Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 05.11.16 18:38

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 09.09.17 15:18

Apollo Karneios - Der Nationalgott der Dorer

Liebe Freunde der Mythologie!

Nach längerer Zeit habe ich wieder eine Münze gefunden, die es mir wert war, mich mit ihrer Mythologie zu beschäftigen.

Die Münze:
Magna Graeca, Lukania, Metapontion, ca. 300-250 v. Chr.
AE 11, 1.59g, 11.2mm, 0°
Av.: Gehörnter Kopf des Apollo Karneios, n.r.
Rv.: META (li. Feld, von unten)
Gerstenähre mit Blatt zur Rechten
im re. Feld über dem Blatt eine Fliege (Kontrollmarke)
Ref.: Johnston Bronze 64; HN Italy 1700; cf. SNG ANS 587 (andere Kontrollmarke); SNG
Copenhagen 1256 (stempelgleich); SNG Morcom 287 (stempelgleich); Macdonald
Hunter 67 (stempelgleich),
SS, grüne Patina, gut zentriert auf einem kleinen Schrötling

Die Rückseite zeigt eine Ähre der 6-zeiligen Gerste, Hordeum polystichum pyramidatum, des Hauptgetreides der Griechen, und in Metapontion ein Symbol der Polis. Sie wurde nur geröstet gegessen und selbst den Toten ins Grab mitgegeben. Dies wäre auch ein interessantes Thema. Aber hier geht es uns um die Vorderseite: den gehörnten Apollo Karneios.

Mythologie:
Die Herkunft und die Bedeutung des Karneios waren bereits in der Antike unklar.
Nach Praxilla aus Sikyon, einer griechischen Dichterin des 5.Jh. v.Chr., war Karneios ein Sohn des Zeus und der Europa, und wurde von Leto und Apollo aufgezogen, der ihn besonders liebte.
Zur Herkunft des Namens gibt es unterschiedliche Erklärungen:
(1) Eine alte Mythe erzählt, daß die Griechen zum Bau des Trojanischen Pferdes im Idagebirge Bäume der Kornelkirsche (griech. κράνεια) fällten. Diese stammten aus einem heiligen Hain des Apollo, und um seinen Zorn zu besänftigen, begann man, ihn unter diesem Name zu verehren (Pausan. in Lacon.c.13.p.184.; Schol. Callim.ad Hymn, in Apollon v.72.). Diese Meinung wird heute nicht mehr vertreten, obwohl bekannt ist, daß es streng verboten war, in den ihm heiligen Hainen Bäume zu fällen, Äste abzuschneiden, ja selbst Laub aus ihnen hinauszutragen. Darauf standen schwere Strafen: Sklaven wurden ausgepeitscht, Freie unterlagen dem Richtspruch des Rates.

(2) Nach Pausanias (3, 13, 3.4) hieß er ursprünglich Karnos und stammte aus Akarnanien. Er war ein apollinischer Seher im Heer der Herakliden, wurde aber als Spion verdächtigt und von Hippotes, einem Urenkel des Herakles, erschlagen, als die Dorer bei Naupaktos auf die Peloponnes übersetzten (Paus., schol. Theokrit). Den Zorn des Apollo, der den Dorern die Pest sandte, besänftigten sie, indem sie dem Karnos göttliche Ehren erwiesen und Apollo selbst den Beinamen Karneios gaben. Hippotes wurde nach einem Spruch aus Delphi für 10 Jahre verbannt. Konon (narr. 26) nennt den Karneios ein phasma Apollonos (Gespenst des Apollo), das dem Heer der Dorer folgte und endlich von Hippotes erlegt wurde. Da es aber kaum möglich sein konnte, ein Gespenst zu erschießen, sei aus ihm ein Wahrsager des Apollo gemacht worden. Bei dieser Erklärung handelt es sich eher um eine ätiologische Legende, die im Interesse der Spartiaten erdichtet worden ist.

(3) Heute ist die wahrscheinlichste Erklärung die folgende: Bei Karneios handelt es sich um einen alten vordorischen Hirten- und Widdergott (griech. karnos = Schafbock, Widder), den die Dorer bei ihrer Einwanderung in die Peloponnes bereits vorfanden, und den sie mit ihrem eigenen Apollo verschmolzen. Er ist dem Apollo Kereates, und dem Apollo Keraton (Plut. Thes. 21), Kertinos (Plut. de soll. anim 35; Callim. hymn in Apoll. 61) nahe verwandt.

Die Verehrung des Karneios:
Die Verehrung des Apollo Karneios erstreckte sich überwiegend auf die Peloponnes und die dorischen Kolonien. Hauptverehrungsorte waren Sparta, Sikyon, Thera, Kos, und dann die Kolonien in Magna Graecia und Kyrene. In Sikyon standen seine Priester in so hohem Ansehen, daß sie auch endlich selbst, statt der Könige, die Herrschaft ausübten (Euseb.). Dies wird allerdings von einigen angezweifelt (Hederich).
Nach Tönnies soll er sogar in der Oase Shiwa verehrt worden sein, bevor sich dort die Verehrung des Zeus Ammon durchsetzte. Es gab heilige Haine (sog. Karnasien) für ihn in Andania/Messenien und Megalopolis/Arkadien. Apollo Karneios war die bedeutendste gemeinsame dorische Gottheit. Er war der Nationalgott der Dorer.

Bemerkenswert ist, daß der Kult des Gottes vorwiegend in Westlakonien, in den Taygetosgegenden zu Hause gewesen ist, wo der dorische Einfluß niemals sehr groß war. Dagegen deckt sich die Verbreitung des lakonischen und messenischen Karneioskultes mit derjenigen der alten Minyer, deren Wohnsitze besonders in den Taygetosgegenden zu suchen sind. Dies ist ein Hinweis darauf, daß die Verehrung des Karneios einer noch älteren Schicht angehört (Roscher).

Das Fest der Karneia:
Die Karneia, das Fest zu Ehren des Gottes, fand in der 1. Hälfte des Monats August statt und dauerte 9 Tage. Danach hieß dieser Monat Karneios (griech. eigentlich Metageitnion).
Für die Spartaner war es ein sehr bedeutendes Fest. So war es nicht gestattet, während dieser Zeit in den Krieg zu ziehen. Dies führte dazu, dass die Spartaner bei der Schlacht bei Marathon zu spät erschienen!

Das Fest bestand aus sportlichen Wettkämpfen und aus einem Wettkampf der Kitharaspieler. Im Mittelpunkt jedoch stand der Verfolgungslauf der staphylodromoi (= Weintraubenläufer). Aus jeder Phyle wurden für 4 Jahre 5 unverheiratete Männer (sog. Karneten) ausgelost, die das Fest unter einem Priester (dem Agetes) organisieren sollten. Ein junger Freiwilliger, der mit Wollbinden (Stemmata) geschmückt war und der vorher zu den Stadtgöttern gebetet hatte (der Agetes?), wurde von jungen Männern, den staphylodromoi, verfolgt. Holten die staphylodromoi ihn ein, galt das als gutes Vorzeichen für die Stadt, holten sie ihn nicht ein, galt es als schlechtes Omen. Wahrscheinlich hielten die staphylodromoi Weintrauben in ihren Händen (daher der Name!).
Dieser Verfolgungslauf besaß die Eigenschaften von Weinlese, Ernte- und Sühneriten. Ursprünglich endete er vielleicht mit der Tötung des ereilten Widderdämons (Der Kleine Pauly).

Dann begann der gesellige Teil: An 9 Plätzen wurden Zelte (sog. Skias) errichtet, wo je 9 Männer, die 3 Phratrien oder besser Oben repräsentierten, unter dem Kommando eines Herolds zusammen speisten. Dies erscheint wie die Nachahmung des Kriegslebens. Die eingewanderten Dorer hatten augenscheinlich ihren Apollodienst mit dem vorgefundenden verschmolzen und dadurch hatte sich der Charakter des Festes geändert und war ein Kriegerfest geworden. (Roscher).

