Damnatio Memoriae ?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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justus
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Damnatio Memoriae ?

Beitrag von justus » Fr 06.03.09 19:25

Warum soll dieser Sesterz des Severus Alexander eigentlich ein Beispiel für eine "damnatio memoriae" auf Münzen sein?

http://cgi.ebay.de/ws/eBayISAPI.dll?Vie ... :IT&ih=024

Der Anbieter schreibt hierzu: "Damnatio memoriae: Nach der Ermordung Severus Alexanders und seiner Mutter Julia Mamaea in der Nähe des heutigen Mainz wurde über beide die damnatio memoriae, die Auslöschung der Erinnerung, verhängt. Die hier vorliegende Münze ist ein Zeugnis dieser Praxis: Das Gesicht Alexanders wurde durch mehrere kräftige Einhiebe unkenntlich gemacht. Interessantes Zeitzeugniss !!"

Die Tatsache, das sich auf Vorder- und Rückseite der Münze einige Kratzer befinden, kann doch nicht einfach zu diesem Schluß führen. Die Legende mit dem Namen "IMP ALEXANDER PIVS AVG" ist völlig unbeschädigt. Und warum wurde dann die arme "Annona" auf der Rückseite auch mit der "damnatio memoriae" bestraft?

mfg Justus
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Beitrag von chinamul » Fr 06.03.09 19:39

Die Kommentare bei den Angeboten von Lanz sind mit allergrößter Vorsicht zu genießen. Dort sind in aller Regel numismatische Laien am Werk, die zudem noch wenig sorgfältig arbeiten.
Die Vermutung einer "Damnatio" ist in meinen Augen unhaltbar. Und die entsprechende Feststellung wurde nicht einmal durch "möglicherweise" oder "könnte" relativiert. Sie hier quasi als Faktum zu präsentieren, ist reichlich gewagt, um es mal ganz zurückhaltend zu formulieren.
Wir haben hier mit allergrößter Sicherheit einfach nur eine zerstörte Münze ohne geschichtliche Aussage vor uns!

Gruß

chinamul
Nil tam difficile est, quin quaerendo investigari possit

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Beitrag von Julianus v. Pannonien » Fr 06.03.09 19:45

@ Chinamul Bin ich auch deiner Meinung,

Vorallem wieso sollte der Revers, der eine Alltäglich Göttliche Darstellung zeigt ebenfalls unter Damnatio Memoriae fallen?
Das wäre ja dann schon fast Gotteslästerung, ausserdem denke ich nicht, dass der beliebte Alexander Severus unter die damnatio Memoriae gefallen ist, denn annsonsten hätte sich sein Nachfolger Maximinus viele Feinde gemacht, und wäre Quasi zu seiner Tat gestanden, Alexander Severus ermordet zu haben.

Grüsse JvP
"VICTORIOSO SEMPER"

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justus
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Beitrag von justus » Fr 06.03.09 19:51

Hallo chinamul,

genau das hab' ich mir auch gedacht! Es ist wirklich eine ziemliche Dreistigkeit ein paar Kratzer auf einer Münze einfach zu einer "damnatio memoriae" zu erklären!

Was mich aber wirklich brennend interessiert und vermutlich nicht nur mich, ist die Frage, wie sich eine "damnatio memoriae" auf Münzen auswirkte? Vermutlich, wie auch auf Inschriften, durch Namenstilgung? Das ist auch der eigentliche Grund für meine Frage!

mfg Justus
Zuletzt geändert von justus am Fr 06.03.09 20:04, insgesamt 1-mal geändert.
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Beitrag von Julianus v. Pannonien » Fr 06.03.09 19:55

Ich denke die Münzen blieben unangetastet,

Mal Ehrlich, wer schaut sich normales Zahlungsmittel so genau an?
Oder liest wer von euch jedes mal was auf den Euros Steht :D
Vorallem wären diese Neuprägungen die nbötig gewesen wären Unheimlich teuer gewesen. ( schlecht für des Kaisers finanzen ;) )

Denke das sind vorallem öffentliche Gebäude und einrichtungen gewesen, bei denen Die Namen wie Bilder getilgt wurden.

Denkt JvP
"VICTORIOSO SEMPER"

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Beitrag von justus » Fr 06.03.09 20:00

Julianus v. Pannonien hat geschrieben:... ausserdem denke ich nicht, dass der beliebte Alexander Severus unter die damnatio Memoriae gefallen ist ...
Hallo Julius,

es ist schon richtig, dass Severus Alexander, nachdem er auf Befehl des Maximinus zusammen mit seiner Mutter Mamaea im März 235 vermutlich in Bretzenheim (Stadtteil von Mainz) ermordet wurde, der "damnatio memoriae" verfiel. Allerdings wurde er nach dem Tod des Maximinus (238) nicht nur rehabilitiert, sondern im Rahmen des Kaiserkults sogar zum Gott erhoben.

mfg Justus
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Beitrag von n.......s » Fr 06.03.09 20:00

"Klappern" gehört eben zum Handwerk :lol:
Ich nehme die Artikelbeschreibungen bei LANZ schon lange nicht mehr ernst!
Bei denen wurde ja - weil es sich so besser verkauft- auch jede barbarische Prägung von den Germanen verursacht...

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Beitrag von emieg1 » Fr 06.03.09 20:22

Nun ja, ich möchte mich der allgemeinen Meinung hier nicht einfach so anschliessen; auch diesen besagten Anbieter weder in Schutz nehmen noch verdammen...

