Weitere Gesichtspunkte zu Stempelherstellung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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chinamul
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Weitere Gesichtspunkte zu Stempelherstellung

Beitrag von chinamul » Sa 24.01.09 13:34

Die Rückseite dieses Denars des Septimius Severus gibt wieder einmal Anlaß zur Spekulation um die Reihenfolge der Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Prägestempels.
Die völlig unausgewogene Verteilung der Buchstaben der Rv.-Legende scheint darauf hinzudeuten, daß hier Bild und Umschrift nicht in einem Arbeitsgang geschnitten wurden. Offenbar wurde das Bild zuerst graviert (oder auch in den noch ungehärteten Oberstempel eingeschlagen), und der Legendenschneider stand dann vor der undankbaren Aufgabe, die Legende harmonisch um das Bild herum zu verteilen, womit er dann allerdings grandios gescheitert wäre. Hätte er FVNDA - TOR PACIS links und rechts vom Kaiser geschnitten, hätte das viel besser ausgesehen.

Gruß

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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Sa 24.01.09 14:18

da gibt's ja wohl gar nichts zu spekulieren!
einen offensichtlicheren beleg für die reihenfolge: bild - umschrift gibt's ja wohl nicht :)
grüsse
frank

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Re: Weitere Gesichtspunkte zu Stempelherstellung

Beitrag von drakenumi1 » Sa 24.01.09 16:15

chinamul hat geschrieben: Die Rückseite dieses Denars des Septimius Severus gibt wieder einmal Anlaß zur Spekulation um die Reihenfolge der Arbeitsschritte bei der Herstellung eines Prägestempels.

Hätte er FVNDA - TOR PACIS links und rechts vom Kaiser geschnitten, hätte das viel besser ausgesehen.
Unsere kürzlichen Diskussionen um die Tatbestand, was zuerst geschnitten wurde, hatte m.W. keine Zweifel mehr gelassen, daß es grundsätzlich das Motiv war. Die nicht ganz beigelegte Diskrepanz verblieb wohl bei der Zulässigkeit des Ausnahmefalles.
Betrachtet man größere Reihen von Denaren (wo der zur Verfügung stehende Platz für längere Legenden knapp wurde), stellt man fest, daß der Fakt "Ästhetik" einer harmonischen Raumaufteilung wohl keine allzugroße Rolle gespielt haben kann. Geschätzt bei jedem 3. bis 5. Stück meint man, die Aufteilung hätte anders und damit gefälliger aussehend erfolgen können.
Bei dem gleichen Stück des Severus hat sich ein anderer Graveur sichtlich schwer getan und alle Möglichkeiten erwogen und sein "TOR" in eine viel zu kleine Lücke gequetscht. Aber hätte er es nach rechts an das "PACIS" herangerückt, wäre es dort zu eng geworden. So hat wohl jeder seine eigene Variante realisiert, obwohl andererseits eine gewisse Systematik der Legendenaufteilung beobachtet werden kann, wenn auch kein Dogma (dies ist übrigens ein Kapitel, wo mir ernsthafte Kenntnisse fehlen).

Grüße von

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Beitrag von chinamul » Sa 24.01.09 16:40

Als Beleg dafür, daß offenbar auch gelegentlich die Legende zuerst geschnitten und dann erst das Bild eingeschlagen wurde, sei hier noch einmal auf einen von mir schon früher vorgestellten Denar des Vespasianus verwiesen. Mit einiger Sicherheit dürfte die Legende bereits fertig auf dem Stempel graviert gewesen sein und beim Einschlagen der etwas zu großen Bildpatrize das ursprünglich vorhanden gewesene S durch den in die Legende hineinragenden Lorbeer gelöscht worden sein.

Gruß

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Beitrag von cepasaccus » Sa 24.01.09 16:59

Ich bin mir sicher, dass da nie ein S war.

