Preußen - Polen - Deutscher Orden .. und ein seltsamer Adler

Alles was von Europäern so geprägt wurde
klaupo
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Preußen - Polen - Deutscher Orden .. und ein seltsamer Adler

Beitrag von klaupo » So 30.05.04 22:35

Hoffentlich habe ich die richtige Rubrik erwischt, das Thema bewegt sich vermutlich im Grenzbereich! Die abgebildeten Stücke stammen von zwei Zeitgenossen, deren Beziehungen zueinander wohl vielschichtig waren: Zeitweilig führten sie Krieg gegeneinander, zu anderen Zeiten waren sie so etwas wie verbündet. Die Münzen kursierten vermutlich im gleichen Gebiet - Preußen? Besonders irritiert mich der schwertschwingende Adler auf der Ausgabe des polnischen Königs. Ist bekannt, wie lange dieser Typ geprägt wurde, oder hatte er nur unmittelbaren Bezug zum Zeitgeschehen und wurde dann wieder durch den normalen polnischen Adler ersetzt? Wie sollte man diese Münzen zuordnen: Preußen? Deutscher Orden? Polen? Die Stücke stehen für mich in einem komplizierten historischen Kontext, in dem ich mich nicht auskenne. Immerhin hab ich herausfinden können, daß Albrecht die Universität Königsberg gegründet hat und habe deshalb ein Stück beigefügt, das im Gründungsjahr geschlagen wurde und den Gründer zeigt.

Über weiterführende Hinweise und Infos würde ich mich freuen!

Gruß klaupo
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Zwerg
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Beitrag von Zwerg » Mo 31.05.04 00:01

Also:
1 und 3 sind
Albrecht von Brandenburg, erster Herzog von Preußen
1) ein Schilling
3) ein Dreigröscher.
Numismatisch werden diese Münzen normalerweise eingeordnet unter
Preussen - Westpreussen
2) Ist ein polnischer Groschen von Sigismund I.

Das war die einfachere Bestimmung (oder mumde korrigiert mich, eigentlich ist dies ja sein Gebiet)
Historisch ist diese Angelegenheit natürlich viel komplexer. Ohne in meine Bücher zu schauen, habe ich bei Google einfach einmal "Albrecht von Brandenburg" eingegeben. Viel Spaß

@klaupo
Warum stellst du eigentlich immer so verflixt komplexe Fragen????

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mumde
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Beitrag von mumde » Mo 31.05.04 00:03

Hallo Klaupo, der Adler mit dem schwertschwingenden Arm ist der westpreußische Adler, der Adler ohne Arm ist der ostpreußische Adler.
Der Deutsche Ritterorden, der das Land der heidnischen Pruzzen eroberte und sie zum Christentum bekehrte, hörte in Preußen gegen Ende des 15. Jh. auf, eine Ritter-Republik zu sein. Man wählte den Hochmeister nicht mehr aus den Reihen der Ritter, sondern holte sich nachgeborene deutsche Fürstensöhne heran, die man erst nach ihrer Wahl in den Orden aufnahm. Diese Hochmeister regierten dann wie normale Landesherren, aber sie regierten über ein zerstrittenes, unzufriedenes, materiell und moralisch heruntergekommenes Land. 1445 gab es einen Aufstand der Städte und des landständischen Adels gegen den Orden, und man bot dem König von Polen die Herrschaft an. Im Thorner Frieden 1466 verzichtete der Orden auf Westpreußen und nahm Ostpreußen als Lehen vom polnischen König.
Das Wappen des Deutschen Ordens war das Kreuz, das Wappen Polens war der Adler. Für Westpreußen wurde nun ein neues Wappen entworfen, der Adler mit der Krone um den Hals und dem schwertschwingenden Arm. Als Hochmeister Albrecht von Brandenburg das übriggebliebene Ordensland Ostpreußen 1525 in ein erbliches Herzogtum umwandelte, das er vom polnischen König als Lehen hatte, übergab ihm der polnische König die Lehensfahne, eine weiße Fahne mit einem schwarzen Adler, der eine goldene Krone um den Hals trug und auf der Brust den silbernen Buchstaben S als Erinnerung an den ersten Lehnsherrn Sigismund.
Der westpreußische Adler mit dem Arm erscheint noch bis 1599 auf den Denaren und 1613 auf einem Ternar der Stadt Danzig; sonst ist er mir nicht in Erinnerung.
Auf dem Groschen Sigismunds I. ist die Rückseitenumschrift bemerkenswert: GROSSUS COMMUNIS TERRAE PRUSSIAE. Sigismund versuchte damit, eine Währungsunion beider Teile Preußens herzustellen.

