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von raeticus » So 13.02.11 09:30
Vom Foto kannst Du zu diesem Stück nur wenig sagen außer das es potenziell sehr gut sein KÖNNTE.
Warum ? Weil man vom Foto her nicht sagen kann was mit dem Stück so alles gemacht wurde !
Mir fällt bei diesem stilistisch unauffälligem Divus Varus vom Foto eine sehr (zu ?) homogene anthrazitscharze zT etwas die Konturen glättende (zB am Übergang Schrift zu Feld) Wirkung auf die mE eher zur Vorsicht warnt, aber auch das kann vom Foto sehr trügen. Nicht dass das der Fotograph oder Bildbearbeiter unbedingt in böser Absicht das Foto "tuned" - was aber auch sein kann - aber besonders die digitale Fotographie hat Stärken und Schwächen in der wahrheitsgetreuen Darstellung von solchen gemischten Oberflächen, die man berücksichtigen muß. Also, das Stück muß direkt gesehen werden....
Nun ja, es gibt verschiedene Techniken eine Bronzemünze zum Verkauf und auch zum Genuss als Sammler zu optimieren:
Arbeitsebene WEGNEHMEN und FREILEGEN:
zB Reinigung, Grundlegend kann einen Münze vorkommen als:
1. Die Münze ist durch Fundumstände von ihrer Metalloberfläche noch weitestgehend Intakt (zB innerer Hortfundbereich aus geschütztem Gefäß. Der Reiniger läßt es so, aber wenn Farbflecken stören wird dann oft chemisch gereinigt um eine gleichmäßige Metalloberfläche zu haben, die man dann durch Zeit oder chemisch nachtönt. (Oberfläche "Alte Sammlung"). War die Oberfläche doch nicht so toll wie man vor der chemischen Reinigung höffte, nennt man es Flußpatina/Tiberbronze. FAZIT: Kann toll sein, oder auch nicht, je nachdem wie gut die Metall Oberfläche noch war.
2. vorsichtiges Abtragen von Auflagen bis auf eine darunterliegende noch klar definierbare und evtl sogar von den Auf/Ablagen leicht zu trennenden harten Patina, die per se schon glatt sein kann. Diese Oberfläche dürfte etwas über der ursprünglichen Metalloberfläche liegen, dh auf und aus ihr heraus, aber weitestgehen parallel dazu. Das Metal darunter kann noch perfekt glatt sein (sehr dünne manchmal zB an den Erhöhungen das Metall durchscheinen lassende Patina (ähnlich Typ1) bis hin zu dicker auch bruchempfindlicher Patina die nur noch einen groben Metalkern hat):
Evtl muß der Reiniger nur nach dem Abtragen der Auflagen ein wenig diese Patinaoberfläche abbürsten um eine befriedigende Oberfläche zu bekommen (mit Ziegenhaar - Silberbürste verschiedene Härten - NICHT polieren, nur die Auflagenreste entfernen)
FAZIT: Glücksfall ! Hier wurde nicht geglättet, und wenn gut gemacht auch nicht unnötig aufpoliert.
3. Das Stück hat neben 1. oder 2. auch Stellen von aufliegender Korrosion die keine genaue Definition der Originalen Münzoberfläche mehr zulassen, zB Kalk/rote Kupfermonoxidauflagen. Diese können mechanisch so abgetragen werden das die neue Oberfläche dem Stil der Gesamtmünze entspricht. Metall sollte dabei nicht verletzt werden, wobei natürlich die Korrosion dort auch Metall verbrauchte, also das Metall tiefer liegt.
FAZIT: Wenn einfühlsam gemacht und nicht auf zu großen Teilen einer Münze, kann das durchaus akzeptabel sein. Auch hier sollte nicht poliert worden sein. Das ist keine Glättung.
