Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Griechische Münzen des Altertums

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hjk
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Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von hjk » Fr 22.07.22 18:53

Hallo zusammen,

nach langer Zeit habe ich wieder mal ein paar "Probleme":

Bei der letzten Savoca-Auktion habe ich eine Münze aus Pantikapaion ersteigert, da mich die darauf angebrachten Gegenstempel (Stern und Gorytos) einigermaßen fasziniert haben. Obwohl diese Gegenstempel offenbar gar nicht so selten sind, habe ich trotz aller Suche keine Hinweise gefunden, wann und aus welchen Gründen die angebracht wurden. Gibt's dazu vielleicht irgendwo eine "Quelle"?

And now to something completely different: ich "quäle" mich seit längerer Zeit mit einigen Münzen der Parther rum, da ich diese aus winzigen Punkten bestehenden Legenden praktisch nicht entziffern kann. Die von Altamura an anderer Stelle bereits genannten Quellen habe ich schon zu Rate gezogen - halt einigermaßen erfolglos! Wo könnte ich denn die Münzlein mit der Bitte um Identifizierung am zweckmäßigsten einstellen?

Über jede Antwort bin ich dankbar!

Schönen Gruß aus Frankfurt
hjk :D
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Pantikapaion-1a.jpg

Altamura2
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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von Altamura2 » Fr 22.07.22 22:23

Zunächst scheint mir das kein im Nachhinein angebrachter Gegenstempel zu sein, sondern ein bereits in die Stempel geschnittener sogenannter Pseudo-Gegenstempel (es gab bei diesem Typ eventuell beides).

Es gab im dritten Jahrhundert v. Chr. im Schwarzmeergebiet eine Währungskrise, im Rahmen derer dann ältere Münzen gegengestempelt wurden.
Siehe dazu beispielsweise Vladimir F. Stolba, "Monetary Crises in the Early Hellenistic Poleis of Olbia, Chersonesos and Pantikapaion. A Re-assessment", in XIII Congreso Internacional de Numismática (Madrid, 2003). Actas - Proceedings - Actes, S.395-403:
https://pure.au.dk/ws/files/22392003/St ... crises.pdf
Dort findet man auch weitere Literatur, allerdings viel auf Russisch :? , da muss man dann mit einem Übersetzungsprogramm arbeiten :D .

Auf dieser russischen Seite (kann man sich aber direkt im Browser übersetzen lassen) steht auch einiges dazu:
https://coins.msk.ru/index.php/stati-i- ... ka-do-r-kh
(man bekommt eventuell eine Warnung, weil mit deren Zertifikaten etwas nicht stimmt oder so ähnlich).

Gruß

Altamura
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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von hjk » Sa 23.07.22 12:08

Hallo Altamura,
ja - auf eine solche Antwort des "Quellen-Guru" hatte ich gehofft! Vielen vielen Dank! Die russische Seite (übrigens ohne Warnmeldung) sieht ziemlich vielversprechend aus. Den englischsprachigen Artikel habe ich mir zwar auch schon runtergeladen, aber bisher noch nicht "studiert". Muss ich halt meine Parther (wieder mal) etwas zurückstellen!

:D

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von hjk » So 24.07.22 18:09

Moin moin,

jetzt muss ich leider nochmal lästig werden:

die genannten Links haben einige Hinweise gebracht, wann und aus welchen (mutmaßlichen) Gründen solche Gegenstempelungen entstanden sind. Überhaupt nicht erkennbar ist aber für mich die Technik dieser Gegenstempelung. Eine Vermutung, dass es sich hierbei um einen so genannten "Pseudogegenstempel" handele - also um "Gegenstempel", die direkt in den ursprünglichen Prägestempeln eingearbeitet waren - schließe ich aus, da die Motive nach meinen bescheidenen Recherchen offenbar immer an anderen Stellen der Münze auftreten. Für mich erstaunlich ist, dass der Stern auf dem Avers der Münze offenbar eingeprägt und der Gorytos auf dem Revers erhaben ist. Wie das? Zwei Prägevorgänge? Kaum glaubhaft. Eine Zangenprägung, bei der der Stern erhaben in einem vertieften Kreis und der Gorytos vertieft auf einer ansonsten flachen Rückseite graviert war? Klingt beides irgendwie unglaubhaft ...

