Lochung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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harald
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Lochung

Beitrag von harald » Di 16.09.08 11:40

Eine Frage die mich schon länger beschäftigt betrifft gelochte Münzen.

Da im Handel vorwiegend gelochte Goldmünzen angeboten werden, hat es den Anschein es wurden nur diese zu Anhängern umfunktioniert.

Auf den Fotos könnt ihr erkennen, dass dieser Brauch bei den Münzen der Kaiserzeit seit dem 1.Jh.n.Chr. bei den verschiedensten Nominalen praktiziert wurde.

Nach dem Grad der Abnutzung und der Lochposition läßt sich in den meisten Fällen eine Verwendung als Anhänger ausschließen.

Eine derart abgenützte Münze wurde sicher schon damals nicht als sehr dekorativ empfunden und wäre die Abnützung erst während des Tragens erfolgt, dann wäre die Erhaltung auf einer Seite weitaus besser.

Eine Ausnahme stellt möglicherweise die Münze des Marc Aurel dar, aber auch in diesem Fall hätte man wohl das Loch bei einer Verwendung als Anhängerschmuck an anderer Stelle angesetzt.

Die Löcher in vierkantiger Form weisen wohl eher auf eine Nagelung hin, die drei auf dem subäraten Otho- Denar könnten ein Hinweis darauf sein, das diese Münze mal auf Stoff aufgenäht war.

Beim Rest der münzen habe ich so gut wie keine Erklärung, welchem Zweck die Lochung gedient haben möge.

Beim Denar des Severus Alexander könnt es sich auf dem Revers um den Versuch einer Lochung mittels Durchschlagen handeln.

Was meint ihr dazu?

Gruß
Harald
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Lochung III.JPG
Lochung II.JPG
Lochung I.JPG

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Wurzel
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Beitrag von Wurzel » Di 16.09.08 11:52

Spontan muss ich bei den mehrfach gelochten, an einen Knopf denken.....

Micha
http://www.wuppertaler-muenzfreunde.de/

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Pscipio
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Beitrag von Pscipio » Di 16.09.08 12:10

Dekorationszwecke, Anhänger, Knöpfe, Zaumzeughalter oder ähnliches, denke ich. Im amerikanischen Forum gibts einen Sammler, der u.a. gelochte Münzen sammelt (moonmoth, siehe z.B. hier http://www.forumancientcoins.com/board/ ... ic=41659.0 ).

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Donk
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Beitrag von Donk » Di 16.09.08 12:15

Irgendwo, in Indien glaube ich, werden Geldscheine auf Nadeln, bzw. Schnüre aufgefädelt zum besseren Transport, statt Geldbeutel.
Vielleicht steckt ja bei den gelochten Münzen teilweise Ähnliches dahinter.

ChKy
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Beitrag von ChKy » Di 16.09.08 12:28

Naive Frage...
Wurde Münzen im Römischen Reich ähnlich wie heute "ungültig" gemacht?
Wenn ja wie? Durch walzen, lochen oder einfach in den Schmelzpott?

lg
cogito ergo sum

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harald
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Beitrag von harald » Di 16.09.08 12:30

Vielen Dank, Lars für den informativen link.
Offenbar sollte ich öfter in diesem Forum reinschauen.
Auf Grund der Erhaltung und fehlenden einseitigen Abnutzung kann man aber wohl hier die Varianten Dekoration und Anhänger ausschließen.

Hallo Wurzel!
Da die Römer Knöpfe auf Textilien in der heutigen Funktion nicht kannten, kommt diese Möglichkeit wohl eher nicht in Betracht.

Hallo Donk!
Deine Überlegung ist gar nicht mal so unrichtig.
Den weitaus größeren Teil der gelochten Bronzen findet man nicht auf reichsrömischem, sondern auf germanischem Gebiet und auch ich habe schon an eine Funktion als Gelbeutelersatz gedacht.

Gruß
Harald

Apocolocyntosis
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Beitrag von Apocolocyntosis » Di 16.09.08 12:40

Hallo harald,
Münzen konnte man aber auch eleganter zu Anhängern umfunktionieren, wie folgendes Beispiel eines Probus-Antoninian zeigt. Hier wurde ein Henkel zeitgenössisch angenietet.

Ergebenst
Apo.
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Probus-Anhänger Sol.jpg
Probus -Anhänger.jpg

Chippi
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Beitrag von Chippi » Di 16.09.08 12:46

Hallo Harald,

ich glaube kaum, dass die Löcher alle von Römern stammen, eher aus der Völkerwanderungszeit/dem Frühmittelalter. Ich habe eine Doppelmaiorina von Julian II. in sehr bescheidener Erhaltung mit Lochung (hab ich hier schon mal gezeigt, finde es aber nicht mehr). Der wahrscheinlichste Verwendungszweck war als Knopf.