Nehmen wir an, die Roemer hatten Bildpunzen und haetten damit den kompletten Kopf eingeschlagen und dies haette das S komplett und spurlos ausgeloescht, dann muesste auch von den meisten uebrigen Buchstaben die Haelfte spurlos fehlen, weil der obere Bogen des S von den eher oberflaechlichen Lorbeerblaettern so weit entfernt gewesen waere wie die unteren Elemente des Es und des Ps von dem sehr tiefen Kopf entfernt sind.
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Beitrag von chinamul » Sa 24.01.09 17:37

Du schreibst nur, was NICHT war, aber eine halbwegs überzeugende Erklärung für dieses Phänomen hast Du offenbar auch nicht anzubieten. Dabei wissen wir ja überhaupt nicht, wie die von mir vermutete Punze aussah. Könnte es nicht sein, daß sie außerhalb des Bildes nur einen verhältnismäßig schmalen Rand aufgewiesen hat, der beim Lorbeer gerade noch das E und das P verschont hat, das S aber völlig getilgt hat? Eine solche Knappheit der Punze hätte zweifellos auch deren Verwendbarkeit bei schwierigen Platzverhältnissen auf dem halbfertigen Prägestempel verbessert.
Wenn man sich die Ausschnittvergrößerung meines Denars mal ganz genau anschaut, wird man über den beiden Lorbeerblättern eine gewisse Unregelmäßigkeit im umgebenden Feld feststellen, was ebenfalls für ein ursprünglich vorhandenes S spricht.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Xanthos » Sa 24.01.09 17:54

Hallo chinamul

Ich glaube ebenfalls nicht, dass da jemals ein S vorhanden war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das S so perfekt getilgt worden ist und die umliegenden Buchstaben gar nichts davon abbekommen haben. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass dem Stempelschneider hier schlicht ein Fehler unterlaufen ist.

Viele Grüsse
Simon

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Beitrag von beachcomber » Sa 24.01.09 18:14

Ich glaube ebenfalls nicht, dass da jemals ein S vorhanden war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das S so perfekt getilgt worden ist und die umliegenden Buchstaben gar nichts davon abbekommen haben. Wahrscheinlicher erscheint mir, dass dem Stempelschneider hier schlicht ein Fehler unterlaufen ist.
so sehe ich das auch.
könnte es sich nicht auch um eine antike fälschung handeln? das abgesplitterte stück auf dem rv scheint mir einen unedleren kern freizulegen.
grüsse
frank

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Beitrag von drakenumi1 » Sa 24.01.09 18:47

Xanthos hat geschrieben: Hallo chinamul

Ich glaube ebenfalls nicht, dass da jemals ein S vorhanden war. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das S so perfekt getilgt worden ist
Da schließe ich mich an. Einen Buchstraben zu tilgen heißt, die Leerräume im Stempel auszufüllen und in dieses neue sowie das benachbarte alte Material die Leerräume für das neue Motiv (hier das Lorbeerblatt) zu schneiden. Dabei muß das neue Material eine innige und dauerhafte Verbindung mit dem alten Mat. eingehen, die den wechselnden Beanspruchungen von Druck und Temperaturschwankungen standhält. Heute würde man das im Auftragsschweißverfahren mit drahtförmigen Elektroden erledigen. Meines Wissens gab es in der Antike kein Verfahren, was dazu geeignet gewesen wäre. Auch ein Stopfen mit kaltem Eisen, sozusagen ein "Hineinschmieden" des neuen Mat. wäre zwar technisch vorstellbar, aber eine Haltbarkeit auf Dauer ist praktisch auszuschließen.

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Zuletzt geändert von drakenumi1 am So 25.01.09 11:02, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Peter43 » Sa 24.01.09 19:23

Tut mir leid, daß ich kurz einige Bemerkungen in diese interessante Diskussion einschieben muß:

Ein Wort noch zu den Denaren mit FVNDA - TOR PACIS. Beide Denare haben ja das TOR zwischen dem Zweig und dem Kopf der Pax. Da drängt sich mir der Gedanke auf, daß sich der Stempelschneider nicht selbst aussuchen konnte, wie er die Buchstaben verteilt, sondern daß er penibel den Auftrag eines Vorgesetzten erfüllen mußte. War nun die Gestalt der Pax auf einem Stempel so nach li verrutscht, daß ihm den Raum für das TOR eingeengt wurde, so hatte er leider keine Wahl und mußte sich fügen, wie er sehen konnten.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von drakenumi1 » Sa 24.01.09 20:14