Hat da vielleicht noch jemand eine Idee?

:roll:

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von Zwerg » So 24.07.22 18:30

Ich würde mich da an den von Altamura zitierten Aufsatz halten
Being one of the most wides-
pread variants of the Bosporan coins it served as a basis
for a number of countermarkings and overstrikings.
Countermarking of the type with a ‘12-rayed star’ and
a ‘gorytos’ applied, as in case of Olbia, with the linked
punches evidently ran parallel with its continued stri-
king, but henceforth with the countermarks already
carved in the dies (Fig. 1.16).
ΒIOΣ ΑΝЄΟΡΤAΣΤΟΣ ΜΑΚΡΗ ΟΔΟΣ ΑΠΑNΔΟKEYTOΣ
Ein Leben ohne Feste ist ein langer Weg ohne Gasthäuser (Demokrit)

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von Altamura2 » So 24.07.22 19:39

hjk hat geschrieben:
So 24.07.22 18:09
... schließe ich aus, da die Motive nach meinen bescheidenen Recherchen offenbar immer an anderen Stellen der Münze auftreten. ...
Wieviel Exemplare hast Du Dir denn angeschaut :D ? Das war eine Massenprägung, bei der eine große Anzahl an Stempeln zum Einsatz kam. Bei jedem dieser Stempel kann der Pseudogegenstempel an anderer Stelle eingraviert worden sein.
Man bräuchte hier eine umfangreiche Stempelstudie. Dann könnte man sehen, ob es Exemplare gibt, die inklusive der Gegenstempel stempelgleich sind, oder solche, die bezüglich der Untermünze stempelgleich sind, bezüglich der Gegenstempel aber nicht (oder auch beide Varianten parallel).
Eine solche Studie ist mir aber nicht bekannt (und ich wüsste auch nicht, ob in diesem Fall jemand Lust darauf hätte :D ).
hjk hat geschrieben:
So 24.07.22 18:09
... dass der Stern auf dem Avers der Münze offenbar eingeprägt und der Gorytos auf dem Revers erhaben ist. ...
Das findet man aber auch auf anderen Münztypen gelegentlich, das ist nicht ganz so außergewöhnlich:
https://www.biddr.com/auctions/savoca/b ... 2&l=641824
https://www.acsearch.info/search.html?id=3308307
hjk hat geschrieben:
So 24.07.22 18:09
... Zwei Prägevorgänge? ...
Bei zwei separaten Gegenstempelungen auf einer Münze müsste man zumindest auf einer Seite eine platte Stelle sehen (da, wo die Münze beim Gegenstempeln auf einer Unterlage auflag), sieht man hier aber nicht :? . Das scheidet also aus.

Ich würde mich da auch erstmal an die Literatur halten. In dem Stolba-Artikel ist ja eine ganze Reihe aufgeführt, da kannst Du ja mal weitersuchen (bei russischen Artikeln ist das ziemlich mühsam, geht aber :D ).

