Was ist ein Rechenpfennig?

Privat ausgegebene Münzen, Notgeld und Münzersatzmittel

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antisto
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Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von antisto » Sa 09.10.10 10:24

"Ein Rechenpfenning ist ein Rechenhilfsmittel, das zum Rechnen auf Linien Verwendung fand. Der Rechenpfennig hat keinen Wert an sich, sondern steht symbolisch immer für einen anderen Wert, je nachdem, auf welcher Linie er sich befindet."
So weit Wikipedia. Aber ehrlich gesagt verstehe ich das nicht so ganz. Könnte mir jemand erklären, was es mit den Rechenpfennigen auf sich hat und wie es sich erklärt, dass manche wirklich kunstvoll und liebevoll gestaltet sind?
In welcher Zeitspanne waren Rechenpfennige verbreitet?
Und... Wie ist es mit dem numismatischen Wert von Rechenpfennigen? Gnerell im unteren Bereich oder gibt es da auch Ausreißer nach oben? Dann müsste es doch wahrscheinlich Literatur geben, wo diese inventarisiert und bewertet sind(?).
Vielleicht genügt ein Link, um meine Fragen zu beantworten. Jedenfalls danke an alle, die mir hier weiterhelfen.
AS
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klaupo
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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von klaupo » Sa 09.10.10 11:55

Moin antisto,

das sind ziemlich viele Fragen, und ich will mal versuchen, einige ansatzweise zu beantworten. Ausführlich lohnt in diesem Forum nicht mehr, denn der Thread wird in kürzester Zeit von irgendwelchen Wertanfragen weggedrückt. Es wäre also Zeitverschwendung.

Wie man auf der Linie gerechnet hat, kannst du am Beispiel der Addition unten nachvollziehen. Die Basissumme (schwarz) wurde aufgelegt, der zu addierende Betrag (weiß) dazugelgt, dann wurden die Steine verschoben bzw. entfernt, und man erhielt die Endsumme (schwarz / weiß).

Die interessantesten und schönsten Rechenpfennige wurden im 16.- Anfang 17. Jh. in den spanischen / habsburgischen Niederlanden hergestellt. Sie sind ein Spiegel der Zeitgeschichte und - natürlich - der Propaganda. Bei diesem Rechenpfennig z.B., der hier mal kurz abgearbeitet wurde, läßt sich eine ganze Menge mehr herausholen - z.B. auf wen er sich bezieht und daß die Umschrift des Originals einen elegischen flämischen Zweizeiler enthält. Hergestellt wurden die Rechenpfennige übrigens oft von denselben Stempelschneidern, die auch für die Münzprägung verantwortlich waren - d.h. von Könnern ihres Fachs. Die Nürnberger lieferten zwar handwerklich ordentliche Kommerzprodukte ab, inhaltlich haben sie weniger zu bieten.

Wenn du vom numismatischen Wert sprichst, ist das etwas anderes als der Marktwert. Der geht - wie überall - bei Spitzenerhaltungen steil nach oben. Hier ein Beispiel . Vor 20 Jahren konnte man solche Stücke in 4-er Lots für 100,- DM erwerben. Die Zeiten sind vorbei. Kataloge gibt es natürlich auch, in der Regel aus dem 19. Jh. und Marktpreise sind dort nicht enthalten - sie unterliegen halt dem Zeitgeschmack.

Das sollte für einen ersten Einstieg reichen.

Gruß klaupo
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Rpfg_Rechnen-n.jpg

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von antisto » Sa 09.10.10 14:26

Das reicht als Einstieg allemal. Hoch interessant.
Werde von daher versuchen, (wenn ich wieder "im Lande" bin) mich ein wenig mehr in das Thema einzuarbeiten und meine paar Rechenpfennige mit anderen Augen betrachten.
Danke!
AS
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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von diwidat » So 10.10.10 00:31

Teilansicht eines alten original Rechentisches im jüdischen Museum in Berlin.
Rechenbrett.jpg
Gruß diwidat

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von antisto » So 10.10.10 16:50

Danke für die nette Ergänzung.
AS
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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von vMadai » Mo 18.10.10 08:45

Und wie gehen die anderen Grundrechenarten?