Hallo Zwerg, da wären wir fast aufeinandergeprallt!
Gruß mumde

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Beitrag von Zwerg » Mo 31.05.04 00:12

@mumde
Ich hatte ja fast nichts anderes erwartet!
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klaupo
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Beitrag von klaupo » Mo 31.05.04 11:12

Hallo mumde und Zwerg,

vielen Dank für eure Ausführungen! Das sind in etwa die Hinweise, die ich mir gewünscht habe. Die Zuordnung der Stücke scheint also ziemlich problemlos zu sein, auch wenn die polnische Numismatik die Akzente anders setzen könnte. Besonders interessant finde ich die Ausführungen zur Entstehungsgeschichte des westpreußischen Adlers: Da es sich bei ihm offenbar um eine heraldische Neuschöpfung handelte, hat man vermutlich eine Darstellung gewählt, welche die Hoheits- und Abhängigkeitsverhältnisse in angemessener Form berücksichtigte ... die Krone um den Hals des Adlers ließe sich gleichermaßen als Schmuck und Bindung an den Lehnherrn deuten, die geschwungene Waffe des Adlers könnte für das Herzogtum als Schwertarm des Königs stehen. Ich habe auf eure Empfehlung auch mal ein wenig nach Albrecht von Brandenburg gegooglet - ein bewegtes Leben und ein einflußreicher Mann. Seine Erfolge - u.a. in der Förderung der Reformation - verdankt er allerdings aus meiner Sicht wohl nicht zuletzt dem Umstand, daß sein Einflußbereich sich an der Peripherie des Reichs befand, wo er nicht so einfach zu disziplinieren war und Interessenkonflikte zwischen dem Reich und Polen nutzen konnte.

@Zwerg
Warum stellst du eigentlich immer so verflixt komplexe Fragen????
Die komplexen Fragen ergeben sich doch von selbst, wenn man Münzen über ihre Wirtschafts- und Prestigefunktion hinaus auch auf ihre Signalwirkung für die Menschen, die mit ihnen umgingen, betrachtet. Die Legenden konnten Händler und eine gebildete Minderheit lesen, mit den Münzbildern konnte jeder etwas anfangen. Von meinen Altvorderen weiß ich, daß sie noch zu Beginn des 19. Jh. ihr Kreuz setzten, wenn sie unterschreiben sollten ... aber das geht nun doch sehr ins Allgemeine! :D

Nochmals vielen Dank euch beiden!

Gruß klaupo

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Beitrag von mumde » Mo 31.05.04 11:36

Hermann Grote geht im 2. Band seiner "Münzstudien" sehr ausführlich auf die einzelnen Teile des Wappens des Königreichs Preußen ein. Zu dem Schwertarm äußert er folgende Idee: Der Köng von Polen war auch Großherzog von Litauen. Das Wappen Litauens war ein schwertschwingender Reiter. Für die Wappen-Neuschöpfung wurde der polnische Adler mit verschiedenen Zusätzen angereichert, unter anderem dem Schwertarm des litauischen Reiters.
Belegen läßt sich das nicht, es ist nur so ein Einfall von Grote.
Gruß mumde

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Beitrag von Apophis » Fr 04.06.04 23:47

Mumde du bist echt Krass :)
Einfach Klasse wie du die Münzen bestimmst. Hast du damit beruflich zu tun ? Aufjedenfall dicken Respekt !!!

klaupo
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Beitrag von klaupo » Do 10.06.04 23:13

Ich greife dieses Thema noch einmal auf, weil meine neuen Fragen in diesen Bereich passen könnten.
Das Wappen des Deutschen Ordens war das Kreuz ...
Ich gehe davon aus - auch weil ich alle diese Münzen im Verbund bekommen habe, daß es sich ebenfalls um Stücke des Deutschen Ordens handelt, in diesem Fall ältere. Wenn ich sie im 15. Jh. ansiedle, könnte das vielleicht passen? In den Regenten-Tabellen von M. Wilberg sind zwar die Hochmeister aufgeführt, aber die Fragmente der Legenden kann ich niemandem eindeutig zuordnen ... und die Wappen im Revers schon gar nicht! Deshalb stelle ich sie hier einmal vor und würde mich über eine genauere Zuordnung freuen.

Gruß klaupo
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Beitrag von mumde » Fr 11.06.04 01:08

Hallo Klaupo, wenn man's weiß, kann man's lesen: Auf den linken Bildern ist die Umschrift jeweils MONETA DnORVM PRV bzw. auf dem unteren Stück PRVC, auf den rechten Bildern jeweils MAGST (=Magister) MIChAEL PRI. Dieser erste Michael ist Michael Kuchmeister, 1414-1422.
Die Wappen sind links der Ordensschild mit dem einfachen Kreuz, und auf den rechten Fotos, auf denen der Hochmeister genannt ist, das Wappen des Hochmeisters. Der Hochmeister hat zusätzlich zum Ordenskreuz noch das Kreuz von Jerusalem darübergelegt, das ist das Kreuz mit den kleinen Querbalken an den Balkenenden (nur auf dem oberen Stück zu sehen). Das wurde ihm angeblich 1219 während der Kreuzzüge im Heiligen Land von König Johann von Jerusalem als Dank für die Dienste des Ordens gestattet. Friedrich II. von Hohenstaufen soll dann noch als weitere Ehrung den Reichsadler hineingesetzt haben.
Der Reichsadler darf aber nicht mit dem späteren preußischen Adler (siehe Deine ersten beiden Fotos) verwechselt werden, denn der preußische Adler ist sicher aus dem polnischen Adler entstanden.
Gruß mumde

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Beitrag von s69_de » Fr 11.06.04 17:48

@mumde: So möchte ich die Umschirft auch mal lesen können...

