Ein echtes Rätsel: Traianus Decius - barbarisiert?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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divus
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Ein echtes Rätsel: Traianus Decius - barbarisiert?

Beitrag von divus » Mo 04.09.06 00:11

Diese wirklich eigenartige Münze habe ich seit ein paar Jahren in meiner Sammlung.

Ein hübscher Decius Antoninian, 4,05g, 22/23mm. Echtheit ist kein Problem.

Schaut euch mal das Portrait und den Stil der Dacia an.

Bin auf Eure Meinungen gespannt...!
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0309decius1.jpg
0309decius2.jpg

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Mo 04.09.06 01:25

Also, mit Sicherheit nicht barbarisiert! Aber der Stil gefällt mir nicht. Wenn Du Dir die Beispiele bei Wildwinds anschaust, dann sieht z.B. die Stirnpartie ganz anders aus. Decius hat immer eine Stirnglatze und sog. Geheimratsecken, was Dein Decius nicht hat. Dafür hat er parallele Haarwellen, die ich so noch nie gesehen habe! Außerdem fehlt der umgebende Perlenkreis. Das alles sieht eigenartig aus!

http://www.wildwinds.com/coins/sear/s2693.html

MfG
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Beitrag von richard55-47 » Mo 04.09.06 08:07

divus ist Fachmann, dennoch möchte ich seiner Einschätzung "Echtheit kein Problem" nicht folgen. Für eine barbarisierte Münze ist das Stück zu sorgfältig hergestellt; wegen der von Peter43 aufgeführten Anomalitäten kann es sich nicht um eine offizielle Prägung handeln. Ich glaube, es handelt sich um eine Nachprägung.
do ut des.

n.......s
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Beitrag von n.......s » Mo 04.09.06 09:53

...für mich ist die Münze echt und eine offizielle Prägung . Könnte es nicht sein , dass der Stempelschneider hier eine weibliche Frisur darzustellen versucht ? entweder ein Scherz (es gab in der Geschichte der Münzprägung zahlreiche Beispiele für solche Späßchen) oder vollkommen unabsichtlich und in der Folge zu T.D. weiterverarbeitet ?
Gruß
Torsten

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Beitrag von beachcomber » Mo 04.09.06 10:27

hm, barbarisiert würde ich auch nicht sagen, dafür ist der stempel viel zu gut gearbeitet.
das porträt ist sicher anders als die meisten die man so kennt, scheint mir aber auch nicht modern zu sein. und wenn ich mir jetzt nur das porträt anschaue ohne auf die legende zu achten, würde ich doch immer auf traian decius tippen, denn eine stirnglatze wie peter43 meint hat er durchaus nicht, einen hohen haaransatz ja. auch die 'geheimratsecken' und die mundfalte sehe ich bei dieser münze durchaus.
für mich ein aussergewönlich sorgfältig gearbeiteter stempel, und offiziell.
grüsse
frank

Fridericus
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Beitrag von Fridericus » Mo 04.09.06 11:26

Für mich sieht die Dacia eigentlich ganz normal aus. Die Vorderseite ist wirklich interessant: Könnte es sein, daß ein Stempel für einen jüngeren Caesar (z.B. Volusianus) umgeschnitten wurde? Mir fallen auch die großen Buchstaben auf, vielleicht kommt das daher, daß dann ja auch die Umschrift angepasst werden mußte.

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Beitrag von divus » Di 05.09.06 22:08

Ich habe selber keine schlüssige Idee, wie ich die Münze einzuordnen habe. (Bis auf den ulkigen Stil gibt es wirklich keine Verdachtsmomente, die gegen die Echtheit des Stückes sprächen. Ich habe sie ja schon sehr lange und bereits vielen Sammlern und ein paar Händlern gezeigt. Zweifel daran gab es bisher nicht.)
Jemand meinte mal, vielleicht eine unbekannte, kurzlebige, möglw. mobile Prägestätte, aber das halte ich für unwahrscheinlich.
Das Portrait hat auch Züge von Gordian III. Vielleicht ein umgeschnittener Gordianus-Stempel? Wäre aber auch sehr seltsam.

Nach euren Kommentaren hat wohl noch niemand ein Exemplar aus gleichem oder stilistisch ähnlichem Stempel gesehen?

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Beitrag von Pscipio » Di 05.09.06 22:13

Wohl kaum ein umgeschnittener Stempel, denn wer würde denn in diesem Porträt, so ungewöhnlich es auch aussieht, jemand anderes als Decius sehen?
Nata vimpi curmi da.

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divus
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Beitrag von divus » Di 05.09.06 22:20

Ja, klar. Ich meine nicht, dass nur die Legende umgraviert worden sein könnte. Aber ich stelle mir ein späteres Gordian III.-Portrait oder ein frühes Philippus-Portait vor, Stirn und Kinnpartien verstärkt, Bart verstärkt. Da könnte sowas ähnliches bei rauskommen. Durch die Nachgravur eines Stempels wäre vielleicht auch der (im Verhältnis zu den physiognomischen Partien) eigentlich zu schmale und zu kleine Kopf zu erklären. Gut, aber ist auch unwahrscheinlich, vor allem, weil es kaum einen vernünftigen Grund dafür geben würde.