Natürlich wurde dem Apollo Karneios auch ein Opfer gebracht, z.B. in Thurioi ein Widder, im Karnasischen Hain in Messenien ein Eber.

Kunstgeschichte:
(1) In Kyrene/Libyen, das von Thera aus gegründet worden war, findet man noch große Teile des Tempels. Apollo Karneios war der mythologische Gründer der Stadt. Ihm wurde am Ende ds 4. Jh. v.Chr. ein besonderes Monument errichtet. Auch hier wurden die Karneia gefeiert. Auf diese bezieht sich Pindar in seinen Oden (Pythian 5.80).
(2) Im National Archaeological Museum in Taranto befindet sich ein rotfiguriger Voluten-krater aus Ceglie del Campo aus dem 5. Jh. v.Chr., der tanzende Mädchen und Jungen neben einer Säule mit der Inschrift Karneios zeigt. Wahrscheinlich handelt es sich dabei um einen Jungfrauentanz im Schmuck der spartan. Blätterkrone für die Karneien (Pauly).

Erläuterungen:

Phyle: Stamm, Geschlechtsverband (Kultgemeinde); hatte neben der religiösen auch soziale, rechtliche und militärische Bedeutung und war in Phratrien (Bruderschaften) unterteilt

Oben (griech. obai), Bezeichnung für die Quartiere (griech. Komen) der spartanischen Vollbürger.

Praxilla aus Sikyon war eine griechische Dichterin im 5. Jahrhundert v. Chr., deren meiste Werke verloren sind. Erhalten ist nur ein Vers in Hexametern. Sie soll auch einen Hymnus auf Adonis geschrieben haben, sowie Wein- und Gelagegedichte. Am Ende des letzten vorchristlichen Jahrhunderts hat der griechische Dichter Antipater aus Thessalonika eine Liste der bedeutendsten griechischen Dichterinnen aufgestellt. Dort steht Praxilla an erster Stelle, noch vor Sappho oder Erinna.
Von Erasmus von Rotterdam gibt es das Sprichwort: "Dümmer als der Adonis der Praxilla (Stupidior Praxillae Adonide)". Das geht zurück auf ein Fragment aus dem Hymnus auf Adonis, das Zenobius zitiert, in dem Adonis auf die Frage, was von allen Dingen, die er auf der Erde verlassen habe, das schönste sei, antwortete: "Die Sonne, der Mond, die Gurken und die Äpfel." Diese Antwort erschien den Lesern lächerlich und dumm.

Konon war ein griechischer Mythograph, der um Christi Geburt lebte. Sein Werk Diegeseis ist überwiegend durch einen Auszug des Photios aus byzantinischer Zeit bekannt. Es handelt sich dabei um eine Sammlung von Erzählungen, Gründungsgeschichten, Ätiologien (Mythen, die den Ursprung von Dingen erklären wollen) und Liebesgeschichten, die den Leser unterhalten sollten.

Die Minyer waren ein alter griech. Volksstamm in Böotien um die Stadt Orchomenos herum. Als ihr Ahnherr gilt Minyas. In mykenischer Zeit waren sie Träger einer hochentwickelten Kultur. Im Krieg gegen Troja stellten sie 30 Schiffe. Der mythische Erginos soll sogar Theben tributpflichtig gemacht haben. Gegen Ende des 2. Jh. brach ihr Reich zusammen und das Volk als Ganzes gilt als verschollen. Auch archäologisch ist es nicht faßbar. Der behauptete Zusammenhang mit den Argonauten ist eine nachhomerische Konstruktion.

Quellen:
(1) Apollodor, Bibliotheke
(2) Kallimachos, Hymnen an Apoll
(3) Pausanias, Reisen durch Griechenland
(4) Pindar, Oden
(5) Plutarch, Biographien
(6) Herodot, Historien
(7) Theokrit, Gedichte

Sekundärliteratur:(1) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und  römischen
Mythologie
(2) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
(3) Der Kleine Pauly, Lexikon der Antike

Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) www2.warwick.ac.uk
(3) scalarchives.it

Angehängt habe ich
(1) ein Bild vom Karneiostempel in Kyrene (www2.warwick.ac.uk)
(2) ein Bild vom Monument des Karneios in Kyrene (www2.warwick.ac.uk)
(3) ein Bild des Kraters von Ceglie (Photo Scala, Florence)

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
metapontion_lukania_HNitaly1700.jpg
Die Münze
Kyrene Apollotempel.jpg
Tempel des Apollo Karneios in Kyrene
Kyrene Monument des Karneios.jpg
Monument des Karneios in Kyrene
Krater von Ceglie.jpg
Krater aus Ceglie
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 09.09.17 15:24

Pallor - Die Göttin der Blässe und der Furcht

Im Augenblick habe ich meine Liebe zu den republikanischen Münzen wiederentdeckt. Und tatsächlich finden sich auf ihnen interessante und nicht langweilige Darstellungen, wie z.B. hier:

Die Münze:
Römische Republik, L. Hostilius Saserna, gens Hostilia
AR - Denar, 3.38g, 18.7mm, 35°
geprägt in Rom, 48 v.Chr.
Av.: Bloßer Kopf der Pallor mit zerzaustem, herabhängenden Haar n.r., dahinter Blasinstrument
Rv.: Kultstatue der Diana Ephesus, frontal stehend, belorbeert, langes Haar über ihre
Schultern niederfallend, langes fließendes Gewand, hält in der erhobenen Linken Speer
und mit der Rechten einen n.l. stehenden Hirsch am Geweih
im li. Feld SASERNA im Bogen nach oben, re. L.HOSTILIVS von oben nach unten
Ref.: Crawford 448/3; Sydenham 953; Hostilia 4; Sear Imperators 19; BMCRR Rome 3996;
SRCV I, 419; Kestner 3541
nicht häufig, gut zentriert, getönt, ungleichmäßig geprägt mit flaueren Bereichen

Die Rs. dieser Münze bezieht sich auf die Eroberung von Massilia (Marseille) ein Jahr zuvor durch Caesar zu Beginn des Krieges gegen Pompeius nach Belagerung und einer Seeschlacht. Artemis Ephesia wurde in Massilia, das ja eine griechische Gründung war, besonders verehrt und besaß dort einen eigenen Tempel.

Die Vs., um die es uns hier geht, ist umstritten. Heute liest man oft, daß die abgebildeten Portraits der Hostilius-Münzen Gallia und Vercingetorix darstellen sollen. Aber daß die Römer auf die Vorderseite ihrer Münze das Porträt ihrer Feinde setzen, wäre doch sehr ungewöhnlich. Ich bin dem nachgegangen und tatsächlich kamen diese Benennungen erst am Ende des 19. Jh. in Mode, natürlich in Frankreich, als dessen Nationalgefühl auf dem Höhepunkt war. Und natürlich lassen sich Münzen mit dem Namen Vercingetorix besser verkaufen, besonders heute in der Zeit des Asterix.

L. Hostilius Saserna, der Münzmeister dieser Münze, war ein Caesarianer, über den leider nicht viel bekannt ist. Aber es ist viel glaubwürdiger, daß er zeigen will, daß sein Stamm-baum auf den mythischen König Tullus Hostilius zurückgeht. Diese Art der Propaganda, die wir auf republikanischen Münzen oft finden, ist üblich und historisch gesichert.

