Elagabal-Portraits

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Elagabal-Portraits

Beitrag von Peter43 » Do 19.11.09 10:59

Hallo!

Der kleine Portait-Test von Drakenumi ist der Anlaß für diesen Beitrag. Ich habe mich schon immer darüber gewundert, warum es bei den Portraits von Elagabal besonders bei den Münzen aus Nordgriechenland zwei grundsätzlich verschiedene Typen gibt. Auf der einen Seite wird er dargestellt wie ein verantwortungsvoller Kaiser, der sogar Würde und Vornehmheit ausstrahlen kann. Das obere Bild, Elagabal_1, zeigt zwei dieser Portraits aus Nikopolis.

Auf der anderen Seite aber gibt es die Typen, auf den er eher etwas schwachsinnig und deformiert daherkommt, mit fliehendem Kinn und Pausbacken. Diesen Typ gibt es besonders von Markianopolis. Hier 2 Beispiele wieder aus Nikopolis, Elagabal_2.

Hat irgendjemand dafür eine Erkärung? Ich bin für jede Meinung dankbar.

Mit freundlichem Gruß
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Elagabal_1.jpg
Elagabal_2.jpg
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alexander20
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Beitrag von alexander20 » Do 19.11.09 11:15

Hallo Peter43,

ich meine, die Porträts spiegeln sehr schön das Leben des Elagabal. Dass einige Porträts Würde und Vornehmheit spiegeln ist natürlich, schließlich stammte Elagabl aus einer sehr alten vornehmen Familie. Die späteren Züge zeigen meines Erachtens nicht unbedingt einen "schwachsinnigen" Kaiser, vielmehr einen Kaiser, den sein überaus ausschweifendes Leben dann auch entsprechend gezeichnet hat. Ich selbst besitze etwa 20 Elagabal Denare und Antoniniane und bin schon der Meinung, dass das Leben des Elagabal sich in seinen Prägungen wiederfindet. Im Übrigen ist er sicher auch einer der "schillernsten" Kaiser des dritten Jahrhunderts, man denke nur an "das Horn des Elagbal" oder "den Stein von Emesa". Alles sehr spannnende Geschichten. Aber wir hatten hier ja schon einige Threads zu diesen Themen und einem Experten wie Dir ist das ja alles hinlänglich bekannt.

alexander20

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Posa
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Beitrag von Posa » Do 19.11.09 12:29

Auch von mir: Hallo!

Bei den nordgriechischen Portraits müssen wir ja davon ausgehen, dass sie sich an reichsrömischen Prägungen orientierten. Nachzeichnungen sind zumeist "Überzeichnungen", d.h. Zuspitzungen, weil selektiv vorgegangen wird. Und diese beiden Typen sind schließlich in der reichsrömischen Prägung absolut angelegt.
Hier ein Typenbeispiel, was sicherlich Vorbild für Var.2 sein konnte

http://www.wildwinds.com/coins/sear5/s7530.html

Bei anderen wird das schon schwieriger:

http://wildwinds.com/coins/ric/elagabal ... 0016.1.jpg

Und das ist doch jemand, dem man glatt ein Reich anvertrauen würde:

http://wildwinds.com/coins/ric/elagabal ... 0013.1.jpg

Ich glaube nicht, dass bei den Darstellungen bereits psychologisiert oder gar kritisiert wurde und der Kaiser, so doof er auch aussieht, dem Spott der Leute preisgegeben werden sollte.
Ich denke mit ein Problem ist das sog. Kindchenschema, dem der junge Elagabal ja lange Zeit anheimfiel (denn was wussten sie schon von seinem tatsächlichen Äußeren?): Große Augen, runder Kopf, schwach ausgeprägte Extremitäten, Pausbacken: das ist ein Kind - nur passt es leider nicht mit unseren Vorstellungen von einem Kaiser zusammen. Und wenn das dann noch überzeichnet wird, vielleich sogar noch von eher schwächeren Stempelschneidern: dann gute Nacht!
Es ist immer leichter, einen Charakterkopf abzubilden, als das eigentlich Merkmallose.