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von klaupo » Mo 18.10.10 22:04

vMadai hat geschrieben:Und wie gehen die anderen Grundrechenarten?
Das kannst du hier üben ...

Gruß klaupo

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von vMadai » Di 19.10.10 10:21

OK, danke, jetzt weiß ich das ENDLICH auch einmal.
Ich habe schon manchem gezeigt und erklärt, was ein Rechenpfennig ist, musste bei der Beschreibung, was man damit macht, allerdings passen.

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von vMadai » Mi 20.10.10 09:13

Im Lichte des aktuellen Rechenpfennig-Booms habe ich mir meine 3 Exemplare nochmal näher angeschaut.

Vielleicht weiß jemand Näheres:
Alle Messing:
1) 29mm: Lilienwappen, Umschrift: Hans Ulrich Horaufs Rech Pfenn // Rs: Bild eines französischen Königs, Umschrift: LUD... DGFR(ANCIA) ET NAV(ARRAE) REX
(Horauff war Rechenpfennigmacher in Nürnberg 1663-78)
2) 16 mm: Löwe, Umschrift: RECH PFENNING, im Abschnitt: I(?) // Rs.:Büste mit korinth. Helm n.r., Umschrift: ALLEX (!) MAGNUS
3) 23 mm: Kreuzglobus, Umschrift in gotischen Buchstaben // Rs.: 3 Lilien von der Mitte nach außen strebend, dazwischen Kronen, das ganze im Kreis, darum Umschrift in gotischen Buchstaben. (Frankreich um 1500?)

Kennt von euch jemand diese Dinger?
Zuletzt geändert von vMadai am Mi 20.10.10 11:00, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von vMadai » Mi 20.10.10 09:16

Und noch eine anders gelagerte Frage:
Wie kamen die Leute zu diesen Stücken?

Hat man die gekauft? Wozu? einfache Steine oder Holz- oder Blechscheiben etc. hätten es doch auch getan. Konnte man damit angeben?
Waren das sowas wie "Werbegeschenke" der Händler?
Haben die Leute untereinander die Rechenpfennige getauscht, damit sie verschiedene haben, oder haben sie meistens nur einen Satz (80 Stück?) gleiche gehabt? Bedeuteten die Größenunterschiede etwas?

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von vMadai » Do 21.10.10 20:18

Keiner weiß etwas darüber? Schade!

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von Numis-Student » Fr 22.10.10 10:42

Hallo,
deine Nummer 3 hört sich eher nach Nürnberg, vor 1500, an...
Diese Stücke wurden beim Rechenpfennigmacher gekauft. Man hat sie gekauft, um damit zu rechnen ;) .
Einfache Kieselsteine hätten es auch getan, und wurden wohl von der durchschnittlichen Marktverkäuferin auch genutzt. Aber ein Stadtrat, ein Finanzverwalter eines Fürsten oder ein reicher Kaufmann wollte doch etwas Repräsentativeres auf dem Tisch liegen haben.
Zu Tausch oder satzweiser Verwendung kann ich dir nichts sagen. Die Größe sagt grob etwas zur Datierung, auf einem Rechentisch wurden wohl nur gleichgroße verwendet.
Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
wenn nicht ganz vom Kriegführen abzulassen, uns wenigstens so vernünftig zu benehmen wie unsere Vorfahren im achtzehnten Jahrhundert. (A.H. 1949)

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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von Numis-Student » Fr 22.10.10 10:47

vMadai hat geschrieben: Konnte man damit angeben?
Hallo,
hier noch ein schönes "Angeberstück" ;) : http://www.muenzauktion.com/diller/item ... =100218007
Schöne Grüße,
MR
Immerhin ist es vorstellbar, dass wir vielleicht genug Verstand besitzen, um,
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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von antisto » Sa 23.10.10 03:20

Was sagt uns das...?
Danke für den Link, MR!
AS
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Re: Was ist ein Rechenpfennig?

Beitrag von ischbierra » Sa 23.10.10 14:19

Das man im Leben mit allem rechnen muß

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