Die Vs. zeigt tatsächlich Pallor, die Göttin der Furcht, dargestellt mit zerzaustem Haar. Ein 2. Denar des Hostilius Saserna zeigt auf der Vs. Pavor, den Gott des Schreckens, dargestellt mit gesträubten Haaren. Beide sind die Begleiter des Mars. Nach ihnen sind auch die beiden Monde des Planeten Mars benannt, Phobos der größere, Deimos der kleinere.

Etymologie:
Pallor (m.), lat. Blässe (von lat. palleo = blaß sein, verwandt mit ahd. falo = fahl), dann im übertragenen Sinn: Angst, Furcht, Schrecken, die lat. Nachbildung von Deimos. Stevenson nennt sie: die Göttin der Blässe und der Furcht.

Pavor (m.), lat. Angst, Furcht, Entsetzen (von lat. paveo = zittern, Angst haben), die lat. Nachbildung von Phobos. Stevenson nennt sie: die Göttin der Furcht und des Schreckens.

Panofka sieht im Namen Hostilius (lat. hostilis = feindselig) eine Anspielung auf Mars, so wie in der Artemis eine Diana Hostilina, eine Art von Enyo-Bellona, einer altertümlichen Kriegsgöttin. Dabei gehen die Namen der Personifikation durcheinander: Bei ihm gehört der Kopf mit dem hochstehendem Haar zu Pallor, der mit dem herabhängenden Haar zu Pavor (Creuzer).

Geschichte:
Die Hostilier waren eine plebejische Gens. Ihr Name läßt sich nicht eindeutig erklären. Es gab ihn bei den Venetern, den Illyrern, aber auch bei den Etruskern. Ihr hohes Alter wird bezeugt durch Tullus Hostilius, aber auch durch die Curia Hostilia, der Vorläuferin der späteren Curia Julia, dem Versammlungshaus des Senats. Im 1.Jh. v.Chr. scheinen alle Linien erloschen zu sein (Wikipedia).
Tullus Hostilius war nach Romulus und Numa Pompilius der 3. römische König. Er war berühmt durch seine kriegerische Haltung. Nachdem Rom Alba besiegt hatte, stachelten die
Albaner die Nachbarstädte Veji und Fidena zu einem Krieg gegen Rom an. In der Schlacht gegen die Veienter und die Fidenaten, verließen die mit Rom verbündeten Albaner aber das Schlachtfeld und die Römer kamen in große Bedrängnis. Da versprach der bestürzte Tullus in seiner Not zwölf salische Priester einzusetzen und den Göttern des Schreckens (Pavor) und der Furcht (Pallor) je ein Heiligtum zu errichten. Die Römer fingen sich wieder und fügten ihren Feinden eine vernichtende Niederlage zu. Livius schreibt: Es gab früher keine römische Schlacht, die noch schrecklicher war als diese (Livius I, 27, 7).

Religionsgeschichte:
Es scheint zunächst absurd, daß Tullus Tempel für Gottheiten verspricht, die dem kriegerischen Mut so sehr entgegenstehen. Aber "heidnischer Aberglauben" (Jacob Burckhardt) hatte auch keine Skrupel, Tempel der Gottlosigkeit zu weihen oder die Unzüchtigkeit zu verehren, und sogar dem "Fieber" einen Tempel zu errichten (Valer. Max. II, 5, 6). So kann es nicht überraschend sein, auch Verzagtheit und Kopflosigkeit zu Vergöttlichen. Bei den Griechen wurde der Pavor (und der Pallor) Opfer gebracht, um diese schrecklichen Göttinnen im Krieg zu besänftigen (Stevenson). In Korinth hatte das Orakel die Einführung des Kultes des "Grauens (Deima) " befohlen, in Sparta die der "Furcht". Daraufhin errichteten die Spartaner einen Altar für sie nahe dem Syssition der Ephoren (Plutarch). Nach der Ermordung des Kylon am Altar im Tempel der Athena, ca. 632 v.Chr., dem sog. "Kylonischen Frevel", weihten die Athener zur Sühne Altäre für die "Gewalttat" und den "Mangel an Scheu" (Jacob Burckhardt).

Ob nun Tullus die versprochenen Tempel tatsächlich errichtet hat, ist nicht bekannt. Es gibt kein weiteres Zeugnis darüber, und da sie in einem Parallelbericht des Dionys von Halikarnassos nicht erwähnt werden, erscheint es immerhin zweifelhaft (Wissowa)

Literaturgeschichte:
Deimos und Phobos gehören bereits bei Homer (Il. 4, 440) zum dämonischen Gefolge des Ares. Sie begleiten ihn und schirren ihm z.B. die Rosse (Il. 15, 119. Bei Hesiod erscheinen sie als die Söhne des Ares und der Aphrodite. Antimachos hielt sie für die Rosse des Ares, die von Thyella (Windsbraut) abstammten, wahrscheinlich aus einem Mißverständnis der Szene bei Homer heraus. Das gilt auch für Valerius Flaccus in seiner Argonautika. Bei Nonnos sind beides Söhne des Enyalios, einer Epiklese des Ares. Bei ihm sind sie auch Gehilfen des Zeus, der sie mit Blitzbündeln bewaffnet, bei seinem Kampf gegen das Ungeheuer Typhon.
Semos von Delos (FHG 4, 495, frg. 18a) macht Deimos zum Vater der Skylla von der Nymphe Krataiis. Deimos und Phobos sind neben der Gorgo auf der Aegis der Athena dargestellt (Hom. Il, 5, 739). sowie auf dem Schild des Agamemnons (Il. 11, 37). Bei Quintus von Smyrna finden sie sich neben der Kriegsgöttin Enyo und Eris (Zwist) auf dem Schild des Achilles.
Als Personifikationen kommen Metus (Furcht) und Terror auch bei Apuleius vor (met. 10, 31).

In der Dichtung beschreibt Ovid (Ov. met. 4, 485), wie Trauer (Luctus), Schrecken (Pavor) und Furcht (Terror) Begleiter der Unheilbotin Tisiphone sind.
Die Blässe ist natürlich auch ein Zeichen des Todes. Horaz schreibt in einem berühmten Lied (Carm. Lib.I.IV): pallida mors aequo pulsat pede pauperum tabernas / regumque turris (Der bleiche Tod klopft mit gleichmäßigen Schritt an die Hütten der Armen als auch an die Burgen der Könige)

Kunstgeschichte:
In der klassischen Kunst werden beide dargestellt als unauffällige Jugendliche, wobei dem Phobos manchmal ein Löwenkopf oder löwenartige Merkmale gegeben werden. Eindeutig als Deimos zu identifizierende Darstellungen sind nicht bekannt, im Gegensatz zu Phobos.

Hinzugefügt habe ich:
(1) ein Wandgemälde aus Pompeji aus dem Haus des Mars und der Venus, 1.Jh. n.Chr., heute
im National Archaeological Museum in Neapel. Es zeigt Aphrodite zurückgelehnt in den
Armen ihres Geliebten Ares und den geflügelten Liebesgott Eros und Phobos, die beide
mit den Waffen des Gottes spielen (theoi.com).
(2) ein Mosaik aus einer Villa in Orbe-Bosceaz (Waadt/Schweiz) aus dem 3.Jh. n.Chr. Es
zeigt Ares mit Schild, Speer und Helm, begleitet von Phobos und Nike (theoi.com)
(3) ein Mosaik aus Halikarnassos aus dem 4.Jh. n.Chr., heute im Britischen Museum/London.
Es zeigt Phobos mit geweiteten Augen, zum Schrei geöffnetem Mund und einer Löwen-
mähne (theoi.com).

