Preisbildung bei unterschiedlichen Vs / Rs - Erhaltungen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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drakenumi1
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Preisbildung bei unterschiedlichen Vs / Rs - Erhaltungen

Beitrag von drakenumi1 » Mo 25.12.06 20:10

Obwohl ich schon langjähriger intensiver Sammler bin, quält mich wegen bisher nur geringer Austauschmöglichkeit von Gedanken folgende Frage:
Von Zeit trifft man auf Münzen, deren Zustand von Vorder- und Rückseite sich sehr voneinander unterscheiden, besonders bei Einsatz eines stark verschlissenen Prägestempels auf einer Seite (wie z.B. auf anliegendem Scan). Kataloge weisen meist nur Preise für die Gesamtzustände s, ss und v aus. Wie rechne ich aber bei Qualitätsunterschieden zwischen z.B. v und s der beiden Seiten?
- Bestimmt die schlechteste Seite die Qualität der Münze?
- Liegt die Gesamtqualität zwischen den beiden Seitenqualitäten (das wäre in unserem Beispiel dann ss)?
- Überwiegt die Qualität der Vorderseite gegenüber der Rs?
- Oder ist eine Preisbildung in solchem Falle nur der persönlichen Ansicht überlassen?
Ich geniere mich fast, diese Frage zu stellen, die Antwort gehört sicherlich zum Basiswissen eines Sammlers. Aber so geht es dem, der das Sammeln vom "stillen Stübchen" aus betreibt.
Schon hier ein herzliches Dankeschön.
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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mo 25.12.06 20:43

Hallo drakenumi!

Ich kenne auch eine Reihe solcher Münzen und manchmal könnte ich weinen, wenn ich dran denke, was für ein Prachtstück es hätte sein können! Nun ist es so, daß die Bewertungen von S über SS zu Vz usw. aus der Zeit stammen, wo die Kataloge noch keine Bilder hatten. In der Zeit der Hochglanzkataloge und von Ebay sind diese Bezeichnungen eigentlich überflüssig geworden, da sich ja jeder mit eigenen Augen von der Qualität der Münzen überzeugen kann. Ich würde in einem solchen Fall die Bewertung getrennt vornehmen Vs./Rs. und kein Gesamturteil bilden!

Zu den Bewertungen noch ein Wort: Viele wissen nicht, daß es sich dabei nur um die Erhaltung handelt, also darum, wie sehrdie Münze im Laufe der Zeit abgenutzt wurde. Dazu gehört z.B. nicht ein bereits bei der Prägung abgenutzter Stempel oder Beschädigungen des Schrötlings, die vor der Prägung bereits vorhanden waren. Diese Eigenschaften müßte man der Bewetung noch hinzufügen, etwa VZ, Rs. stark abgenutzter Stempel!

Frohe Weihnachten
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quisquam
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Beitrag von quisquam » Mo 25.12.06 22:00

Hallo drakenumi1,

ich fürchte die Sache ist noch weitaus komplizierter. Natürlich haben auch Schrötlingsrisse, Randausbrüche, Schrötlingsform, Dezentrierung und nicht zuletzt Patina und Stil Einfluss. Wem es darum geht eine Portrait-Galerie zusammenzutragen kann mit einer flauen Rückseite gut leben. Wer ein Spezialgebiet hat wird mit einer flauen Vorderseite zu einer gesuchten schönen Rückseite gut leben können, und für viele Sammler kommen flaue Stempel überhaupt nicht in Frage, egal wie selten oder günstig die Münze auch sein mag. Wie sehr oder ob man sich überhaupt an solchen "Mängeln" stört ist eben auch Mentalitätssache. Katalogpreise sind wie Du sicher weisst immer mit Vorsicht zu genießen. Bevor man anfängt Katalogpreise mit irgendwelchen Umrechnungsfaktoren auf seine eigenen Münzen umzurechnen ist es sicher besser, sich bei wildwinds und coinarchives umzuschauen welche Preise vergleichbare Münzen in ähnlicher Erhaltung auf dem Markt erzielen.

Grüße, Stefan
Eigentlich sammle ich nicht Münzen, sondern das Wissen darüber.