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Beitrag von mumde » Fr 11.06.04 19:29

@ s69_de: Das kommt mit der Zeit. Wichtig ist, daß Du Dir ansiehst, welche Formen die Buchstaben zu welcher Zeit haben können. Bei den Schillingen hier sieht z. B. das E gar nicht wie ein E aus, sondern wie ein C mit Querstrich, aber die Öffnung nach rechts ist durch einen senkrechten zusätzlichen Strich geschlossen, gut zu sehen in beiden MIChAEL.
Gruß mumde

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Beitrag von klaupo » Fr 11.06.04 22:37

Hallo mumde,

zuerst einmal herzlichen Dank für Deine Bestimmungshilfe und die Hilfestellung für das Lesen der Legenden. Nun bin ich aber doch etwas irritiert, wenn ich auf beiden Münzen den Hochmeister Michael Kuchmeister von Sternberg als Münzherrn entziffere, denn einen weiteren Michael finde ich im Wilberg unter den Hochmeistern nicht. Die beiden Rückseiten zeigen aber zwei verschiedene Wappen oder ist es nur ein variiertes? Ich hätte eigentlich zwei verschiedene Münzherren erwartet - wo steckt denn nun mein Denkfehler?

Gruß klaupo

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Beitrag von mumde » Sa 12.06.04 00:32

Hallo Klaupo, der Unterschied in den Wappen ist lediglich, daß oben das Kreuz von Jerusalem aufgenommen ist und unten weggelassen wird, dafür unten ein Langkreuz auf beiden Seiten zugefügt ist, also ein Kreuz, das durch die Umschrift hindurch bis zum Münzrand reicht. Der Unterschied zwischen den beiden Münzen, der dadurch kenntlich gemacht wird, ist, daß das untere Stück von besserem Feingehalt ist als das obere. Es waren ja unruhige Zeiten, Kriege kosten Geld, der Orden konnte kein Ritterheer mehr aus den eigenen Reihen aufstellen, sondern mußte Söldner bezahlen. Man hatte das Geld so weit verschlechtert, daß es nicht mehr problemlos angenommen wurde. Söldner wollen aber gut bezahlt werden. Der obere Typ gehört zu den älteren, schlechten Münzen. Nun war man gezwungen, Kirchengeräte aus den Ordenshäusern einzuschmelzen, um Münzen prägen zu können, die wieder ein bißchen mehr Silber enthielten. Das ergab dann den unteren Typ mit dem Langkreuz, denn das bessere Geld sollte klar erkennbar sein und sich auf den ersten Blick von den alten schlechten Schillingen unterscheiden.
Gruß mumde

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Beitrag von s69_de » Sa 12.06.04 23:22

@mumde: jetzt sehe ich es auch - habe mal meine Schillinge mit den Inschriften in meinem (neuen) Neumann verglichen - super, bislang musste ich mich blind auf die angaben meiner Verkäufer verlassen und hoffen, daß ich die Münzen nicht verwechsle. Jetzt kann ich sie richtig lesen. Die Euchstaben E, M und A sind gewöhnungsbedüftig, aber wenn man sie mal erkannt hat geht es ;-)
@klaupo: Wenn mein Neumann nicht lügt, gibt es von der oberen Münze 3 Feingehaltvarianten: Rohgewicht 1,70 g - Feingehalt 0.433; 1,60 g - 0,386; 1,50 g - 0,270.
Die untere müsste 1,65 g wiegen und ein Feingehalt von 0,530 haben.
@mumde: bitte um Berichtigung, wenn ich mich täusche...

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Beitrag von klaupo » Mo 14.06.04 22:25

Hallo s69,

ich hab nach deinen Angaben die beiden Stücke mal auf eine Präzisionswaage gelegt: das obere wiegt 1,5861 gr - würde also wohl in die zweite Ausgabe gehören. Das untere hat 1,6889 gr und liegt damit etwas über denen, die Neumann gewogen hat. Den Feingehalt zu prüfen, hab ich mir allerdings verkniffen! :wink:

Ich muß dazu noch sagen, daß diese Angaben - so wichtig sie sind! - mich nicht im gleichen Maße faszinieren wie die Hintergrundinfos von @mumde. Mit denen bekommen diese Stücke, wie man sagt, "Fleisch auf die Knochen". Das ist ein bißchen wie bei der Ahnenforschung: wenn man Namen und Lebensdaten aneinanderreiht, weiß man, woher man kommt. Wenn da aber einer in der Neujahrsnacht 1690 in volltrunkenem Zustand erfroren aufgefunden wurde, neun minorende Kinder hinterlassend, dann wird er wieder ein bißchen lebendig - wenn du verstehst, was ich meine! :D

Gruß klaupo

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