Erläuterungen:
(1) Ephoren: deutsch "Aufseher", waren 5 Aufsichtsbeamte im antiken Sparta, die jedes Jahr
neugewählt wurden. Eingerichtet wurde dieses Amt wohl, um die Macht des Ältestenrats
zu beschränken. Wählbar war jeder freier Bürger.
(2) Epiklese: Bei- oder Kultname eines Gottes, mit dem besondere Eigenschaften der Gott-
heit angerufen wurden.
(3) Syssition: Tägliche Tischgemeinschaft der Ephoren. Diese sollte den Zusammenhalt und
die Liebe zum Staat stärken.

Anmerkung:
Es gibt auch Numismatiker, die das auf der Münze abgebildete Portrait als das Abbild einer weiblichen gallischen Gefangenen, und das Portrait auf der anderen Münze ("Vercingetorix") als das Bild eines männlichen gallischen Gefangenen sehen, ohne ihnen individuelle Namen zu geben. Andrew McCabe, unser anerkannter Spezialist für republikanische Münzen im amerikanischen Forum, meinte dazu, vielleicht sei alles gleichzeitig wahr: Pallor/Pavor, eine gallische Gefangener bzw. gallischer Gefangener und Gallia/Vercingetorix. So konnte sich jeder Römer das für ihn zutreffende selbst heraussuchen. Solche Spielereien mit dem Sinn seien bei den Römern sehr beliebt gewesen.

Quellen:
(1) Hesiod, Theogonie
(2) Homer, Ilias
(3) Ovid, Metmorphosen
(4) Nonnos, Dionysiaka
(5) Apuleius, Metamorphosen ("Der goldene Esel")
(6) Livius, Ab urbe condita
(7) Horaz, Carmina
(8) Plutarch, Kleomenes
(9) Julius Caesar, De bello Gallico

Sekundärliteratur:
(1) Abhandlungen der Königlich Preussischen Akademie der Wissenschaften, 1841 (über books.google.de)
(2) Georg Friedrich Creuzer, Symbolik und Mythologie der alten Völker: besonders der Griechen, 1842
(3) Jacob Burckhardt, Griechische Kulturgeschichte, 1898-1902, Neuausgabe 2014 (über books.google.de)
(4) Georg Wissowa, Handbuch der klassischen Altertumswissenschaft, 1902 (über books.google.de)
(5) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, 1770 (auch online)
(6) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen
Literatur, 1886-1937
(7) Seth William Stevenson, A Dictionary of Roman Coin, 1889, reprint 1964
(8) Der Kleine Pauly, dtv, 1979
(9) Hans-Joachim Hoeft, Münzen und antike Mythologie, Eigenverlag, 2011

Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) books.google.de
(3) theoi.com

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
hostilius_saserna_Cr448_3.jpg
F10_2Aphrodite_.jpg
Z50_1CAres_Orbe.jpg
Z30_1Phobos_Halikarnassos.jpg
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 16.09.17 19:38

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von kiko217 » Mo 18.09.17 17:15

Vielen Dank für deine interessanten Aufsätze!

Was ich bezüglich pallor nicht verstehe: pallor ist doch Maskulinum, müsste die entsprechende Gottheit dann nicht auch männlich sein?
Welchen Stevenson meinst du, der Pallor " Göttin der Blässe und der Furcht" nennt?

Schönen Tag noch

Kiko

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 18.09.17 21:08

Hallo kiko!

Herzlichen Dank. Das Genus von Pavor und Pallor hat mir auch Schmerzen bereitet. Als Substantive sind beide maskulin. Als Göttinnen können sie aber natürlich auch feminin sein. Aber einige Autoren bezeichnen sie als Götter, andere als Göttinnen. Es geht also durcheinander. Und ich muß gestehen, daß Pallor eher weiblich aussieht, Pavor aber eher männlich.
Ähnliches gilt übrigens auch für Furcht, Angst, Schrecken, Horror, Terror usw., die alle austauschbar gebraucht werden.

Stevenson ist Seth William Stevenson, wie unter Sekundärliteratur angegeben.

Mit freundlichem Gruß
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Di 03.10.17 15:09

Einige Bemerkungen zum Hahn

Heute möchte ich hier etwas über den Hahn schreiben. Zuerst ist er mir begegnet als Begleiter des Hermes wie auf der nächsten Münze:.

1. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis, Macrinus, 217-218
AE 28, 12.56g, 28.14mm, 0°
geprägt unter dem Statthalter Marcus Claudius Agrippa
Av.: AVT K OPPEL C - EVH MAKRINOC
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: VP AGRIPPA NIKOPOLITWN PROC ICT / [RW]
Hermes, nackt, die Chlamys über dem li. Arm, frontal stehend, n.l. blickend, hält
Kerykeion im li. Arm und in der vorgestreckten Rechten Börse; li. zu seinen Füßen
Hahn n.l. stehend
Ref.: a) nicht in AMNG:
cf. AMNG I/1, 1693 (nur Rv.)
c) nicht in Varbanov
d) Hristova/Hoeft/Jekov (2017) No. 8.23.10.7 (diese Münze)
selten, SS/fast SS, dunkelgrüne Patina
Dieses Rv. gibt es auch für Diadumenian, HrHJ (2017) No. 8.25.10.1. Ein Beispiel für die Parallelausgaben für Mitglieder der kaiserlichen Familie.
Der Av. ist Pat Lawrence's Typ M, aber mit diesem Rv. nicht gelistet.

Vor kurzem ist es mir gelungen, die nächste Münze in meine Sammlung einzufügen. Sie war der eigentliche Anlaß für diesen Artikel, weil ich der Bedeutung der Darstellung nachgehen wollte.

2. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Septimius Severus, 193-211
AE 17, 3.7g
Av.: AV KAI CEP - CEVHROC
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: NIKOPOLIT - PROC ICT
Hahn n.r. schreitend, tritt mit dem li. Fuß auf eine Schlange, die sich vor ihm aufrichtet
Ref.: a) AMNG I/1, 1416, Taf. XX, 7 (1 Ex., Bukarest)
b) nicht in Varbanov
c) Hristova/Hoeft/Jekov (2017) No. 8.14.10.36 (diese Münze)
extrem selten (R9), fast VZ, dunkelgrüne Patina
Die Rückseite gibt es auch für Caracalla, HrHJ (2017) No. 8.18.10.22. Dies ist ein weiteres Beispiel für eine Parallelausgabe für Mitglieder der kaiserlichen Familie. Und man beachte: Es ist kein Adler, der die Schlange bekämpft (diese Darstellung gibt es öfter), sondern ein Hahn! Nur noch eine Münze aus Apollonia am Pontos zeigt dieses Motiv.

Etymologie:
Das gemeingermanische Wort mhd. hane, ahd. hano, got. hana, aengl. hana, schwed. hane ist eine Substantivbildung zu der idg. Wurzel *kann (= singen, klingen, tönen), vgl. z. B. lat. canere (= singen, klingen) und griech. ει -κανος „Hahn” (eigentlich „in der Morgenfrühe singend”). Hahn bedeutet also ursprünglich „Sänger” (Wikipedia).

Mythologie:
In der griechischen Mythologie gibt es nur eine kurze Anmerkung zum Hahn: Alektryon war ein Liebling des Ares. Als Ares sich mit der Aphrodite zu einem erotisches Tete-a Tete traf, sollte Alektryon an der Tür Wache halten. Aber dabei schlief er ein und so konnte Helios am Morgen ihre Liebschaft entdecken. Er hinterbrachte seine Entdeckung dem Hephaistos, dem Gatten der Aphrodite, der die beiden noch auf dem Liebeslager überraschte. Er fesselte sie in ein kunstvolles, unzerstörbares Netz und zeigte sie den versammelten olympischen Göttern, die in ein schallendes Gelächter ausbrachen (das sog. "Homerische Gelächter"). Ares aber war so zornig, daß er den Alektryon in einen Hahn verwandelte, der seitdem dessen Namen trug. Und als stete Erinnerung an diese Begebenheit pflegt er zu krähen, wenn die Sonne aufgeht (Eustath. ad Hom. Iliad. 1598, 61; Lukian. Gall. 3; Liban.narr.26).

