Ut de Franzosentid

Deutschland vor 1871
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Mynter
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Ut de Franzosentid

Beitrag von Mynter » Sa 04.09.21 22:00

Eigentlich sammle ich keine altdeutschen Münzen, doch auf dieses Hamburger Zweimarkstück hatte ich schon immer ein Auge geworfen.

Hamburg
32 Schillinge
1809 CAIG
32 mm
14,12 g

1806- 1814 haussten die Franzosen in Hamburg. Bis 1810 war Marschall Bernadotte Kommandant in der Hansestadt, bevor er nach Schweden abreiste , um dort als Karl XIV Johan den Thron zu besteigen. Ab 1814 war Karl Johan auch König von Norwegen. Die Besetzung Hamburgs erfolgte, da die Kontrolle über den Hamburger Hafen ein wichtiger Bestandteil der Kontinentalsperre gegen England war. Für Hamburgs Bevölkerung war die Franzosenzeit eine grosse Belastung mit Arbeitslosigkeit, Steuern und allgegenwärtiger Willkür der Besatzer. 1810 wurde Hamburg als Teil des Departements " Elbmündung " ein Teil Frankreichs , die Hamburger waren jedoch keine gleichgestellten französischen Bürger, sondern wurden von Bernadottes Nachfolger Davaus noch miserabler behandelt, als zuvor.

Zwar galt in Hamburg nun der Franc, die alten Münzen liefen jedoch weiter um. Eine Courantmark zu 16 Schillingen war nun 1,48 Francs wert. Mit dem beschlagnahmten Silber der Hamburger Bank prägten die Franzosen 1813 dieses Zweimarkstück mit auf 1809 rückdatierten Stempeln. Es ist nicht mit den Initialen des Hamburger Münzmeisters Hans Schjerven Knoph ( HSK ) signiert, sondern mit CAIG , was für den verantwortlichen französischen Beamten C. A. J. Ginquembre steht. Diese Prägung ist kleiner und leichter , als ihre Vorgänger, was laut Gaedechen auf die " mangelhaften Münzapparate " zurückzuführen ist.
Dieses Stück zeichnet sich auch dadurch aus, dass man eine Wirtsmünze erkennt, auf der es nach heftiger Justierung überprägt wurde. Ich meine das Wort " EIN " lesen zu können, falls man die Legende der Wirtsmünze gegen den Urzeigersinn liesst. Vielleicht bekomme ich ja noch heraus, welche vor 1813 im Gewicht über 14,12 g mit einem Durchmesser von 32 mm geprägte Silbermünze deutscher Herkunft hier Verwendung gefunden haben könnte.

Ein spannendes Stück aus einer bewegten Zeit. Dieses Zweimarkstück ist der letzte Hamburger Grobkurant. Als die Franzosen 1814 abzogen, prägte Hans Schjerven Knoph neben Dukaten nur noch Kleinmünzen, bis der grosse Stadtbrand von 1842 seinem Betrieb den Garaus machte, damach wuden Hamburger Münzen in Altona, Hannover und Berlin geprägt, bis es 1874/75 endlich wieder eine eigene Hamburger Münze gab, deren Münzen, Dank des Euros , heute in ganz Europa gültig sind.
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Re: Ut de Franzosentid

Beitrag von Numis-Student » Sa 04.09.21 22:12

Hallo,

Ich glaube, dass es sich um eine Lichtenrader Prägung handelt, also einen Leerschlag, wo sich die Stempel gegenseitig etwas beschädigt haben.

Schöne Grüße
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: Ut de Franzosentid

Beitrag von Zwerg » Sa 04.09.21 22:16

Besten Dank!
Ich musste mir aber dann doch noch die Geschichte im Gaedechens durchlesen
https://books.google.de/books?newbks=1& ... 61&f=false
Hat Spaß gemacht
Klaus
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Re: Ut de Franzosentid

Beitrag von Mynter » So 05.09.21 09:07

Numis-Student hat geschrieben:
Sa 04.09.21 22:12
Hallo,

Ich glaube, dass es sich um eine Lichtenrader Prägung handelt, also einen Leerschlag, wo sich die Stempel gegenseitig etwas beschädigt haben.

Schöne Grüße
MR
Das wäre auch möglich. In der Legende der Rückseite kommt die Buchstabenkombination " EIN " zwei Mal vor, ich muss bei Gelegenheit mal ausmessen, ob das hinkommt. Es kam mir eigentlich auch seltsam vor, dass man den Aufwand betrieben haben soll, eine Münze so weit runterzujustieren, wo Einschmelzen einfacher gewesen wäre.
Grüsse, Mynter

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Re: Ut de Franzosentid

Beitrag von Mynter » So 05.09.21 09:12

Zwerg hat geschrieben:
Sa 04.09.21 22:16
Besten Dank!
Ich musste mir aber dann doch noch die Geschichte im Gaedechens durchlesen
https://books.google.de/books?newbks=1& ... 61&f=false
Hat Spaß gemacht
Klaus
Vielen Dank für den Link, den von Hamburgs Türmen zerquetschten Schädel Napoleons ( S. 163 ) hätte ich auch gern mal gesehen.
ich habe diesen Link zum Gaedechen benutzt : https://opacplus.bsb-muenchen.de/title/BV020790184
Grüsse, Mynter

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