Typ I folgt dann eher dem Bild eines "Kaisertypus"

meint: Posa

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Beitrag von drakenumi1 » Do 19.11.09 12:56

Ich will's mal aus einer etwas anderen Seite beleuchten:

Dieser Varius Avitus Bassianus war Syrer (aus Emesa), also ein Kaiser provinzieller Herkunft. Das mag so lange, wie er nur die römische Militärlaufbahn von Rang zu Rang erfolgreich durchlaufen hat, alles normal und wenig aufregend gewesen sein. Aber als er dann mit 14 Jahren die Verantwortung für das gesamte röm. Weltreich übernahm, als gleichzeitig Erbpriester des orientalischen Sonnengottes, da war wohl das Maß der Duldung für viele Reichsrömer das erste Mal am Überlaufen.
Hinzu kommen dann die bisexuellen Eskapaden und besonderen exotischen religiösen Praktiken, die die Römer ein weiteres Mal innerlich explodieren ließen. Gelinde gesagt, war die röm. Öffentlichkeit schockiert!
Wenn man weiter berücksichtigt, daß für Elag. sowohl im Nahen Osten, als auch in Rom geprägt wurde (also sowohl in seiner östlichen Heimat, als auch im Zentrum der seiner Glaubensrichtung so fernen Hauptstadt Rom), sollten wir verstehen, daß punktuell der innere Abscheu vor diesem Menschen und seiner den Römern nun übergeholfenen Lebensmaximen auch in der Form von entsprechenden MÜnzbildern an die Oberfläche kam.
Ich habe mal entsprechend der kürzlich von Curtis Clay hier gegebenen Zuordnung der Elagabalschen Prägungen zu den östlichen und römischen Prägeorten versucht, meine Sammlung von 21 Stck entsprechend zuzuordnen, in der Hoffnung, eine Wichtung der "bösartig - entstellenden Gesichter" in Richtung Rom oder östlich ablesen zu können, aber - Fehlanzeige. Die verteilen sich ziemlich gleichmäßig auf beide Prägeorte.
Aber eines scheint mir klar zu sein: In den 4 Jahren seiner Herrschaft können sich Elagabals Gesichtszüge nicht dermaßen verändert haben, wie es die aufzufindenden unterschiedlichen Charakterköpfe ausweisen.
Für mich sind diese extrem schönen, wie auch extrem bösen Gesichter lediglich Momentaufnahmen aus dem Stimmungsspektrum des Volkes, wenn diese Stimmungen mal an die Oberfläche gekommen sind. Man muß heute nur den Mut solcher Münzstätten bewundern und ihre Mißachtung aller damit verbundenen möglichen Repressalien. Ein Gradmesser für den im Volke wohnenden "Dampfdruck", der dann schließlich dazu führte, daß "dem Senat wegen der Lebensführung und abgrundtiefen Verderbtheit des Elagabal dieser so hassenswert wurde, daß alle seine Namen aus allen Dokumenten getilgt wurden" (Historia Augusta).

Es grüßt Euch

drakenumi1
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Beitrag von Posa » Fr 20.11.09 09:02

Hallo drakenumi1,

ich bin da wirklich ganz anderer Ansicht. Der Zusammenhang von Exotismus aller Art, Herrscherkritik und den Münzportraits enstammt zuallererst unserem Denken. Meines Wissens gibt es keinerlei Quellen, die von Majestätsbeleidigungen bei Stempelschneidern o.ä. berichten - und in diesem Bereich würden wir uns tatsächlich bewegen, würden diese Annahmen stimmen. Was hätten im Übrigen denn all diese wahnwitzigen Kaiserdarstelungen auf den Münzen zu sagen: die Gordian-Pinocchios aus Hadrianopolis, die Was-weiß-ich-E.T.s aus Antiochia Pisidia, und und und? Ist das alles ein reichsweiter Schabernack, Belustigung für das Provinzvolk, die jeder Herrscher bis etwa Gallienus hinnahm? Kann ich mir nicht vorstellen.

Übrigens hier noch eine Münze zum Nachdenken:

http://www.provincial-romans.com/provin ... lus055.htm

http://www.aeqvitas.com/elag208.jpg

Ein Elagabal aus Philippopolis, bei dem Elagabal natürlich bekloppt ausssieht, aber seht euch mal die andere Seite an... Frau Göttin dürfte wesentliche Merkmale mit dem Kaiser geteilt haben.