Daß der Hahn als Begleiter des Hermes auftritt, stammt erst aus neuerer Zeit. Bei Homer war er noch nicht bekannt. Wahrscheinlich haben die Griechen ihn aus Asia minor übernommen. Dort war er bekannt als Begleiter des anatolischen Mondgotts Men. Sicher trägt der Hahn hier wegen seiner auffällig sichelförmig gebogenen Schwanzfedern lunare Aspekte.

Bei Mithras hingegen stehen die Sonnenaspekte im Vordergrund. Er starb und wurde wiedergeboren. Als Lichtgott galten ihm als Attribute die Sonne, das reinigende Feuer sowie der den Morgen verkündendende Hahn.

Attis, der Liebling der Kybele, verlor sein Leben durch einen Eber, wurde aber von Kybele wiederbelebt, und dies wurde an jedem Frühlingsanfang wiederholt. Sein Begleiter als Verkünder des Tageslichts und des Siegs über die Dunkelheit war der Hahn. Wir sehen hier mit dem Motiv der Auferstehung von den Toten bereits Anklänge an das Christentum.

Eine wichtige Rolle spielte der Hahn im Asklepioskult, der aus Pergamon stammt. Der Hahn als Sonnensymbol war ein Attribut des Apollo, und Hähne wurden Asklepios, dem Sohn des Apollo, in Massen geopfert, auch weil der Hahn die Seele des Toten als Herold in die Unterwelt führte. Zudem war Asklepios nämlich auch der Gott, der durch seine Heilkräfte Tote auf der Erde zum Leben zurückbringen konnte.

Warum nun der Hahn zu einem Attribut des Hermes wurde, ist nicht sicher geklärt. Eine Möglichkeit ist die Rolle des Hermes als Herold der Götter, weil er so, wie der Hahn den kommenden Tag begrüßt, die Ankunft der olympischen Götter ankündigt. Aber es ist auch möglich, daß so wie die anatolischen Götter Mithras, Attis, und schließlich auch Asklepios, Anteil haben an allen verschiedenen Ebenen der Welt, Hermes als Bote alle drei Ebenen des Kosmos bereiste, und deshalb den Hahn als Lichtsymbol übernahm.

Geschichte:
Urform aller unserer Hühner ist das Bankivahuhn (Gallus gallus), das aus Ostasien (Indien, Sunda-Inseln) stammt, und heute in seiner Stammform vom Aussterben bedroht ist, weil die Einheimischen sie mit ihren Haushühnern kreuzen. Von Ostasien breitete es sich als Zuchtform nach China, Baktrien, Mesopotamien und Asia minor aus. In Aristophanes' "Die Vögel", 414 v.Chr., wird es als "medischer Vogel" bezeichnet. Der Zeitpunkt, an dem es nach Griechenland kam, kann gut benannt werden durch das Vorkommen in der Batrachomyomachia, bei Pindar und Aischylos, wo es αλεκτωρ heißt, oder als αλεκτρυων bei Theognis. Es ist also das Ende des 6. Jh. Von dort gelangte es nach Sizilien und Unteritalien. Das paßt gut zu den ersten Münzbildern von Himera/Sizilien 530-482 v.Chr.

Geschätzt war der Hahn als Wächter und Zeitansager, außerdem als Kampfhahn. Man ließ ihn auftreten in Gymnasien, Palästen und auf öffentlichen Plätzen. Für ihre Zucht waren verschiedene Orte berühmt. Seine angeborene Angriffslust wurde durch Füttern mit Knoblauch und Zwiebeln verstärkt. Hahnenkämpfe, eingeführt vielleicht von Themistokles nach kleinasiatischem Vorbild, waren eine der beliebtesten Volksbelustigungen der Griechen. Abbildungen solcher Kämpfe finden sich auf vielen Vasen, Reliefs und Gemmen (Pauly). Und hier kommen wir zur Erklärung des Motivs auf der 2. Münze: Der Hahn wird als wehrhaftes und streitbares Tier dargestellt und symbolisiert so die Wachsamkeit und die Kampfbereitschaft gegenüber Bedrohungen. Damit hätte die Münze mit Hermes allerdings nichts zu tun.

Bei den Römern war das Huhn ein mantisches Tier. Plinius schreibt über seine Rolle im römischen Staatskult. Ihm wurden Körner gestreut und aus der Annahme oder Ablehnung des Futters durch die heiligen Hühner ermittelte man den Willen der Götter vor großen Unternehmungen und im Krieg (auspicium ex tripudiis). Aber es kam zu Manipulationen, Caesar z.B. machte sich darüber lustig, und in der Kaiserzeit verschwand es ganz (Pauly)

Auch wegen seines ausgeprägten Fortpflanzungstriebs war der Hahn ein beliebtes Geschenk mit erotischer Bedeutung. Es gibt viele Gemmen auf denen der Hahn zusammen mit Eros erscheint (Imhoof-Blumer/Keller).

Der Hahn im Christentum:
In der christlichen Deutung finden wir schon früh eine Verbindung der verschiedenen Symbolformen: Am bekanntesten ist seine Rolle im NT beim Verrat des Judas "Wahrlich ich sage dir: In dieser Nacht, ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen." (Johannes 13, 18). Hier ist es die Wächterfunktion. Aber der Hahn wird zum Bild für den Sieg Christi über das feindliche Dunkel und die Schrecken der bösen Geister; denn Christus hat in der Auferstehung den Ruf des Lebens ertönen lassen gegen die Macht des Todes. So ist er auch derjenige, der uns einst aus dem Todesschlaf wecken wird!
Einzigartig ist ein Mosaik in der Basilika Santa Maria Assunta in Aquileia aus dem Frühchristentum (4.Jh.). Wir sehen den Kampf eines Hahns gegen eine Schildkröte. Die Schildkröte, die sonst nicht zum christlichen Bilderfundus gehört, steht als bodenverhaftetes Kriechtier für das Böse, während der Hahn natürlich das Symbol des Himmels ist. Es ist klar, wer diesen Kampf gewinnen wird.

Literatur:
(1) Neues Testament (NT)
(1) Eustach. ad Hom. Iliad.
(2) Lukian. Gall.
(3) Liban. narr.
(4) Aristophanes, Die Vögel
(5) Plinius, Naturgeschichte

Sekundärliteratur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, 1770
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen
Literatur, 1884-1937
(3) Der Kleine Pauly, 1979
(4) Imhoof-Blumer/Keller, Tier- und Pflanzenbilder auf Münzen und Gemmen des klassischen Altertums, 1889

Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) Wikimedias Commons
(3) Wildwinds

Hinzugefügt habe ich
(1) ein Bild des Bankivahuhns (Red junglefowl, Edward Neale, Wikimedias Commons)
(2) ein Bild des Mosaiks aus Aquileia (testudowelt.de)
(3) ein Bild der Silberdrachme aus Himera, Kraay 135, vor ca. 484 v.Chr. Sie zeigt li. einen
Hahn n.l. stehend,  re. eine Henne n.r. stehend (Wildwinds)

Mit freundlichem Gruß
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Di 03.10.17 15:11

Phemios und die Ainianen

Dieser Beitrag soll erneut zeigen, wie eine einzige Münze den Zugang zu einer Welt öffnet, die einem vorher völlig unbekannt war. Eigentlich hatte ich diese Münze gekauft, weil die Rückseite als Phemios beschrieben war, einem Sänger aus Ithaka, den Odysseus bei seiner Rückkehr verschont hatte. Das aber war falsch. Mir fiel sofort auf, daß schon ikonographisch die nackte Gestalt nicht zu einem Sänger paßte, sondern eher zu einem Heros. Und tatsächlich war es eine Verwechslung mit Phemios, einem mythologischen Heros der Ainianer. Hier sind die Ergebnisse meiner Recherchen.