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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harald
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Beitrag von harald » Di 16.09.08 13:37

Hallo Chippi!

Das wäre durchaus plausibel, da die Fundstellen auch völkerwanderzeitlich und frühmittelalterlich besiedelt waren.

Hallo Apo!
Genau das meinte ich.
Abgesehen von der genieteten Aufhängung weist Deine Münze eine einseitige Abnutzung und auch ein Loch auf, das so gesetzt wurde, dass das Portrait beim tragen zur Geltung kommt.
Das alles fehlt aber bei den von mir gezeigten Münzen.

Gruß
Harald

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Numis-Student
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Beitrag von Numis-Student » Di 16.09.08 14:56

Hallo Harald,
da hast du wieder eine sehr interessante Fragestellung.
Kann ein Zusammenhang bestehen mit der Zur-Schau-Stellung seines Reichtums ? Dass man beispielsweise das Geschirr der Pferde oder den Türrahmen mit Münzen behängte ?
Dass es also nur darauf ankam, "eine Menge" Münzen zu zeigen, und nicht auf das einzelne Stück ? Denn die meisten Löcher liegen ja für Schmuckzwecke an ungeeigneten Stellen.
Auch dieser Ansatz, dass diese Münzen zumindest teilweise erst später gelocht wurden, ist denke ich richtig. Und ich glaube kaum, dass man an der Patina erkennen kann, ob eine Münze 2000 oder doch nur 300 Jahre in der Erde lag.
Schöne Grüße,
MR

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Beitrag von taurisker » Di 16.09.08 15:14

Hallo zusammen!

Eine Verwendung als Knopf oder Besatz an Kleidung kann ich mir sehr gut vorstellen ... Beispiele dafür sind die Trachten der Zünfte und der ländlichen Bevölkerung: zB. die Gold- und Silberstücke an Joppen oder Wämsen.

Eine Verwendung als Schmuck an Pferdegeschirren, Ausrüstung, Klapperblechen oÄ. wäre besonders bei den mehrfach gelochten großen Münzen denkbar. War durchaus üblich in der VWZ.

Eine weitere Möglichkeit ist das Einnähen/Binden in Kleidung und Ausrüstung, der Wert des Metalles war ja übergeordnet der Erhaltung der Münze und schützenswert.

Salü
taurisker

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Beitrag von Pscipio » Di 16.09.08 15:23

taurisker hat geschrieben:Eine weitere Möglichkeit ist das Einnähen/Binden in Kleidung und Ausrüstung, der Wert des Metalles war ja übergeordnet der Erhaltung der Münze und schützenswert.
Genau, besonders im frühen Mittelalter, als Metall generell selten und wertvoll war! Wenn man da welches (sprich: Münzen) im Boden fand, dann warf man es nicht einfach weg, sondern verwendete es wieder, z.B. eben in der Kleidung, als Schnallen, Broschen oder am Zaumzeug, so man denn ein Pferd besass - was an sich schon Reichtum ausmachte.

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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harald
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Beitrag von harald » Di 16.09.08 17:05

Ich glaube mehr oder weniger habt ihr alle Recht.

Eure Überlegungen haben mir so manche Frage beantwortet, vielen Dank.

Offenbar gab es mehrere Verwendungsmöglichkeiten und das nicht nur in der römischen Kaiserzeit.

Dazu fällt mir ein in den 80-ern in Carnuntum tätiger Sucher ein, der auf seiner Tasche eine Unzahl schlecht erhaltener und abgebeizter Spätrömer angeklebt hatte.

Grüße
Harald

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chinamul
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Beitrag von chinamul » Di 16.09.08 18:29

Es gab auch den Wirt einer Seemannskneipe, der seine Theke mit Münzen aus aller Welt (der Knabe saß ja durch seine weitgereisten Gäste gewissermaßen an der Quelle!) benagelt hatte, wobei allerdings antike Münzen wohl eher die Ausnahme gewesen sein dürften.

Gruß

chinamul
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Beitrag von Apocolocyntosis » Di 16.09.08 18:46

Es gab auch den Wirt einer Seemannskneipe, der seine Theke mit Münzen aus aller Welt (der Knabe saß ja durch seine weitgereisten Gäste gewissermaßen an der Quelle!) benagelt hatte, wobei allerdings antike Münzen wohl eher die Ausnahme gewesen sein dürften.
Da bewahrheitet sich die alte Dachdecker-Weisheit: Nageln verbindet..:wink:

Ergebenst
Apo.

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