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Beitrag von Pscipio » Di 05.09.06 22:28

Ich lasse mich gerne eines besseren belehren, aber der fehlende Perlenkreis (auf deiner Münze eine flache, dicke Linie) und das Fehlen der für Silber-Antoniniane dieser Zeit so charakteristischen Verdrängungslinien lassen mich leider eine moderne Machart vermuten. Auch scheint mir das Metall für einen Decius-Antoninian viel zu porös zu sein. Vielleicht handelt es sich aber auch um eine antike Imitation mit sehr schlechtem Silbergehalt - was ich aber bezweifle.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Di 05.09.06 23:38

Hallo Divus!

Du betonst immer, daß Echtheit kein Problem sei! Woher hast Du diese Sicherheit?

MfG
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donolli
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Beitrag von donolli » Mi 06.09.06 09:37

hallo!

ohne jetzt über das gleiche wissen zu verfügen was prägetechniken anbelangt, wie manche andere mitglieder hier, möchte ich einwerfen, dass mir bei antoninianen aus der zeit schon öfter aufgefallen ist, dass der perlenkranz auf dem geprägten stück als linie wiedergegeben wird (vielleicht waren die stempel abgebutzt, es wurde aber nur das portrait nachgebessert?). anbei ein stück aus meiner sammlung. außerdem lässt sich ja auch auf dem rv von dem decius noch ein perlenmuster erkennen.
was mich aber auch etwas stutzig macht, ist das völlige fehlen von verdrängungslinien beim vorliegenden decius. dies könnte aber wirklich auf eine sehr schlechte silberlegierung schließen lassen, wie bei dem gallienus, den ich hier auch einstelle. ich sehe dort auch keinerlei verdrängungslinien (leider ein foto aus meiner frühzeit, deshalb nicht sonderlich gut).

cheers donolli
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Beitrag von Marius » Mi 06.09.06 11:04

Vielleicht ist des Rätsels Lösung ja die Möglichkeit, dass es sich um eine seltenere Münzstätte mit entsprechend "ungewöhnlichem Stil" (zumindest beim Avers) handelt - also nicht um eine "Barbarisierung". Für Decius wurden reichsrömische Prägungen in Rom, Antiochia und Mailand geschlagen (lt. Sear, Roman Silver Coins Band IV unter Hinweis auf RIC) - da dürfte es z.T. erhebliche stilistische Unterschiede geben. Die Argumente für eine moderne Nachprägung überzeugen mich nicht - ich halte das Stück, soweit dies anhand des Fotos beurteilt werden kann, für echt.

Gruß
Marius

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Beitrag von chinamul » Mi 06.09.06 11:21

Zur Frage der Echtheit des Decius-Antoninians möchte ich mich hier nicht äußern, aber die angeführten Argumente gegen die Echtheit können mich so noch nicht überzeugen. @donolli hat schon ein Beispiel gezeigt, bei dem der Perlstab fast nur noch eine Linie ist, und der folgende Probus-Antoninian zeigt das noch deutlicher. Den habe ich vor vielen Jahren trotz mäßiger Erhaltung allein wegen der außergewöhnlichen Randgestaltung gekauft.
Die beiden Decius-Antoniniane zeigen einen Herrscher, der die Entwicklung des Imperiums mit Skepsis und wachsender Besorgnis betrachtete, was sich auch in seiner stark gerunzelten Stirn ausdrückte. Diese Runzeln sind vielleicht dem Stempelschneider mißlungen, und was hier als Frisur gedeutet wird, wären damit nur die Sorgenfalten, die der Zustand seines Reiches ihm in die Stirn gegraben hat.
Antoniniane, die von der Humussäure angegriffen und dadurch aufgerauht wurde, gibt es überdies immer mal wieder.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Pscipio » Mi 06.09.06 11:38

Zum Perlenkreis: auf donolli's Gordian sehen wir einen unregelmässigen, sehr dünnen Kreis, der kaum mit der plumpen dicken Kreislinie auf dem Decius zu vergleichen ist. Der Vergleich mit chinamul's Probus kann ich auch nicht gelten lassen, weil diese Münze aus einer anderen Zeit stammt und auf einem anderen Metall geprägt wurde.

Zur Prägestätte: der Vergleich mit Münzen aus Rom, Antiochia und Mediolanum zeigt, dass der Stil auf keine dieser Prägestätten passt.

Zum Vergleich mit donolli's Gallienus ohne Verdrängungslinien: dieser Gallienus ist eine AE-Münze mit einem dünnen Silbersudüberzug, der Decius ist aber aus Weissmetall. Ich habe bisher keine Weissmetallmünze gesehen, die nicht die geringsten Verdrängungslinien aufweist.

Was mir auch noch aufgefallen ist: die Vorderseite des Decius ist voll "ausgeprägt" - wieso ist es dann aber die Kreislinie nicht? Für mich neben den fehlenden Verdrängungslinien ein weiterer Hinweis darauf, dass die Münze nicht geprägt, sondern gepresst wurde. (zum Vergleich, siehe chinamul's Probus: wo die Kreislinie schwach oder gar nicht ausgeprägt ist, sind auch die Legenden schwach)
chinamul hat geschrieben:und was hier als Frisur gedeutet wird, wären damit nur die Sorgenfalten
Hier stimme ich dir zu, das sind sicher Stirnfalten, keine Haare. Stilistisch aber trotzdem misslungen.

@divus: wenn es dir recht ist, würde ich gerne Richard Beale um seine Meinung beten. Er ist Spezialist für diese Zeit, siehe auch http://www.sonic.net/~rbeale/mysite/

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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