Die Münze:
Thessalien, Ainianer, Hypata, ca. 302-286 v.Chr.
AE - Bronze Dichalkon, 4.30g, 19.2mm, 180°
Av.: Bärtiger Kopf des Zeus, belorbeert, n.l.
Rv.: AINIAN - WN (von re. oben)
Der Heros Phemios, nackt bis auf Chlamys über der Schulter und dem n.r.
ausgestreckten Arm, Schwert in der Scheide,, mit Ausfallsschritt n.l. stehend, n.r.
blickend, holt mit der erhobenen Rechten zum Schleudern eines Steins aus;
hinter seinem re. Bein 2 Speere diagonal n.l. lehnend
Ref.: BCD Thessaly I, 1015; BCD Thessaly II, 31.1; Rogers 137; SNG Copenhagen 4;
BMC Thessaly p. 12, 18; HGC 4 50 (R1)
selten, SS-, gut zentriert, dunkle grüne Patina mit betonten Bronzeflecken, Rs. mit
Doppelprägung
Pedigree:
ex BCD coll., mit Ticket "N. Rous., Jan. 90, 10000 drs."

Phemios:
Von Plutarch erfahren wir, daß Phemios, König der Ainianen, mit Hyperochos, dem König der Inachier, um deren Land gekämpft hat. Hier ist die vollständige Mythologie (Plut. Quest. Graec.13): Als die Ainianen auf ihren Wanderungen in die Gegend des Inachos niederstiegen, wo die Inachier und die phthiotischen Achäer wohnten, verkündete ein Orakel, die einen würden ihr ganzes Land verlieren, wenn sie etwas davon abgäben, die anderen aber würden es erhalten, wenn sie etwas von ihm auf friedlichem Wege bekämen. Der Ainianer Temon verkleidete sich als Bettler und ging zu den Inachiern. Dort schenkte ihm der König Hyperochos aus Übermut und um ihn zu verspotten eine Erdscholle. Temon zeigte sich erfreut über dieses Geschenk, steckte sie in seine Tasche und ging ohne weitere Worte davon. Die Ältesten aber
erinnerten sich an das Orakel, gingen zum König und mahnten ihn, die Sache ernst zu nehmen und den Mann ja nicht entwischen zu lassen. Temon erkannte ihre Absicht, machte sich auf die Flucht, versprach dem Apollo eine Hekatombe und entkam glücklich. Daraufhin traten die Könige Hyperochos und Phemios zum Zweikampf. Phemios verlangte von Hyperochos, daß er zunächst den mitgebrachten Hund wegjage. Als der sich dazu umwandte, tötete Phemios ihn mit einem Steinwurf. Danach vertrieben die Ainianer die Inachier und die Achäer und nahmen deren Land in Besitz. Jener Stein aber wurde als heilig verehrt. Ihm opferten sie und umhüllten ihn mit dem Fett der Opfertiere. Und immer wenn sie dem Apollo seine Hekatombe opferten, spendeten sie den Nachkommen des Temon das edelste Fleischstück, das den Namen Bettlerfleisch führte (Roscher).
Daher wird die Gestalt des jugendlichen Schleuderers auf den Münzen der Ainianen als Phemios gedeutet. (so Head, HN, S. 448, fig. 173, und BMC Thessaly to Aetol. S. 120ff.)

Die Ainianen:
Die Ainianen waren ein griechischer Volksstamm im antiken Griechenland, der ursprünglich in Thessalien siedelte. Verwandt waren sie mit den Achäern der Phthiotis und den Myrmidonen. Als die Lapithen von Norden eindrangen, wurden sie vertrieben und der Großteil suchte neue Siedlungsgebiete weiter südlich im Tal des Spercheios. Aus dieser Zeit stammt wohl die Mythologie von Phemios und dem Kampf gegen die Inachier.

Die Ainianen werden bereits in Homers Ilias erwähnt. Unter ihrem Führer Guneus brachten sie zusammen mit den Perrhaibern 22 Schiffe von Kyphos nach Troja. Guneus überlebte den Krieg und ging nach Libyen, wo er sich nahe des Flusses Kinyps niederließ. Guneus bleibt dabei etwas unklar, obwohl seine Stammesgefolgschaft in Nordwest-Griechenland plaziert wird. So soll er auch unter den Freiern der Helena gewesen sein. Homer hat von seiner Abstammung nichts überliefert.

Hypata:
Die Hauptstadt der Aianen war Hypata. Das heutige Ypati, ein Dorf mit 700 Einwohnern in Mittelgriechenland, liegt ungefähr 30km westlich der Thermopylen und gehört jetzt zur Gemeinde Lamia. Es liegt am nördlichen Rand des Berges Iti, dem antiken Oita, daher der Name Hypata, von υπο Οιτα (= unterhalb des Oita). Bekannt ist es als Schauplatz der "Metamorphosen", des berühmten Romans des Apuleius (um 123 - nach 170), bekannt auch unter dem Namen "Der Goldene Esel". Der junge Lucius kommt auf einer Geschäftsreise nach Hypata in das Haus eines Wucherers und beginnt ein Verhältnis mit der Dienstmagd Photis. Nach einem Fest zu Ehren von Risus, dem Gott des Gelächters, erfährt Lucius, daß Pamphile, die Frau seines Gastgebers, eine Hexe ist. Heimlich beobachtet er sie bei einem Zauber und sieht, wie sie sich durch eine Hexensalbe in eine Eule verwandelt und davonfliegt. Als Lucius dies nachmachen will, verwechselt Photis versehentlich die Salbe, und er wird in einen Esel verwandelt. Nach zahlreichen, darunter vielen erotischen Abenteuern, wendet er sich an die Syrische Muttergöttin, die in der Gestalt der Isis ihm seine menschliche Gestalt durch das Essen von Rosen zurückgibt. Er tritt den Mysterien der Isis bei, und wird in Rom Priester des Isis-Osiriskultes.

Exkurs I: Erichtho
Thessalien war in der Antike berüchtigt für seine Hexen und ihr Zentrum war Hypata. Wenn man über Hypata spricht, muß man auch über die Hexen sprechen. Die bekannteste thessalische Hexe der Antike war wohl Erichtho. Sie beherrschte die Nekromantie und war eine mächtige Totenbeschwörerin. Sextus Pompeius, der Sohn Pompeius des Großen, suchte sie einmal auf, um von ihr den Ausgang der Schlacht von Pharsalus zu erfahren. Sie stimmte zu, ging mit ihm auf ein Schlachtfeld, suchte dort eine passende Leiche aus und erweckte sie zum Leben. Von der erfuhr er die düstere Schilderung eines Bürgerkriegs in der Unterwelt und eine ziemlich zweideutige Vorhersage über das Schicksal des Pompeius und seiner Angehörigen. In der blutigen Schlacht von Pharsalus schlug dann Julius Caesar die Armee der Republikaner unter Pompeius vernichtend. So erzählt es Lucan (39-65 n.Chr.) in seinen Pharsalia (VI, 507-830).

Auch Dante (1265 - 1321) bedient sich der Erichtho. In der "Göttlichen Komödie" soll Dante von seinem Führer Virgil in die Hölle geführt werden. Dante fragt ihn, ob jemand schon einmal solch eine Reise getan hätte (und zurückgekommen sei). Und Virgil antwortet ihm, daß Erichtho ihn einmal gezwungen habe, in den untersten Kreis der Hölle hinabzusteigen, um von dort die Seele eines toten Soldaten zurückzuholen (Inf. 9, 25-30). Diese Geschichte hat Dante erfunden. Er bezieht sich damit wohl auf die Geschichte in den Pharsalia des Lucan.