Peter43 hat geschrieben: Da drängt sich mir der Gedanke auf, daß sich der Stempelschneider nicht selbst aussuchen konnte, wie er die Buchstaben verteilt, sondern daß er penibel den Auftrag eines Vorgesetzten erfüllen mußte.
Mit freundlichem Gruß
Ich habe mal schnell eine Auszählung der verschiedenen Typen der Legendenteilung bei wildwinds unter Einbeziehung der Exemplare von chinamul und mir vorgenommen (RIC 265) und folgende interessante Aufteilung ermittelt:

FVNDA / TOR / PACIS 1x
FVNDATO / R / PACIS 3x
FVNDA / TO / RPACIS 1x
FVNDATORPACIS 1x
FVNDAT / OR / PACIS 12x
Das zeigt doch recht deutlich, daß es eventuell eine Richtlinie für die Legendenaufteilung seitens der Leitung gegeben hat, diese aber keinesfalls auch durchgesetzt wurde:
12x richtlinienkonform
6x nicht richtlinienkonform.
Und überlegt man's richtig, ist sogar die Erteilung einer Richtlinie überhaupt anzweifelbar, sondern die Variante FVNDAT / OR / PACIS bot sich als die Teilung der Wahl aus der Breite der Lücken an, die das Motiv diktierte (Zweig, Kopf).

Grüße von

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Beitrag von drakenumi1 » Sa 24.01.09 20:50

Verzeiht meine mangelnde Bildung im Lateinischen (liegt ja auch schon 55 Jahre zurück), aber die obigen Legendenteilungen springen mir so unangenehm, weil gegen alle Regeln der Trennung nach Silben, ins Auge, daß ich hier mal fragen muß, ob diese völlige Freiheit die Regel war, oder doch nur hier im Bereich der antiken Münzlegenden praktiziert wurde.
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Beitrag von cepasaccus » Sa 24.01.09 23:33

RoemerhabendasmitderTrennungnichtsoernstgen
ommen,weilfuersieauchLeerzeichennichtverbindl
ichwaren.InBuechernhabensieaufdieseArtineinem
fortgeschrieben.UmsichdasLesendannzuerleichter
nwurdedamalslautgelesen.

Postscriptum: NatuerlichsindauchKommataundsow
ieGross-undKleinschreibungmodernereErfindungen.

Postpostscriptim: AVF.GRABSTEINEN.SAH.DAS.DA
NN.VNGEFAEHR.SO.AVS.TRENNVNG.WAR.AVCH.BE
LIEBIG
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Beitrag von drakenumi1 » So 25.01.09 10:52

Ich danke Dir für Deine instruktive Antwort. Es muß richtig schwergefallen sein, so zu schreiben.
Eigentlich ist diese Art der unverständlichen Vernachlässigungen doch ein Widerspruch zu der so ausgefeilten Grammatik der Lateiner mit ihrem so umfangreichen Wortschatz. Aber, wie sagt man: "Sie werden sich schon was dabei gedacht haben". Bei verschachtelten Sätzen ohne Kommata auszukommen und sie dann auch noch verstehen zu können, ist schon eine enorme Leistung, denkt

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Beitrag von cepasaccus » So 25.01.09 11:39

Das Schreiben ist einfach, sogar noch einfacher als nach unserer letzten Rechtschreibreform, weil man keine Gross/Kleinschreibung, Kommanregeln und Trennregeln beachten muss. Das Lesen ist hal schwer, sogar noch schwerer als nach unserer letzten Rechtschreibreform. Warum die das so gemacht haben? Sowas ist immer schwer zu beantworten und aus der Zukunft heraus leicht zu fragen.

Das Schulwesen war auch nicht wirklich effektiv. In Rom besuchten die meisten die Grundschule. Dort wurde in vier Jahren grundlegendes Lesen und Schreiben, Addition, Subtraktion und vielleicht "Prozentrechnen" - ich vermute damit ist sowas gemeint wie 2 HS ist ein halber Denar - gelernt. Die danach erworbene Faehigkeit kann man wahrscheinlich in den Mauerkritzeleien in Pompeji bewundern. Die weiterfuehrende Grammatik- und Rhetorikschule duerften nur noch wenige besucht haben. In der Grammatikschule hat man die Klassiker wie Vergil gebueffelt und da ging es dann zu wie bei Romanes eunt domus. In der Rhetorikschule ging es dann um das freie halten von Reden und Argumentation.

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