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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Di 26.12.06 10:32

dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen.
aber in bezug auf die von drakenumi vorgestellte münze, bin ich sicher, dass sie in jedem katalog alz vz, rv aus flauem stempel, beschrieben sein würde!
und mich als porträtsammler, stört so eine rückseite überhaupt nicht.
grüsse
frank

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Di 26.12.06 12:44

Je älter ich werde, desto weniger stelle ich mir beim Erwerb einer Münze die Frage "Was ist die Münze wert?" sondern eher "Was ist mir die Münze wert?". Da kann in Einzelfällen die Erhaltung durchaus von untergeordneter Bedeutung sein, wenn es sich um ein mich interessierendes Stück handelt. Das gilt in besonderem Maße für die Alexandriner, die ich auf Vollständigkeit sammle, und bei denen, wie die einschlägigen Kataloge zeigen, auch die ganz großen Sammlungen erhebliche Konzessionen bezüglich der Erhaltung machen, solange die Münzen bestimmbar sind.
Natürlich habe auch ich Freude an einem besonders schönen Stück mit einer eindrucksvollen Patina, bin aber nicht bereit, mich dem grassierenden Erhaltungsfetischismus anzuschließen, der nur das perfekte Exemplar gelten läßt. Diese Haltung scheint mir vor allem die des typischen Anlegers zu sein, nicht aber die des leidenschaftlichen Liebhabers und Sammlers antiker Münzen.
Im Einzelfall nehme ich lieber das abgewetzte Stück als das vielleicht besser erhaltene (und bewertete!) korrodierte, da es mir am meisten von seinem Schicksal berichten kann. Es hat sich eben in der Antike im Umlauf abgenutzt und ist in diesem originalen Zustand auf mich gekommen, während korrodierte Münzen diese Schäden erst im Laufe vieler Jahrhunderte erlitten haben und dementsprechend wenig aussagen können.
Bezüglich der Bewertung von Münzen mit unterschiedlich attraktiven Vorder- und Rückseiten scheint mir, wie hier auch schon ausgeführt wurde, die individuelle Gewichtung durch den Sammler die Hauptrolle zu spielen, und da geht es nicht ohne eine aussagekräftige Abbildung. Der Porträtsammler wird dann für ein bestimmtes Stück mit attraktivem Kaiserbild mehr bieten als der Sammler von Rückseitentypen. In solchen Fällen hat vor allem der Händler, der seinen Münzen in Lagerlisten feste Preise zuordnet, ein echtes Problem, weil er bei aller Erfahrung nicht wissen kann, welche der beiden Seiten im Einzelfall für den potentiellen Käufer den Ausschlag gibt.
Ich will hier einmal eine echte Rarität zeigen, deren Erhaltung vielleicht viele von Euch von einem Erwerb abgehalten hätte. Sie wurde in einem Goldrahmen lange als Schmuck getragen und sieht dementsprechend ramponiert aus. Da ich mir aber ein wirklich schönes Exemplar niemals hätte leisten können, habe ich vor einigen Jahren einfach mal zugegriffen und habe es bis heute auch noch nicht bereut.
sept sev familie.jpg
SEPTIMIUS SEVERUS 193 – 211
AV Aureus Rom 202
Av.: SEVER P AVG P M TR P X COS III - Geharnischte, drapierte und belorbeerte Büste rechts
Rv.: FELICITAS SAECVLI - Drapierte Frontalbüste der Julia Domna zwischen den ihr zugewandten drapierten Profilbüsten ihrer Söhne Caracalla (diese belorbeert) und Geta
RIC 181c; C. 5 (7,12 g)


Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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Homer J. Simpson
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Beitrag von Homer J. Simpson » Di 26.12.06 22:03

Natürlich ist vor allem auch wichtig, ob die Vorder- oder die Rückseite das Besondere an der Münze ist. Hier zwei Beispiele:

1. Antoninian des Galerius, vor der Reform, Kyzikos. Das Porträt ist vz bis Stempelglanz, die Rückseite die sattsam bekannte Concordia Militum (schnarch), da kann ich mit einem flauen Rs.-Stempel gut leben.

2. Follis des Constantin aus London, RIC 242var., sehr seltener Typ mit Constantin auf Pferd und Legende nicht Adventus, sondern Spes Reipublicae. Da wir die schematisierten Porträts von Constantin alle kennen, ist es nicht so schlimm, daß die Vs. etwas flau ist (gut, die Rs. hätte ich auch gern noch etwas schärfer, aber man kann im Leben nicht alles haben).