Gruß

Altamura

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von andi89 » So 24.07.22 19:53

Zwerg hat geschrieben:
So 24.07.22 18:30
Ich würde mich da an den von Altamura zitierten Aufsatz halten
...
Das habe ich versucht, hat mich aber irgendwie nicht sonderlich viel weitergebracht. Viel Erhellendes findet man dort nämlich zum Thema (Pseudo)gegenstempel nicht; jedenfalls nichts, was der Autor auch in irgendeiner Form belegt. Zum Thema Pseudogegenstempel wird lediglich auf die Abbildung einer (!) Münze verwiesen. Kein Kommentar, warum hier der das Motiv komplett schon im Stempel vorhanden gewesen sein soll. Auch wird auf keine anderen Publikationen in diesem Zusammenhang verwiesen, die dies gezeigt hätten.
Altamura2 hat geschrieben:
So 24.07.22 19:39
....
Man bräuchte hier eine umfangreiche Stempelstudie. ...
Eine solche Studie ist mir aber nicht bekannt (und ich wüsste auch nicht, ob in diesem Fall jemand Lust darauf hätte :D ).
...
Und was genau lässt dich vermuten, dass es sich bei dem von hjk gezeigten Stück um einen eben solchen Pseudogegenstempel handelt, wenn wir uns noch nicht mal sicher sein können, dass es solche für diese Prägungen überhaupt gab?

Beste Grüße
Andreas
"...nam idem velle atque idem nolle, ea demum perniciosa amicitia est." (frei nach C. Sallustius Crispus)

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von Altamura2 » So 24.07.22 22:26

andi89 hat geschrieben:
So 24.07.22 19:53
... Das habe ich versucht, hat mich aber irgendwie nicht sonderlich viel weitergebracht. ...
Alles muss man selber nachschauen :D .
andi89 hat geschrieben:
So 24.07.22 19:53
... Auch wird auf keine anderen Publikationen in diesem Zusammenhang verwiesen, die dies gezeigt hätten. ...
Na ja, die Literaturliste ist eigentlich lang genugt :? .

Darunter das immer noch gültige Standardwerk von Владилен Опанасович Анохін, "Монетное дело Боспора", 1986, in dem dieses Vorkommen von den im Stempel bereits integrierten Gegenstempeln auf Seite 55 beschrieben wird.
Ich erspar' mir jetzt, das hier reinzukopieren oder gar den Textsalat aus dem Übersetzer zu breinigen, im Prinzip steht da aber dasselbe wie bei Stolba: Im dritten Jahrhundert haben sie sich in Pantikapaion aufgrund der Währungskrise mit den Münzreformen etwas verrannt und dabei solche Konstrukte produziert.

Wenn Du in acsearch.info danach suchst, dann erhältst Du Treffer von den ersten Häusern der Branche, die werden sich das auch nicht aus den Fingern gesogen haben: https://www.acsearch.info/search.html?t ... sd&order=1
andi89 hat geschrieben:
So 24.07.22 19:53
... Und was genau lässt dich vermuten, dass es sich bei dem von hjk gezeigten Stück um einen eben solchen Pseudogegenstempel handelt ...
Der Rand des Gegenstempels auf dem Avers erscheint mir nicht wirklich scharf, wie man es sonst bei separat eingeschlagenen Gegenstenpeln hat. Ob das die "offizielle" Begründung ist, weiß ich aber nicht.

Und wenn Du noch mehr wissen willst, könntest Du auch anfangen, mal selbst zu suchen :D .

Gruß

Altamura

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Re: Gegenstempel auf Münzen von Pantikapion

Beitrag von hjk » Mo 25.07.22 16:44

:D Ich habe jetzt dank Eurer Hinweise das Thema "Pseudostempel" für mich noch mal etwas "sortiert". Natürlich hatte ich den von Zwerg zitierten Absatz gelesen - ist es doch der Absatz, der sich auf die einzige Münze bezieht, die meiner Münze gleicht. Auch ich konnte aus diesem Absatz aber nur die Tatsache herauslesen, DASS es solche Pseudostempel gegeben haben soll - was vielleicht aber auch meinen nicht eben perfekten Englischkenntnissen zu verdanken ist (wenn ich alleine daran denke, wie lange ich gebraucht habe, um herauszubekommen dass ein "starry sturgeon" kein "sternförmiger Stör" sondern ein Sternhausen bzw. Scherg ist!). Fast genauso quäle ich mich mit dem Begriff "linked punches", den ich mit "Prägezange" übersetzen würde (aber falls es da eine andere plausible Übersetzung gibt würde ich die schon noch lesen wollen).