Grüße: Posa

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Beitrag von drakenumi1 » Fr 20.11.09 13:33

Wenn man die von uns hier mit dem z.T. blöden Gesichtsausdruck des Elag. festgestellten Prägungen zahlenmäßig ins Verhältnis setzt zu allen anderen Gesichtern, die wir von ihm kennen, muß man feststellen, daß es eigentlich nur ganz wenige sind, die dermaßen außerhalb seines "Durchschnittsgesichtes" liegen. Mir sind diese "Blödköpfe" immer schon interessant gewesen, deshalb habe ich bewußt auch mehrere im Laufe der Zeit erworben. Das heißt aber noch nicht, daß sie etwa sehr häufig sind.
Was aber wichtig ist: Zwischen seinem Durchschnittsgesicht und solchem Blökopf, wie unten, liegt eine geschlossene Kette weiterer Gesichter, deren jedes Glied das vorige leicht abgewandelt zeigt, bis hin zum von uns bestaunten Extrem. Das heißt doch nicht weniger, als daß im Volke solch Extrem gar nicht als Extrem erkannt wird , sind doch dicht daneben liegende Gesichter längst zum Allgemeingut geworden.
Ganz anders wäre es, würden solche Zwischenstadien nicht existieren, dann allerdings läge die Majestätsbeleidigung offen zu Tage.
Man kann sich den Spaß machen, und mal für folgenden Denar RIC 161 bzw. C. 300 bei wildwinds für die gelisteten 20 Exemplare einen "Gesichtsvergleich" anstellen: Man wird die Existenz solcher "Reihe" bestätigt finden, an deren äußerstem Ende dann der "Blödkopf" steht, wie der unten oder der mittlere in der Dreierreihe im "lächerlichen"Parallelthread.

Grüße von

drakenumi1
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Beitrag von drakenumi1 » Fr 20.11.09 17:44

Um mal darzulegen, welches Portrait ich etwa für eines der Elagabalschen "Durchschnittsportraits" halte, alo auf der Mitte zwischen den Extremen des jugendlich durchgeistigten Herrschers einerseits und dem sittlich verkommenen Wüstling andererseits liegend:

Aus neuester Erwerbung von Grotjohann der Antoninian RIC 1 bzw. C. 125:

Sorry, die Scans sind zu unterschiedlichen Daten hergestellt worden, daher auch unterschiedliche Grundfärbung (die Rs. ist farblich etwas falsch).

drakenumi1
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Antoninian Elagabal C. 125; RIC 1. IMP CAES M AVR ANTONINVS AVG..jpg
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Beitrag von Posa » Fr 20.11.09 17:55

Was die Reihe anbelangt: 100% d´accord, drakenumi1, ! - daher, wie bereits gesagt, dürften dann auch die krassen Differenzen in der Provinzialprägung herrühren: die bringen nicht das Spektrum sondern nur Einzelaspekte. Was den "sittlich verkommenen Wüstling" anbelangt, werden wir wohl unterschiedlicher Meinung bleiben. :wink:
übrigens: deine Letztgezeigte :!: :

Grüße: Posa

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Beitrag von drakenumi1 » Fr 20.11.09 19:58

Am anderen Ende der Reihe stünde dann (wie Peter sagt) der Elagabal, welcher Würde und Vornehmheit ausstrahlt und die jugendliche Kraft spüren läßt, die in der Lage scheint, die Geschicke des Reiches zu lenken.
Mein Beispiel für ein solches Portrait ist wohl noch icht perfekt, läßt aber wohl ahnen, was ich meine:

Der Antoninian RIC155 bzw. C. 291 (auch von Herrn Grotjohann jüngst erworben):

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Antoninian Elagabal C. 291; RIC 155. Viktoria re. rennend..jpg
Antoninian Elagabal C.  291; RIC 155. Av. IMP CAES M AVR ANTONINVS AVG..jpg
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Beitrag von Pscipio » Fr 20.11.09 20:40

Schöne Victoria!
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von Peter43 » Fr 20.11.09 22:54

Und richtig lebendig!
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Beitrag von richard55-47 » Fr 20.11.09 23:17

Die sieht auch aus wie Elababal, sorry.
do ut des.

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Beitrag von Chippi » Fr 20.11.09 23:37

Es ist Elagabal!? :wink:

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von areich » Sa 21.11.09 00:17

Das beste Beispiel für sowas ist für mich immer dieser Typ:

http://www.acsearch.info/record.html?id=85200

Laterarius
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Beitrag von Laterarius » Sa 21.11.09 09:22

Diese Beispiel ist vergleichsweise harmlos. Schau Dir einmal irgendeinen Denar von Antonius und Kleopatra an: vor allem Kinnpartie und Nase :D . Sollten die Antonius-gekloonten Kleopatra-Porträts dieser Denare einigermaßen realitätsnah sein, so wäre es leicht zu verstehen, dass Kleopatra nur wenige Jahre später (30 v. Chr.) von dem jungen Octavian als "Auslaufmodell" angesehen wurde, was bekanntlich zum Selbmord der letzten Ptolemäerin führte.
Beste Grüße
Laterarius

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