ist ja eine östliche Prägung, und die Muttersprache des Graveurs war wahrscheinlich Griechisch. Da passiert so was schnell.

Homer
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von drakenumi1 » So 04.12.16 22:17

Ich hoffe nicht, daß ehemaliger oder neuer Besitzer etwas dagegen haben, - hier wenigstens die Vs. Aber angesichts der möglichen Doppelnutzung des "B" (für "VIB" und "BOLVSIANO") ist die von Dir ins Auge gefaßte Lautgleichheit mit dem kyrillischen "W" wohl etwas unwahrscheinlich. Nun ja, jetzt bringt das Bild die Aufklärung:

Grüße von

drake
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von Homer J. Simpson » So 04.12.16 23:00

Nett! Aber doch wohl ein echter Schusselfehler in Form eines vergessenen Buchstaben. Hätte ich trotzdem drauf geboten. Danke!

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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von drakenumi1 » So 11.12.16 11:34

Sicher ein Schusselfehler, so wie dieser klassische Buchstabendreher zu "TERBONIANVS GALLVS" auf einem Antoninian C46:
Das hat echt Freude gemacht, solch Exemplar entdeckt und für den Preis einer "normalen" Prägung erworben zu haben. Und man macht sich so seine Gedanken über die Nachsicht oder auch Blindheit der Kontrollorgane, die solchen Fehler passieren ließen.
In späteren Zeiten hätte man solche Exemplare möglicherweise unter der Rubrik "Majestätsbeleidigung" mit all seinen üblen Folgen eingeordnet ...

Grüße von

drake
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Ant. Trebonianus Gallus C. 46 var. Av. IMP C C VIB TERB GALLVS AVG..jpg
Ant. Trebonianus Gallus C. 46 var. Rv. IVNO MARTIALIS. Juno l. sitzd. m. Ähren u. Szepter.jpg
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Mithras
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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von Mithras » Di 19.12.17 12:15

Hier mal eine klassische Verprägung, bei der es in der Münzstätte wohl zu viel an alkoholischen Getränken oder Frust oder beides in Kombination gab. :drinking:
Die Beschreibung der Münze wollte ich nach langen Deutungsversuchen des Legendenkauderwelschs schon reduzieren auf "Großer Murks". :mrgreen:
Mindestens 5 Schläge führten meines Erachtens nach zum resultierenden verprägten Münzbild: Kombination aus Brockage und Mehrfachschlag mit Drehungen und Versetzungen, evtl. auch noch dazu eine Überprägung.
GordisnusI II Tranquillina Anchialos Errorcoin.jpg
Gordianus III und Tranquillina, Provinzialprägung
AE 26
Münzstätte: Thrakien, Anchialos, Fragmente der RV-Münzlegende weisen auf eine mögliche Überprägung einer Münze aus Mesambria hin
Referenz: vgl. Varbanov 723 https://www.acsearch.info/search.html?id=316636
26mm, 10,75g
AV: AVT K M ANT ΓOPΔIANOC ...ΔIANOC... (n.r. versetzte Doppelung der Legende durch Mehrfachschlag) / TPANKVΛ/...., gegenständige Büsten des Gordian und der Tranquillina
RV: ...AMBR-..ANΩN, stehende (und schwebende :lol: ) Nemesis mit Rad neben rechtem Fuß, Füllhorn in linker Hand und gestrecktem rechten Arm

Wer mag, kann ja gerne versuchen zu rekonstruieren, was da wie oft bei der Prägung schief ging! :wink:

Liebe Grüße
Mithras
Quidquid agis, prudenter agas et respice finem!

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Re: Fehlprägungen oder Verprägungen?

Beitrag von minimee » So 24.12.17 18:11

wow. wirklich aufrichtig wow. Ich habe selten ein so schön verprägtes Stück gesehen.

Mit der Kontrolle der hergestellten Münzen respektive Stempel ist es sicher nicht weit her gewesen. Wichtiger war wohl das Gewicht.
Selbst bei (byz.) Goldmünzen kommen üble Verprägungen (nicht schlechte Prägungen) immer wieder vor.

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