Wenn ich richtig liege, würde das bedeuten, dass der Autor behauptet, dass es neben den fortgesetzten "normalen" Prägungen, die mit Prägezangen gegengestempelt wurden, eben auch "neue" Stempel gab, in denen dieses Markierungen (Stern und Gorytos) bereits im Stempel eingearbeitet waren. Wenn solche (wie auch immer) gegengestempelte Münzen die aus dem Verkehr verschwundenen Silber- und Goldmünzen ersetzen sollten, scheint es mir nur logisch, dass mit dieser Gegenstempelung die Bronze "aufgewertet" werden sollte (so nach dem Motto: "Du bist jetzt eine Silbermünze!"). Und ebenso logisch scheint mir, dass diese Gegenstempelungen damit nur zeitlich befristet waren: es wäre schließlich einfacher, hier ein komplett neues Münzmotiv zu wählen, als das alte Motiv immer wieder mit zusätzlich in die Stempel einzugravierende Pseudo-Gegenstempel aufzuwerten. Die Zahl der Pseudo-Gegenstempel sollte damit eigentlich "endlich" gewesen sein.

Abgelöst wurden diese Prägungen womöglich deshalb von den Münzen, die auf dem Avers einen bärtigen Satyr und auf dem Revers einen Bogen und Pfeil zeigen - wobei hierbei wegen eines Mangels an Metall nicht nur auf neuen Schrötlingen, sondern auch auf den vorhandenen gegengestempelten Münzen geprägt wurde. Diese "neuen" Münzen wurden aufgrund einer relativ schnellen Verschlechterung sowohl im Gewicht als auch in der Metallqualität dann ebenfalls mit Gegenstempeln "aufgewertet" (wobei ich mich nach dieser Aussage sehr über die häufigen Angebote vermeintlich perfekter Münzen dieses Typs wundere).

@Altamura:

• das mit den zwei Prägungen hatte ich eigentlich für mich aus dem von Dir genannten Grund auch schon ausgeschlossen und

• das von Dir genannte Standardwerk Владилен Опанасович Анохін, "Монетное дело Боспора" hätte ich eigentlich ganz gerne (natürlich nur auszugsweise) gelesen. Das habe ich aber nicht gefunden. Wobei: Anochin hat lt. der russischen Seite wohl ursprünglich mal vorgeschlagen, dass die Gegenprägungen den Nennwert der Münzen um das vierfache reduzierte (häähh? Beim Wegfall der Silber- und Goldprägungen war es ja vermutlich sehr sinnvoll, auch den Wert der Bronzen zu reduzieren) - um später vorzuschlagen, dass die Gegenstempel auf den Absender bzw. Herausgeber der Münzen hindeuteten. und

• in acsearch findet man natürlich auch einen Haufen entsprechender Münzen, in deren Beschreibung eben kein "pseudo-" auftaucht. Das hilft also auch nur sehr bedingt weiter.

Ich bedanke mich für alle Beiträge zu meiner Frage und wähle für mich zum Schluss noch ein etwas versöhnendes Zitat aus der russischen Seite, die die mannigfaltigen Deutungsversuche für mich ganz gut zusammenfasst:

"So bleiben der Zweck der Prägung der fraglichen Münzen und ihr Nennwert umstritten." Und entsprechendes gilt wohl auch für die Frage der ("Pseudo-")-Gegenstempel. Immerhin habe ich hier gelernt, dass es so etwas überhaupt gibt!

Ich bedanke mich nochmal … und werde Euch gelegentlich mit meinen Fragen zu meinen Parthern erneut belästigen …

Liebe Grüße aus Frankfurt
hjk
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Zwerg (Mo 25.07.22 16:47)

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