Und berühmt ist das Auftreten der Erichtho im 2. Akt des Faust II. auf den Pharsalischen Feldern als Vorbotin der Klassischen Walpurgisnacht. Dabei stiftet sie Verwirrung, indem sie die Zeit des antiken Griechenlands mit der Zeit des römischen Bürgerkriegs und dem gerade stattfindenen griechischen Befreiungskrieg vermischt. Als die Luftfahrer Faust, Mephisto und Homculus nahen, flüchtet sie.

Exkurs II: Verbrechen der SS
Leider ist Ypati auch bekannt geworden für eines der schwersten Kriegsverbrechen der SS in Griechenland. Ypati war ein Zentrum der griechischen Widerstandsbewegung EAM-ELAS. Im November 1942 ermöglichten griechische Partisanen einem britischen Sprengkommando, die Brücke über den Gorgopotamos zu sprengen. Diese Brücke war Teil der strategischen Bahnstrecke von Thessaloniki nach Piräus, über die der Nachschub für das Afrikakorps lief. Die Deutschen exekutierten daraufhin 10 Einwohner als Repressionmaßnahme. Der schlimmste Tag aber war der 14. Juni 1944. Deutsche Truppen plünderten den Ort, brannten fast alle Häuser nieder und zerstörten byzantinische Kirchen und historische Villen. Dies reiht sich ein in eine Vielzahl solcher Verbrechen besonders am Ende des Krieges, als die Partisanen immer stärker wurden. Ypati wurde vom griechischen Staat zur Märtyrerstadt erklärt.

Im amerikanischen Forum findet sich ein längere Diskussion über die numismatische Seite dieser Münze: http://www.forumancientcoins.com/board/ ... #msg528903 Um die Bilder zu sehen, muß man sich registrieren.

Quellen:
(1) Homer, Ilias
(2) Plutarch, Questiones Graecae
(3) Lucan, Pharsalia (eigentlich "De Bello Civili")
(4) Apuleius, Metamorphosen (Der Goldene Esel)
(5) Dante, Commedia Divina
(6) Goethe, Faust II

Literatur:
(1) Head, Historia Nummorum, auch online
(2) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, 1770 (Nachdruck),
auch online
(3) Der Kleine Pauly, dtv
(4) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und
römischen Mythologie, 1884-1937, auch online

Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) Google Bilder
(3) Forum Ancient Coins

Hinzugefügt habe ich folgende Bilder:
(1) Münze
(2) Ypati von Westen (Robin Iversen Rönnlund)
(3) John Hamilton Mortimer (1741-1779), Sextus Pompeius consulting Erichtho
before the Battle of Pharsalia, Christie's Auctions
(4) Brücke über den Gorgopotamos (George Terezakis)
Im Vordergrund sieht man einen der Behelfspfeiler, die nach der Sprengung
notwendig waren.

Mit freundlichem Gruß
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 29.01.18 16:35

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Do 01.02.18 21:09

Sexismus in der Mythologie

Die Manchester Art Gallery hat nach einer heutigen Meldung bei Spiegel Online das Gemälde "Hylas and the Nymhs" (1896) des englischen Malers John William Waterhouse abhängen lassen, weil es ein Frauenbild zeigt, das wir heute eigentlich überwunden haben sollten. Es zeigt die Frau entweder "passiv-dekorativ" oder als "femme fatal". Da ich dieses Bild auch in meinem Artikel über Hylas verwendet habe, möchte ich um Entschuldigung bitten, und hiermit alle Leser warnen, daß meine Artikel Passagen enthalten können, die ihrer Weltanschauung nicht immer entsprechen müssen. Da ich ihre Weltanschauungen aber nicht kenne, kann ich diese Stellen auch nicht löschen und bitte sie daher, diese Passagen einfach zu überspringen. Danke!

Mit freundlichem Gruß
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Waterhouse_Hylas_and_the_Nymphs.jpg
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von ischbierra » Do 01.02.18 21:18

Die spinnen, die Briten

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 26.02.18 15:27

Jupiter Stator

Ich hatte schon lange vor, einmal einen Artikel über Jupiter Stator zu schreiben, aber mir fehlte immer die passende Münze. Die habe ich jetzt endlich bekommen.

Münze:
Gordian III., 238-244
AR - Antoninian, 4.13g, 22.38mm
Rom, 4. Ausgabe, 241-244
Av.: IMP GORDIANVS PIVS FEL AVG
Büste, drapiert und cürassiert, mit Strahlenkrone, n.r.
Rv.: IOVI - STATORI
Jupiter, nackt, frontal stehend, nach re. blickend, hält im li. Arm Blitzbündel und
stützt sich mit der erhobenen Rechten auf langes Szepter
Ref.: RIC IV, 84; C. 109
fast VZ, feiner Stempelbruch auf der Vs.

Etymologie:
Statori ist der Widmungsdativ zu Stator, von lat. stare = stehenbleiben. Also derjenige, der das Heer zum Stehen bringt. . Es ist gut möglich, daß ein solcher Kult auch bei den Sabinern bekannt war. Bei den Oskern z.B. gab es einen Versor, ein Gegenstück zum römischen Stator. Alles erklärlich bei solch kriegerischen Zeiten. Ursprünglich war Stator wohl ein eigener Kultname, verlor dann aber seine Eigenart und sank zum Epitheton des Jupiter herab (Roscher).

Mythologie:
Die erste literarische Erwähnung des Stator finden wir bei Livius in den Schilderungen der Sabinerkriege. Die Sabiner, die auf dem Quirinal wohnten, hatten durch den Verrat der Tarpeia bereits den Capitolhügel einnehmen können und bedrängten jetzt die Römer unten im Tal, dem späteren Forum Romanum. Die Römer wandten sich bereits zur Flucht zum Palatin, da rief Romulus, ihr Anführer, in größter Not den Jupiter Stator an (Übersetzung von mir persönlich):

"Juppiter, auf Befehl der von dir geschickten Vögel habe ich hier auf dem Palatin das erste Fundament der Stadt gelegt. Schon haben die Sabiner die Burg auf schändliche Weise in die Hand bekommen. Von dort stürzen sie mit erhobener Waffe zu uns ins Tal herab; du aber, Vater der Götter und Menschen, halte wenigstens von hier unsere Feinde fern, nimm den Schrecken von den Römern und halte die feige Flucht auf! Ich gelobe dir als Jupiter Stator einen Tempel, den Nachkommen als Denkmal, daß durch deine Hilfe die Stadt gerettet wurde."
Und dann rief er, als habe er schon das Versprechen bekommen: "An dieser Stelle, Römer, befiehlt euch Iuppiter, der höchste der Götter, stehenzubleiben und den Kampf wieder fortzusetzen."
Und das römische Heer ordnete sich, erhob wieder seine Waffen und hielt dem Angriff stand. Dies geschah an der Porta Mugionia (auch Porta Mugonia oder Porta Palati genannt).