Homer
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const-horse-spes-2.JPG
galerius-ant-2.JPG
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drakenumi1
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Preisbildung bei unterschiedlichen....

Beitrag von drakenumi1 » Mi 27.12.06 13:22

Hallo, Ihr,
Ihr habt Euch rührende Mühe gegeben, meine Gedanken zu unterschiedlichen Vs/Rs - Qualitäten die richtige Richtung zu geben. Seid dafür herzlich bedankt.
Und wieder einmal hat chinamul, bevor ich mich nochmal richtunggebend einschalten wollte, den vergessenen Punkt auf's "i" gesetzt: Ihr anderen habt die Debatte nur aus der Sicht des Käufers geführt und kommt logisch zu dem Schluß, für ein begehrtes Stück eben so viel auszugeben, wie es einem wert sei. All diesen Empfehlungen folge ich absolut und handele oft auch danach.
Aber was mich umtreibt, ist die Sichtweise des Verkäufers! Was sollte ich für solches Stück verlangen können? Ich habe in meiner Sammlung eine ganze Reihe solcher Exemplare aus der bewußten Zeit zw. Gord. III. und Anfang Diocl. mit dem gleichen Leiden, aus einem zerknautschten Stempel geprägt zu sein, und die ich im Laufe der Zeit durch perfektere ersetzen möchte, hin in die Richtung zu echt stempelglänzenden Oberflächen (für mich faszinierend für dieses Alter und für die Resistenz der Legierungen). Da teile ich übrigens chinamuls Einlassungen zur Rolle des persönlichen Alters zur Abkehr von bisher verfolgten Prämissen, hin zu neuen (schließlich sind wir gleichaltrig!). Bei mir äußert sich das allerdings in einem Hang zum Perfektionismus, jedenfalls bei Stücken, die relativ billig sind und seit der Wende in Unmengen auf unserem Markt herumschwirren. Früher haben mich solche s/v - Zwitter noch befriedricht, heute nicht mehr.
Die Spannweite der Preise zwischen s und v ist für die besagte Zeit (mal an Kampmann gemessen) zwischen 1:5 und 1:15 gelegen. Mein Problem: Wo habe ich mich als Verkäufer (nicht bei ebay oder anderen Auktionen) mit meinem Preisverlangen einzuordnen?
Eurem Rat folgend werde ich meine erwarteten Schätzhilfen vergessen, nach Typenvertretern bei z.B. wildwinds oder in Auktionskatalogen suchen und dort entsprechende Anleihen nehmen, ohne die erzielten Steigerungen oder noch weniger, um noch einen Anreiz für den potentiellen Käufer zu geben. Oder Kankelfitz / Kampmann bemühen und zwischen den Preisen für s;ss;v ganz schematisch interpolieren. Alles recht formal, aber genauer geht's eben nicht.
Dank nochmals für Eure Mühen von
drakenumi1
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Beitrag von mias » Do 28.12.06 05:15

Hallo drakenumi1,

Ich sammle jetzt schon seit 20 Jahren, kenne mich mit den Preisen aber nach wie vor nicht aus. Da geht es mir aehnlich wie Dir. Jedenfalls nehme ich die auf Auktionen erzielten Preise eher als Preiswirrwarr wahr als als Marktwert. Da hilft viel Internetsurfen nur bedingt etwas.

Etwas, was noch nicht angesprochen wurde: der Preis haengt auch von der Qualitaet der Reinigung ab. Ein Beispiel ist ein Ebay.com Verkaeufer, der hauptberuflich als Professor fuer Palaeontologie arbeitet und sich aufgrund dessen mit der fachmaenischen Reinigung ganz hervorragend auskennt. Er kauft "verschmutzte" Sesterzen, taucht sie in irgendwas und verkauft die Meunzen dann fuer ein Vielfaches. Wenn Ihr wollt und ich auch darf, dann teile ich gerne den Namen des Verkaeufers mit.

Dann bleibt natuerlich noch ein geschicktes Marketing bei EBay, wenn Du Deine Stuecke dort verschebeln willst. Also unbedingt auf gute Fotos achten, etc., das laesst so manche flaue Rueckseite verblassen.

Gruss,

Mias

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