Aber als "Kratzer", die vielleicht bei der Ausgrabung bzw. Bergung der Münze entstanden sind, möchte ich das auch nicht so einfach abtun. Immerhin sind das doch eher tiefe Einhiebe, die IMHO eine gewisse Absicht erkennen lassen. Ob das nun wirklich die besagte d.m. ist oder einen anderen Grund hatte, wird sich aber wohl schwer nachweisen lassen.

Ich zumindest kann mir vorstellen, dass im Falle einer d.m. auch bzw. gerade die Münzen "behandelt" wurden, die doch nicht nur als Zahlungsmittel, sondern zu einem gewissen Teil auch als Propaganda genutzt wurden! Und warum durch eine solche Behandlung Neuprägungen erforderlich wurden, sehe ich nicht wirklich...

Daher frage ich erst einmal nach, ob es denn vergleichbare Stücke gibt :)

fragt sich (widerporstig)

Rainer

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Beitrag von Peter43 » Fr 06.03.09 20:37

Hallo Justus!

Falls Du an der Auswirkung der Damnatio Memoriae auf Münzen zweifelst, dann habe ich hier eine, bei der die Fachleute überzeugt sind, daß es es sich um eine solche handelt. Es ist ein As des Sejanus, dessen Name nach seiner Verdammung entfernt wurde.

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 02&Lot=563

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von areich » Fr 06.03.09 20:47

Das ist doch aber völlig üblich, jede schrottige Münze durch eine DM interessant machen zu wollen. Irgendeiner glaubt's immer.
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 11&Lot=987

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 2&Lot=2021

http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 30&Lot=405

Die hier ist echt:
http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 6&Lot=1172

Ich muß zugeben ich hätte mit noch deutlich mehr Treffern auf CA gerechnet (36 Treffer, nicht alle sind tatsächlich als DM beschrieben), im unteren Marktsegment (z.B. Ebay) habe ich das schon sehr oft gesehen.

http://www.vcoins.com/ancient/tomcederl ... roduct=225

http://www.vcoins.com/ancient/tomcederl ... 96&large=0

Von allen zweifelhaften Praktiken finde ich das so ziemlich die dümmste.

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Beitrag von marcus » Fr 06.03.09 20:48

ich sehe keinen grund, warum es sich nicht um eine damnatio handeln sollte. das es sich natürlich nicht um einen von offizieller seite ausgeführten vorgang handelt liegt auf der hand.

es ist hier eher von einer zerstörung des bildnisses von privater hand auszugehen, wofür es zahlreiche archäologische belege gibt.

man muss sich vor augen führen, das auch das kaiserbildniss sakralen charakter hatte (ganz abgesehen vom delikt der Majestätsbeleidigung)und mit sicherheit nicht aus "lust und laune" heraus dermaßen drastisch zerstört wurde.

ich habe mittlerweile zahlreiche münzen (darunter ausgesprochen häufig münzen des severus alexander) mit eradierten Büsten gesehen, so dass sich da auch von einer gewissen regelmäßigkeit zu reden ist.

in der tat ist die zerstörung der Personifikation schwer zu interpetieren. aber auch diese bezieht sich ja direkt auf den kaiser eben: PROVIDENTIA bzw. ANNONA AVGVSTI. vielleicht ist hier jemand einfach etwas weiter gegangen als üblich ??

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Beitrag von justus » Fr 06.03.09 20:53

Peter43 hat geschrieben:Falls Du an der Auswirkung der Damnatio Memoriae auf Münzen zweifelst, dann habe ich hier eine, bei der die Fachleute überzeugt sind, daß es es sich um eine solche handelt. Es ist ein As des Sejanus, dessen Name nach seiner Verdammung entfernt wurde.
Hallo Peter,

nein, ganz und garnicht! In meiner Sammlung befindet sich ein AE-4-Follis des Maxentius, bei dem der Namenszug zu großen Teilen entfernt wurde, was ich auf die "damnatio memoriae" zurückführe. Kann ich bei Zeiten mal vorstellen.
Ich wollte einfach nur die Diskussion zum Thema anstoßen und vielleicht auch einige interessante Hintergundinformationen, Photos, Links etc. hierzu erhalten.

mfg Justus

P.S. Danke für den Link!
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Beitrag von areich » Fr 06.03.09 20:56

Natürlich kann es eine 'private DM' sein, was immer das sein soll.
Da hat eben jemand aus Langeweile eine Münze zerkratzt, oder weil er aus irgendeinem Grund sauer war, das jetzt als damnatio memoriae zu bezeichnen ist einfach ein billiger Werbetrick.

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Beitrag von n.......s » Fr 06.03.09 20:56

hier mal ein Stück aus meiner Sammlung:
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Beitrag von emieg1 » Fr 06.03.09 20:58

Man sollte natürlich schon unterscheiden, ob diese "eradierten" Büsten bzw. Portraits durch Zufall oder Absicht entstanden sind.

marcus, genau deine erste Aussage wollte ich gerade auch betonen, damit man hier nicht aneinander vorbeiredet! Abwegig erscheint mir auch, dass von staatlicher Seite diese Münzen eradiert worden sind. Man hätte wohl kaum diese Kosten und Mühen auf sich genommen.

Das heisst aber nicht, dass eben genau dies durch die private Hand geschehen ist, wobei ich nicht einmal an ein Sakraldelikt denke, sondern an die Kaisertreue und die Liebe zum römischen Staat und Imperium.

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