4. Das Stück hat große Flächen von harter Verkrustung, die Original Oberfläche ist weg, ihre ursprüngliche Lage nur noch zu "erfühlen". Eine originale Oberfläche gibt es hier nicht mehr, sondern nur verschiedene Oxidablagerungen, Grenzbereiche von Metal, zu Metalloxid (Mischung Münze mit der Umgebung) zu Umgebungsmaterial. Das Metal darunter wäre sehr uneben mit tiefen Korrosionen und auch höheren stehen gebliebenen Metallgraten.
Der Reiniger kann dann
a) vorsichtig und zeitaufwending Oberfläche abtragen bis er fühlt nahe an eine Oberfläche zu kommen die dem originalen "Eindruck" der Münze entspricht. Bleibt der Reiniger drüber würde die Oberfläche je nach Korrosionsmuster gut oder unattraktiv gefleckt aussehen. Reinigt er mechanisch bis ins Metall oder auch
b) chemisch bis aufs Metall, so entsteht eine sehr unebene unattraktive Oberfläche die nicht mehr eine Originaloberfläche ist.
Hier wird dann gerne geglättet, um die aufstehenden Metallgrate und auch Korrosionsreste wegzuputzen auf eine glatte Oberfläche.
Arbeitsebene RELIEFVERÄNDERUNG: kann "einschneidend" oder "aufbauend" sein, eigentlich immer Pfui !
I) Metall geschnitzt oder getoolt, zB um kleine Strukturen wie den Lorberkranz zu bekommen (Pfui !), oder
II) gar ganze Bereiche neu zu schaffen (Pfui !), da gibt es regelrecht "tiefergelegte Oberflächen"
III) Korrosionslöcher gestopft (Pfui !), VORSICHT, gut gemachte kleine und auch größere Patina reperaturen durch heutige hightech Materialien sieht man selbst in der Hand und unter 20x Vergrößerung kaum mehr, und sie tauchen in so gut wie allen Auktionshäusern auf.
IV) wegkorrodierte Teile wie Buchstaben oä durch Dental (?) Plastik aufgebaut und ersetzt (Pfui !), siehe auch Nachwort unter III)
V) Strukturen durch ganzes oder partielles Nachprägen geschaffen (Pfui !), ja gibt es auch, zB Nachprägen der Umschrift...
Arbeitsebene OBERFLÄCHENTUNING: Aussen hui, innen pfui ?
Dann beginnt je nach Ethik des Reinigers das Tuning der der erhaltenen oder neu geschaffenen Oberfläche:
Gerne wird
a) getönt (für manche je nach Art und Umfang akzeptabel, die Regel bei Spätrömern heutzutage),
b) gemalt (Pfui),
c) chemisch nachpatiniert (Hmm, eher Pfui, aber kann wie a)) auch noch ok sein),
d) gewachst (was auch kleine Unebenheiten der Oberfläche verdecken kann, je nach Wachs, kann ok sein, aber oft zu glänzend, ich hole so etwas immer gleich mit Waschbenzin runter
e) Schuhcreme is auch so etwas, mit guter Verdeckung von Unebenheiten, Pfui)
f) beschichtet, eingebrannt, aufgeprüht, etc etc, kann viel verdecken... Pfui, Pfui, Pfui, Pfui,....
Für den Wert einer Münze wie dieses Verus ist aber entscheidend was da in den 3 Arbeitsebenen passiert ist.
Wenn ein Auktionshaus eine Münze mit einer Oberfläche bekommt die 1,2,3 (zB durch b-f) nicht sicher erkennen läßt, und sie sind vertrauenswürdig schreiben sie "geglättet". "leicht" oder "stark", manchmal auch "verstärkt" oder gar "getoolt".
Wenn nicht, schreiben sie meist gar nichts, oder verstecken hinter "geglättet" viel Schlimmeres (siehe I-V).
Was sich bei diesem Verus unter "leicht geglättet" verbirgt müsst Ihr an der Münze selber VERSUCHEN zu ergründen. und im Zweifelsfall, immer FINGER WEG !
So gut wie jeder Münztyp kommt irgendwann wieder, manchmal sogar besser, manchmal sogar billiger
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raeticus am So 13.02.11 10:53, insgesamt 4-mal geändert.