Wir wissen, wie es weiterging: Als die Römer nun drohten, das sabinische Heer zu vernichten, stürzten sich die Sabinerinnen zwischen die Heere und erreichten ein Ende der Schlacht. Von da an bildeten Römer und Sabiner ein Volk, nach der sabinischen Stadt Cures genannt "die Quiriten". (Livius, Ab urbe condita, I, 12)

Romulus soll sein Gelübde allerdings nicht eingelöst haben. Er widmete dem Jupiter Stator zwar einen Platz (fanum) direkt vor der Porta Mugionia, aber baute ihm nicht den versprochenen Tempel. Das geschah erst 294 v.Chr. durch Marcus Atilius Regulus (Liv. I, X.37). Dieser war 294 v.Chr. Konsul und kam in den Samnitenkriegen mehrfach in große Bedrängnis. Dies wird von Livius im 10. Buch seiner Geschichte der Stadt Rom ausführlich geschildert. Der Sieg gelang ihm erst, als er dem Jupiter Stator versprach, ihm einen Tempel zu widmen. Dieser Tempel stand an der Via nova am Palatin. Livius (X, 37) versucht, beide Versionen zu vereinigen: Romulus hätte ein fanum geweiht. Jupiter habe sein Versprechen bereits zweimal eingelöst!

In diesem Tempel des Jupiter Stator rief am 8. November 63 v.Chr. M.Tullius Cicero den Senat zusammen und hielt seine berühmte erste Rede gegen Catilina ("Quo usque Tandem, Catilina, patentia Nostra abutere?"), in der er dessen Verschwörung gegen den Staat aufdeckte, die er dann gnadenlos unterdrückte.

Der Tempel des Jupiter Stator:
Der genaue Ort dieses Tempels ist leider nicht genau bekannt. Die literarischen Quellen geben zwar einige Hinweise, wie z.B. nahe oder gerade außerhalb der Porta Mugionia (aber niemand weiß, wo die sich befand), am höheren Ende der Via Sacra oder genau auf dem Palatin.

Viele halten einen Ort direkt neben dem Titusbogen am Nordabhang des Palatin für wahrscheinlich. Als dort nämlich 1827 ein mittelalterlicher Turm abgerissen wurde, erschienen darunter die Ruinen eines antiken Gebäudes, und diese Überreste werden häufig als die Basis des Tempels für Jupiter Stator angesehen.

Dieser erste Tempel wurde durch den großen Brand von Rom unter Nero im Jahre 64 n.Chr. zerstört. Als Feiertag für diesen Tempel galt wohl der 13. Januar.

Der italienische Archäologe Filippo Coarelli jedoch plaziert den Tempel des Jupiter Stator näher an das Forum, zwischen den Tempel des Antoninus und der Faustina und der Maxentiusbasilika, dort wo früher der sogenannte Romulustempel stand. Er beruft sich dabei auf den alten Verlauf der Via Sacra vor dem Bau der Maxentiusbasilika. Demnach wäre der Rundbau des sog. "Tempel des Romulus" tatsächlich der alte Tempel des Jupiter Stator.

Ein zweiter Tempel wurde Jupiter Stator von Q. Caecilius Metellus Macedonicus nach seinem Triumphzug anläßlich der Eroberung Makedoniens 146 v.Chr. beim Circus Flaminius geweiht. Dieser Tempel war mit dem der Iuno Regina durch eine Säulenhalle (Porticus) vereinigt. Das Material hatte er eigens aus Ligurien herbringen lassen, so daß dieser Tempel des Jupiter Stator der erste war, der zum Teil aus Marmor errichtet wurde. Er war prächtig ausgestattet mit Statuen und Bildnissen, die Metellus aus Makedonien als Beute weggeführt hatte. Vor dem Tempel standen 2 Reiterstatuen des Lysipp, des Hofbildhauers Alexander des Großen. Als dies natalis galt der 5. September (die Nonen) und wurde zum Feiertag.

Unter Augustus wurde dieser Tempel restauriert. Die Porticus Metelli wurde ersetzt durch die Porticus Octaviae, nach dem Namen seiner Schwester, und der Feiertag auf den 23. September verlegt, wohl deswegen, damit er auf den Geburtstag des Augustus fiel. Dieser Tempel ist von Vitruv ausführlich beschrieben worden. Um die Portikus ließ Papst Paul IV. 1555 das jüdische Ghetto Roms einrichten. Von hier wurden im Oktober 1943 1007 Personen von den Deutschen deportiert, von denen nur 17 zurückkehrten. Teile der Porticus sind noch heute erhalten. Ich habe ein Bild hinzugefügt.
Anm.: Portikus ist trotz der Endung auf -us grammatisch weiblich!

Man nimmt an, daß die Statue so ausgesehen hat, wie sie auf der Münze des Gordian III. abgebildet ist. Der Iovis Stator auf diesem Antoninian des Gordian III. ist aber nicht mehr nur der Jupiter, der das Schlachtenglück wenden kann, sondern hier ist er gemeint im Sinne "der für die Festigkeit des Reiches sorgt" (Cicero Cat. 1.33: "den wir mit Recht den Erhalter unserer Stadt und unseres Reiches nennen."). Das Reich war zu der Zeit in großer Bedrängnis durch das Perserreich im Osten und die Münze bezieht sich mit Sicherheit auf die Abwehrkämpfe gegen die Sassaniden, die unter Gordian III. einen neuen Höhepunkt erreichten und die 2. Hälfte seiner Regierungszeit bestimmten.

Literatur:
(1) Titus Livius, Ab urbe condita, Libri, Teubner, Leipzig 1910
(2) Livius, Römische Frühgeschichte, Goldmann 1962
(3) Catilina, Briefe und Reden, Goldmann 1957
(4) Sueton, Kaiserbiographien, Goldmann 1957
(5) Cassius Dio, Römische Geschichte,

Sekundärliteratur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, Leipzig 1770
(auch online)
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und
römischen Mythologie, Teubner, Leipzig 1884-1890 (auch online)
(3) Der Kleine Pauly, dtv
(4) Wikipedia

Hinzugefügt habe ich folgende Bilder:
(1) ein Bild von den Ruinen in der Nähe des Titusbogens.

(2) Das Bild "Roman Capriccio" von Giovanni Paolo Panini (1691-1765), einem bekannten Vedutenmaler. Es zeigt re. die 3 Säulen des Jupiter Stator Tempels in der Nähe des Titusbogens, den man dahinter sehen kann. Im Hintergrund das Kolosseum, li. die Trajanssäule. Die Monumente sind künstlerisch zusammengestellt und entsprechen nicht den tatsächlichen Orten. Das Bild befindet sich heute im Museum of Art von Indianapolis.

(3) ein Bild vom sog. "Tempel des Romulus", der evtl. der alte Tempel des Jupiter
Stator ist.

(4) Ein Photo der Portikus Octaviae heute (Joris 1919). Der Platz davor wurde 2002 umbenannt in "Largo 16 ottobre 1943" zum Gedächtnis an die Deportation der römischen Juden.

Mit freundlichem Gruß
Dateianhänge
Tempel%20des%20Jupiter%20Stator.jpg
Ruinen in der Nähe des Titusbogen
800px-Giovanni_Paolo_Panini_-_Roman_Capriccio,_The_Colosseum_and_Other_Monuments_-_50_6_-_Indianapolis_Museum_of_Art.jpg
Roman Capriccio
Temple_of_Romulus,_Rome_049.jpg
sog. Tempel des Romulus
800px-P-Octavia1.jpg
Porticus Octaviae
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mo 26.02.18 15:30

Inhaltsverzeichnis wieder ans Ende des Threads verschoben!
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von *EPI* » Do 09.08.18 14:40

Gods, Goddesses, and Mythological Creatures on Greek Coins (October 2016)
By Robert D. Lattanzi

http://www.accla.org/actaaccla/mythologicdevices.html

Eher wenig Infos, aber viele Münzen.

Hier noch andere Aufsätze:
http://www.accla.org/actaaccla.html

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Do 09.08.18 21:11

Hallo *EPI*!

Die 4 Zeilen Beschreibungen in den von Dir verlinkten Artikeln passen vom Niveau her nicht zu den Intentionen meines Threads. Das wird Dir schnell klar, wenn Du einen meiner Artikel liest.

Jochen
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